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Feminismus

Laut gedacht: Was trauen wir Männern eigentlich zu?

von Marilena 8. Februar 2022

 

Gesundheitsvorsorge – aber als Porno getarnt – denn “Aufklärung muss dort stattfinden, wo sie die Menschen erreicht”, um es mit den Worten der Techniker Krankenkasse auszudrücken. Die hat kürzlich im Rahmen einer Hodenkrebsvorsorge-Kampagne ein Video veröffentlicht, das im Netz nun für reichlich Aufruhr sorgt. Was daran genau problematisch ist, diskutiert Marilena Berends in dieser Episode gemeinsam mit Journalistin Luisa Thomé und Autor Fikri Anıl Altıntaş. Denn das Video bietet definitiv Anlass, um über Geschlechterrollen, Männlichkeitskonstruktionen und Sexismus zu sprechen.

Shownotes:

Macht (einen) Sinneswandel möglich, indem ihr Fördermitglieder werdet. Finanziell unterstützen könnt ihr uns auch via PayPal oder per Überweisung an DE95110101002967798319. Danke.

► Luisa Thomé schreibt hier und ist auf Twitter und Instagram.
►Fikri Anıl Altıntaş ist auch auf Instagram und hat einen eigenen Newsletter.
► Video der Techniker Krankenkasse “Der life-saving Handjob“.
► Emelie Glaser in der taz: “Krebsvorsorge, aber als Porno”.
► Checkdichselbst – Hodenkrebs Vorsorge-Kampagne.
► Männergesundheitsportal: “Daten und Fakten zur Männergesundheit” (2020).
► Dritter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung (2020): Geschlechterstereotype und Soziale Medien.

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✉ redaktion@sinneswandel.art
► sinneswandel.art

8. Februar 2022

Ciani-Sophia Hoeder: Mit Wut zur Veränderung?

von Henrietta Clasen 27. September 2021

Die Wut ist wohl eine der grundlegendsten, menschlichen Emotionen – doch wird sie selten als positives Gefühl angesehen, als vielmehr für ihren manchmal destruktiven Charakter verschmäht. Das gilt ganz besonders für wütende Frauen: als hysterisch, zu emotional oder gar inkompetent werden sie häufig bezeichnet. Wut ist untrennbar mit Macht verknüpft und ihre Unterdrückung daher keineswegs belanglos oder zufällig, schreibt die Autorin und Journalistin Ciani-Sophia Hoeder in ihrem Buch “Wut und Böse”. Mehr “Wut zur Veränderung”, lautet ihr Plädoyer. Welche transformative Kraft in der Emotion steckt und, wie sie zum positiven Katalysator der Veränderung werden kann, darum soll es in dieser Episode gehen.

Shownotes:

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Die heutige Episode wird präsentiert von Vodafone. Ihr könnt ab jetzt mit bis zu 1000 grünen Mbit/s im Vodafone Netz surfen – mit Strom aus 100 % erneuerbaren Energien – ab 39,99€ dauerhaft. Mehr Infos auf vodafone.de/greengigabit und im Vodafone Shop.

► Ciani-Sophia Hoeder: Wut und Böse. Hanser Literaturverlag (09/21).
► Ihr findet Ciani auch auf Twitter und Instagram.
► RosaMag: Online Lifestyle Magazin für Schwarze Frauen in Deutschland.
►Rosapedia: Was ist die “Angry Black Woman”?, RoseMag (12/2019).

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27. September 2021

Eva von Redecker: (Wie) Kann Aktivismus die Welt bewegen?

von Henrietta Clasen 27. Juli 2021

Als Sinneswandel Redaktion wollen wir in den kommenden Wochen unterschiedliche Aktivist*innen vorstellen, die den Status quo nicht hinnehmen, sondern sich für systemische Veränderung stark machen. Zudem möchten wir uns näher damit auseinandersetzen, was genau Aktivismus eigentlich ist, wie sich Protest abgrenzt, aber auch, wo die Trennlinien womöglich verschwimmen. Den Auftakt beginnen wir mit Philosophin Eva von Redecker und Aktivistin Franziska Heinisch, deren kürzlich erschienene Bücher sich dem zivilen Ungehorsam widmen. Beide Frauen verbindet der Glaube daran, dass nur durch ein aktives Aufbegehren Wandel gelingen kann. Denn eine freie Gesellschaft, eine Demokratie existiert nicht einfach, sie muss gelebt werden – und zwar von uns allen.

Shownotes:

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Die heutige Episode wird freundlich unterstützt von OTTO. Mit Ihrer Kampagne unter dem Motto „Veränderung beginnt bei uns“ will das Unternehmen für die Vermeidung von Retouren sensibilisieren – weil es nicht egal ist, wie und wo wir bestellen. Mehr Infos unter https://www.otto.de/shoppages/nachhaltigkeit

► Eva von Redecker: Revolution für das Leben – Philosophie der neuen Protestformen. Fischer Verlage (2020).
► Franziska Heinisch: Wir haben keine Wahl – Ein Manifest gegen das Aufgeben. Blessing (2021).
► Ihr findet Eva von Redecker und Franziska Heinisch auch auf Twitter.
► Erfahrt mehr über die Organisation Justice is Global Europe, die Franziska 2020 mitgegründet hat.

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27. Juli 2021

Emilia Roig & Mohamed Amjahid: Wie lässt sich Rassismus verlernen?

von Henrietta Clasen 13. Mai 2021

“Was ich nicht sehe – existiert nicht.” Mit dieser verkürzten Sichtweise, wie Scheuklappen vor den Augen, laufen nicht wenige Menschen durch die Welt. In einer sicheren, weißen Blase, ausgepolstert mit Privilegien, die das Leben komfortabel machen, haben sie sich eingenistet. Mohamed Amjahid, nennt sie “Parallelgesellschaften” – Räume, die sozial segregiert sind, in denen sich Communities bilden. An und für sich erstmal nichts Schlimmes. Problematisch wird es erst dann, wenn diese Blasen dafür sorgen, dass Menschen sich und ihr Handeln nicht mehr in Frage stellen. Um eben diesen Perspektivwechsel und die Dekonstruktion dessen, was viele Weiße für die „Normalität“ halten, geht es Emilia Roig in ihrem Buch „Why We Matter“. Gemeinsam mit Mohamed Amjahid, dem Autor von “Der Weiße Fleck” habe ich mich unter anderem darüber unterhalten, wie sich eine antirassistische Haltung erlernen lässt, was es mit dem Begriff der “Intersektionalität” auf sich hat und, wie privilegierte Menschen, zum Ally werden können.

