Laut gedacht: Was wäre gewesen, wenn…?

von Marilena

Gleichzeitigkeit – ein Konzept, das zunächst abstrakt wirkt, im Alltag aber ständig präsent ist. Wir erleben Dinge parallel, denken an Vergangenes, während wir in der Gegenwart handeln, und nehmen Welten wahr, die scheinbar im Widerspruch zueinanderstehen. Mit meinem Freund David spreche ich darüber, wie diese Gleichzeitigkeit unser Denken, Fühlen und Handeln beeinflusst – und warum es manchmal befreiend sein kann, Widersprüche einfach nebeneinander existieren zu lassen.

Shownotes

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Hallo und herzlich willkommen im Sinneswandel-Podcast. Ich bin Marilena – schön, dass ihr dabei seid.

Vielleicht habt ihr’s gemerkt: Es hat mal wieder ein kleines bisschen länger gedauert, bis diese neue Folge online gegangen ist. Das lag nicht daran, dass mir nichts eingefallen wäre – im Gegenteil. Aber ich habe in den letzten Wochen gleichzeitig an einem anderen Projekt gearbeitet. Das hat zwar nichts mit meinem Podcast zu tun, ist aber auch ziemlich aufregend. Und genau das passt natürlich perfekt als Überleitung zum Thema: Gleichzeitigkeit.

Allerdings wird diese Folge etwas anders als gewohnt. Und zwar dachte ich: Vergangenes muss ja nicht immer schlecht sein. Deswegen hab ich ein altes Format aus der Schublade gekramt: “Laut Gedacht”. Das gab es während der Corona Pandemie schon mal. Es ist eigentlich ganz simpel: Ich setze mich mit einer Person – meistens eine, die ich persönlich kenne und die mich in irgendeiner Form inspiriert – zusammen und wir denken gemeinsam laut nach. Die Themen können banal und alltäglich sein, wenn man länger darüber nachdenkt, haben sie aber eigentlich immer eine tiefere Ebene.

Und für diese Folge habe ich jemanden eingeladen, mit dem ich sowieso ständig laut nachdenke: meinen Freund David. David ist Musiker. Und das Thema, über das wir sprechen, begleitet ihn schon etwas länger, würde ich sagen. Wieso erzählt er gleich selbst.

Aber die Gleichzeitigkeit der Dinge ist nicht nur ein persönliches, sie ist auch ein politisches  Thema. Während an einem Ort Krieg herrscht, wird anderswo gefeiert. Vieles fühlt sich im Moment unglaublich widersprüchlich an, finde ich.

Bevor wir mit dem Nachdenken beginnen, möchte ich noch kurz darauf hinweisen, dass ihr meine Arbeit unterstützten könnt, wenn sie euch gefällt. Das geht ganz einfach via Steady oder über Paypal.me/SinneswandelpodcastMehr dazu in den Shownotes.

Marilena: Hallo David.

David:  Hallo, Marilena.

Marilena: Bisschen ungewohnt, so auf die Art zu reden, oder?

David: Ziemlich.

Marilena: Ich habe mir gedacht, laut nachdenken kann man am allerbesten, wenn man relaxed ist. Deswegen habe ich dir was mitgebracht, was du sehr gerne magst, und zwar ein Bierchen, ein helles.

David: Ha, das ist ja süß.

Marilena: Vielen Dank. Hast du was zum Aufmachen? Merci.

David: Ja, danke dir. Cheers!

Marilena: Wo wir das geklärt haben und jetzt, während wir sprechen, gleichzeitig ein Bierchen trinken können, habe ich mir gedacht, dass wir zum Anfang als kleine Icebreaker quasi gleichzeitig das Wort sagen, was uns als erstes einfällt, wenn wir an das Thema der Folge, nämlich Gleichzeitigkeit, denken. Ja. Also ich zähle auf drei runter und dann sagen wir einfach gleichzeitig ein Wort. Ready?

David: Ja.

Marilena: Drei, zwei, eins, Quantenmechanik. Was hast du gesagt?

David: Ich hab Entspannung gesagt.

