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Klimawandel

2020: Reflexion einer Welt im Wandel

von Ricarda Manth 28. Dezember 2020

Reflexion, aus dem Lateinischen reflectio, was so viel, wie „Zurückbeugung“ bedeutet, lässt sich im philosophischen Sinne als die Rückwendung des Denkens vom Objekt der Erkenntnis auf die eigene Verstandestätigkeit und das sich daran anknüpfende kritische Nachdenken über das eigene Denken verstehen. Wir versuchen zu einer tieferen Erkenntnis vorzudringen. Die Welt, wie auch unser eigenes Sein und Tun zu verstehen. Genau das erweist sich im Jahr 2020 als schier unmöglich. Einem Jahr, in dem Vieles so wenig nachvollziehbar scheint. Oder gerade doch, nur sehr komplex und verkettet. Abhängigkeit und Verbundenheit. Zwei Seiten einer Medaille.

Shownotes:

► SRF: Sternstunde Philosophie: Annemarie Pieper: Die Wogen des Lebens.
► Wolfram Eilenberger in Deutschlandfunk Kultur: Die Kette(n) des Lebens.
► Hans Rusinek im Politischen Feuilleton von Deutschlandfunk Kultur: Wandel bewältigen. Mit Paul Cézanne neues Denken lernen.
► Sinneswandel Podcast: Maja Göpel: Brauchen wir ein neues Weltbild?.
► Maja Göpel: Unsere Welt neu Denken. Hugendubel (02/2020).
► 3sat Kulturzeit extra: Der philosophische Jahresrückblick 2020.
► Sinneswandel Podcast: Rahel Jaeggi: Können wir uns selbst finden?.
► Hartmut Rosa: Unverfügbarkeit. Suhrkamp (10/2020).
► Tristan Garcia: Das intensive Leben: Eine moderne Obsession. Suhrkamp (04/2017).
► Sinneswandel Podcast: Kübra Gümüsay: Wie beeinflusst Sprache unser Sein?.
► Tupoka Ogette: exit RACISM. Unrast Verlag (09/2020).
► Alice Hasters: Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten. Hanser Literaturverlage (09/2019).
► Rutger Bregman: Im Grunde gut. Rowohlt (03/2020).

Macht (einen) Sinneswandel möglich, indem ihr Fördermitglieder werdet. Finanziell unterstützen könnt ihr uns auch via PayPal oder per Überweisung an DE95110101002967798319. Danke.

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✉ redaktion@sinneswandel.art
► sinneswandel.art

Transkript: 2020: Reflexion einer Welt im Wandel

Hallo und herzlich willkommen im Sinneswandel Podcast. Mein Name ist Marilena Berends und ich freue mich, euch in der heutigen, letzten Episode diesen Jahres begrüßen zu dürfen.


Eigentlich war ich der Auffassung, die letzte Episode über das Potenzial des Bruchs eigne sich hervorragend als Abschluss. Um 2020, dieses turbulente Jahr, zu verabschieden. Der Überzeugung bin ich nach wie vor. Nichtsdestotrotz, als ich in den vergangenen Tagen das Jahr für mich noch einmal vor meinem inneren Auge habe vorbeiziehen lassen, hat es mich doch gepackt. Genauer gesagt, der Wunsch, doch noch einmal ein paar persönliche Worte zu verlieren. So möchte ich den Versuch wagen, zumindest ein paar der für mich eindrücklichsten Ereignisse noch einmal Revue passieren und euch an meinen Gedanken teilhaben zu lassen. Zudem möchte ich einen kleinen Ausblick in das noch vor uns liegende 2021 geben. 