Shownotes:

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► Emilia Roig: Why We Matter: Das Ende der Unterdrückung, Aufbau Verlag.
► Mohamed Amjahid: Der Weiße Fleck: Eine Anleitung zu antirassistischem Denken, Piper Verlag.
► Emilia auf Twitter und Instagram.
► Mohamed auf Twitter und Instagram.

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13. Mai 2021

Şeyda Kurt: Was macht (die) Liebe politisch?

von Henrietta Clasen 6. Mai 2021

“Viel zu selten sprechen wir darüber, wie unser Miteinander anders sein könnte”, schreibt  Şeyda Kurt in ihrem Buch “Radikale Zärtlichkeit: Warum Liebe politisch ist.” Liebe geschieht nicht im luftleeren Raum, sonder ist eingebunden in ein komplexes Geflecht aus Macht und Ansprüchen und wird seit jeher im Kapitalismus absichtlich als Mythos konstruiert. Indem wir jedoch erkennen, dass Liebe eine höchst politische Angelegenheit ist, erklären wir sie zugleich als veränderbar, als von uns gestaltbar. Wie ein neue Narrativ der Liebe, jenseits patriarchaler, rassistischer und kapitalistischer Tradierungen aussehen könnte, darüber hat sich Marilena Berends ausführlich mit Autorin und Journalistin Şeyda Kurt unterhalten.

Shownotes:

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► Şeyda Kurt: Radikale Zärtlichkeit. Warum Liebe politisch ist. Erschienen bei Harper Collins (04/21).
► Mehr von und über Şeyda Kurt auf ihrer Website .
► Şeyda auf Twitter und Instagram.

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6. Mai 2021

Hengameh Yaghoobifarah: Sollten wir wütender sein?

von Henrietta Clasen 28. April 2021

Ein Mensch, der seine Wut nicht auf sich sitzen lässt, sondern ihr Raum gibt, ist Hengameh Yaghoobifarah. Als “Reizfigur” bezeichnete die sz Hengameh kürzlich. Weil angeblich kaum ein* Autor*in im vergangenen Jahr so viel Solidarität und Empörung zugleich auf sich zog. Aber, warum ist das so? Weil Hengameh queer, nicht-binär, migrantisch oder Feminist*in ist? Wir leben noch immer in einer Gesellschaft, in der gewisse Eigenschaften als “normal”, andere als “abnormal” gelten. Nicht selten geht diese Kategorisierung, meist von weißen, cis-Personen vorgenommen, mit Stigmatisierung oder gar blankem Hass einher, der jenen entgegengebracht wird, die von der sogenannten “Norm” abweichen. Kann man angesichts dieser Umstände überhaupt von einer freien Gesellschaft sprechen? Ist diese nicht erst dann erreicht, wenn Menschen sich, ohne Angst vor Diskriminierung haben zu müssen, zu ihrer Identität bekennen können? Über diese und weitere Fragen, hat sich Marilena Berends ausführlich mit Hengameh Yaghoobifarah unterhalten.

Shownotes:

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►Hengameh Yaghoobifarah: Ministerium der Träume, Aufbau Verlag (2021).
► Podcast Auf eine Tüte mit Hengameh Yaghoobifarah. 
► Hengameh auf Instagram und Twitter.
►Hengameh’s taz Kolumne Habibitus
► SZ-Magazin: “Reizfigur: Hengameh Yaghoobifarah im Porträt”.

Ein besonderer Dank gilt den Fördermitgliedern, die Sinneswandel als Pionier:innen mit 10€ im Monat unterstützen: Anja Schilling, Christian Danner, Bastian Groß, Pascale Röllin, Sebastian Brumm, Wolfgang Brucker, Petra Berends, Holger Bunz, Dirk Kleinschmidt, Eckart Hirschhausen, Isabelle Wetzel, Annette Hündling, Torsten Sewing, Hartmuth Barché, Dieter Herzmann, Hans Niedermaier, Constanze Priebe-Richter, Birgit Schwitalla, Heinrich Ewe, Julia Freiberg, Dana Backasch, Peter Hartmann, Martin Schupp, Juliane Willing, Andreas Tenhagen, eeden Hamburg Co-creation Space for visionary women*, David Hopp, Jessica Fischer (Universität Paderborn), Ioannis Giagkos, Matthias Niggehoff, Nina Lyne Gangl, Johanna Bernkopf , Holger Berends, Sebastian Hofmann und Elvira-Eisen Walser.

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28. April 2021

„Pinky Gloves“ – oder pinkfragile Männlichkeit

von Marilena 18. April 2021

Eigentlich sollte es heute um etwas ganz anderes gehen, aber, wie es manchmal so ist, kam etwas dazwischen. Etwas Pinkes. Aus Latex. Etwas, von dem die Welt nicht wusste, dass sie es jemals würde brauchen. Und es vermutlich auch nie wird. Was wohl daran liegen könnte, dass “Pinky Gloves”, von denen hier obviously die Rede ist, von zwei Männern “entwickelt” wurde, die, wie es im Kapitalismus allzu üblich ist, mit ihren Perioden-Handschuhen kein Problem lösen wollten, sondern nur weitere geschaffen oder verstärkt haben: Die Tabuisierung und Schamifizierung der Menstruation. Gastautorin Katharina Walser hat in ihrem Beitrag der aufgestauten Wut und Fassungslosigkeit über die Unwissenheit und Verschleierung der Periode einerseits, als auch über den Kapitalismus, der aus Scham Profit zu schlagen versucht, Raum gegeben. 

Shownotes:

Macht (einen) Sinneswandel möglich, indem ihr Fördermitglieder werdet. Finanziell unterstützen könnt ihr uns auch via PayPal oder per Überweisung an DE95110101002967798319. Danke.

► Instagram Profil Yanna Halfering.
► „warum hat instagram das foto einer frau mit menstruationsblut gelöscht?“: Kommentar von Tish Weinstock im vice Magazin.
► “Wie die Intimhygiene-Industrie Frauen verarscht”, Artikel von Katja Lewina bei jetzt .
► Tweet zu Pinky Gloves von Userin Vectoria.

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Transkript: „Pinky Gloves“ – oder pinkfragile Männlichkeit

Hallo und herzlich willkommen im Sinneswandel Podcast. Mein Name ist Marilena Berends und ich freue mich, euch in der heutigen Episode zu begrüßen. 

