Labubus, Matcha Latte – Wieso wird etwas zum Hype?

von Marilena

Labubus, Matcha, Dubai-Schokolade – gefühlt entsteht jede Woche ein neuer Hype. Dinge, die plötzlich überall sind und genauso schnell wieder verschwinden. Ich frage mich: Was macht etwas überhaupt zum Hype? Und was sagt diese kollektive Begeisterung über unsere Gegenwart aus?

Shownotes

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► Georg Simmel (1905): Theorie der Mode
► Andreas Reckwitz (2017): Die Gesellschaft der Singularitäten. Zum Strukturwandel der Moderne. Suhrkamp
► taz (2025): Labus: Das steckt hinter dem Hype
► Spekturm.de: mere-exposure-Effekt

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TikTok-Compilation: „Wir müssen ganz kurz Real Talk über diese Labubus machen.“ „Dubai-Schokolade war nie einfach nur ein Trend für mich.“ „Seitdem ich in New York war, kann ich nicht aufhören, an diesen einen Iced-Strawberry-Matcha zu denken.“ „Also, ich probier jetzt das erste Mal mit 88 einen Iced-Matsche-Latsche.“

Wenn ich durch Insta oder TikTok scrolle, dann kommt es mir manchmal so vor, als würde die Welt nur noch aus Hypes bestehen. Alles ist irgendwie zwischen Must-Have und okay, jetzt reicht’s auch wieder. Und ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich muss zugeben, ich bin irgendwie gar kein Hype-Mensch. Wenn irgendwas wie Labus oder Matcha oder Dubai-Schokolade gehypt wird, dann bin ich meist erst mal skeptisch, bis zu dem Punkt, wo ich dann doch irgendwann mir denke, okay, ich komme einfach nicht mehr dran vorbei und ich möchte wissen, was es damit auf sich hat.

Und dann probiere ich’s doch. Und in manchen Fällen bin ich dann irgendwie doch am Start. Also ich bin eigentlich so ein klassischer Late Adopter. Lustig finde ich allerdings auch, wenn Dinge plötzlich gehypt werden, die man eigentlich schon total lange macht. Also zum Beispiel habe ich 2014, war es glaube ich, das erste Mal Matcha getrunken. Und zwar eher, weil ich irgendwie gehört habe, dass das so ein bisschen gesünder ist. Ich war damals ein bisschen in meiner Healthy-Yoga-Phase und wollte das mal ausprobieren, fand’s irgendwie auch geschmacklich so okayisch, halt so ein bisschen erdig. Und dann habe ich aber irgendwann, weiß ich nicht, als Studentin war Matcha halt auch irgendwie so way too expensive und dann habe ich irgendwann wieder angefangen, Kaffee zu trinken. Und jetzt seit, ich weiß nicht, ein, zwei Jahren ist Matcha halt plötzlich überall. Also man kommt wirklich gar nicht mehr dran vorbei und natürlich trinke auch ich jetzt wieder gelegentlich meinen Matcha. Also das ist so ein Beispiel.

Und was ich auch interessant finde, warum ich dachte, es lohnt sich irgendwie über das Thema Hype zu sprechen, ist so ein bisschen, wie sich Hypes entwickelt haben. Also natürlich gibt es Hypes schon länger, jetzt nicht erst seit es Insta und TikTok gibt, aber früher war ein Hype auch etwas, das man verpassen konnte, wenn man zum Beispiel nicht rechtzeitig MTV geschaut hat. Und heute, durch vor allem soziale Medien, passieren Hypes ständig überall und vor allem auch in ganz unterschiedlichen Bubbles. Also man kann Hypes natürlich immer noch verpassen, weil man einfach in einer anderen Bubble ist. Und irgendwo anders ist dieser Hype gerade aber riesengroß. Also wenn ich meine Eltern frage, ob sie LaBubus kennen, dann würden sie auf jeden Fall sagen: „Hä, was, LaBubu, was?“ Und deswegen habe ich mich gefragt, was passiert da eigentlich genau, gesellschaftlich, kulturell, vielleicht sogar philosophisch, wenn etwas zum Hype wird?