Zunächst kann man sich fragen, wozu Reflektieren? Zumindest hat sich mir diese Frage gestellt. Also her mit der begrifflichen Herleitung: Reflexion, aus dem Lateinischen reflectio, was so viel, wie „Zurückbeugung“ bedeutet, lässt sich im philosophischen Sinne als die Rückwendung des Denkens vom Objekt der Erkenntnis auf die eigene Verstandestätigkeit und das sich daran anknüpfende kritische Nachdenken über das eigene Denken verstehen. Etwas vereinfacht ausgedrückt: Wir versuchen zu einer tieferen Erkenntnis vorzudringen. Die Welt, wie auch unser eigenes Sein und Tun zu verstehen. Soweit uns das möglich ist. So war der Philosoph und Mathematiker Gottfried Wilhelm Leibniz der Auffassung, “Reflexion [sei] nichts anderes als die Aufmerksamkeit auf das, was in uns ist.“ Platon sprach von der „Erkenntnis der Erkenntnis“ und Aristoteles nannte die Reflexion das „Denken des Denkens“. Beim Reflektieren lassen wir also nochmals das Vorangegangene vor dem geistigen Auge Revue passieren. Wobei dies zumeist weniger ein rein gefühlsmäßiges Erinnern, als vielmehr eine kritische Prüfung der Situation, eine Beleuchtung aus verschiedenen Standpunkten heraus zum Ziel hat.


Mit diesem Wissen im Hinterkopf, scheint es nur noch wenig verwunderlich, dass wir zum Jahresende noch einmal die Geschehnisse reflektieren, sie kritisch hinterfragen und unsere Rolle in ihnen und der Welt an sich zu verstehen suchen. Die Philosophin Annemarie Pieper sagt in der Sternstunde Philosophie im Schweizer Rundfunk: “Man möchte doch eine Antwort, die darauf hinausläuft, dass man sich sicher ist, es war nicht umsonst.” Eine Suche nach Sinnzusammenhängen, nach Kausalitäten und Selbstwirksamkeit durch das eigene Eingebettet Sein im Kosmos. 

Genau das erweist sich im Jahr 2020 als schier unmöglich. Einem Jahr, in dem Vieles so wenig nachvollziehbar scheint. Oder gerade doch, nur sehr komplex und verkettet. Vielleicht ein Grund mehr, weshalb die Philosophie in diesem Jahr ganz besonders gefragt schien. Der Ausbruch des Covid-19 Virus hat uns die eigene menschliche Verletzbarkeit vor Augen geführt, die beinahe in Vergessenheit geraten schien. Sowie, dass wir Teil der Natur sind und nicht über ihr stehen. Was es braucht, sei eine „Politik des Lebens, statt einer Politik der Menschen“, so der Philosoph Wolfram Eilenberger in einem Beitrag des Deutschlandfunk Kultur über die “Die Kette(n) des Lebens”. Und er richtet damit zugleich den Blick auf die Klimakrise, deren Bewältigung, so scheint es manchmal, aufgrund der Pandemie Bekämpfung zu kurz kommt. Munkelten oder hofften einige gar, sie sei durch selbige gelöst, weil man doch weniger fliege und angeblich Delfine im Canale Grande gesichtet habe. Doch der Eindruck trügt. Die Bedrohung durch den Klimawandel ist oder sollte uns gerade durch die Pandemie noch mehr ins Bewusstsein gerückt sein. Eben, weil alles mit allem zusammenhängt. Dass in Wahrheit nichts und niemand nur für sich, unverbunden, atomar isoliert existiert, sondern eingereiht ist in ein Kontinuum, das jedes einzelne Glied mit jedem anderen verbindet und verknüpft. Es geht also um eine neue Betrachtungsweise der Dinge, einen Sinneswandel.