Eigentlich sollte es heute um etwas ganz anderes gehen – um Mental Health, also psychische Gesundheit während der Corona-Pandemie. Keine Sorge, die Episode ist natürlich nur vertagt, aber, wie es manchmal so ist, kam etwas dazwischen. Etwas Pinkes. Aus Latex. Etwas, von dem die Welt nicht wusste, dass sie es jemals würde brauchen. Und es vermutlich auch nie wird. Was wohl daran liegen könnte, dass “Pinky Gloves”, von denen hier obviously die Rede ist, von zwei Männern “entwickelt” – wenn man das überhaupt so nennen kann – wurde, die, wie es im Kapitalismus allzu üblich ist, mit ihren Perioden-Handschuhen kein Problem lösen wollten, sondern nur weitere geschaffen haben. Die zwei “Frauenversteher”, Eugen und André, schlagen mit ihrer Jahrhunderterfindung nämlich in eine Kerbe, deren Vertiefung bereits seit vielen Jahrzehnten, insbesondere von Männern, vorangetrieben wird: die Tabuisierung und Schamifizierung der Menstruation. Dieser aufgebauschte Ekel hat sich bei vielen Menstruierenden tief eingebrannt. Insofern ist die heutige Episode auch eine Art “Mental Health Act”. Insofern, als dass Gastautorin Katharina Walser in ihrem Beitrag ihrer aufgestauten Wut und Fassungslosigkeit über die scheinbar noch existierende Unwissenheit und Verschleierung der Periode einerseits, als auch über den Kapitalismus, der aus Scham Profit zu schlagen versucht, Raum gegeben hat.  

Bevor es losgeht, möchte ich noch kurz darauf hinweisen, dass ihr uns finanziell unterstützen und damit einen Sinneswandel möglich machen könnt. Denn in die Recherche und Produktion stecken wir eine Menge Zeit und Energie. Damit wir das weiterhin tun können, brauchen wir eure Unterstützung. Das geht zum Beispiel ganz einfach, indem ihr uns einen Betrag euer Wahl an Paypal.me/Sinneswandelpodcast schickt. Das steht aber auch alles noch mal in den Shownotes. Vielen Dank.

Zu Beginn der Woche, nach einer Runde durch die Zeitung Abonnements, klicke ich mich durch die Instagram Storys von Journalistinnen und Autorinnen, denen ich folge, um mich wie gewohnt auch auf Social Media in aktuellen Diskursen zu orientieren. Dabei entdecke ich einen toten Winkel meiner Mediennutzung wieder: private Fernsehsender. Deren Inhalte sickern meist nur zu mir weiter, wenn etwas allgemeinen Zuspruch bekommt oder einem Skandal gleicht, also Post-Faktor hat. Diesmal ist es mal wieder Skandal, der mich in Form eines Reposts von Yanna Halfering, Redakteurin beim vice Magazin, erreicht. Gezeigt wird ein Bild des Kanals pinky gloves, Repräsentation des gleichnamigen Start-ups, deren Gründer am Montag zu Gast bei der Free TV-Sendung „Die Höhle der Löwen“ waren und dort im Unternehmer Ralf Dümmel einen Sponsor für ihr Produkt gefunden haben. Das Produkt: Einweghandschuhe aus undurchsichtigem, pinkfarbenem Plastik. Und weiter? Gar nichts weiter. Angewendet soll es werden um Periodenartikel zu entfernen und anschließend darin verschwinden zu lassen. Das soll der große Marketingclou sein. Nach dem Entfernen des Periodenprodukts sollen die Handschuhe umgestülpt werden und anschließend, dafür sorgt eine Art Gefrierbeutel-zipper, luftdicht verschlossen werden. In ihrer Profilbeschreibung auf Instagram schreiben André und Eugen sie produzieren „die clevere Art seinen Tampon zu entsorgen“ und „So fühlst du dich fresh“. In dieser direkten und Vertrauen suggerierenden Ansprache an das vermeintlich bekannte Gegenüber liegt der Ursprungsfehlschluss im gesamten Marketing von pinkygloves: Sie verkaufen sich als „Frauenversteher“. Vom obligatorischen Post zum Internationalen Frauentag bis zur Bildauswahl, die zeigt, wie praktisch ihr Produkt in jede noch so überfüllte Kosmetiktasche passt – sie zeigen deutlich wie überzeugt sie sind etwas gefunden zu haben, dass die Frauen brauchen. Sie erklären, dass die Idee zu den ach-so-notwendigen Handschuhen in der Zeit entstand als Sie in einer „Frauen WG“ wohnten. Ein Begriff der schon für sich eine Erklärung verlangen würde. Ihnen sei nach kurzer Zeit aufgefallen, dass es, „bei der Entsorgung von Binden und Tampons noch keine gute Lösung gibt.“ Woran sie das festmachen? „Um es ehrlich zu sagen, als männliche Mitbewohner waren wir beim Blick in den Badezimmereimer ein wenig … sagen wir ‚verwundert‘. Wir haben dann erfahren, dass unsere Mitbewohnerinnen Probleme mit der Entsorgung von Tampons haben… zuhause und vor allem, wenn sie unterwegs sind.“ Mein erster Impuls: Wer sind diese Frauen? Nach kurzem Nachdenken und mit Blick in die Kommentarspalte verfestigt sich mein Verdacht: Sie sind ausgedachte Figuren im kapitalistischen Kampf um ein Drogerie-Verkaufsregal. Dass die Verwunderung der Männer beim Anblick eines entsorgten Hygieneartikels als Euphemismus für Ekel daher kommt, ist meine zweite Vermutung, die ebenfalls von scheinbar überwältigender Mehrheit in empörten Postings und Kommentaren geteilt wird. Denn von dem alten Toilettenpapier Wickel um den Tampon haben die Herren entweder noch nie etwas gehört oder, was wahrscheinlicher ist: Er ist nicht ausreichend, um die kontaminierende Kraft des entsorgten Tampons einzudämmen. Was da kontaminiert wird, ist bei ihrer ‚Origin Story‘ schnell klar: fragile Männlichkeit, die mit ihrem Produkt sagt: Euer benutzter Tampon muss aus dem Blickfeld verschwinden (daher das blickdichte Plastik), geruchlos sein (daher der Zipper) und ihr müsst auch in der Entsorgung dieses Artikels dem stereotypischen Bild entsprechen, das wir uns von euch gemacht haben (deshalb pink). Aber das Produkt und das Marketing von Damen, die weiße Kleidchen während ihrer Periode tragen und scheinbar an Männergröße angepasste Handschuhmaße, sagen noch mehr: Wir wollen uns überhaupt nicht mit eurer Lebensrealität beschäftigen, sondern lediglich eine Lösung für unser Problem finden. So zeigt auch das Q&A, das die beiden als Highlight gespeichert haben um allen Leser:innen schnell Informationen zu ihrem Start-Up zu liefern, auf allen Ebenen wie Tone Deaf eine solche Vermarktung hinsichtlich des Zeitgeists ist. Aktuelle Diskurse um Periodenarmut werden geradezu verhöhnt, bei einem Päckchen, das 12 Handschuhe zu 2,99 Euro enthält und, nach der Vorstellung der beiden Gründer, nachdem ein Handschuh sowohl zur Entnahme als auch anschließend mit einem zweiten frischen Exemplar auch wieder zur Einführung des neuen Tampons verwendet werden soll, bei den meisten menstruierenden Personen wohl nicht einmal bis Tag 3 der Regelblutung ausreichen würde. Dass ihre Markierung des eigenen Produkts als „nachhaltig“ nur ein müder Witz sein kann, sollte an dieser Stelle auch klar sein. Sie bestehen nach eigener Aussage „aus 100 % Recyclingfähigem Material“. Blödsinn in 2 Schichten: Zunächst kann die Vermarktung eines neuen und überflüssigen Produkts niemals nachhaltig sein, sondern funktioniert nach der alten Leier der Bedürfniserzeugung. Zweitens ist das Produkt spätestens dann nicht mehr recyclingfähig, wenn es seinen angedachten Zweck erfüllt hat, nämlich sobald ein nicht recyclebares Hygieneprodukt darin landet. Und zu guter Letzt sind diese „gloves“ nicht nur in einer pink laminierten Verpackung erhältlich, nein, jeder einzelne Handschuh ist wiederum in ein kleines Plastikteil eingewickelt, als handele es sich dabei um klebende Karamell Bonbons. Der Vergleich zu dem Unternehmen ooia drängt sich geradezu auf, das sich in Herstellung und Marketing von Menstruationsunterwäsche dem Thema Nachhaltigkeit ebenso widmet wie dem „Female Empowerment“ und 2019 ohne einen Sponsorendeal die Höhle der Löwen verlassen hat. Im Übrigen handelt es sich bei der Leitung dieses Unternehmens um zwei Frauen. Doch am stärksten, innerhalb dieser Ignoranz von Bedürfnissen und Interessen menstruierender Personen, fällt ins Gewicht, dass mit der gesamten Selbstinszenierung von pinky gloves ein altes, sehr bekanntes Narrativ antifeministischer Rhetoriken neu entfacht wird: das Märchen um die mangelnde Hygiene im Intimbereich von als Frauen gelesene Personen. Mindestens so alt wie das alte Testament ist diese Vorstellung der Unreinheit der Frau während ihrer Periode, waschen soll sich jeder heißt es darin, der mit dem menstruierenden Körper in Berührung kommt. Und auch heute steht pinky gloves nicht alleine da, Katja Lewina schreibt dazu bei jetzt.de, dass der Großteil der Intimhygiene-Industrie ihre Werbung nach diesem Prinzip auslegt, von der angeblichen Notwendigkeit eines extra entwickelten Waschgels für die Vulva bis zu Parfum Stoffen in Slipeinlagen. 