Marilena: Ich glaube, wir könnten auf jeden Fall kaum weiter auseinanderliegen. Alright, dann starte du. Ich bin gespannt, was Entspannung mit Gleichzeitigkeit zu tun hat.

David: Ja, voll gerne. Also, wir haben ja in den vergangenen Monaten häufig mal darüber gesprochen, und das ist ja auch der Grund, warum wir jetzt hier sitzen und vor allem, warum wir genau darüber jetzt miteinander sprechen. Ich finde das irgendwie auf eine Art manchmal total beruhigend zu wissen, dass überall auf der Welt so viel Kram gleichzeitig los ist. Also im Detail hier um die Ecke irgendwer jetzt Eis essen, Wäsche waschen, Sport machen, egal, das gibt mir irgendwie eine totale Ruhe. Das ist immer eine Möglichkeit kurz raus zu zoomen und sich einfach irgendwie zu entspannen, weil man weiß, die eigenen Probleme sind so klein und es gibt so viele Probleme.

Marilena: Meinst du so, dass quasi, also ich kenne das, wenn ich an Leuten vorbeilaufe und quasi so Gesprächsfetzen.

David: Ja, ja, ja.

Marilena: Dann bin ich so, ah krass, okay, die Person hat sich gerade getrennt, bei der ist gerade das los, also nicht, dass ich mich irgendwie an dem Leid anderer ergötze, aber so, dass man merkt, ah ja, krass, na klar, irgendwie andere Menschen haben auch gleichzeitig ihr eigenes Leben, obwohl es die hat.

David: Total. Ich finde, auf eine Art ist mir das spät erst aufgefallen und jetzt finde ich es dann umso faszinierender. Ich habe einfach früher noch nie darüber nachgedacht und ich hatte irgendwann so einen Moment wie so eine Epiphanie, wo ich dann einfach das so ganz extrem gemerkt habe und es hat mich irgendwie einfach seitdem begleitet mich das total. Es ist einfach immer so ein positiver Ort im Kopf, an den ich zurückkommen kann, der mich entspannt.

Marilena: Voll interessant, weil als ich über das Thema nachgedacht habe, oder das heißt das Thema, aber über Gleichzeitigkeit und die Gleichzeitigkeit der Dinge nachgedacht habe, ist mir vor allem erst mal auch eingefallen, so boah, irgendwie passiert so viel gleichzeitig und ich finde das stressig. Also wenn ich mir überlege, so Menschen, die vor uns aufgewachsen sind, also ich meine, wir sind immerhin schon mit dem Internet aufgewachsen, so ungefähr, dann war da noch viel weniger gleichzeitig. Also wenn eine Nachricht rausgekommen ist, dann kamen die halt mit der Zeitung am nächsten Tag oder klar, irgendwie auch mit dem Fernseher, aber wir bekommen halt alles im Zweifelsfall irgendwie über Social Media, über X oder was weiß ich mit und mich stresst das schon irgendwie auch ziemlich doll.

David: Auf jeden Fall, vor allem man, es gibt ja jetzt nicht mehr nur eine Art von Nachrichten, die man konsumieren kann, also es ist ja, selbst da passiert ja so viel gleichzeitig und da stimme ich dir zu, es ist auf jeden Fall mega widersprüchlich, dass ein, das Tempo, was unsere Welt jetzt hat, so entspannen kann, aber irgendwie macht es das eigentlich auf eine Art mit mir und ja, ich meine gleichzeitig, gleichzeitig ist zum Beispiel so in Bezug auf unsere heutige Arbeitswelt und wie jetzt Leute aufwachsen, das ist natürlich einfach so ein Tempo da reingekommen, selbst in unserer eigenen Lebenszeit, wie sich die Dinge halt verändert haben, das ist auf jeden Fall, ja, ein Unterschied und das ist natürlich keine Entspannung, das ist einfach nur mega stressig.