“Probleme wie den Klimawandel werden wir nicht lösen können, wenn wir uns nicht von erstarrtem Denken verabschieden”, meint auch der Philosoph Hans Rusinek im Politischen Feuilleton des Deutschlandfunk Kultur. “Was es braucht, um in der Welt des Wandels zu bestehen, ja sie zu einer besseren zu formen, ist kein krampfhaftes Suchen nach Statik, sondern ein Denken in Dynamik”, führt Rusinek fort. “Mit einem Blick, mit dem sich überhaupt erst reagieren lässt: gelassen, neugierig, bestimmt. Mit dem man sagen kann, dass unser Handeln nicht nur ein reflexhafter Überlebensmechanismus ist, sondern schon eine neue Art zu leben für eine Welt, die sich immer in Entstehung befindet. Eine Welt, die es nicht in den Griff zu kriegen, sondern offen wahrzunehmen gilt. Eine Welt, die nicht aus Dingen besteht, sondern eben aus Kräften, Bindungen und unzähligen Potenzialen – in der nur eines immer sicher ist, dass nichts bleibt, wie es ist.” „Nichts ist so beständig wie der Wandel“, wie schon der antike Philosoph Heraklit von Ephesus feststellte. Nur erscheinen uns die Dinge oft weniger beweglich, manchmal gar festgefahren. Als wäre die Welt nie eine andere gewesen.

Vielleicht ist mir auch aus diesem Grund das Gespräch im Podcast mit der Transformations- und Nachhaltigkeitsforscherin Maja Göpel besonders in Erinnerung geblieben. „Ändere die Sicht auf die Welt, und es verändert sich die Welt”, lautet ihr Plädoyer in ihrem in diesem Jahr veröffentlichten Buch “Unsere Welt neu Denken”. „Es sind unsere selbst gemachten Regeln, aus denen die Welt, wie wir sie kennen und uns eingerichtet haben, besteht.“ Es liegt also an uns, so Göpel, den Status-quo zu hinterfragen und unsere Denkmuster auf ihre Tauglichkeit für die Gegenwart zu prüfen. „Um in der neuen Realität gut zusammenleben zu können, müssen wir auch unsere Vorstellungen von Fortschritt ändern, sonst verschieben wir Probleme einfach weiter in die Zukunft.“ Das fängt schon damit an, welche Sicht auf die Welt wir den nachwachsenden Generationen vermitteln, meint auch der Philosoph Michael Hampe in einem Interview im Philosophischen Jahresrückblick im Kulturzeit extra. Man solle junge Menschen in Schulen und Universitäten weniger auf die gegenwärtige Gesellschaft vorbereiten, als vielmehr darauf, sie umzugestalten.

Und dafür braucht es Selbstwirksamkeit. „Die Erfahrung von Selbstwirksamkeit ist das beste Mittel, um in einer Krise von reaktivem Abwehren auf aktive Lösungsgestaltung zu schalten,“ schreibt auch Maja Göpel. Ein Gefühl, das vielen Menschen abhanden gekommen zu sein scheint. Zumindest ist mir dies nachdrücklich durch das Gespräch im Podcast mit der Philosophin Rahel Jaeggi, in Erinnerung geblieben. Sie ist der Überzeugung, unsere derzeitige kapitalistische Wirtschafts- und Lebensweise verschleiere nicht nur viele Zusammenhänge, sondern erschwere es uns Menschen zudem, selbstbestimmt unsere Lebensentwürfe zu realisieren. Geschweige denn, sie zu hinterfragen. Also laufen wir stur immer weiter geradeaus. Bis wir ganz erschöpft sind, von all der sinnlosen Hetzerei nach Produktivität und Effizienz. Gegen die fortschreitende Entfremdung zwischen Mensch und Welt setzt der Soziologe Hartmut Rosa die Resonanz, als klingende, unberechenbare Beziehung mit einer nicht-verfügbaren Welt. Zur Resonanz kommt es, so Rosa, wenn wir uns auf Fremdes, Irritierendes einlassen, auf all das, was sich außerhalb unserer kontrollierenden Reichweite befindet – ein Moment der Unverfügbarkeit. Eines der Bücher und Gedanken, die mich in diesem Jahr maßgeblich beeinflusst haben.