Der Kampf um die Enttabuisierung der Menstruation ist an dieser Industrie und diesen beiden Herren scheinbar bisher spurlos vorübergezogen. Ein Kampf, der von Künstler:innen öffentlich stärker geführt wird denn je, man erinnere sich an die einschlagende Wirkung der Fotografie, welche die erfolgreiche Lyrikerin Rupi Kaur mit einem Blutfleck zwischen den Beinen auf ihrem Bett zeigt oder auch ganze Kanäle wie der von artbyauntflow widmen sich mit umfangreicheren Fotoprojekten der optischen Repräsentation der Periode und hoffen durch mehr Sichtbarkeit auf größere Toleranz. „Diskret“ soll das ungut riechende und irritierend aussehende Ding nun verschwinden, aber Himmel sei Dank den cis-männlichen Helden der Geschichte, die einem dieses Verstecken der vermeintlich unangenehmen Seite des Frau-Seins endlich leichter machen. Als Ritter inszenieren sich die Herren, ihr nicht so bescheidener Leitspruch dabei: „Let’s change the world for women“.

Mit ihrem Produkt ist maximal einem realen Mangel geholfen: Den Grund für die eigene die Überforderung mit dem weiblichen Körper in einem Versagen der als Frauen gelesenen Person zu verorten; oder: in ihrem bisherigen Versagen sich so unauffällig und gefällig zu machen, dass man wie der Tampon hinter einer Schicht aus Verschleierungsmaterial unsichtbar wird. Das könnte man alles als nichtige Lappalie abtun, 3 Männer, die in ihrem Drang nach wirtschaftlichem Erfolg grandios ins Klo gegriffen haben und sich nun auf allen möglichen medialen Kanälen die Quittung abholen können. Und ja, die Situation entbehrt, besonders wenn man bereits seit längerem in feministischen Diskursen unterwegs ist, nicht einer gewissen Komik. Noch weniger ernst als das Produkt selbst kann man nämlich das Statement der Gründer zu erhaltener Kritik nehmen: Sie freuen sich, dass, quasi dank ihres Fehlers, der Diskurs um die Periode endlich entfacht worden sei und setzen so der eigenen Überschätzung geschwind noch ein Krönchen auf. Freuen könnte und sollte man sich wohl auch über die atemberaubende Gegenwehr, die zu diesem verteidigenden Statement bewegt haben. Die Stimmen dieser Gegenwehr scheinen geschlossen zu rufen: Wir haben genug von der Stigmatisierung und Kapitalisierung unserer Körper! Aber als fader Nachgeschmack bleibt die Frage nach denjenigen, die nicht in diesen Debatten stecken. Wo Wut und die Artikulation dieser Wut nicht die Reaktion auf ein solches Produkt ist, sondern die Verstärkung der Scham. Und dann kommt die Frage, die ich mir eingangs gestellt habe, wieder auf: Wer sind diese Frauen, mit welchen die Gründer angeblich vor Entwicklung ihres Produkts gesprochen haben? Die Sicherheit, mit der ich behauptet habe, dass sie ein reiner Marketingstreich seien, weicht der Sorge darum, dass sie wirklich so fühlen. Nicht weil sie bisher keinen Zugriff auf ein so sinnbefreites Produkt hatten, sondern weil die Angst unpassend und unrein für den ‚Male Gaze‘ zu sein groß genug ist, um dessen Sinn überhaupt infrage zu stellen. Oder, wie die Twitter-Userin Vectoria (@Vektorianisch) schreibt: „Wisst ihr was das Schlimmste an #pinkygloves ist? Mein Teenager-ich hätte es gekauft“. Solange also auf einer so großen und zugänglichen Plattform wie dem Free-TV zur Prime Time alte Männer so einen Deal für eine gute Idee halten mache ich mir Sorgen um die Erreichbarkeit der Inhalte und um meine eigene inhaltliche Blase, in der ich fast schon überzeugt war, dass so ein unverfrorener Sexismus der Vergangenheit angehört