Marilena: Allein, also ich meine, ich kenne dich relativ gut, du kennst mich relativ gut. Ich würde sagen, wir sind beides Menschen, die nicht besonders gut Dinge an sich, also eine Sache zur Zeit machen können. Auch das ist ja, also so Stichwort Multitasking, auch ein bisschen banal, aber ist ja auch eine Gleichzeitigkeit irgendwie. Es fällt mir so schwer, also wenn, wenn du nicht dabei bist und ich irgendwie versuche einen Film oder eine Serie oder so zu gucken, dann bin ich immer an meinem Handy am Rumdaddeln und ich schaffe es einfach nicht, irgendwie so eine Sache so richtig zu machen, sondern irgendwie immer irgendwas gleichzeitig, ist auch ein bisschen…

David: Irgendwie spannend, dass es manchmal so schwer ist, was zu tun, was gut für einen selbst ist. Weil ich meine, man fühlt sich ja einfach nur beschissen, wenn man eine Stunde lang auf drei Screens hin und her irgendwas geguckt hat. Das ist ja einfach eine schlechte Zeit, die man da hat. Ich glaube, das hat teilweise fast was mit Aushalten zu tun auf eine komische Art und dass unsere Konzentrationsspannen einfach ein bisschen geschrumpft sind. Und jetzt zum Beispiel so in Bezug auf die Arbeit oder auch Kreativität. Ich finde es verrückt, weil ich früher eigentlich immer irgendwie irgendwas so schreiben konnte und mittlerweile brauche ich da einfach so Uhrzeiten für. Ich weiß genau, wenn ich zum Beispiel abends im Studio bin oder ich mache Musik, dann ist es halt für mich mega cool, weil dann weiß ich, mein Handy klingelt nicht, es kommen keine E-Mails rein. Natürlich kann ich den ganzen Quatsch auch ausmachen, aber das ist dieses Ding von Dringlichkeit versus Wichtigkeit. Man hat einfach häufig irgendjemanden, der sich dann doch oder die sich dann doch meldet und dann ist man so, ja okay, gehe ich kurz ran, beantworte ich kurz, erledige ich, dann ist es ja erledigt. Und das eigentlich wichtige Ding, wo man von Anfang an vorhatte, das will ich heute schaffen, das bleibt irgendwie dann manchmal auf der Strecke oder wird wieder unterbrochen und so. Und das ist sauschwierig. Also ich bewundere Menschen, die das so richtig krass unter Kontrolle haben.

Marilena: Weil total, für mich sind das die Morgenstunden, das für dich die Abendspaziergänge.

David: Ja, aber es ist ja eigentlich die gleiche Geschichte. Es ist einfach nur quasi halt, bevor alle anderen am Start sind.

Marilena: Weißt du, was mir auch noch eingefallen ist, eigentlich gerade wirklich erst, wo wir darüber sprechen, dass wir ja nicht nur in einer Zeit leben, wo eben viel gleichzeitig passiert, sondern auch, dass es sozusagen mehrere, auf eine Art mehrere Wahrheiten gibt. Also natürlich gab es auch schon früher so mehr Menschen mit verschiedenen Sichten auf die Welt, aber jetzt auch allein durch KI oder so, also wie viel Fake News es gibt, es gibt ja so ein bisschen diesen Begriff irgendwie der, wie heißt das noch, der Post-Wahrheit oder so. Oh Gott, mir fällt der Name gerade nicht richtig ein, aber ich recherchiere das nochmal. Dass es sozusagen eben nicht mehr diese eine Wahrheit gibt, sondern mehrere, dass man damit halt viel stärker noch konfrontiert wird, ob das jetzt halt, also in Konflikten irgendwie auf der Welt ist, so natürlich gibt es verschiedene Sichten da drauf, irgendwie auf Kriege oder alles Mögliche, aber dass man noch viel stärker eben mit so Fake-Realitäten auch konfrontiert ist.

David:  Ja, checke ich. Also irgendwie ist vielleicht die in Anführungsstrichen objektive Wahrheit in ihrem Wert so ein bisschen weniger oder die ist so geschrumpft, weil Leute einfach mit so offensichtlich falschen Dingen einfach durchkommen. Das war früher, glaube ich, schon echt anders, jedenfalls eine Zeit lang.