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Ich habe mal mein digitales Wörterbuch aufgeschlagen und nachgeschaut, wo eigentlich das Wort Hype herkommt. Und ja, wenig überraschend kommt es aus dem Englischen und zwar von Hyperbole, was ja so viel bedeutet wie Übertreibung. Und das ergibt irgendwie auch Sinn, weil Hypes sind oft eben genau das, so eine Art kollektive Übertreibung oder vielleicht sogar so eine Art kollektiver Kurzschluss. Weil es sich erstmal so rein rational gar nicht erklären lässt, warum etwas plötzlich so viel Begeisterung auslöst. Und auf eine Art könnte man sagen, dass Hypes so ein bisschen Zeitgeist, Begehren, aber auch Identität in einem einzigen Objekt oder einem Ritual so ein bisschen zusammen verdichten.

Und es gibt eine Person, eine Kulturwissenschaftlerin, Autorin, der ich schon länger auf Insta folge, Anne-Kathrin Kohut. Und die beschäftigt sich viel mit Popkultur und Trends. Und sie habe ich gefragt, welchem Hype sie zuletzt verfallen ist.

Annekathrin Kohout: „Leichter wäre die Frage zu beantworten, welchen Trends ich nicht verfalle, um ehrlich zu sein. Also, ich habe einen Labu, ich trinke auch sehr gerne Matchalatte und ich verfolge vor allem im Netz die unzähligen lustigen Memes, Reaction-Videos, Trends zu diesen Hypes. Und das ist, glaube ich, auch etwas, das für mich die Qualität heutiger Trends oder Hypes ausmacht. Also, dass der Austausch darüber so kreativ ist, dass meist eben sehr schnell so eine ironische Metaperspektive gefunden wird, die eigentlich viel interessanter und kulturell auch viel wertvoller ist als das bloße Produkt wie der Labubu oder eben der Matchalatte, der ursprünglich den Anlass dafür geboten hat.“

Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich finde es total spannend, wie Annekatrin eigentlich den Blick dreht. Also, dass sie sagt, oft ist nicht das Produkt das Interessante, sondern eben die Diskussion und die Memes und alles drumherum, also dieses Popkulturelle. Und ich finde, das stimmt auch total, weil Hypes selbst werden ja eigentlich vor allem dadurch, dass sie kommentiert werden, kulturell aufgeladen. Also dadurch werden sie erst besprochen und bekommen vielleicht auch diesen Hype-Status.

Und Hypes entstehen natürlich auch nicht einfach, weiß ich nicht, in so einem luftleeren Raum, sondern eben oft auch als Reaktion auf gesellschaftliche Veränderungen oder als Ausdruck von unseren Bedürfnissen und von unseren Stimmungen. Es gibt zum Beispiel, habt ihr vielleicht auch schon gelesen, so unzählige Interpretationen, warum diese Labubus, diese kleinen Plüsch-Tiere, die so ein bisschen grumpy aussehen, gerade so gehypt werden. Und zum Beispiel eine Interpretation ist, dass sie so ein bisschen als Trosttier in unsicheren Zeiten gesehen werden oder als Zeichen der Wirtschaftskrise.

Und ich würde sagen, vermutlich trifft alles und nichts so richtig zu. Aber vor allem schaffen Hypes eines, nämlich Dazugehörigkeit. Also gerade in einer ziemlich überkomplexen Welt, in der viele Dinge gleichzeitig passieren, die sich vielleicht auch nicht mehr so gut einordnen lassen, in der wir immer mehr in unseren eigenen Bubbles sind, schaffen Hypes auch so was wie eine Art Gemeinschaftsgefühl, sagt Annekathrin.

Annekathrin Kohout: „Aus der Frühzeit des Internets gibt es ja diese Metapher des sogenannten Lagerfeuers der Nation. Also das waren TV-Sendungen, die wirklich alle gleichzeitig geschaut haben. Und das Besondere war, dass eben jeder mitreden konnte. Und das galt als sehr gemeinschaftsstiftend und auch sehr gemeinschaftsstärkend. Und mit der Netzkultur und insbesondere mit den sozialen Medien hat sich die Art und Weise, wie wir Bilder, Filme, Sendungen oder kulturelle Inhalte aller Art konsumieren, sehr verändert. Es gibt eben immer mehr Inhalte, die in bestimmten Communities sehr bekannt sind, in anderen aber vielleicht sogar völlig unbekannt. Und ich denke, dass popkulturelle Trends hier was kompensieren, also dass sie das neue Lagerfeuer sind.“