Danke euch fürs Zuhören. Wenn der Podcast euch gefällt, dann teilt ihn gerne mit Freunden und Bekannten. Außerdem würden wir uns besonders freuen, wenn ihr unsere Arbeit als Fördermitglieder unterstützt. Supporten könnt ihr uns ganz einfach via Steady oder, indem ihr uns einen Betrag eurer Wahl an Paypal.me/Sinneswandelpodcast schickt. Das geht schon ab 1€. Alle weiteren Infos findet ihr in den Shownotes. Vielen Dank und bis bald im Sinneswandel Podcast. 

18. April 2021

Joséphine Sagna: Kann Kunst (uns) befreien?

von Henrietta Clasen 5. April 2021

Joséphine Sagna setzt sich in ihrem künstlerischen Schaffen mit der Identitätsfrage einer Schwarzen Frau in einer weißen Mehrheitsgesellschaft auseinander. Mit Vorurteilen und Rassismus, Fremd- und Eigenwahrnehmung, Intimität und Selbstinszenierung der Dargestellten. In den Mittelpunkt stellt sie den weiblichen Körper, selbstbewusste, starke BIPoC-Frauen, die sich dem westlichen Schönheitsideal entgegenstellen. Joséphine Sagna möchte die Essenz der Figuren darstellen, ihre laute, leise, weiche, starke und freie Art in einem vielschichtigen und fragmentarischen Bild einfangen — Schicht für Schicht, vielfarbig und mit unterschiedlichen Facetten. 

SHOWNOTES:

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Ein besonderer Dank gilt den Fördermitgliedern, die Sinneswandel als Pionier:innen mit 10€ im Monat unterstützen: Anja Schilling, Christian Danner, Bastian Groß, Pascale Röllin, Sebastian Brumm, Wolfgang Brucker, Petra Berends, Holger Bunz, Dirk Kleinschmidt, Eckart Hirschhausen, Isabelle Wetzel, Robert Kreisch, Annette Hündling, Deniz Hartmann, Torsten Sewing, Hartmuth Barché, Dieter Herzmann, Hans Niedermaier, Constanze Priebe-Richter, Birgit Schwitalla, Heinrich Ewe, Julia Freiberg, Dana Backasch, Peter Hartmann, Martin Schupp, Juliane Willing, Andreas Tenhagen, eeden Hamburg Co-creation Space for visionary women*, David Hopp, Jessica Fischer (Universität Paderborn), Ioannis Giagkos, Matthias Niggehoff, Nina Lyne Gangl, Johanna Bernkopf , Holger Berends und Sebastian Hofmann.

► Website Joséphine Sagna.
► Joséphine Sagna auf Instagram.
► Doku My Body – My Art. Frauen. Körper. Kunst. auf 3sat u.a. mit Joséphine Sagna.

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5. April 2021

Hollywood und der Male Gaze – wo bleibt die Vielfalt auf der Leinwand?

von Henrietta Clasen 9. März 2021

Warum spielen Männer eigentlich so oft die Hauptrolle in Filmen, während Frauen meist deutlich weniger Redeanteil haben, dafür aber viermal so oft nackt dargestellt werden, wie ihre männlichen Kollegen? Mal ganz zu schweigen von der (Un-)Sichtbarkeit nicht-binärer Personen. Der sogenannte Male Gaze dominiert noch immer Hollywood. Ein aktiv-männlicher, kontrollierender und neugieriger Blick, der nicht nur die Filmindustrie bestimmt, sondern damit auch unser Leben, unseren Blick auf die Welt. Was daran problematisch ist und, wie ein Gegenentwurf aussehen könnte, der Vielfalt statt die ewige selben Rollenklischees produziert, davon erzählt Elisabeth Krainer in ihrem Gastbeitrag.

SHOWNOTES:

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► The Guardian: „Male Glance: How we fail to take women’s stories seriously“
► Jean-Paul Sartre: „Das Sein und das Nichts“
► Eva Illouz: „Der Konsum der Romantik“
► Laura Mulvey: „Visuelle Lust und narratives Kino“
► Plan International: „Welt-Mädchenbericht 2019 zu Frauenrollen in Kinofilmen“
► Stacy L. Smith: „Annenberg Inclusion Initiative“
► Nina Menkes: „Sex and Power: The visual Language of Oppression“
► Alison Bechdel: „The Bechdel-Test“
► Joey Soloway: „The Female Gaze“

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Transkript: Hollywood und der Male Gaze – wo bleibt die Vielfalt auf der Leinwand?

Nach einem langen Arbeitstag oder am Wochenende sich gemütlich einen Film oder eine Serie auf dem Sofa anschauen? Na klar. Filme und Serien gehören zum Alltag der meisten von uns. Gerade in Zeiten von Corona sind sie für viele eine Art Rettungsanker, um sich die Zeit im Lockdown zu vertreiben. Allein im ersten halben Jahr von 2020 konnte Netflix sage und schreibe 26 Millionen neue Abonnenten gewinnen. Wir verbringen also mehr Zeit denn je vor dem Fernseher oder Laptop, streamen, lassen uns berieseln, unterhalten – mal mehr, mal weniger bewusst. Doch selbst, wenn wir meinen, nur einen Film zu schauen, um zu entspannen, der Realität ein wenig zu entflüchten, so vergessen wir oft, dass eben dieser sehr wohl auch unsere Realität bestimmt. Insofern, als dass Geschichten, Bilder und vor allem die Sichtweise aus der diese erzählt werden, unsere Welt beeinflussen. Oft ohne, dass wir es merken. Dass Filme und Serien unweigerlich politisch sind, war mir lange Zeit nicht bewusst. Ist ja bloß Unterhaltung, dachte ich. Erst, als ich begann mich zu fragen, weshalb eigentlich in fast jedem Film, den ich sah, der Mann die Hauptrolle spielte, während Frauen meist dazu verdammt waren, ansehnliche Dekorationsfiguren darzustellen – stumm, aber nett anzuschauen, begann ich zu realisieren, dass da etwas nicht stimmen konnte. Warum zu Teufel waren Frauen eigentlich so oft nackt in Filmen zu sehen? Ganz einfach: Es ist der “Male Gaze”, ein aktiv-männlicher, kontrollierender und neugieriger Blick, der noch immer die Filmindustrie bestimmt und damit auch unser Leben, unseren Blick auf die Welt. Was daran problematisch ist und, wie ein Gegenentwurf aussehen könnte, der Vielfalt anstelle der ewig selben Rollenklischees produziert, davon erzählt Elisabeth Krainer, die als freie Journalistin und Autorin über die großen und kleine Fragen in der Popkultur schreibt,  in ihrem Gastbeitrag. 

