sinneswandel.art
  • Home
  • Podcast
  • Episoden
    • Allzumenschliches
    • Mensch & Natur
    • New Economy
    • Zusammenleben gestalten
    • Zukünfte denken
  • Unterstützen
  • Über
sinneswandel.art
  • Home
  • Podcast
  • Episoden
    • Allzumenschliches
    • Mensch & Natur
    • New Economy
    • Zusammenleben gestalten
    • Zukünfte denken
  • Unterstützen
  • Über

Gender

„Oben ohne“ für alle – längst überfällig?

von Marilena 28. Juni 2022

“Free the Nipple”, “Gleiche Brust für alle”, “oben Ohne Demos” – immer wieder wird darauf hingewiesen – meist von weiblich gelesenen und queeren Personen – dass Brust nicht gleich Brust ist. Dass die Brüste weiblich gelesener Personen seit jeher und noch immer objektifiziert und sexualisiert werden. Die weibliche Brust, sie ist eigentlich nur dann sichtbar, wenn sie dazu dient, etwas zu verkaufen oder in der Welt des Pornos. In der Öffentlichkeit, ob auf der Straße oder im Netz, stellt sie meist nur ein verpixeltes Phantom dar. Hier lautet Verhüllung die Devise! Zum Schutz versteht sich – aber vor was oder wem eigentlich? Und wieso ist das scheinbar Aufgabe der Frau?

Shownotes:

Macht (einen) Sinneswandel möglich, indem ihr Fördermitglieder werdet. Finanziell unterstützen könnt ihr uns auch via PayPal oder per Überweisung an DE95110101002967798319. Danke.

► Anja Schmidt, Verfassungsblog: „Die nackte weibliche Brust als Sittlichkeits- und Rechtsproblem„ 07/21.
► Thomas Becker, MDR: „Halbnackt im Freibad? Was ein Jurist über nackte Brüste sagt„ 05/22.
► Denise Klein, Zeitjung: „Oberkörperfrei-Privilegien: Männer, lasst eure t-Shirts einfach an„ 09/20.
► NRD Hamburg Journal: „SPD in Eimsbüttel will „oben ohne“ in Schwimmbädern erlauben„ 06/22.
►Dlf Kultur: „Oben-ohne nur für Männer? „Nach dem Gesetz sollten alle Brüste gleich sein“ 04/22.
► Jürgen Martschukat, Konrad Adenauer Stiftung: „Über das Politische im Körper„ 12/21.
► Isaiah Berlin: Essays in Honour of E. H. Carr (1974), S. 9.

✉ redaktion@sinneswandel.art
► sinneswandel.art

 

Transkript:

Es ist ein Tag Mitte Juni in Hamburg und das Thermometer zählt schätzungsweise 28 Grad. Ich sitze im Freibad auf der Wiese – “oben ohne”. Kein Bikini, der meine Brüste bedeckt. So richtig wohl, fühle ich mich in dabei nicht. Warum und aus welchem Grund ich dennoch so dasaß, davon möchte ich heute erzählen. Dafür muss ich allerdings ein wenig ausholen. Und wir müssen ein paar Tage zurückgehen, vor den besagten Tag im Freibad.

Über meine Brüste mache ich mir ehrlich gesagt selten Gedanken. Eigentlich fallen sie mir oft erst dann auf, wenn sie – meistens von Männern – “beachtet” oder kommentiert werden. Ansonsten sind meine Brüste für mich ein Körperteil, wie jeder andere auch. Sie sind für mich “normal”. Normal, wie das Gesicht, das mir morgens im Spiegel verschlafen entgegenblickt, Zähneputzen oder der Kaffee, der meistens darauf folgt. Dinge, über die ich mir eher selten bewusst Gedanken mache. In letzter Zeit gab es allerdings häufiger Situationen, die mich über Brüste haben nachdenken lassen. Nicht nur darüber, dass ich ganz offensichtlich welche habe, ich meine vielmehr im Allgemeinen – über ihr Vorhandensein, ihre Wahrnehmung in der Gesellschaft. Und wer jetzt denkt, ich spreche nur von Brüsten weiblich gelesener Personen, der täuscht sich. Denn eigentlich nahm alles seinen Anfang mit der, eines Mannes. Also der männlichen Brust – im Singular. Auch so eine Sache, über die ich mir bislang wenig Gedanken gemacht habe. Aber allein die Terminologie dieser Begriffe, oder vielmehr ihre Verwendung, macht deutlich, dass es hier wohl einen Unterschied geben muss – zumindest in der Wahrnehmung. Aber, beginnen wir ganz von vorne:

Ich sitze mit D. auf dem Balkon und wir trinken Kaffee. D. erzählt mir von einem Festival, auf dem er mit seiner Band gespielt hat. Es sei eine mega Show gewesen – allerdings gab es da so einen Vorfall, erzählt mir D.. Einer seiner Bandkollegen, der Drummer, habe sich auf der Bühne das Shirt ausgezogen. Das mache er öfter, also eigentlich erstmal nichts Besonderes. Aber nach dem Konzert, sei die Sängerin einer anderen Band zu ihnen gekommen und habe ihn darauf angesprochen. Ob er sich denn eigentlich darüber bewusst sei, dass er mit seinem nackten Oberkörper anderen Menschen – insbesondere weiblich gelesenen Personen – vor den Kopf stoßen könnte. Sie, als Frau, könne sich nicht so einfach “oben ohne” auf die Bühne stellen. Ein klassisches Beispiel von offensive masculinity, so die Sängerin. Dabei habe er sich doch gar nichts nichts dabei gedacht, erwidert der Drummer. Was genau daran offensive sei, will er wissen. Ihm das zu erklären, sei sei nicht ihre Aufgabe, lautete die Antwort der Sängerin, erzählt mir D. Autsch! Recht hat sie irgendwie. Und doch zeigt die Unsicherheit des Schlagzeugers, dass hier ganz offensichtlich unterschiedliche Wahrnehmungen, vermutlich gar Welten aufeinandertreffen. 

Ich habe ganz grundsätzlich nichts gegen Nacktheit einzuwenden – aber die Selbstverständlichkeit mit der sich einige männlich gelesenen Personen im öffentlichen Raum ihren nackten Oberkörper präsentieren, lässt mich doch oft staunen und ich frage mich immer wieder: wieso eigentlich? Ist das einfach “typisch Mann”? Und welche Vorstellungen von Männlichkeit stecken vielleicht dahinter? Ich rufe einen Freund von mir, Anıl Altıntaş an, von dem ich glaube, dass er mir vielleicht eine Antwort darauf geben kann: 

Anıl: “Die Frage, ob das “typisch Mann” ist, würde ich anders beantworten. Ich würde sagen, es ist leider “typisch Mann”, weil sich Mann daran gewöhnt hat, in gesellschaftlichen Strukturen zu leben, die vollkommen an seine Bedürfnisse angepasst sind. Und das “Normale” daran, dass man sich zeigen kann, ist eigentlich kein Zustand, der normal sein sollte, weil er letztendlich konstruiert ist und natürlich auch mit ungleichen Machtverhältnissen zu tun hat. Nämlich, dass Männer nicht in der gleichen Weise, und vor allem ihre Körper, sexualisiert, kontrolliert, limitiert und auch Objekt von gerichtlichen Auseinandersetzungen sind. Und ich glaube, was daran normal ist, ist die Tatsache, dass wir uns als Gesellschaft daran gewöhnt haben, unsere Bedürfnisse vor allem an Bedürfnissen von Männern auszurichten. Und das ist es, was daran “typisch Mann” ist, dass man sich an diesen Zustand gewöhnt hat und wenig davon abhält, überhaupt darin eine Problematik zu sehen.”

