Ich habe lange überlegt, mit welchen Worten ich Sinneswandel in diesem Jahr verabschieden möchte. Am Ende sind es nicht mal meine Eigenen geworden – aber irgendwie auch doch. Denn gibt es etwas Schöneres, als sich in den Gedanken eines anderen wiederzufinden? In ihrem Gedicht bewegt sie sich kæte mayor von “friedlicher Zerrissenheit”, Umkehrschlüssen, Wagnissen auf der Reise durchs “kosmische Chaos”, das sich Leben nennt. Ein stetiges “(W/H)ANDELN”.
Shownotes:
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► Juliane Liebert: lieder an das große nichts. gedichte. Suhrkamp (03/21).
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Transkript: kæte mayor: (W/H)ANDELN – Von Abschieden, Neuanfängen und stetem Wandel
Wie beendet man ein Jahr wie dieses? Wie endet man überhaupt ein Jahr? Abschied, Neuanfang. Loslassen, einlassen. Wieso eigentlich ausgerechnet am Jahresende? Nachdem 12 Monate, 52 Wochen, 365 Tage und 8.760 Stunden verstrichen sind – ist es jetzt soweit? Wofür eigentlich? Für Neujahrsvorsätze, die gebrochen werden wollen? Nach einem Jahr, das ohnehin wenig von dem halten konnte, was es versprochen hat, dafür aber mit anderen Überraschungen um die Ecke kam? Welche, die ich nicht haben wollte, aber auch solche, von denen ich noch nicht wusste, dass ich sie nicht mehr werde missen wollen. Vieles ist anders gekommen, als geplant. Weil das Leben – Obacht, es wird pathetisch – nicht planbar ist. Zumindest nicht in den Zeiten, die von Leben geprägt sind. Vom Stolpern, Fallen(-)Lassen, Aufrappeln, Taumeln, noch schlaftrunken, manchmal übermütig – oft wankelmütig, zeitweise berauschend. Leben – etwas, für das es keine Anleitung, kein Richtig und Falsch gibt. Nur ein Versuchen. Sich darauf einlassen, loslassen. Von Vorstellungen, wie es auszusehen hat. Wie es geht, wohin es führt. Vertrauen trotz Verschwommenheit. Aller Ambivalenzen zum Trotz – im Innen wie im Außen. Oder wie Juliane Liebert schreibt: “wir brauchen strohfeuer, leuchtbotschaften, die einsamen, die lauten, die leichten dinge: herzrasen, wasserstoffbomben, popcorn”.
Ich habe lange überlegt, mit welchen Worten ich Sinneswandel in diesem Jahr verabschieden möchte. Am Ende sind es nicht mal meine Eigenen geworden – aber irgendwie auch doch. Denn gibt es etwas Schöneres, als sich in den Gedanken eines anderen wiederzufinden? Wenn die Resonanz von Worten zu einer Vibration der eigenen Seele führt? Du bist Reflexion, die mich reflektiert. Und wer weiß, wohin das führt. Wie weit die Strahlkraft trägt. Wir erfahren es nur, wenn wir uns tragen lassen. Wie das gelingen kann, davon erzählt kæte mayor. In ihrem Gedicht bewegt sie sich von “friedlicher Zerrissenheit”, Umkehrschlüssen, Wagnissen auf der Reise durchs “kosmischen Chaos”, das sich Leben nennt. Ein stetiges “(W/H)ANDELN”. Davon erzählt kæte mayor – die mich nicht nur als (Lebens-)Künstlerin inspiriert, sondern auch als Freundin immer wieder lehrt, trotz oder vielleicht auch gerade der Tiefen wegen, immer wieder die Leichtigkeit zu entdecken. ich danke dir kæte. Und danke euch, dass ihr uns euer Ohr schenkt. Danke, dass ihr Sinneswandel möglich macht.