Bevor wir beginnen, möchte ich noch kurz darauf hinweisen, dass ihr uns nach wie vor finanziell unterstützen und damit einen Sinneswandel möglich machen könnt. Als Fördermitglieder ermöglicht ihr nicht nur die Produktion des Podcast und wertschätzt unsere Arbeit, ihr habt zudem die Möglichkeit regelmäßig an Buchverlosungen teilzunehmen. Finanziell unterstützen, könnt ihr uns zum Beispiel über Paypal.me/sinneswandelpodcast – das geht auch schon ab 1€. Alle weiteren Optionen habe ich in den Shownotes verlinkt. Vielen Dank.


Perfekte Frauen, gestählte Körper, Hetero-Beziehungen und Helden, die am Ende die Welt mit ihrer unbesiegbaren Männlichkeit retten – kommt euch bekannt vor? Kein Wunder, diese klassische Heldenreise lässt sich vor allem in vielen Filmen und Serien der Popkultur finden. James Bond ist nur ein Beispiel dafür. Sie erzählt die immer gleiche Geschichte aus der immer gleichen Perspektive. Seit mehreren Jahrzehnten. Klingt langweilig? Ist es auch. Die Bond-Filme reproduzieren im Grunde eines: den Male Gaze, eine heteronormative, cis-männliche, weiße Sichtweise auf eine Geschichte und deren Protagonist*innen. Der Begriff ist vor allem in der Filmtheorie bekannt, lässt sich aber auch auf andere Bereiche unseres Alltags übersetzen: auf Werbung zum Beispiel, die die immer gleichen Stereotype mit der fadenscheinigen Erklärung „Sex sells“ reproduziert, oder auch unsere Sprache. Begriffe wie „Mutti“ oder „Powerfrau“, sprechen aus der cis-männlichen Perspektive und dienen vor allem dazu, das Weibliche abzuwerten und zum Objekt zu stilisieren. 

In der Unterhaltungsindustrie findet jetzt scheinbar ein Umdenken statt: Die Macher*innen hinter James Bond haben den Schuss (endlich!) gehört, denn die nächste Protagonistin ist schwarz und weiblich. Das ist ein guter Schritt, aber auch ein längst überfälliger. Zum Glück gibt es da draußen noch mehr als Bond: Spätestens seit Produzentinnen, wie Phoebe Waller-Bridge oder Shonda Rhimes aufgetaucht sind und „Killing Eve“ oder „Fleabag“ auf unsere Bildschirme gebracht haben, öffnet sich der kollektive Blickwinkel. Das ist wichtig – weil Filme und Serien die meist konsumierte Form von Storytelling unserer Zeit darstellen und damit Einfluss auf unsere Art, Menschen und Situationen zu beurteilen haben. Und, weil vieles, wovon wir uns täglich unterhalten lassen, unterbewusst nachwirkt. Das lässt sich auch auf die Art, wie wir Kunst von Männern und Frauen bewerten, übertragen: Filme, Serien, Bücher oder Kunst von Männern gilt als universal, die von Frauen dagegen häufig als trivial, emotional oder häuslich, ungeachtet des Inhalts. Dadurch entstehen leere Kategorien wie „Frauen-Literatur“, die nichts über Qualität oder Inhalt aussagen. Das britische Medium The Guardian nennt diese Kategorisierung zwischen männlicher und weiblicher Kunst Male Glance und beschreibt, wie wir verlernt haben, weibliche Kunst ernst zu nehmen und unabhängig der Geschlechtsidentität des*der Künstler*in zu bewerten. Beim Male Gaze oder Male Glance wird der Blickwinkel also von einer möglichen Vielzahl an Perspektiven, wie durch Scheuklappen begrenzt – auf hetero, cis-männlich und meistens weiß.  Wer sein Leben lang mit Scheuklappen durch die Welt rennt, merkt allerdings erst dann, dass das Blickfeld eingeschränkt ist, wenn die Scheuklappen verschwunden sind. Höchste Zeit also, die Aussicht zu erweitern.

Woher kommt diese männliche Perspektive und deren Dynamik, durch die wir Geschichten bisher betrachtet haben? Die Grundform des Begriffs wird auf die Gaze Theory zurückgeführt, die von dem Philosophen Jean-Paul Sartre beschrieben wurde – als „Der Blick“ in seinem Werk „Das Sein und das Nichts“ von 1943. Er erklärt darin, dass die Interaktion zwischen zwei Individuen immer zwei Ebenen hat – die, des*der Blickenden und die, auf den*die geblickt wird. Dadurch entstehe, so Sartre, ein Machtgefälle, da der*die Blickende zum Subjekt, und der*die jeweils gegenüberstehende Person zum Objekt werde. Die Soziologin Eva Illouz nennt diesen Vorgang „Verdinglichung“: Die Frau, das Objekt, werde dabei rein nach ästhetischen und sexuellen Attributen bewertet.