Also alles eine Frage der Gewöhnung bzw. Sozialisierung? Und was sagt eigentlich das Gesetz dazu? Wie viel Nacktheit ist eigentlich erlaubt? Selbstverständlich gibt es Situationen, in denen es einfach unangebracht ist, sich oberkörperfrei zu präsentieren, weil andere sich dadurch belästigt fühlen könnten. Wie zum Beispiel in öffentlichen Verkehrsmitteln – was mir schon häufiger begegnet ist. Dass ein Mann mir “oben ohne” direkt gegenübersitzt und mir wenig Raum bleibt, mich diesem Anblick zu entziehen. Auch das kann Ausdruck von Macht sein – ganz gleich ob bewusst oder unbewusst. Aber, wie Anıl sagt, wir haben uns als Gesellschaft scheinbar so sehr damit abgefunden, dass oberkörperfreie Männer in der Öffentlichkeit oft einfach toleriert werden. Was nicht heißt, dass sich alle damit wohlfühlen. Zwar ist Nacktheit grundsätzlich in Deutschland nicht verboten – es gibt kein Gesetz, dass es untersagt, sich in der Öffentlichkeit auszuziehen – allerdings nur, wenn es ohne „sexuellen Bezug“ geschieht. Und nicht an Orten, an denen sich andere Menschen von der ungefilterten Körperlichkeit gestört fühlen können. Dann gilt Nachktheit gemäß § 118 als Ordnungswidrigkeit. Hierfür können schon mal Geldbußen zwischen fünf und 1000 Euro fällig werden. Allerdings frage ich mich: Ab wann fühlen sich Menschen gestört? Und wer beurteilt das? Das ist alles andere als eindeutig, weswegen § 118 auch als „Gummiparagraph“ gilt – eben eine sehr allgemein gehaltene Regelung, die sich ziemlich weit dehnen lässt. Aber nun genug der Paragraphen-Faselei! Worauf ich eigentlich hinaus möchte, ist die Tatsache, dass des Einen gelebte Freiheit, die eines Anderen einschränken kann. Und selbst, wenn nicht jede nackte Männerbrust, die mir im Sommer auf den Straßen begegnet, für mich zwangsläufig eine Belästigung darstellt, so macht sie mir doch eines deutlich: Ich könnte das nicht – zumindest nicht mit dieser Selbstverständlichkeit. Und damit sind wir bei “Brüste-Situation” Nr. 2:

Es ist Dienstag Abend, die Sonne scheint und ich drehe eine kleine Laufrunde entlang der Elbe. Ein anderer Jogger kommt mir entgegen – “oben ohne”. “Es ist aber auch echt heiß”, denke ich. Verständlich, wer da das Bedürfnis verspürt, sich freizumachen. Aber könnte ich mir das für mich selbst vorstellen? Als Frau, oberkörperfrei joggen? Theoretisch ja, praktisch eher nein. Die Blicke anderer Passanten wären mir wohl garantiert – ich würde mich unwohl und fehl am Platz fühlen. Den männlichen Jogger eben,  scheint es nicht im geringsten zu gehen wie mir. Ob der sich wohl darum bewusst ist? In diesem Moment erinnere ich mich an Schilder, die ich letzten oder vorletzten Sommer entlang der Alster gesehen habe. “T-Shirt bleibt an – alle haben fun!”, prangte groß auf denen.  Darunter eine kurze Erklärung oder vielmehr Aufforderung an männlich gelesene Personen, ihr “Oberkörperfrei-Privileg” doch bitte nicht auszunutzen. Als Zeichen des Respekts und der Solidarität mit allen Hamburger*innen. Im Prinzip das, was auch die Sängerin, die D.’s Bandkollegen ansprach, gefordert hat: Solidarität – oder im ersten Schritt zumindest Bewusstsein darüber, warum man etwas tut und was man damit vielleicht für Signale aussendet. Aber bedeutet das dann in der Konsequenz, dass sich männlich gelesene Personen grundsätzlich nicht mehr “oben ohne” zeigen sollten? Was sagt Anıl dazu?

Anıl: “Ich finde, die Schilder in Hamburg sind erstmal ein wichtiger Punkt, nämlich um auf die Problematik hinzuweisen und zum Nachdenken anzuregen. Ich würde nicht sagen, dass es eine solidarische Aktion von Männern sein sollte, sondern es ist eine Sache, die einerseits damit zu tun hat, dass sie sich im ersten Schritt reflektieren, also quasi eine Grundlage zur Reflektion. Und sie müssen natürlich auch mal drüber nachdenken, was es überhaupt heißt, in einem öffentlichen Raum seinen Körper so in einer Form darstellen zu können. Und gleichzeitig auch zu fragen, mit wieviel Einschränkungen eigentlich Personen, die als weiblich gelesen werden, umgehen müssen. Und ich glaube, es ist richtig, von einem Privileg zu sprechen. Ich sehe aber auf jeden Fall die Notwendigkeit, dass dieser Diskurs, dass nämlich Männer nicht immer, wenn sie oberkörperfrei sind, darauf hingewiesen werden, dass es ein Privileg ist und, dass sie gerade ihre Macht ausnutzen. Und ich finde, deshalb ist es eigentlich im ersten Schritt ein wichtiger Impuls.”

Und, wenn wir mal ehrlich sind, ist dieser Diskurs ja keineswegs neu: “Free the Nipple”, “Gleiche Brust für alle”, “oben Ohne Demos” – immer wieder wird darauf hingewiesen – meist von weiblich gelesenen und queeren Personen – dass Brust nicht gleich Brust ist. Dass die Brüste weiblich gelesener Personen seit jeher und noch immer objektifiziert und sexualisiert werden. Die weibliche Brust, sie ist eigentlich nur dann sichtbar, wenn sie dazu dient, etwas zu verkaufen oder in der Welt des Pornos. In der Öffentlichkeit, ob auf der Straße oder im Netz, stellt sie meist nur ein verpixeltes Phantom dar. Hier lautet Verhüllung die Devise! Zum Schutz versteht sich – aber vor was oder wem eigentlich? Und wieso ist das scheinbar meine Aufgabe, als Frau? 

Diese Frage bringt mich zu “Brüste-Situation” Nummer 3: Es ist noch immer Juni, ich scrolle durch den Nachrichtenfeed auf meinem Smartphone und bleibe an einer Meldung hängen: “Hamburger SPD-Politikerin fordert oben ohne für alle im Schwimmbad”. Im Artikel erfahre ich, es geht hier um Paulina Reineke-Rügge. Sie ist Bezirksabgeordnete der SPD Hamburg-Eimsbüttel und hat gerade einen Antrag eingereicht, mit dem die Oberkörperfreikultur für alle Hamburger*innen möglich werden soll. Spannend! Da hake ich doch direkt mal nach, was sich die SPD von dem Antrag verspricht. ich schwinge mich aufs Rad Ich treffe Paulina Reineke-Rügge in ihrem Abgeordnetenbüro:

Paulina Reineke-Rügge: “Also einmal nur vorweg: Wenn der Antrag durchkommt, dann ist es trotzdem keine bindende Regelung für die Schwimmbäder, sondern eine Empfehlung, die der Bezirk ausspricht. Aber dadurch, dass jetzt der Diskurs da ist, bewegt sich viel in die Richtung. Und mir ist es wichtig aus dem Grund, dass ich glaube, dass eine differenzierte Kleiderordnung zwischen Männern und Frauen oder Personen generell, veraltet ist und, dass es auch veraltet ist die weibliche Brust so zu sexualisieren und diese Differenzen zu machen zwischen den Körpern. Und man muss dazu sagen, angestoßen wurde es ja in Göttingen, wo eine nicht-binäre Person Baden war, die sich dann, obwohl sie sich ja nicht mal als Frau definiert, an eine Kleiderordnung halten musste, die vorgibt, dass Frauen das nicht machen dürfen. Und das hat einfach gezeigt, dass da Aufholbedarf ist und, dass da eine Ungerechtigkeit stattfindet und keine Gleichberechtigung, wie wir sie heutzutage haben sollten oder uns wünschen.”