Marilena: Und auch gleichzeitig gibt es ja viele AI-Welten, in denen man halt auch oder generell so andere Welten, in denen man untertauchen kann irgendwie, in der man als ganz anderer Mensch jetzt in so einem Cyberspace halt irgendwie auch leben kann und eine andere Identität halt irgendwie auch dadurch bekommt.

David: Ja, das wiederum ist ja eigentlich ganz schön aufregend, Metaverse und so, also ehrlich gesagt bisher noch nicht so besonders reizvoll für mich, aber ich glaube, man muss sich da manchmal auch so ein bisschen einfach drauf einlassen und davon überraschen lassen, was da noch so auf uns zurollt.

Marilena: Und das Schöne ist ja eigentlich tatsächlich dabei, sich zu überlegen, okay, vielleicht gibt es eben nicht nur die eine Wahrheit, sondern es gibt unterschiedliche Wahrheiten, weil ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich finde im Alltag ist es schon sehr häufig so, dass man merkt, okay, viele Menschen wünschen sich irgendwie so eine Wahrheit oder sind so, nee, es gibt das eine oder das andere schwarz-weiß und ertragen nicht, dass es halt irgendwie eine gewisse Ambivalenz oder Ambiguität eben auf der Welt gibt. Und irgendwie haben wir diese Ambiguitäts-Toleranz scheinbar einfach so ein bisschen verloren oder es fällt vielen Menschen schwer und das Verrückte ist, und deswegen habe ich vorhin, als wir runtergezählt haben, das Wort Quantenmechanik gesagt, dass es tatsächlich eben in der Quantenmechanik genau das gibt. Also ich erkläre gar nicht noch, was Quantenmechanik ist, also nicht, dass ich mich damit auskennen würde, aber da ist es tatsächlich so, dass eine Gleichzeitigkeit existiert, also eben nicht nur theoretisch, sondern wirklich auf einer physikalischen Ebene. Und weißt du, was Quantenmechanik ist?

David:  Vielleicht wusste ich’s mal, ich kann mich absolut gar nicht mehr daran erinnern.

Marilena: Ist auch ehrlich gesagt ziemlich kompliziert. Ich würde einfach mal sagen, Harald Lesch, den viele wahrscheinlich kennen, der kann das viel besser erklären und das überlasse ich jetzt mal ihm.

Harald Lesch: Ja, die Quantenmechanik scheint ja so eine ganz geheimnisvolle Geschichte zu sein. Wenn man die zu lange betreibt, so sagen einige, dann würde man irre werden. Es gibt so Sätze wie, wer behauptet, die Quantenmechanik verstanden zu haben, der hat sie nicht verstanden. Im Bermuda-Dreieck der Quantenmechanik sind ja schon viele verloren gegangen, aber es gibt eine Rettungsinsel. Und das ist die Natur.

Marilena: Okay, ich gebe zu, das erklärt jetzt noch nicht so wahnsinnig viel, aber vielleicht ganz kurz gefasst. Die Quantenmechanik ist quasi so ein Teilgebiet von der Quantenphysik und die beschreibt eben die Bewegung und das Verhalten von so ganz, ganz, ganz, ganz kleinen Teilchen, die man sich eigentlich gar nicht vorstellen kann, auf so einer ganz kleinen Ebene, also so Atome, Elektronen, Photonen. Das sind so Begriffe, die man vielleicht schon mal irgendwie im Physikunterricht gehört hat. Und diese Teilchen, die entsprechen nicht wirklich mehr den Regeln, die halten sich nicht an die Regeln, die wir hier in der Welt kennen, sondern die folgen ganz, ganz anderen Regeln. Und ohne diese quantenmechanischen Regeln, die es gibt, würde die Welt, in der wir hier leben, in der wir existieren, das ist das Krasse, nicht existieren. Also die Quantenmechanik brauchen wir, ganz, ganz dringend, das habe ich zumindest irgendwie verstanden. Und laut dieser Quantenmechanik ist es so, dass eins dieser kleinen Miniteilchen an mehreren Orten gleichzeitig existieren kann. Das ist so ein bisschen, kannst du dir vorstellen, wie wenn du einen Lichtschalter hast und dieser Lichtschalter kann sowohl auf an als auch auf aus sein und das zur gleichen Zeit. Und allein das, ich weiß nicht wie es dir geht, aber das ist ja eigentlich für uns nicht vorstellbar.