Der Begriff Male Gaze wurde dann in der feministischen Filmtheorie bekannt, als Filmkritikerin Laura Mulvey den Essay „Visuelle Lust und narratives Kino“ 1975 veröffentlichte – mit der These, dass Frauen im Film durch den heteronormativen Blick des Cis-Mannes abgewertet und sexualisiert würden. Dabei bezieht sich Mulvey auf Aspekte der Psychoanalyse: Der Male Gaze bediene eine Art Voyeurismus, der sexuell erregt, auch als „The Pleasure of Looking“ bezeichnet. Das mache die Film-Narrative zu einer sozial-gesellschaftlichen Kraft, die Frauen immer wieder in die Rolle des Objekts drängen und als Folge der patriarchalen Machtstellung zu deuten seien. Dem Publikum werde der maskuline Blick aufgedrängt, ungeachtet von deren Geschlechtsidentität. Zudem bezieht sich Mulvey auf die psychoanalytische These von Jacques Lacan, der den sogenannten „narzisstischen Blick“ definiert hat – als einen Moment der Identifikation, der laut Mulvey auch im Film gegeben sei: in Form von überstilisierten, mächtigen Männern, mit denen sich das männliche Publikum identifizieren könne.

Jetzt ist der Male Gaze aber nicht bloß eine Theorie für eine kleine Gemeinschaft von „Film-Nerds“, die sich mit Feminismus auseinandersetzt, sondern popkultureller Alltag für uns alle. Wir konsumieren Filme, Serien, Bücher oder Kunst aus einer ganz bestimmten Perspektive – die uns aus Mangel an Alternativen häufig total normal vorkommt. Dieser bestimmte Blickwinkel steckt tief im westlichen Kultur-Verständnis und beginnt bereits in der antiken Dichtung, etwa mit Homers Odyssee, die bereits die klassische Heldenreise skizziert, in der der männliche Blick dominiert. Bis heute strahlt der Einfluss in alle Milieus aus und ist auch in der Literatur und Kunst präsent.

In der gegenwärtigen Popkultur beginnt das Problem allerdings weit vor dem Moment, in dem wir auf Play drücken: Es beginnt dort, wo die Unterhaltung produziert wird – in Hollywood zum Beispiel, das auch im 21. Jahrhundert immer noch Dreh- und Angelpunkt der westlichen Unterhaltungs-Industrie darstellt. In den letzten hundert Jahren wurden dort in erster Linie Filme von Männern für Männer produziert. Vom Drehbuchautor bis zum Kamera-Assistenten waren Film-Sets vor allem weiß, männlich, hetero.  Bis heute hat sich daran nur bedingt etwas geändert: Die Professorin Stacy L. Smith befasst sich seit etwa 15 Jahren mit der Rollenverteilung in Hollywood, vor und hinter der Kamera. Auf der Leinwand scheint sich zumindest in Sachen Repräsentation etwas zu tun: In ihrer Studie wurden rund 53.000 Charaktere aus 1200 Filmen zwischen 2007 und 2018 analysiert, also 100 Filme pro Jahr. 2007 waren darin 20 weibliche Hauptrollen zu finden, 2018 dagegen 39. Das bedeutet allerdings noch nicht, dass diese Rollen nicht auch sexualisiert werden. Die, die sie umsetzen, sind nämlich auch 2018 noch weitestgehend Männer – der Anteil weiblicher Regisseurinnen liegt bei gerade einmal vier Prozent.

Genauso stereotyp, wie der Male Gaze, wäre es allerdings zu behaupten, dass jeder cis Mann, der Filme oder Serien produziert, dies automatisch nur anhand vorgefertigter Rollenbildern tut. Es gibt sie, die Produzenten und Regisseure, die es schaffen, nicht bloß Klischees zu bedienen – Noah Baumbach mit seinem letzten Film „Marriage Story“ etwa, der die Schauspielerin Scarlett Johansson in einer rauen, unperfekten und authentischen Rolle zeigt, ohne sie darin auf ihren Körper zu reduzieren, der in der Vergangenheit öfter Thema der Medien war als ihre schauspielerische Leistung. Oder Director Ryan Murphy, der mit seiner Netflix-Serie „Pose“ trans Schauspieler*innen eine Bühne bietet und sie weit weg von gängigen Klischees auftreten lässt. Wäre es aber nicht einfach fair, die Menschen auch hinter der Kamera mitreden zu lassen, die täglich erleben, wovon andere nur theoretisieren können? Also cis, queer oder trans Frauen zum Beispiel? 

Durch die Mehrheit von cis Männern hinter der Kamera ist der Male Gaze so alltäglich, dass er sich an manchen Stellen schwer aufdecken lässt. Ein guter Hinweis sind sogenannte „Tropes“, also Charaktere, die ausschließlich platte Klischees bedienen – und häufig Frauen betreffen, denen keine eigenen Bedürfnisse zugeschrieben werden und die nur dazu dienen, den männlichen Blick zu befriedigen. Dazu zählt das eiskalte, aber sehr attraktive Biest wie etwa Rachel McAdams in „Girls Club“, die vor allem andere Frauen verabscheut, das Mauerblümchen in prekärer Lage, das von einem Mann entdeckt werden muss, um zu voller Blüte zu gelangen, wie Julia Roberts in „Pretty Woman“ oder das weit verbreitete Phänomen des dicken, lustigen Sidekicks, wie Rebel Wilson in „Pitch Perfect“, die zwar zum Brüllen komisch ist, aber vor allem dann, wenn sie Witze auf Kosten ihres Körpers macht. Der sogenannte „Bechdel-Test“ dient dazu, diese einfältigen Plots und Charaktere zu entlarven. Er wurde in den 80ern von Autorin und Comic-Zeichnerin Alison Bechdel in einem Comic verwendet und besteht aus drei einfachen Fragen: Gibt es mindestens zwei Frauenrollen? Sprechen sie miteinander? Und: Unterhalten sie sich über etwas anderes als einen Mann? Klingt lapidar, ist es auch – und trotzdem gibt es bis heute Filme, die trotz eines nicht bestandenen „Bechdel-Tests“ für einen Oscar nominiert waren. Der Test ist nicht wissenschaftlich und kein aussagekräftiges Barometer dafür, ob ein Film wirklich sexistisch ist, den Male Gaze reproduziert oder nicht – aber er kann als erster Check hilfreich sein, bevor man auf Play drückt.