Von dem Fall in Göttingen hatte ich mitbekommen – der ging ziemlich viral. Jetzt erfahre ich, dass sich daraufhin eine Bewegung gegründet hat, “Gleiche Brust für alle”. Und die hat tatsächlich erreicht, dass seit dem 1. Mai diesen Jahres jede und jeder in den Schwimmbädern Göttingens “oben ohne” baden kann – allerdings nur samstags und sonntags. Also Gleichberechtigung, aber nur am Wochenende? Klingt irgendwie absurd. Ich frage Paulina, was sie davon hält:

Paulina Reineke-Rügge: “Also ich bin froh, dass da überhaupt in irgendeine Richtung gegangen worden ist. Aber ich finde die Regelung tatsächlich super merkwürdig, weil die Brust und die weibliche Brust sieht nicht unter der Woche anders aus am Wochenende. Wenn man jetzt als Grund heranziehen würde, dass die Leute sich gestört fühlen oder belästigt oder ähnliches, wäre es am Wochenende ja noch wahrscheinlicher, weil da die Bäder noch voller sind. Deswegen kann ich die Regelung tatsächlich gar nicht nachvollziehen und ich finde es dann auch wieder schwierig, weil es quasi nochmal ein Zusatz ist und noch bürokratischer. Man muss sich noch mehr merken, wann darf ich was, wie darf ich das machen? Und es sollte einfach viel, viel einfacher werden und viel, viel normaler sein, dass weibliche und männliche Brüste beide, wenn sie mögen, frei sind.”

Apropos sich merken und informieren: der Sprecher der Hamburger Bäderlänger, Michael Dietel, der hält nicht ganz so viel von dem Antrag der SPD. Wieso, will ich von ihm wissen: 

Michael Dietel: “Wir sind von dem Antrag und dessen Inhalt schon ein bisschen überrascht, denn es ist aktuell überhaupt kein Thema zwischen unseren Badegästen. Wir werden nicht darauf angesprochen. Es gibt da keine schriftlichen Rückmeldungen und auch keine Nachfragen dazu, wie es denn geregelt ist. Es scheint also so zu sein, dass für die Gesellschaft klar ist, wie man sich gemeinsam in einem Schwimmbad verhalten will und was man jeweils  anziehen kann oder vielleicht auch nicht anzieht. Von daher ja, auch unsere Hausordnung gibt es her, dass Frauen oben ohne im Schwimmbad unterwegs sein können.”

 Okay, es ist also offiziell nicht verboten. Aber ist es damit bereits erlaubt? Paulina findet, nicht ganz: 

Paulina Reineke-Rügge: “Also ganz so stimmt es ja nicht, dass es erlaubt ist, sondern die Regelungen sind relativ schwammig. Es wird davon gesprochen, dass Menschen sich angemessen kleiden müssen. Es ist aber nicht definiert, wer entscheidet, was ist angemessen. […] Und ich glaube, dass gerade jetzt durch diesen breiten Diskurs und dadurch, dass viele darüber sprechen, Menschen doch eher darüber nachdenken, ob sie es dürfen oder eben nicht dürfen, weil es vorher eben nicht geregelt war. Wenn jetzt niemand im Schwimmbad sich “oben ohne” zeigt, würde ich es wahrscheinlich auch nicht tun. Wenn aber viele Menschen es machen, weil sie jetzt davon hören oder überhaupt darüber nachdenken, ist es was anderes. Und gerade das Beispiel Göttingen hat ja gezeigt, dass es Menschen gibt, die es wollen, die es aber noch nicht dürfen. Und deswegen glaube ich schon, dass da eventuell der Wunsch besteht und es wird ja niemand dazu gezwungen. Das heißt, wenn wir uns dafür einsetzen und die Menschen sagen “möchte ich nicht machen”, muss es keiner tun. Wobei ich sagen muss, dass ich im Freundeskreis jetzt von den Resonanzen schon gehört habe. Die Leute sagen auch In einigen Situationen mache ich es doch eigentlich ganz gern und habe es aber bisher nicht gemacht, weil man sich dann doch nicht traut.”

Würde ich mich das trauen? Klar, ist mein erster Gedanke. Für mich sind meine Brüste schließlich ganz “normal”. Warum sollte ich nicht “oben ohne” ins Schwimmbad. Aber, warum tue ich es dann doch so selten? Zeit für ein kleines Selbstexperiment, denke ich mir und damit sind wir auch angekommen bei dem besagten Tag im Freibad: Ihr erinnert euch, es ist Juni, 28 Grad?! Nachdem ich einen freien Platz für mein Handtuch ergattert habe, lasse ich meinen Blick über die Wiese streifen – auf der Suche nach Verbündeten. Aber, alles was ich sehe, sind Männerbrüste. Die einzigen Frauen, die kein Oberteil tragen, liegen auf dem Bauch. Und ich nehme an, sie tun das bewusst. Verzweifelt werfe ich noch einen Blick in die Runde, aber auch der ergibt keinen Treffer. Verdammt! Ich überlege mein Experiment abzubrechen. Als einzige Frau “oben ohne”? Dazu legt sich auch noch eine Gruppe junger Männer neben mich. Das macht es nicht gerade einfacher. Aber, wo liegt eigentlich das Problem? Ich habe doch eigentlich keins – sondern ihr, denke ich mir. Ihr, die mich zu etwas macht, das ich nicht sein will – ein Objekt. Ihr, die meinen Körper parzelliert, in Fragmente zerteilt, in Brüste, losgelöst von mir als ganzem Menschen. In solchen Momenten habe ich das Gefühl, jegliche Kontrolle über mich selbst zu verlieren, fühle mich ausgesetzt, den Blicken, die meinen Körper scheinbar als Einladung begreifen. Aber, wie lässt sich das Problem lösen? Muss ich mich einfach nur überwinden? Zögerlich ziehe ich mein Bikinioberteil aus. Ein wenig rebellisch komme ich mir dabei vor. Allerdings währt dieses Gefühl nicht lange. Ich spüre neugierige Blicke auf mir, möchte am liebsten die Augen schließen, um sie wenigsten nicht sehen zu müssen. So soll sich Freiheit anfühlen? Nein, danke!