David: Genau, das macht einfach keinen Sinn.

Marilena: Genau, ja. Also das, was Harald Lesch auch meint, ist irgendwie, also man versteht es nicht. Und dieser Zustand, den nennen die PhysikerInnen dann Superposition. Das heißt, auch weiter gedacht, dass das, was wir hier in dieser Welt, in der wir leben, verstehen, erleben, also mit unseren Sinnen erleben, ist nur ein kleiner Teil von dem, was halt tatsächlich wirklich da draußen in der Welt passiert. Also eben, wir erleben eigentlich nur eine begrenzte Realität. Und es gibt halt total viele Filme, die das halt aufgreifen, so diese Gleichzeitigkeit auch in der Quantenwelt so ein bisschen oder diese Möglichkeit, dass da draußen noch was anderes gleichzeitig existiert.

David: Ja, genau. Ich meine, einer der Filme, den ich ja wirklich liebe und irgendwann werde ich dich noch dazu bringen, den auch zu Ende zu gucken mit mir ist Everything, Everywhere, All at Once, der das Thema in gewisser Form behandelt, weil es geht so um Universen und Sprünge zwischen verschiedenen Welten, wo ein und dieselbe Person völlig andere Fähigkeiten hat. Wahrscheinlich kennen viele Personen, die hier zuhören auch diesen Film, aber es geht eigentlich um eine Familie, die einen Waschsalon betreiben und ein völlig gewöhnliches Leben führen und bei einer Steuerprüfung passiert irgendwas Unvorhergesehenes und die Hauptdarstellerin springt dann plötzlich zwischen den Universen und muss, jetzt so sehr runtergebrochen, sie muss die Welt retten und es ist einfach ein unfassbar charmanter, kreativer und lustiger Film, der sich ja schon irgendwie mit der Gleichzeitigkeit der Dinge beschäftigt, weil man irgendwie anhand des Films so ein bisschen auf eine sehr spielerische Weise gezeigt bekommt, wäre man alles gewesen sein könnte, hätte man an einer anderen Stelle andere Entscheidungen getroffen, wäre vielleicht an einem anderen Ort auf die Welt gekommen und so weiter und so fort.

Marilena: Den Gedanken finde ich so spannend. Das stelle ich mir ganz oft als Frage. Also nicht, dass ich so irgendwas krass bereuen würde, aber eher so wirklich so, oh mein Gott, ich habe schon überlegt, darüber würde ich eigentlich gerne meine Geschichte oder irgendwie ein Buch schreiben.

David: Eventualitäten, quasi.

Marilena: Ja, genau, also so die Lebensverläufe, weil manchmal sind es ja wirklich Kleinigkeiten, die entscheiden, wo man irgendwie abbiegt und die einen dann auch irgendwie total prägen oder das Leben halt krass entscheiden, also ob das jetzt so schicksalhafte Dinge sind, ja auch nicht schöne Dinge im Leben, aber manchmal ja auch einfach kleine, mini Dinge.