Regisseurin Nina Menkes beschreibt in ihrem Artikel „Sex and Power: The Visual Language Of Oppression“ einfache Hinweise, die den Male Gaze entlarven können. Zum Beispiel: Wie häufig sieht man einzelne Körperteile von Frauen, während man ihren Kopf (und damit Gesichtsausdruck, Emotionen, etc.) nicht sieht? Wie ist die Person ausgeleuchtet? Darf sie z.B. ihre Stirn in Falten legen oder wird sie wie ein glatt gebügeltes, übermenschliches Wesen, das allen Schönheitsidealen entspricht, dargestellt? Bringt es den Inhalt irgendwie weiter, dass die Person in bestimmten Szenen nackt oder leicht bekleidet ist? Wird bloß über sie gesprochen oder kommt sie auch zu Wort? Die Organisation Plan International hat 2018 gemeinsam mit dem Geena Davis Institut die 56 umsatzstärksten Filme und deren Hauptrollen analysiert. Das Ergebnis: Männer reden doppelt so viel und haben doppelt so viele Rollen, Frauen dagegen sind viermal öfter nackt als männliche Rollen. Das hinterlässt Eindruck beim Publikum. Allerdings soll das nicht heißen, dass alle filmischen Sexszenen oder Ähnliches komplett aus der Filmwelt verbannt werden sollten. Sondern lediglich, dass man darin auch andere Perspektiven als die, des männlichen Subjekts sehen sollte.

Wie kann ein Gegenentwurf dazu aussehen? Hier kommt der Female Gaze ins Spiel: Bedeutet er bloß die Umkehrung von Objekt und Subjekt? Also sollen Männer jetzt von cis Frauen sexualisiert werden? Der Begriff wurde bisher noch nicht wissenschaftlich definiert – über die Bezeichnung lässt sich also durchaus streiten. Fraglich ist, ob es im 21. Jahrhundert Sinn der Sache sein kann, die Perspektive von Menschen rein auf deren Geschlecht und Sexualität zu reduzieren, und davon auszugehen, es gäbe nur zwei Geschlechter. Es geht nicht um die Umkehrung von Objekt und Subjekt im binären Gender-Konstrukt, sondern um die vielschichtigen Möglichkeiten außerhalb der heteronormativen, männlichen Normen, die seit Jahrhunderten verdrängt werden. Da dann aber ein Begriff basierend auf dem binären Geschlechter-Konstrukt problematisch ist, gibt es Alternativen dazu, wie den Feminine Gaze, der sich nicht auf das biologische Geschlecht bezieht, sondern auf Eigenschaften, die weiblich gelesen werden, oder der Individuals’ Gaze, der sich völlig vom Geschlecht abkoppelt. 

Der nicht binäre Produzent Joey Soloway hat 2016 auf dem Toronto Film Festival, den Female oder Feminine Gaze als eine diverse, vor allem auf emotionaler Ebene authentische Perspektive beschrieben. Eine Perspektive, die Protagonist*innen ungeachtet deren Geschlechtsidentität Gefühle, Bedürfnisse, Wünsche und Ängste zugesteht. Die ambivalent handeln und denken, ja sogar zum Objekt werden können – sofern sie es selbst wollen. Das funktioniert aber nur, wenn unterschiedliche Perspektiven an der Entstehung beteiligt sind. Das beweist etwa Soloway selbst, mit der Serie „Transparent“, in der sich ein Familienvater nach vielen Jahren als trans outet. Oder mit Phoebe Waller-Bridge, die mit „Fleabag“ den Gegenentwurf zu all den misogynen „Frauen-Serien“ geschrieben und produziert hat. In Fleabag sind Frauen ambivalent, derb, unausstehlich und zum Brüllen komisch. All das ist möglich, spannend und sehr unterhaltsam – sofern man nicht versucht, zwanghaft ein cis-männliches Machtkonstrukt aufrechtzuerhalten. Wie schade um die vielen guten, unterhaltsamen und innovativen Ideen, die es nicht auf unsere Bildschirme geschafft haben, weil der*die Urheber*in nicht cis-männlich ist.

Die gute Nachricht: Der Zeitgeist verändert sich, und damit auch die Popkultur. Die Diversität von Filmen und Serien und die weniger platten Charaktere, die auf der Leinwand stattfinden, sind Beweis dafür. Regisseur*innen wie Greta Gerwig, Ava DuVernay, Joey Soloway oder Chloé Zhao, die vielschichtige Rollen erschaffen und zeigen, verändern die Branche. Allerdings stehen nicht nur Produzent*innen in der Verantwortung: Auch Konsument*innen können dafür sorgen, dass diverse Stoffe mehr Aufmerksamkeit erhalten, indem sie u.a. Filme und Serien bewusst auswählen. Hollywood, Streamingdienste, Verlage und Co. reagieren vor allem auf Geld und View-Zahlen. Wer also “plattes Zeug” streamt, liest, konsumiert, unterstützt letztlich die Produktion von mehr “plattem Zeug”. Es lohnt sich langfristig, genau hinzuschauen: Wessen Perspektive unterstütze ich? Damit kann man vielleicht nicht die gesamte Unterhaltungsindustrie auf den Kopf stellen, aber zumindest einen ersten Schritt in Richtung Vielseitigkeit tun.


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9. März 2021

JJ Bola: Was bedeutet Mannsein heute? (EN)

von Ricarda Manth 3. Dezember 2020

JJ Bola zufolge, befindet sich das Bild „des Mannes“ nach wie vor in einer Krise – vielleicht sogar mehr denn je. In Zeiten von Trump, #MeToo und den Incels, scheint Männlichkeit kein positiver Begriff mehr zu sein. Darum sucht der im Kongo geborene Autor und Aktivist nach Auswegen aus dieser Krise. In seinem Buch “Mask off – Masculinity redefined” versucht er aufzuzeigen, wie vielfältig und fluide Maskulinität sein kann. Dabei hebt er immer wieder hervor, dass obgleich Männer in einem patriarchalen System in vielerlei Hinsicht privilegiert sind, dennoch massiv unter selbigem leiden. Weil auch sie in Rollenbilder sozialisiert werden, die es ihnen nicht immer erlauben, die Art Mann/Mensch zu sein, der sie sein wollen. Feminismus ist also bei weitem keine reine “Frauenangelegenheit”, so JJ Bola. Denn auch Männer würden von dem Durchbrechen patriarchaler Strukturen profitieren. Wie ein Weg in eine gleichberechtigte Gesellschaft, sich frei entfaltender Individuen aussehen kann, darüber hat Marilena Berends sich mit dem in London lebenden Autor JJ Bola ausführlich unterhalten.

Shownotes:
► Sei kein Mann von JJ Bola, erschienen 08/2020 bei Hanser Literaturverlage.
► Leseempfehlung: Judith Butler: Gender Trouble.
► Pro_feministischer Blog, der sich insbesondere mit Kritischer Männlichkeit befasst.
► Hilfetelefon für von Gewalt betroffenen Männern sowie Angehörigen.

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3. Dezember 2020
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