Wir leben in einer hypersexualisierten Gesellschaft, die eine Doppelmoral predigt, die absurder kaum sein könnte. In der ein Potenzfeminismus suggeriert: “Fühl dich frei, niemand hindert dich daran! Schließlich leben wir im ach so liberalen “wilden Westen”. Ein BH zwängt dich ein? Lass ihn halt weg! Ach, du störst dich an den Blicken, die dich beinahe ausziehen, wenn man doch tatsächlich deine Nippel erahnen kann? Tja, damit musst du eben leben. So sind sie halt, die “Männer”! Nicht zu bändigen, diese Testosteronschleudern.” So ein Unsinn, denke ich mir. Die Lösung des Problems kann doch nicht liegen, dass Frauen ihre Körper zum Schutz verhüllen oder andersherum, einfach selbstbewusster werden müssen, um “frei” zu sein. Müsste es nicht eigentlich genau andersherum sein? Anıl hält diese Sichtweise auch für ziemlich verquer, wie er mir erklärt:

Anıl: “Dieses Argument, dass Männer sich nicht im Griff haben, ist natürlich sehr problematisch. Weil es im Prinzip die Schuld bei Frauen sieht, während Männer komplett von der Verantwortung befreit werden. Es gibt ja dieses Meme, das sagt nicht “protect women”, sondern “educate your boys”. Und ich finde, das ist erst mal eine richtige und wichtige Umkehr. […] Ich glaube, dass eigentlich Problem ist, Frauenkörper immer nur zu Objektifizieren und sie nur in einem Kontext zu sehen, ohne auch zu denken, dass der Körper ihnen nicht gehört. Und dieser Besitzanspruch ist, glaube ich, ist ein großes Problem, wovon natürlich auch Männer Teil sind, auch durch die Strukturen, in denen wir aufwachsen: Erwachsenenleben, Sozialisation, durch die Art und Weise, wie unsere Medienwelt funktioniert, reproduziert, manifestiert wird. Und ich glaube, das Problem ist, dass wir Männern nicht so wenig zutrauen. Aber es gibt zu wenig Leute an gesellschaftlichen Schaltstellen, die darin ein Problem sehen, weil das aus deren Perspektive, aus einer sehr männlichen, privilegierten Perspektive, das gesellschaftliche Gefüge auseinander bringen würde. […] Das heißt, ich bin immer dabei, Männer müssen in die Verantwortung gezogen werden, weil wenn Männer diese Blicke und diese Art und Weise, wie sie mit Frauen und deren Körpern umgehen nicht in Griff kriegen, dann werden wir auch nicht in einer gerechten Welt leben. Denn man muss sich vorstellen oder Männer müssen sich eigentlich vorstellen, was das eigentlich bedeutet, keine wirkliche Kontrolle über seinen eigenen Körper und sein eigenes Wohlbefinden und seine eigene Sicherheit zu haben. Von daher, es ist unbedingt wichtig, die Sensibilität zu schaffen. Und ich glaube, idealerweise würden wir alle gemeinsam kein Problem damit haben, am See oberkörperfrei zu sein. Aber ich glaube, so weit sind wir noch nicht. Aber wir müssen diese Frage stellen, damit wir irgendwann so weit sind.”

Aber, wann sind wir so weit? Und wie kommen wir dahin? Nicht nur zum “Oben ohne” für alle. Denn am Ende geht es ja um weitaus mehr. Es geht um nichts Geringeres, als Selbstbestimmung – das Gefühl und die tatsächliche Macht, über den eigenen Körper bestimmen zu können. Es geht um Handlungsfreiheit, und zwar in zweierlei Hinsicht: positiv als die Freiheit, sich nach eigenem Gusto in der Öffentlichkeit bewegen zu können, und negativ als die Freiheit, nicht mit Zumutungen, wie Sexualisierungen, konfrontiert zu werden. Ich möchte mich ohne Angst und Scham frei bewegen können – natürlich unter Achtung der Grenzen anderer. Und genau die stehen zur Debatte. Wo fangen sie an und wo hören sie auf? 

Mein kleines Selbstexperiment hat mir eines in jedem Fall vor Augen geführt: der Körper ist ein Politikum – seit jeher. Wobei „politisch“ nicht nur das meint, was in Parlamenten beschlossen wird. Politisch ist auch all jenes das die Teilhabe von Menschen betrifft und unsere Möglichkeiten, an der Gemeinschaft als deren vollwertige Mitglieder partizipieren zu können. Politisch ist aber auch die Gestaltung von Gesellschaft auf allen Ebenen und in all ihren Dimensionen, mit dem dazugehörigen Ringen um Macht und Teilhabe. Zeiten ändern sich, Werte, Normen – all das gilt es zu verhandeln, immer wieder zu hinterfragen. Oder mit den Worten von Isaiah Berlin: „To confuse our own constructions and inventions with eternal laws or divine decrees is one of the most fatal delusions of men.“ Mir ist jedenfalls klar geworden, dass die Forderung nach Teilhabe und das Aufbrechen statisch gedachter Körperlichkeit Hand in Hand gehen. Und das bedeutet immer auch ein Aufbrechen politischer Ordnungen, sozialer Strukturen und vor allem Machtverlust derjenigen, die bislang privilegiert waren. Wie sehr der Körper zentraler Fluchtpunkt dieses Ringens ist, zeigt sich nicht zuletzt in den vielen Kämpfen, die geführt werden, von Menschen, die als Gleichberechtigte anerkannt werden wollen. Körper als formbar zu verstehen, bedeutet anzuerkennen, dass vieles möglich und ein Denken in starren Kategorien nicht mehr zeitgemäß ist, um den gesellschaftlichen Realitäten unserer Gegenwart zu begegnen. Körper als formbar zu verstehen, bedeutet, anzuerkennen, dass die Art und Weise, wie wir Menschen aufgrund ihrer Körperlichkeit wahrnehmen, ansprechen und behandeln, ihre Position in der Gesellschaft beeinflusst. Und diese Position ist immer auch politisch.
Während ich im Freibad sitze und mein Bikinioberteil wieder anziehe, denke ich: “oben ohne” für alle, das ist keine Frage, die alleine im Schwimmbad gestellt oder gar gelöst werden könnte. Es ist auch keine Frage, die sich von mir abschließend beantworten ließe. Ich hatte zwar gehofft, zumindest ein Resumé ziehen zu können, aber auch nach vielen Gesprächen mit Freunden und Fremden, sehe ich keine Eindeutigkeit. Wohl aber die Notwendigkeit, immer wieder vermeintliche Gewissheiten in Frage zu stellen. Wie auch Forderungen zu formulieren, um deutlich zu machen, worum es letztlich bei all dem Ringen im Innen und Außen geht: um Selbstbestimmung über den eigenen Körper. Und die ist eigentlich nicht verhandelbar.

28. Juni 2022

Behaarte Frauen, eine Provokation?

von Marilena 31. Mai 2022

Behaarte Frauen, wo sind sie? Überall nur haarlose Frauenkörper – auf der Straße, in Filmen oder Werbebotschaften. Glatte Haut wird vorausgesetzt und eine Alternative scheint es nicht zu geben. Enthaaren sich Frauen nicht, wird ihnen oftmals ihre “Weiblichkeit” abgesprochen. Aber warum rufen Haare eigentlich je nach Geschlecht unterschiedliche Reaktionen von Anziehung bis Ekel hervor? Warum können wir nicht die Vielfalt von Körperhaarfrisuren zelebrieren, egal ob Wildwuchs, Stoppeln oder Haarlosigkeit? Um das herauszufinden, hat sich Marilena mit Anna C. Paul, Herausgeberin von Super(hairy)woman*, über das Infragestellen von Schönheitsidealen unterhalten und gemeinsam einen Blick in die Kulturgeschichte der Enthaarung geworfen.

Shownotes:

Macht (einen) Sinneswandel möglich, indem ihr Fördermitglieder werdet. Finanziell unterstützen könnt ihr uns auch via PayPal oder per Überweisung an DE95110101002967798319. Danke.

► “super(hairy)woman*: Erfahrungsberichte im Zeitalter der Haarlosigkeit”; Hrsg. Anna C. Paul; ventil Verlag (10/21).
► Auf dem Blog super(hairy)woman* könnt ihr weitere Erfahrungsberichte und Geschichten vieler Menschen zum Thema Behaarung nachlesen – und sogar eure eigene teilen!