(W/H)ANDELN von kæte mayor
INTRO_____
der Herbst hat mal wieder
alles gegeben
und tanzt aufs neue
mit der Vergänglichkeit
feuerrot
dem silbern schimmernden
Kälteeinbruch entgegen
gespaltene Gefühle
während dieser Übergangszeit
irgendwas
zwischen euphorischer Melancholie
tobender Ruhe
und friedlicher Zerrissenheit
Manchmal
nimmt der Tag kein Ende
dann ziehen sich
die vierundzwanzig Stunden ewig
Manchmal
kann der Tag
vor lauter Vorfreude
auf den nächsten Tag
nicht schnell genug enden
Und manchmal
ist die Magie zu schön
und zu intensiv
um den Tag durch den Schlaf
zu beenden
Genau dann
fliegt die Zeit zu schnell vorbei
und wir wünschen uns
nichts sehnlicher
als ein paar zusätzliche
Sternstunden herbei
ÜBERWINTERN——
der kühle Winter naht
und bejaht
zum Ende des Kalenderjahrs
mit frischer Klarheit
den schillernden Neustart
auf dem Papier wird bald
ein einschneidender Zahlensprung notiert
und damit
eine anstehende Veränderung
assoziiert
so motiviert
werden neue Vorsätze und Wünsche
auf die Sekunde genau
datiert
die inneren Stimmen
zählen zusammen
den Countdown
schreien
nach einem Neubeginn
..
neue Runde
neues Glück
neue Hoffnung
und neue Erwartungen
die das neue Kalenderjahr schmückt
..
IN(S)HIDE____
Sehen wir wirklich
unsere funkelnde Zukunft vor uns?
oder handelt es sich
bei dem vermeintlichen Neustart
nur um einen
eigens kreierten Trugschluss?
Wir sehnen uns zwar
nach einem neuen Abschnitt
vor lauter Euphorie
Vernachlässigen wir allerdings
die Anteilnahme am Abschied
Einmal im Jahr wird
kurz mal eben drüber nachgedacht
„Was wurde so gemacht„
„mit wem hat man
eine schöne Zeit verbracht“
die positiven Eindrücke werden
auf dem Zahlenstrahl aufsummiert
und am Jahresende
durch die Anzahl aller erlebten Tage dividiert
Kurz
durch den Überschuss an Serotonin verführt
kurz
die vergangenen Erinnerungen gefühlt
kurz
durch die warmen Gedanken berührt
Das Sammelsurium
an bedrückenden Erfahrungen
wird oft bei der Abschlussrechnung ausgeklammert
und überdurchschnittlich unterdimensioniert
Der Schmerz im Minus Bereich
sprengt zwar die Skala
wenn man die Zahlen
allerdings quadriert
werden diese
durch den Vorzeichenwechsel
im Positivum relativiert
Durch die Gleichung
lässt sich eins erkennen:
unterm Strich
bildet der Durchschnitt
die Randbedingung
die wird unbemerkt
in unseren Alltag integrieren
ganz unbemerkt
werden Stillstand und Gewohnheit
die Konstanten
des eigenen Lebenswerk
die Vergangenheit zu verdrängen
Ist dementsprechend eine Verzweiflungstat
geleitet durch die Begierde
die Wirklichkeit zu verändern
In die Gegenwart zurückgekehrt
verbleiben die Gefühle unstrukturiert
Und die verblassenden Erinnerungen
scheinen der einzige Halt
nach Sicherheit
UEBERWINDUNG_____
Dabei äußern sich Veränderungen
Lediglich in Unterschieden
zu den bereits gemachten Erfahrungen
abhängig der Umstände
birgt es immer ein Restrisiko
mit der Zukunft
Verhandlungen zu führen
Wenn wir uns
die Konsequenzen bildlich
vor Augen führen
bei Gegenwind
bedarf es großen Mutes und Überwindung
gemischt mit Blindvertrauen
in das eigene Können
um die Kraft der inneren Stärke
kennenzulernen
Wegen der Befürchtung vor
etwaiger Konsequenzen
geben wir uns
unserer alten Routine hin
anstelle unsere Prioritäten
klar zu setzen
brechen wir
unsere eigenen Versprechen
Der Umkehrschluss
ergibt sich daraus,
dass sich der gegenwärtige Zustand
etwas zieht,
und die lang ersehnte Abfahrt
In Richtung Einklang
sich nach hinten verschiebt
durch die Warterei
und die Ungewissheit
Werden Selbstzweifel geschürt
“Denn was,
wenn das was kommt
Uns nicht genügt?“
Wie soll der Neustart aussehen,
mit dem Wunsch nach
gleichzeitig der Furcht vor
Veränderungen?