Ich finde, das ist irgendwie eine ziemlich lustige Metapher mit dem Lagerfeuer. Ich stelle mir gerade so vor, wie wir ums Lagerfeuer sitzen, Matcha trinken, Dubai-Schokolade essen und, ja, keine Ahnung, halt darüber diskutieren, aber es stimmt ja irgendwie auch so ein bisschen. Hypes geben uns Orientierung, wenn andere vor allem irgendwie etwas begehren, das kennt man ja schon aus Schulzeiten, dann denkt man, okay, dann muss das schon irgendwie gut sein, dann gibt einem das so einen gewissen Social Proof. Und das hat sogar schon der Soziologe Georg Simmel Anfang des 20. Jahrhunderts so ein bisschen ähnlich gesehen. Und zwar hat er gesagt, es geht vor allem bei Mode, also er hat natürlich noch nicht von Hypes gesprochen, immer um ein Zitat Spiel mit Nachahmung und Abgrenzung. Also einerseits wollen wir dazugehören, aber wir wollen auch besonders sein. Und da habe ich mich gefragt, sind Hypes dann nicht irgendwie gerade auch ein total modisches Paradox?

Annekathrin Kohout: „Wir wollen oder sollen einzigartig sein und landen dann gleichzeitig immer in so einer Massenbegeisterung und diese Beobachtung wird dann immer so als Widerspruch dargestellt. Aber es ist schon so, dass die meisten Menschen beides gleichzeitig möchten, also dazugehören und sich eben unterscheiden, mitmachen und es auf individuelle Weise tun. Und das Schöne ist doch, mit Hypes und Trends ist das eigentlich sehr leicht möglich. Also man nehme ein LaBubu und eignet es sich auf die ganz eigene Art und Weise an, macht was ganz Verrücktes, Unerwartetes damit, macht ein Kunstvideo, nutzt ein LaBubu als Voodoo-Puppe gegen den Kapitalismus.“

Ich verstehe total, was Annekathrin sagt und ich möchte auch gar nicht die Person sein, die so miese-peterig mit Hypes ist, weil, wie gesagt, manchmal springe ich dann ja auch doch auf den Zug auf. Aber ich glaube, was mich an Hypes manchmal so irritiert, ist, dass sie so auf mich manchmal so gedankenlos wirken oder auch gerade so dieses Phänomen von, dass sehr viele Menschen plötzlich eine Sache toll finden. Und ich frage mich manchmal, hat das dann wirklich was eben mit dieser einen Sache zu tun oder damit, dass man dabei sein möchte, auch das Gefühl hat, ich muss dabei sein, also so eine gewisse Fomo. Und das ist natürlich so ein bisschen auch ein Kritikpunkt, dass Hypes auch wahnsinnig stressen können, weil sie eben einem das Gefühl geben, wenn ich jetzt nicht dabei bin, dann verpasse ich was, dann gehöre ich eben nicht dazu. Und je schnelllebiger Hypes sind, umso teurer wird das Ganze natürlich auch. Und ja, ratet mal, wer davon profitiert.

Der Kapitalismus, denn der lebt natürlich von Knappheit und von Aufmerksamkeit. Und vor allem sind Hypes so eine Art perfekte Währung, gerade weil sie so eine künstliche Dringlichkeit erzeugen. Und dadurch unterscheiden sie sich auch nochmal in gewisser Weise von Trends, sagt Anne-Kathrin.

Annekathrin Kohout: „Trends brauchen Dauer. Hypes, würde ich sagen, leben eher von der Intensität und in der deutschen Übersetzung bedeutet Hype ja auch so viel wie Wirbel oder Rummel und darin drückt sich für mich schon aus, dass wenn von Hypes die Rede ist, die Idee auch mitschwingt, dass der Erfolg oder die Popularität irgendwie künstlich hergestellt wurde, wohingegen Trends eher als etwas Gewachsenes und als echter Ausdruck von dem Geschmack sehr viele Menschen wahrgenommen haben wird.“

Und dieser Prozess, der verstärkt sich natürlich durch soziale Medien, also durch das Algorithmische, durch Likes, durch Shares. Was auffällt, das wird jetzt auch noch multipliziert. Das nennt sich „Mere-Exposure-Effekt“. Also je öfter Menschen, je öfter wir mit einem Produkt konfrontiert werden, desto positiver bewerten wir das auch. Das zeigen tatsächlich Studien und das passiert sogar meistens unbewusst. Ergo, was einmal viral gegangen ist, das wird quasi sofort marktfähig gemacht. Also Marken, Influencer, die springen auf Hypes auf und ästhetisieren sozusagen das Produkt und schaffen damit so eine Begehrlichkeit, die eigentlich gar nicht dem Produkt entspringt, sondern diesem Gefühl von, das brauche ich jetzt auch.