✉ redaktion@sinneswandel.art
► sinneswandel.art

31. Mai 2022

Laut gedacht: Was trauen wir Männern eigentlich zu?

von Marilena 8. Februar 2022

 

Gesundheitsvorsorge – aber als Porno getarnt – denn “Aufklärung muss dort stattfinden, wo sie die Menschen erreicht”, um es mit den Worten der Techniker Krankenkasse auszudrücken. Die hat kürzlich im Rahmen einer Hodenkrebsvorsorge-Kampagne ein Video veröffentlicht, das im Netz nun für reichlich Aufruhr sorgt. Was daran genau problematisch ist, diskutiert Marilena Berends in dieser Episode gemeinsam mit Journalistin Luisa Thomé und Autor Fikri Anıl Altıntaş. Denn das Video bietet definitiv Anlass, um über Geschlechterrollen, Männlichkeitskonstruktionen und Sexismus zu sprechen.

Shownotes:

Macht (einen) Sinneswandel möglich, indem ihr Fördermitglieder werdet. Finanziell unterstützen könnt ihr uns auch via PayPal oder per Überweisung an DE95110101002967798319. Danke.

► Luisa Thomé schreibt hier und ist auf Twitter und Instagram.
►Fikri Anıl Altıntaş ist auch auf Instagram und hat einen eigenen Newsletter.
► Video der Techniker Krankenkasse “Der life-saving Handjob“.
► Emelie Glaser in der taz: “Krebsvorsorge, aber als Porno”.
► Checkdichselbst – Hodenkrebs Vorsorge-Kampagne.
► Männergesundheitsportal: “Daten und Fakten zur Männergesundheit” (2020).
► Dritter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung (2020): Geschlechterstereotype und Soziale Medien.

Kontakt:
✉ redaktion@sinneswandel.art
► sinneswandel.art

8. Februar 2022

Ciani-Sophia Hoeder: Mit Wut zur Veränderung?

von Henrietta Clasen 27. September 2021

Die Wut ist wohl eine der grundlegendsten, menschlichen Emotionen – doch wird sie selten als positives Gefühl angesehen, als vielmehr für ihren manchmal destruktiven Charakter verschmäht. Das gilt ganz besonders für wütende Frauen: als hysterisch, zu emotional oder gar inkompetent werden sie häufig bezeichnet. Wut ist untrennbar mit Macht verknüpft und ihre Unterdrückung daher keineswegs belanglos oder zufällig, schreibt die Autorin und Journalistin Ciani-Sophia Hoeder in ihrem Buch “Wut und Böse”. Mehr “Wut zur Veränderung”, lautet ihr Plädoyer. Welche transformative Kraft in der Emotion steckt und, wie sie zum positiven Katalysator der Veränderung werden kann, darum soll es in dieser Episode gehen.

Shownotes:

Macht (einen) Sinneswandel möglich, indem ihr Fördermitglieder werdet. Finanziell unterstützen könnt ihr uns auch via PayPal oder per Überweisung an DE95110101002967798319. Danke.

Die heutige Episode wird präsentiert von Vodafone. Ihr könnt ab jetzt mit bis zu 1000 grünen Mbit/s im Vodafone Netz surfen – mit Strom aus 100 % erneuerbaren Energien – ab 39,99€ dauerhaft. Mehr Infos auf vodafone.de/greengigabit und im Vodafone Shop.

► Ciani-Sophia Hoeder: Wut und Böse. Hanser Literaturverlag (09/21).
► Ihr findet Ciani auch auf Twitter und Instagram.
► RosaMag: Online Lifestyle Magazin für Schwarze Frauen in Deutschland.
►Rosapedia: Was ist die “Angry Black Woman”?, RoseMag (12/2019).

Kontakt:
✉ redaktion@sinneswandel.art
► sinneswandel.art

27. September 2021

Hengameh Yaghoobifarah: Sollten wir wütender sein?

von Henrietta Clasen 28. April 2021

Ein Mensch, der seine Wut nicht auf sich sitzen lässt, sondern ihr Raum gibt, ist Hengameh Yaghoobifarah. Als “Reizfigur” bezeichnete die sz Hengameh kürzlich. Weil angeblich kaum ein* Autor*in im vergangenen Jahr so viel Solidarität und Empörung zugleich auf sich zog. Aber, warum ist das so? Weil Hengameh queer, nicht-binär, migrantisch oder Feminist*in ist? Wir leben noch immer in einer Gesellschaft, in der gewisse Eigenschaften als “normal”, andere als “abnormal” gelten. Nicht selten geht diese Kategorisierung, meist von weißen, cis-Personen vorgenommen, mit Stigmatisierung oder gar blankem Hass einher, der jenen entgegengebracht wird, die von der sogenannten “Norm” abweichen. Kann man angesichts dieser Umstände überhaupt von einer freien Gesellschaft sprechen? Ist diese nicht erst dann erreicht, wenn Menschen sich, ohne Angst vor Diskriminierung haben zu müssen, zu ihrer Identität bekennen können? Über diese und weitere Fragen, hat sich Marilena Berends ausführlich mit Hengameh Yaghoobifarah unterhalten.

Shownotes:

Macht (einen) Sinneswandel möglich, indem ihr Fördermitglieder  werdet. Finanziell unterstützen könnt ihr uns auch via PayPal oder per Überweisung an DE95110101002967798319. Danke.

►Hengameh Yaghoobifarah: Ministerium der Träume, Aufbau Verlag (2021).
► Podcast Auf eine Tüte mit Hengameh Yaghoobifarah. 
► Hengameh auf Instagram und Twitter.
►Hengameh’s taz Kolumne Habibitus
► SZ-Magazin: “Reizfigur: Hengameh Yaghoobifarah im Porträt”.

Ein besonderer Dank gilt den Fördermitgliedern, die Sinneswandel als Pionier:innen mit 10€ im Monat unterstützen: Anja Schilling, Christian Danner, Bastian Groß, Pascale Röllin, Sebastian Brumm, Wolfgang Brucker, Petra Berends, Holger Bunz, Dirk Kleinschmidt, Eckart Hirschhausen, Isabelle Wetzel, Annette Hündling, Torsten Sewing, Hartmuth Barché, Dieter Herzmann, Hans Niedermaier, Constanze Priebe-Richter, Birgit Schwitalla, Heinrich Ewe, Julia Freiberg, Dana Backasch, Peter Hartmann, Martin Schupp, Juliane Willing, Andreas Tenhagen, eeden Hamburg Co-creation Space for visionary women*, David Hopp, Jessica Fischer (Universität Paderborn), Ioannis Giagkos, Matthias Niggehoff, Nina Lyne Gangl, Johanna Bernkopf , Holger Berends, Sebastian Hofmann und Elvira-Eisen Walser.

Kontakt:
✉ redaktion@sinneswandel.art
► sinneswandel.art

28. April 2021

Hollywood und der Male Gaze – wo bleibt die Vielfalt auf der Leinwand?

von Henrietta Clasen 9. März 2021

Warum spielen Männer eigentlich so oft die Hauptrolle in Filmen, während Frauen meist deutlich weniger Redeanteil haben, dafür aber viermal so oft nackt dargestellt werden, wie ihre männlichen Kollegen? Mal ganz zu schweigen von der (Un-)Sichtbarkeit nicht-binärer Personen. Der sogenannte Male Gaze dominiert noch immer Hollywood. Ein aktiv-männlicher, kontrollierender und neugieriger Blick, der nicht nur die Filmindustrie bestimmt, sondern damit auch unser Leben, unseren Blick auf die Welt. Was daran problematisch ist und, wie ein Gegenentwurf aussehen könnte, der Vielfalt statt die ewige selben Rollenklischees produziert, davon erzählt Elisabeth Krainer in ihrem Gastbeitrag.

SHOWNOTES:

Macht (einen) Sinneswandel möglich, indem ihr Fördermitglieder  werdet. Finanziell unterstützen könnt ihr uns auch via PayPal oder per Überweisung an DE95110101002967798319. Danke.