Wie können wir die Veränderungen
für uns nutzen und lenken
um leichter Entscheidungen zu fällen
und die Zukunft mit Zuversicht entgegenzunehmen?
Was bedeutet schon Scheitern?
Wie wird Erfolg bemessen?
Und wie entlarven sich
unsere Fehlentscheidung?
Eins haben wir gelernt
nämlich
dass der Gewohnheit zu verfallen
das Leben erschwert
und um jeden Preis
gefallen zu wollen
über kurz oder lang
zum Fall der Authentizität führt
Egal wie oft wir das Blatt drehen
und versuchen uns
den Veränderungen zu entziehen
können wir der süßen Versuchung des Wandels
nicht widerstehen
WANDELN___
Wandel ist ein
Prozess aus Dynamiken
die Miteinander
im Wechselspiel agieren
Wandel ist grenzenlos
und viel mehr
als nur eine wage
Änderung der Konturen
Wandel ist weitaus größer
als eine zeitabhängige Verwandlung
in einem beschränkten Rahmen
unter erdrückenden Randbedingungen
zwischen Dezember und Januar
Wandel ist allgegenwärtig
und unumgänglich
Wandel formt den Sinn
und ist für den Erhalt seiner selbst
Lebens notwendig
Wandel ist permanent
mal mehr mal weniger existent
zu Beginn
bekommen wir jedoch wenig
von dem Wandel mit
aufgrund seiner unterschwelligen Präsenz
In unserem Kosmos
haben wir Einfluss auf den Wandel
denn dieser wird verstärkt
und angetrieben
durch selbstbestimmtes Handeln
HANDELN____
wir sind am Zug
„etwas zu tun“
anstatt
„nur so zu tun“
ansonsten bleibt der Wandel
durch den Neubeginn
lediglich eine Illusion
die Karten werden neu gemischt
allerdings nicht
durch den Beginn
eines neuen Kalenderjahres
sondern durch Eingeständnis
der selbst bestimmten
und eigenen Versäumnis
Es geht darum aktiv
die Chancen zu ergreifen
anstatt verpassten Gelegenheiten
atemlos hinterher zu eilen
wir sind mitverantwortlich
für eine Veränderung
Zugunsten unserer Zufriedenheit
anstatt in ungünstigen Momenten
die Angst zu forcieren
können wir uns
mit unserem Bewusstsein in Verbindung setzen
Gar verschmelzen
und als Teil eines größeren Ganzen
fungieren
und schließlich
beim Verblassen der Grenzen
Frieden finden
Wir können
bleiben und lernen
auszuharren und zu verweilen
an Orten die einen einst
zur Flucht verleiten
wir haben die Möglichkeit
aus unserer Vergangenheit zu lernen
aus den Wunden die offen lagen
die wir selber erschufen
und die wir stetig
zu flicken versuchen
Wir können lernen
uns auf die Lektionen des Lebens
vorzubereiten
Lernen zu verstehen,
nicht zu verstehen,
worum es im Leben geht.