David: Ja, das und was ich auch voll krass daran finde, ist, dass ich war noch nie eine Person, der jetzt so Dinge so mega zugeflogen sind und ich war so von einem auf den anderen Moment hat, was so mega funktioniert, aber dadurch bin ich ein riesen Verfechter von so Beständigkeit, einfach zu wissen, okay, wenn ich jeden Tag ein kleines bisschen näher an mein Ziel komme, dann bin ich halt irgendwann auch da. Das bedeutet ja aber wiederum auch, wenn ich jetzt die Entscheidung treffe, dass ich halt jeden Tag mich in die Richtung bewege, dann führe ich ein völlig anderes Leben, als wenn ich in die Richtung gehe und so und das ist halt irgendwie faszinierend, was das quasi nicht von heute auf morgen, aber von heute auf in fünf Jahren für einen krassen Impact auf das eigene Leben haben kann. Selbst wenn es nur, das klingt jetzt irgendwie so Coach-mäßig, 30 Minuten am Tag oder so irgendwas machen, ich finde das gerade voll faszinierend, weil ich auch wieder Bock habe, so mehr Sachen zu lernen, also weil man damit im Erwachsenenleben manchmal auch fast so wieder aufhört, weil man irgendwie denkt, ja, mein Gott, ich kann jetzt ja irgendwie genug, ich kann jetzt ja damit Geld verdienen, dann ist doch alles fine, aber an sich ist es doch das Geilste überhaupt, so ein halbes Jahr zurückzugucken und zu denken, hey, keine Ahnung, ich kann jetzt. Tanzen oder irgendwas. Irgendwie muss man einmal so ein bisschen über diese Schwelle von sich trauen, da jetzt reinzugehen, halt rüber, aber dann ist es ja das Beste auf der Welt.

Marilena: Ja, und weißt du, was mich manchmal richtig krass frustriert? Dass ich quasi, also ich würde sagen, ich bin jemand, der schon viele unterschiedliche Interessen hat, so. Und ich war noch nie eine Person, die sofort im Leben wusste, ah, ich möchte genau diese eine Sache machen. Und irgendwie frustriert es mich halt manchmal total doll, dass ich nicht irgendwie ständig was anderes machen kann. Also ich kann zum Glück in dem, was ich tue, kann ich sehr viel von dem, was mich interessiert, unterbringen. So als Journalistin kann ich halt sehr vielfältig arbeiten, und mache auch ganz unterschiedliche Sachen, kann mich, das ist halt auch ultrageil, mit ganz vielen unterschiedlichen Themen auseinandersetzen. Und Menschen, ja. Ja, und deswegen liebe ich auch diesen Podcast, weil wie viele Menschen ich gleichzeitig hier schon irgendwie kennenlernen durfte, oder auch mich mit Themen beschäftigen konnte, das ist halt einfach richtig, richtig, richtig toll. Aber ja, es frustriert mich, dass ich nicht ständig meine Identität oder meine Rolle halt verändern kann.

David: Ja, wobei es wird ja jetzt heutzutage irgendwie so moderner, das ist vielleicht ja auch so ein Aspekt von Gleichzeitigkeit, dass man das eine und auch das andere sein kann, teilweise leider auch sein muss, aber ich meine…

Marilena: Stimmt, so Rollen.

David: Rollen, ja, genau. Ich meine jetzt erst mal so ganz basic, um auf das, was du vorher gesagt hattest, einzugehen. Wir sind jetzt halt in einer Zeit, wo wir selber haben in unserem Umfeld so viele Leute, die halt mit Anfang 30 sagen, fuck it, nee, das war’s nicht, jetzt so. Und da wird ja nicht mit dem Finger draufgezeigt oder irgendwas, sondern eigentlich wird’s gefeiert. So, weil das so toll ist, wenn Leute irgendwie diesen Mut haben, sich einfach nochmal da reinzuwerfen und sich zu fragen, ja, wer bin ich diesmal? Und das ist ja einfach nur aufregend für alle, dabei zu sein.

Marilena: Wobei es natürlich auch ein krasses Privileg ist, diese Entscheidung nochmal so treffen zu können.

David: Das stimmt natürlich. Das ist völlig richtig. Ja, und dann dieser andere Aspekt von Arbeit, dass man halt, weiß ich nicht, ich meine, ich mache Kunst, also Musik, und ich bringe die Musik raus. Das heißt, ich muss mich da irgendwie hinstellen und halt auch sagen, hey, hat ihr Bock, das zu hören und so weiter und so fort? Was bedeutet, ich bin plötzlich quasi aus der Rolle vom Studio hier alles aufnehmen, raus und muss das promoten? Durch die sozialen Medien ist das ja auch, keine Ahnung, vor zehn Jahren, wo ich so richtig, oder noch länger her, angefangen habe, Musik zu veröffentlichen. Da hat das bedeutet, du machst ein Musikvideo, lädst das hoch und dann können die Leute sich das anhören. Und dann schaut man mal in einem halben Jahr, wie es so lief, aber so richtig viel mehr gab es gar nicht. Und jetzt ist es ja quasi, irgendwann gab es dann Storys und bla, und dann ist man irgendwann so, okay, ich kann eigentlich gar nicht mehr genug tun. Aber diese Rollen alle irgendwie gleichzeitig auszufüllen, ist echt challenging, vor allem, wenn man dann ja auch noch Freundschaften hat und so weiter und so fort. Das ist auf jeden Fall eine sehr draining Zeit, was das angeht.