► The Guardian: „Male Glance: How we fail to take women’s stories seriously“
► Jean-Paul Sartre: „Das Sein und das Nichts“
► Eva Illouz: „Der Konsum der Romantik“
► Laura Mulvey: „Visuelle Lust und narratives Kino“
► Plan International: „Welt-Mädchenbericht 2019 zu Frauenrollen in Kinofilmen“
► Stacy L. Smith: „Annenberg Inclusion Initiative“
► Nina Menkes: „Sex and Power: The visual Language of Oppression“
► Alison Bechdel: „The Bechdel-Test“
► Joey Soloway: „The Female Gaze“

Kontakt:
✉ redaktion@sinneswandel.art
► sinneswandel.art

Transkript: Hollywood und der Male Gaze – wo bleibt die Vielfalt auf der Leinwand?

Nach einem langen Arbeitstag oder am Wochenende sich gemütlich einen Film oder eine Serie auf dem Sofa anschauen? Na klar. Filme und Serien gehören zum Alltag der meisten von uns. Gerade in Zeiten von Corona sind sie für viele eine Art Rettungsanker, um sich die Zeit im Lockdown zu vertreiben. Allein im ersten halben Jahr von 2020 konnte Netflix sage und schreibe 26 Millionen neue Abonnenten gewinnen. Wir verbringen also mehr Zeit denn je vor dem Fernseher oder Laptop, streamen, lassen uns berieseln, unterhalten – mal mehr, mal weniger bewusst. Doch selbst, wenn wir meinen, nur einen Film zu schauen, um zu entspannen, der Realität ein wenig zu entflüchten, so vergessen wir oft, dass eben dieser sehr wohl auch unsere Realität bestimmt. Insofern, als dass Geschichten, Bilder und vor allem die Sichtweise aus der diese erzählt werden, unsere Welt beeinflussen. Oft ohne, dass wir es merken. Dass Filme und Serien unweigerlich politisch sind, war mir lange Zeit nicht bewusst. Ist ja bloß Unterhaltung, dachte ich. Erst, als ich begann mich zu fragen, weshalb eigentlich in fast jedem Film, den ich sah, der Mann die Hauptrolle spielte, während Frauen meist dazu verdammt waren, ansehnliche Dekorationsfiguren darzustellen – stumm, aber nett anzuschauen, begann ich zu realisieren, dass da etwas nicht stimmen konnte. Warum zu Teufel waren Frauen eigentlich so oft nackt in Filmen zu sehen? Ganz einfach: Es ist der “Male Gaze”, ein aktiv-männlicher, kontrollierender und neugieriger Blick, der noch immer die Filmindustrie bestimmt und damit auch unser Leben, unseren Blick auf die Welt. Was daran problematisch ist und, wie ein Gegenentwurf aussehen könnte, der Vielfalt anstelle der ewig selben Rollenklischees produziert, davon erzählt Elisabeth Krainer, die als freie Journalistin und Autorin über die großen und kleine Fragen in der Popkultur schreibt,  in ihrem Gastbeitrag. 

Bevor wir beginnen, möchte ich noch kurz darauf hinweisen, dass ihr uns nach wie vor finanziell unterstützen und damit einen Sinneswandel möglich machen könnt. Als Fördermitglieder ermöglicht ihr nicht nur die Produktion des Podcast und wertschätzt unsere Arbeit, ihr habt zudem die Möglichkeit regelmäßig an Buchverlosungen teilzunehmen. Finanziell unterstützen, könnt ihr uns zum Beispiel über Paypal.me/sinneswandelpodcast – das geht auch schon ab 1€. Alle weiteren Optionen habe ich in den Shownotes verlinkt. Vielen Dank.


Perfekte Frauen, gestählte Körper, Hetero-Beziehungen und Helden, die am Ende die Welt mit ihrer unbesiegbaren Männlichkeit retten – kommt euch bekannt vor? Kein Wunder, diese klassische Heldenreise lässt sich vor allem in vielen Filmen und Serien der Popkultur finden. James Bond ist nur ein Beispiel dafür. Sie erzählt die immer gleiche Geschichte aus der immer gleichen Perspektive. Seit mehreren Jahrzehnten. Klingt langweilig? Ist es auch. Die Bond-Filme reproduzieren im Grunde eines: den Male Gaze, eine heteronormative, cis-männliche, weiße Sichtweise auf eine Geschichte und deren Protagonist*innen. Der Begriff ist vor allem in der Filmtheorie bekannt, lässt sich aber auch auf andere Bereiche unseres Alltags übersetzen: auf Werbung zum Beispiel, die die immer gleichen Stereotype mit der fadenscheinigen Erklärung „Sex sells“ reproduziert, oder auch unsere Sprache. Begriffe wie „Mutti“ oder „Powerfrau“, sprechen aus der cis-männlichen Perspektive und dienen vor allem dazu, das Weibliche abzuwerten und zum Objekt zu stilisieren. 

In der Unterhaltungsindustrie findet jetzt scheinbar ein Umdenken statt: Die Macher*innen hinter James Bond haben den Schuss (endlich!) gehört, denn die nächste Protagonistin ist schwarz und weiblich. Das ist ein guter Schritt, aber auch ein längst überfälliger. Zum Glück gibt es da draußen noch mehr als Bond: Spätestens seit Produzentinnen, wie Phoebe Waller-Bridge oder Shonda Rhimes aufgetaucht sind und „Killing Eve“ oder „Fleabag“ auf unsere Bildschirme gebracht haben, öffnet sich der kollektive Blickwinkel. Das ist wichtig – weil Filme und Serien die meist konsumierte Form von Storytelling unserer Zeit darstellen und damit Einfluss auf unsere Art, Menschen und Situationen zu beurteilen haben. Und, weil vieles, wovon wir uns täglich unterhalten lassen, unterbewusst nachwirkt. Das lässt sich auch auf die Art, wie wir Kunst von Männern und Frauen bewerten, übertragen: Filme, Serien, Bücher oder Kunst von Männern gilt als universal, die von Frauen dagegen häufig als trivial, emotional oder häuslich, ungeachtet des Inhalts. Dadurch entstehen leere Kategorien wie „Frauen-Literatur“, die nichts über Qualität oder Inhalt aussagen. Das britische Medium The Guardian nennt diese Kategorisierung zwischen männlicher und weiblicher Kunst Male Glance und beschreibt, wie wir verlernt haben, weibliche Kunst ernst zu nehmen und unabhängig der Geschlechtsidentität des*der Künstler*in zu bewerten. Beim Male Gaze oder Male Glance wird der Blickwinkel also von einer möglichen Vielzahl an Perspektiven, wie durch Scheuklappen begrenzt – auf hetero, cis-männlich und meistens weiß.  Wer sein Leben lang mit Scheuklappen durch die Welt rennt, merkt allerdings erst dann, dass das Blickfeld eingeschränkt ist, wenn die Scheuklappen verschwunden sind. Höchste Zeit also, die Aussicht zu erweitern.

Woher kommt diese männliche Perspektive und deren Dynamik, durch die wir Geschichten bisher betrachtet haben? Die Grundform des Begriffs wird auf die Gaze Theory zurückgeführt, die von dem Philosophen Jean-Paul Sartre beschrieben wurde – als „Der Blick“ in seinem Werk „Das Sein und das Nichts“ von 1943. Er erklärt darin, dass die Interaktion zwischen zwei Individuen immer zwei Ebenen hat – die, des*der Blickenden und die, auf den*die geblickt wird. Dadurch entstehe, so Sartre, ein Machtgefälle, da der*die Blickende zum Subjekt, und der*die jeweils gegenüberstehende Person zum Objekt werde. Die Soziologin Eva Illouz nennt diesen Vorgang „Verdinglichung“: Die Frau, das Objekt, werde dabei rein nach ästhetischen und sexuellen Attributen bewertet.