wir besitzen die geistige Freiheit
mit unserem Verstand
in der Zukunft zu leben
und sind in der Lage zu bestimmen
in welche Richtung
wir uns in Zukunft bewegen
wir haben die Option
und damit das Privileg
unseren Weg zu wählen
anstatt nur zuzusehen
Anstatt auf den Wandel zu warten
handelt das Leben viel mehr davon
die volle Schönheit
und den vollen Genuss
an diesem Ort
zu einem späteren Zeitpunkt
auszukosten
und mitzugestalten
denn die Schönheit des Augenblicks
offenbart sich erst im Anschluss
wenn die Zufriedenheit
tief in unsere Seele blickt
Lasst uns spüren und erleben,
um noch intensiver zu Fühlen,
wie das Leben sich entwickeln kann
durch die unzählbaren Möglichkeiten
die bestehen
mit der Option
leichter durchs Leben zu schweben.
Es ist egal welche Taktik wir fahren,
und was unsere Vorsätze besagen
solange wir unsere Ziele benennen
und versuchen unsere Träume zu jagen
Werden wir in prächtigen Farben baden.
Einfach mal vom Leben
durch die Gegenwart leiten lassen
statt zu flüchten
gelegentlich
die Gegenwart vom Leben verleiten lassen
AUSSICHT____
Wem es verwehrt ist
die volle Schönheit des Lebens zu erleben
und mit ihr im Sternenmeer unterzugehen
wird zum hellsten Stern
der ewigen Nacht
im tiefen Blau
über dem Horizont
der jeher
über alle von uns wacht
sie ertappen uns dabei
wie wir in ihren Sternbildern verloren gehen
ohne sie
wären wir bloß etwas Leben
ohne jeglichen Sinn
Mit leuchtenden Augen
dem Licht zugewandt,
schweben wir dahin
wie auf Wolken,
In schmeichelnder Wärme,
gehüllt in einen Umhang
aus Glückseligkeit,
Freude,
Liebe
und Leichtigkeit.
___
(NEU)JA
Die Liste meiner Vorsätze
endet nicht
sondern füllt sich
und ergänzt sich stetig
Sie erinnert mich
An die Lektionen
die waren,
mich unerwartet überkamen
und mich auch zukünftig noch
erwarten
Ich sage
„Ja ich will“
Dankbar sein
und Einsicht zeigen,
andere Gefühle respektieren
die eignen gewaltfrei kommunizieren
und dabei ehrlich bleiben
Ich will
versuchen zu sehen
aktiv zuhören
besser verstehen
Stärken zusprechen
Und Schwächen annehmen
Ich will
Fokus legen
Und Pläne schmieden
Optionen Abwägen
die Karten offen legen
und mit offenen Armen bereit stehen
endlich von dem Ballast lösen
und fallen lassen
vom Boden der Tatsachen abheben
die Kontrolle abgeben
„Ja ich will“ mich auf die Reise
ins kosmischen Chaos begeben.
Freie fahrt
der Ungewissheit
und unendlichen Möglichkeiten
entgegentreten.
Ich danke euch fürs Zuhören und hoffe, dass kætes Worte auch mit euch auf die ein oder andere Art räsonieren. Wenn euch die Episode gefallen hat, dann freuen wir uns natürlich sehr, wenn ihr sie mit Freunden teilt. Ganz besonders bedanken möchte ich mich an dieser Stelle noch einmal bei allen, die uns das Jahr über via Steady als Fördermitglieder unterstützt und damit erst Sinneswandel möglich gemacht haben. Das ist alles andere als selbstverständlich und macht mich unglaublich dankbar und glücklich. Wenn ihr uns also ein kleines Weihnachtsgeschenk machen möchtet, dann unterstützt uns gerne via Steady oder, ihr schickt uns einen Betrag eurer Wahl an Paypal.me/Sinneswandelpodcast. Das steht aber auch alles noch mal in den Shownotes. Ich wünsche euch allen einen erholsamen Jahresausklang, seid gut zu euch und anderen. Wir sehen uns in 2022 im Sinneswandel Podcast!