Wir können also nicht alles besitzen, nicht alles beanspruchen. Sonst geht es uns Verlust, wenn wir den Worten Rosas Glauben schenken. Es braucht Maß und Mitte, Begrenztheit, damit wir das (gute) Leben überhaupt wahrnehmen, geschweige denn genießen können. Ein “immer mehr” im Bezug auf unser Wirtschaftswachstum und den angeblich damit verbundenen Wohlstand für alle, ist den meisten schon als Schwindel aufgeflogen. Doch auch im Hinblick auf unsere eigene Lebensweise, scheinen einige in diesem Jahr auf besondere Art mit dem Reiz des Wenigers in Berührung gekommen zu sein. So war während der ersten Lockdown Phase von einer “wohltuenden Entschleunigung” die Rede. Selbst, wenn sie erzwungen war. Denn die ständige Suche nach Intensität sei auch anstrengend, so der französische Philosoph Tristan Garcia. “Süchtig jagen wir neuen Höhepunkten und Extremen nach, immer unter Strom. Kein Wunder also, dass in unseren »Hochspannungsgesellschaften« das Unbehagen wächst.”
           
Doch schnell wurde deutlich und haben wir gelernt, dass dieses Gefühl einer wohltuenden Entschleunigung, längst nicht allen vergönnt ist. Spätestens, als der Begriff der “Systemrelevanz” in aller Munde war, ist vielen bewusst geworden, dass kein kollektives “Wir” existiert. Auch nicht in der Krise. Denn gerade die hebt die Diskrepanzen hervor. Dass wir längst nicht alle gleichsam von den Auswirkungen der Pandemie betroffen sind. Ebenso, wie die Klimakrise zuerst Arme, Frauen und Kinder trifft, lässt sich dies auch im Hinblick auf das Virus behaupten. Die Pandemie als Brennglas bestehender Missstände, wie es oft betitelt wurde. Dass wir längst nicht alle in einer Gesellschaft mitdenken, lässt sich auch anhand unserer Sprache verdeutlichen, behauptet die Autorin und Aktivistin Kübra Gümüsay, mit der ich mich ebenfalls in diesem Jahr im Podcast unterhielt. Unsere Sprache beeinflusst unser Sein. Wie wir uns in der Welt bewegen. Wie wir denken und handeln. Von einer gleichberechtigten Welt sind wir noch weit entfernt, so Kübra.

Doch lässt sich durchaus behaupten, wir befinden uns zumindest auf einem Weg der Besserung. Wie insbesondere die Black Lives Matter Proteste im Sommer deutlich gemacht haben. Ausgelöst natürlich von einem tragischen Moment, einem grausamen Akt der Gewalt und des Rassismus: Der Ermordung des Afroamerikaners George Floyd durch einen weißen Polizisten. Die Welle der Empörung sowie Solidarität, die sich im Anschluss an das Geschehen jedoch zutrug, war überwältigend. Und hat viele Menschen dazu bewogen ihr eigenes Denken und Handeln zu hinterfragen. So , waren in diesem Jahr Bücher wie “Exit Racism” der Autorin Tupoka Ogette oder “Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten“ von Alice Hasters in aller Munde. Und, wir wissen, Bewusstsein ist der erste Schritt zur Veränderung. Wenn auch nicht genug. Taten müssen folgen.

Der Mensch ist ein zoon politikon, so Aristoteles. Was meint, dass der Mensch ein soziales, auf Gemeinschaft angelegtes und Gemeinschaft bildendes Lebewesen ist. Nur scheinen wir das zeitweise zu vergessen. Beziehungsweise, die Welt, in der wir leben, macht es uns nicht immer leicht, uns darüber im Klaren zu sein. Dabei seien wir “im Grunde gut”, schreibt der Autor und Historiker Rutger Bregman, dessen Buch ich erst vor wenigen Tagen las. Und geht man von dieser Prämisse aus, so Bregman, sei es möglich, die Welt und uns Menschen in ihr komplett neu und grundoptimistisch zu denken. Dafür müssten wir uns aber zunächst darüber bewusst werden, wie wir werden konnten, wer wir heute sind. Und da wären wir wieder, bei der Reflexion. Dem Innehalten. Dem kritischen Hinterfragen. Man kann aus der Vergangenheit und aus Fehlern lernen. Wie sich an den Wahlergebnissen im November in den USA sehen lässt. Die Niederlage Trumps, als Sieg der Vernunft?! Vielleicht. Es wird sich zeigen. Aber zumindest, und da pflichte ich Bregman bei, haben wir es zu einem nicht unwesentlichen Teil selbst in der Hand. Den Lauf der Dinge mitzugestalten. “Wir” im Sinne der Gesellschaft, in der wir leben. Wohl auch als Einzelne, aber insbesondere, als Teil des Ganzen, der Zusammenhänge. So schreibt Wolfram Eilenberger: „In Ketten leben“ – zunächst ein Urbild menschlicher Unfreiheit. Auf einer weiteren Bedeutungsebene aber auch kraftvoller Ausdruck einer Vision kosmischer Allverbundenheit”. Das mag für die ein oder andere etwas esoterisch anmuten, beschreibt aber in meinen Augen doch recht treffend das bei mir, in diesem Jahr entstandene, durchaus ambivalente Gefühl. Abhängigkeit und Verbundenheit. Zwei Seiten einer Medaille.