Der Begriff Male Gaze wurde dann in der feministischen Filmtheorie bekannt, als Filmkritikerin Laura Mulvey den Essay „Visuelle Lust und narratives Kino“ 1975 veröffentlichte – mit der These, dass Frauen im Film durch den heteronormativen Blick des Cis-Mannes abgewertet und sexualisiert würden. Dabei bezieht sich Mulvey auf Aspekte der Psychoanalyse: Der Male Gaze bediene eine Art Voyeurismus, der sexuell erregt, auch als „The Pleasure of Looking“ bezeichnet. Das mache die Film-Narrative zu einer sozial-gesellschaftlichen Kraft, die Frauen immer wieder in die Rolle des Objekts drängen und als Folge der patriarchalen Machtstellung zu deuten seien. Dem Publikum werde der maskuline Blick aufgedrängt, ungeachtet von deren Geschlechtsidentität. Zudem bezieht sich Mulvey auf die psychoanalytische These von Jacques Lacan, der den sogenannten „narzisstischen Blick“ definiert hat – als einen Moment der Identifikation, der laut Mulvey auch im Film gegeben sei: in Form von überstilisierten, mächtigen Männern, mit denen sich das männliche Publikum identifizieren könne.

Jetzt ist der Male Gaze aber nicht bloß eine Theorie für eine kleine Gemeinschaft von „Film-Nerds“, die sich mit Feminismus auseinandersetzt, sondern popkultureller Alltag für uns alle. Wir konsumieren Filme, Serien, Bücher oder Kunst aus einer ganz bestimmten Perspektive – die uns aus Mangel an Alternativen häufig total normal vorkommt. Dieser bestimmte Blickwinkel steckt tief im westlichen Kultur-Verständnis und beginnt bereits in der antiken Dichtung, etwa mit Homers Odyssee, die bereits die klassische Heldenreise skizziert, in der der männliche Blick dominiert. Bis heute strahlt der Einfluss in alle Milieus aus und ist auch in der Literatur und Kunst präsent.

In der gegenwärtigen Popkultur beginnt das Problem allerdings weit vor dem Moment, in dem wir auf Play drücken: Es beginnt dort, wo die Unterhaltung produziert wird – in Hollywood zum Beispiel, das auch im 21. Jahrhundert immer noch Dreh- und Angelpunkt der westlichen Unterhaltungs-Industrie darstellt. In den letzten hundert Jahren wurden dort in erster Linie Filme von Männern für Männer produziert. Vom Drehbuchautor bis zum Kamera-Assistenten waren Film-Sets vor allem weiß, männlich, hetero.  Bis heute hat sich daran nur bedingt etwas geändert: Die Professorin Stacy L. Smith befasst sich seit etwa 15 Jahren mit der Rollenverteilung in Hollywood, vor und hinter der Kamera. Auf der Leinwand scheint sich zumindest in Sachen Repräsentation etwas zu tun: In ihrer Studie wurden rund 53.000 Charaktere aus 1200 Filmen zwischen 2007 und 2018 analysiert, also 100 Filme pro Jahr. 2007 waren darin 20 weibliche Hauptrollen zu finden, 2018 dagegen 39. Das bedeutet allerdings noch nicht, dass diese Rollen nicht auch sexualisiert werden. Die, die sie umsetzen, sind nämlich auch 2018 noch weitestgehend Männer – der Anteil weiblicher Regisseurinnen liegt bei gerade einmal vier Prozent.

Genauso stereotyp, wie der Male Gaze, wäre es allerdings zu behaupten, dass jeder cis Mann, der Filme oder Serien produziert, dies automatisch nur anhand vorgefertigter Rollenbildern tut. Es gibt sie, die Produzenten und Regisseure, die es schaffen, nicht bloß Klischees zu bedienen – Noah Baumbach mit seinem letzten Film „Marriage Story“ etwa, der die Schauspielerin Scarlett Johansson in einer rauen, unperfekten und authentischen Rolle zeigt, ohne sie darin auf ihren Körper zu reduzieren, der in der Vergangenheit öfter Thema der Medien war als ihre schauspielerische Leistung. Oder Director Ryan Murphy, der mit seiner Netflix-Serie „Pose“ trans Schauspieler*innen eine Bühne bietet und sie weit weg von gängigen Klischees auftreten lässt. Wäre es aber nicht einfach fair, die Menschen auch hinter der Kamera mitreden zu lassen, die täglich erleben, wovon andere nur theoretisieren können? Also cis, queer oder trans Frauen zum Beispiel? 

Durch die Mehrheit von cis Männern hinter der Kamera ist der Male Gaze so alltäglich, dass er sich an manchen Stellen schwer aufdecken lässt. Ein guter Hinweis sind sogenannte „Tropes“, also Charaktere, die ausschließlich platte Klischees bedienen – und häufig Frauen betreffen, denen keine eigenen Bedürfnisse zugeschrieben werden und die nur dazu dienen, den männlichen Blick zu befriedigen. Dazu zählt das eiskalte, aber sehr attraktive Biest wie etwa Rachel McAdams in „Girls Club“, die vor allem andere Frauen verabscheut, das Mauerblümchen in prekärer Lage, das von einem Mann entdeckt werden muss, um zu voller Blüte zu gelangen, wie Julia Roberts in „Pretty Woman“ oder das weit verbreitete Phänomen des dicken, lustigen Sidekicks, wie Rebel Wilson in „Pitch Perfect“, die zwar zum Brüllen komisch ist, aber vor allem dann, wenn sie Witze auf Kosten ihres Körpers macht. Der sogenannte „Bechdel-Test“ dient dazu, diese einfältigen Plots und Charaktere zu entlarven. Er wurde in den 80ern von Autorin und Comic-Zeichnerin Alison Bechdel in einem Comic verwendet und besteht aus drei einfachen Fragen: Gibt es mindestens zwei Frauenrollen? Sprechen sie miteinander? Und: Unterhalten sie sich über etwas anderes als einen Mann? Klingt lapidar, ist es auch – und trotzdem gibt es bis heute Filme, die trotz eines nicht bestandenen „Bechdel-Tests“ für einen Oscar nominiert waren. Der Test ist nicht wissenschaftlich und kein aussagekräftiges Barometer dafür, ob ein Film wirklich sexistisch ist, den Male Gaze reproduziert oder nicht – aber er kann als erster Check hilfreich sein, bevor man auf Play drückt.

Regisseurin Nina Menkes beschreibt in ihrem Artikel „Sex and Power: The Visual Language Of Oppression“ einfache Hinweise, die den Male Gaze entlarven können. Zum Beispiel: Wie häufig sieht man einzelne Körperteile von Frauen, während man ihren Kopf (und damit Gesichtsausdruck, Emotionen, etc.) nicht sieht? Wie ist die Person ausgeleuchtet? Darf sie z.B. ihre Stirn in Falten legen oder wird sie wie ein glatt gebügeltes, übermenschliches Wesen, das allen Schönheitsidealen entspricht, dargestellt? Bringt es den Inhalt irgendwie weiter, dass die Person in bestimmten Szenen nackt oder leicht bekleidet ist? Wird bloß über sie gesprochen oder kommt sie auch zu Wort? Die Organisation Plan International hat 2018 gemeinsam mit dem Geena Davis Institut die 56 umsatzstärksten Filme und deren Hauptrollen analysiert. Das Ergebnis: Männer reden doppelt so viel und haben doppelt so viele Rollen, Frauen dagegen sind viermal öfter nackt als männliche Rollen. Das hinterlässt Eindruck beim Publikum. Allerdings soll das nicht heißen, dass alle filmischen Sexszenen oder Ähnliches komplett aus der Filmwelt verbannt werden sollten. Sondern lediglich, dass man darin auch andere Perspektiven als die, des männlichen Subjekts sehen sollte.