Marilena: Ja, apropos Kunst, Musik, wann kommt denn eigentlich dein Song raus zum Thema Gleichzeitigkeit?

David: Ja, äh, das ist ne gute Frage.

Marilena: Oh Gott, das klingt jetzt wie ein Werbepitch.

David: Nee, nee. Das Ding ist, das war ja so ein bisschen die Basis. Ich wollte so gerne ein Lied darüber schreiben und ehrlich gesagt, das, was ich damit ausdrücken wollte, habe ich noch nicht ganz geschafft. Deswegen weiß ich gar nicht, ob der überhaupt rauskommt am Ende.

Marilena: Duality, oder?

David: Duality, ja. Ich finde das Wort Duality ist cool, weil ansonsten, also eigentlich ist es ja nicht die direkte Übersetzung, aber irgendwie so simultaneous oder so, das kannst du halt nicht singen. Das klingt ja arsch. Und deswegen, mal schauen, ob der überhaupt rauskommt. Ich habe irgendwie so ein Gefühl gehabt aus dieser Epiphanie-Situation heraus, die ich eben meinte, wo ich dachte, okay, ich will dieses Gefühl irgendwie in Form von einem Song festhalten und jetzt ist es mega kitschig geworden, viel zu kitschig und dann muss ich mal gucken, ob ich es irgendwie noch gedreht bekomme.

Marilena: Kitsch muss nicht schlecht sein. Kitsch muss nicht schlecht sein.

David:  Muss gar nicht schlecht sein, aber gleichzeitig ist es irgendwie auch manchmal, wenn man nicht so richtig überzeugt von was ist, viel cooler von vorne anzufangen, als so jetzt noch 100 Jahre darin rumzubasteln.

Marilena: Ich bin voll gespannt. Ich habe eine Idee noch für den Abschluss unseres Laut-Nachdenkens. Und zwar dachte ich, man kann ja auch vor allem viele Gefühle gleichzeitig haben. Also man kann fröhlich und wütend zugleich sein oder traurig oder lachen und weinen gleichzeitig. Also alles mögliche irgendwie. Und ich dachte mir, dass wir zum Abschluss einfach – ich zähle nochmal runter. 3, 2, 1. Und wir sagen jeder ein Wort, ein Gefühl, wie wir uns jetzt fühlen. Oder zwei auch. Zwei ist auch okay. Weil wir können ja was gleichzeitig fühlen.

David: Mhm. Ja, machen wir. Okay. Finde ich super.

Marilena: Willst du diesmal runterzählen?

David: 3, 2, 1

Marilena: Erleichtert und dankbar.

David: Ich sag nur eins.

Marilena: Okay, cool. Ich bin auch hier schon, muss ich sagen, fast mit meinem Bierchen durch, aber ich würde nochmal hier anstoßen. Ich danke dir, dass du dieses Experiment gewagt hast.

David: Ja, gerne.

Outro

Ich danke euch fürs Zuhören. Wenn ihr Ideen habt, über welche Themen ich in diesem Format mal nachdenken sollte – oder ihr vielleicht sogar selbst Lust habt, dabei zu sein: schreibt mir einfach an redaktion@sinneswandel.art oder über Social Media. Und wenn euch die Folge gefallen hat, freue ich mich, wenn ihr meine Arbeit weiterempfehlt oder supported. Alle Infos dazu findet ihr in den Shownotes. Das war’s, bis bald im Sinneswandel-Podcast.

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