Und der Soziologe Andreas Reckwitz, den ich glaube ich schon in der letzten, nee vorletzten Folge erwähnt habe, der beschreibt, dass der Kapitalismus sich in den letzten Jahrzehnten vor allem ästhetisiert hat. Also es geht nicht mehr nur um den Besitz von etwas, sondern vor allem auch um die Erfahrungen, den damit verknüpften Lifestyle, also um Identität. Also wir identifizieren uns darüber, dass wir zum Beispiel eben die Person sind, die mit einem Matcha irgendwie in einem Café sitzt.

Und wir konsumieren damit, um uns eben selbst auszudrücken und damit sind Hypes irgendwo auch eine Art kollektive Selbstinszenierung, könnte man sagen. Das Ding ist nur, sobald etwas zu groß, also zu Mainstream wird, verliert es dann ja irgendwie auch schon wieder an Coolness. Also ich glaube, heute redet kaum noch jemand über Dubai-Schokolade und es war halt irgendwie für ein paar Wochen, Monate irgendwie der heiße Scheiß und jetzt ist es halt auch wieder egal. Deswegen braucht der Markt natürlich immer gleich den nächsten Hype.

Annekathrin Kohout: „Was zählt ist eben nicht das Produkt selbst, sondern eben die Aufmerksamkeit, die Sichtbarkeit, der Hype, der darum entsteht. Und wenn man jetzt eine spätkapitalistische Ökonomie so charakterisiert, dass es zwar eben schnelles Wachstum, aber auch eine sehr schnelle Ausschöpfung oder einen Verfall gibt, dann kann man Hypes eigentlich genauso lesen, denn sie erzeugen ja einerseits kurzfristige Aufmerksamkeit, die sofort kapitalisiert wird, bevor sie dann aber eben auch recht schnell wieder verpufft.“

Tja, und so entsteht eine Endlosschleife aus Begeisterung, Überdruss und dann wieder Neubegehren. Vermutlich erzählen Hypes weniger über die Dinge selbst, die gerade gehypt werden, als über unseren Wunsch, dazuzugehören, Teil von etwas zu sein. Und das ist ja eigentlich auch etwas Schönes, aber natürlich geht es auch um die Marktlogik dahinter. Und die hat natürlich nicht nur Vorteile, sei es gesellschaftlich, sozial und natürlich auch ökologisch. Das wäre dann aber wahrscheinlich nochmal eine weitere Folge.

Trotzdem ist und bleiben mir Hypes auch einfach irgendwie suspekt. Ich finde es spannend, aber ich freue mich so ein bisschen wie Anne-Kathrin vor allem an den Memes und an den ganzen Diskussionen darüber. Und es bleibt für mich auch weiterhin ein Rätsel, warum eine bestimmte Sache gehypt wird und eine andere nicht. Und dafür habe ich tatsächlich bisher auch keine logische Erklärung gefunden. Deswegen habe ich Anne-Kathrin einfach mal gefragt, was sie denn glaubt, was vielleicht der nächste Hype sein könnte.

Annekathrin Kohout: „Wäre ich nur ein Orakel. Also ich glaube, das ist echt schwer. Ich glaube, niemand hat den Labubu-Hype vorher gesehen, weil es einfach so viele Faktoren gibt, die da zusammenspielen müssen, damit ein Hype entsteht. Ich würde sagen, es gibt definitiv einen Trend zum Nicht-Digitalen, ja, also von Partys, bei denen man seine Handys vorher abgeben muss. Aber ja, einen Hype weiß ich auch nicht so richtig. Vielleicht ein fancy Eistgetränk für den Klimawandel bedingt viel zu warmen Winter. Also in diese Richtung könnte ich mir, glaube ich, was vorstellen.“

Outro

Offline sein als nächster Hype, das fände ich auf jeden Fall irgendwie cool. Muss ich sagen, ich frage mich nur, wie marktfähig das Ganze ist, also ich bleibe da eher ein bisschen skeptisch. Aber wenn ihr eine Idee habt, was als nächstes gehypt wird, dann schreibt mir das total gerne, entweder an redaktion@sinneswandel.art oder auch über Insta und natürlich auch gerne über welchen Hype ihr zuletzt schwach geworden seid. Ich freue mich, wenn ihr diese Folge auch mit Freundinnen und Freunden teilt oder meine Arbeit unterstützen wollt über Steady oder Paypal, dazu findet ihr alles, wie immer, in den Shownotes. Das war’s von mir, bis zum nächsten Mal, im Sinneswandel Podcast.

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