Wie kann ein Gegenentwurf dazu aussehen? Hier kommt der Female Gaze ins Spiel: Bedeutet er bloß die Umkehrung von Objekt und Subjekt? Also sollen Männer jetzt von cis Frauen sexualisiert werden? Der Begriff wurde bisher noch nicht wissenschaftlich definiert – über die Bezeichnung lässt sich also durchaus streiten. Fraglich ist, ob es im 21. Jahrhundert Sinn der Sache sein kann, die Perspektive von Menschen rein auf deren Geschlecht und Sexualität zu reduzieren, und davon auszugehen, es gäbe nur zwei Geschlechter. Es geht nicht um die Umkehrung von Objekt und Subjekt im binären Gender-Konstrukt, sondern um die vielschichtigen Möglichkeiten außerhalb der heteronormativen, männlichen Normen, die seit Jahrhunderten verdrängt werden. Da dann aber ein Begriff basierend auf dem binären Geschlechter-Konstrukt problematisch ist, gibt es Alternativen dazu, wie den Feminine Gaze, der sich nicht auf das biologische Geschlecht bezieht, sondern auf Eigenschaften, die weiblich gelesen werden, oder der Individuals’ Gaze, der sich völlig vom Geschlecht abkoppelt. 

Der nicht binäre Produzent Joey Soloway hat 2016 auf dem Toronto Film Festival, den Female oder Feminine Gaze als eine diverse, vor allem auf emotionaler Ebene authentische Perspektive beschrieben. Eine Perspektive, die Protagonist*innen ungeachtet deren Geschlechtsidentität Gefühle, Bedürfnisse, Wünsche und Ängste zugesteht. Die ambivalent handeln und denken, ja sogar zum Objekt werden können – sofern sie es selbst wollen. Das funktioniert aber nur, wenn unterschiedliche Perspektiven an der Entstehung beteiligt sind. Das beweist etwa Soloway selbst, mit der Serie „Transparent“, in der sich ein Familienvater nach vielen Jahren als trans outet. Oder mit Phoebe Waller-Bridge, die mit „Fleabag“ den Gegenentwurf zu all den misogynen „Frauen-Serien“ geschrieben und produziert hat. In Fleabag sind Frauen ambivalent, derb, unausstehlich und zum Brüllen komisch. All das ist möglich, spannend und sehr unterhaltsam – sofern man nicht versucht, zwanghaft ein cis-männliches Machtkonstrukt aufrechtzuerhalten. Wie schade um die vielen guten, unterhaltsamen und innovativen Ideen, die es nicht auf unsere Bildschirme geschafft haben, weil der*die Urheber*in nicht cis-männlich ist.

Die gute Nachricht: Der Zeitgeist verändert sich, und damit auch die Popkultur. Die Diversität von Filmen und Serien und die weniger platten Charaktere, die auf der Leinwand stattfinden, sind Beweis dafür. Regisseur*innen wie Greta Gerwig, Ava DuVernay, Joey Soloway oder Chloé Zhao, die vielschichtige Rollen erschaffen und zeigen, verändern die Branche. Allerdings stehen nicht nur Produzent*innen in der Verantwortung: Auch Konsument*innen können dafür sorgen, dass diverse Stoffe mehr Aufmerksamkeit erhalten, indem sie u.a. Filme und Serien bewusst auswählen. Hollywood, Streamingdienste, Verlage und Co. reagieren vor allem auf Geld und View-Zahlen. Wer also “plattes Zeug” streamt, liest, konsumiert, unterstützt letztlich die Produktion von mehr “plattem Zeug”. Es lohnt sich langfristig, genau hinzuschauen: Wessen Perspektive unterstütze ich? Damit kann man vielleicht nicht die gesamte Unterhaltungsindustrie auf den Kopf stellen, aber zumindest einen ersten Schritt in Richtung Vielseitigkeit tun.


Vielen Dank fürs Zuhören. Wenn der Beitrag euch gefallen hat, dann teilt ihn gerne mit Freunden und Bekannten. Darüber hinaus, würden wir uns besonders freuen, wenn ihr unsere Arbeit als Fördermitglieder unterstützt, damit wir auf Werbung verzichten und gute Inhalte für euch kreieren können. Supporten könnt ihr uns ganz einfach via Steady oder, indem ihr uns einen Betrag eurer Wahl an Paypal.me/Sinneswandelpodcast schickt. Alle weiteren Infos findet ihr in den Shownotes. Vielen Dank und bis bald im Sinneswandel Podcast.

  

9. März 2021

JJ Bola: Was bedeutet Mannsein heute? (EN)

von Ricarda Manth 3. Dezember 2020

JJ Bola zufolge, befindet sich das Bild „des Mannes“ nach wie vor in einer Krise – vielleicht sogar mehr denn je. In Zeiten von Trump, #MeToo und den Incels, scheint Männlichkeit kein positiver Begriff mehr zu sein. Darum sucht der im Kongo geborene Autor und Aktivist nach Auswegen aus dieser Krise. In seinem Buch “Mask off – Masculinity redefined” versucht er aufzuzeigen, wie vielfältig und fluide Maskulinität sein kann. Dabei hebt er immer wieder hervor, dass obgleich Männer in einem patriarchalen System in vielerlei Hinsicht privilegiert sind, dennoch massiv unter selbigem leiden. Weil auch sie in Rollenbilder sozialisiert werden, die es ihnen nicht immer erlauben, die Art Mann/Mensch zu sein, der sie sein wollen. Feminismus ist also bei weitem keine reine “Frauenangelegenheit”, so JJ Bola. Denn auch Männer würden von dem Durchbrechen patriarchaler Strukturen profitieren. Wie ein Weg in eine gleichberechtigte Gesellschaft, sich frei entfaltender Individuen aussehen kann, darüber hat Marilena Berends sich mit dem in London lebenden Autor JJ Bola ausführlich unterhalten.

Shownotes:
► Sei kein Mann von JJ Bola, erschienen 08/2020 bei Hanser Literaturverlage.
► Leseempfehlung: Judith Butler: Gender Trouble.
► Pro_feministischer Blog, der sich insbesondere mit Kritischer Männlichkeit befasst.
► Hilfetelefon für von Gewalt betroffenen Männern sowie Angehörigen.

Macht (einen) Sinneswandel möglich, indem ihr Fördermitglieder werdet. Finanziell unterstützen könnt ihr uns auch via PayPal oder per Überweisung an DE95110101002967798319. Danke.

Kontakt:
✉ redaktion@sinneswandel.art
► sinneswandel.art

3. Dezember 2020

Kategorien

  • Episoden (135)
    • Allzumenschliches (52)
    • Mensch & Natur (28)
    • New Economy (19)
    • Zukünfte denken (22)
    • Zusammenleben gestalten (58)

Schlagwörter

Achtsamkeit Aktivismus Antirassismus Arbeit Bildung Corona Demokratie Digitalisierung Diversity Ernährung Feminismus Freiheit Gefühle Geld Gemeinwohl Gender Gesundheit Grenzen Identität Intersektionalität Journalismus Kapitalismus Klimawandel Konsum Kultur Kunst Leistungsgesellschaft LGBTQ Liebe Mental Health Nachhaltigkeit Natur New Work Philosophie Politik Reisen Selbstentfaltung Sexualität Sinn Sinneswandel Sprache Technik Utopie Wirtschaft Zukunft
  • Spotify
  • RSS

Copyright Marilena Berends © 2022 | Impressum | Datenschutzerklärung | Kontakt