So hat sich mir sogar gezeigt, dass Verbundenheit manchmal durch eine gewisse Abhängigkeit erst entstehen kann. So wäre dieser Podcast nicht möglich, ohne die Menschen, die an ihm mitwirken. Dazu zählt ganz besonders Edu Alcaraz, der als Co-Redakteur nicht nur meine geschriebenen Worte sorgfältig prüft, sondern auch selbst durch seine klugen Gedanken einen wesentlichen Teil beiträgt. Nicht denkbar, wäre der Podcast zudem, ohne die technische Unterstützung durch Jan-Marius, der durch sein Geschick Schnitt und Ton perfektioniert, wie auch Ricarda, die alle technischen Fäden im Hintergrund zieht. Ganz besonders freuen, tut mich auch die noch recht junge Bereicherung des Podcast, durch eine größer werdende Zahl an Gastautorinnen und -autoren. Dazu zählen in diesem Jahr Manuel Scheidegger, Isabell Leverenz und Katharina Walser. Bedanken möchte ich mich zudem bei allen Gästen, die für Gespräche in diesem Jahr zur Verfügung standen. 25 Stimmen waren es insgesamt – ich habe es nachgezählt. Mein größter Dank gilt aber wohl den Hörerinnen und Hörern des Podcast. Euch, die ihr mir und uns euer Ohr wie Zeit schenkt. Ohne euch wäre Sinneswandel quasi sinnbefreit. 

Und, um noch einmal kurz zum Thema Abhängigkeit und Verbundenheit zurückzukommen, 2020 war zudem auch das erste Jahr, in dem wir uns unabhängig von Werbeeinnahmen gemacht haben. Und zwar durch oder eher dank euch. Dank all denen, die sich dazu entschlossen haben, als Fördermitglieder den Podcast finanziell zu unterstützen. Zu diesem Zeitpunkt, an dem ich diese Worte einspreche, zählt Sinneswandel 173 Mitglieder. Nur auf Steady wohlgemerkt. Ebenso dankbar sind wir natürlich auch für die Beiträge, die uns via Paypal oder Überweisung erreichen. Danke, dass ihr (einen) Sinneswandel möglich macht. Dafür verspreche ich auch hoch und heilig, dass wir weiterhin bemüht sein werden, spannende Beiträge, die zum Mitdenken anregen, für euch zu produzieren. 

Vielleicht ein kleiner Ausblick in 2021: Das Jahr einstimmen, werden wir mit einer Lobeshymne auf die Faulheit. Dem folgen, wird ein Plädoyer für Denkräume und neue Narrative wünschenswerter Zukünfte. Gemeinsam werden wir uns fragen, was es eigentlich bedarf, um Wandel voranzutreiben. Dabei werfen wir auch einen Blick in die Welt der Kunst, des Gestaltens schlechthin. Soweit der Plan. Änderungen vorbehalten. Bedeutet auch, wenn ihr Wünsche, Anregungen, Shitstorms und Liebesbrief loswerden möchtet, dann gerne an redaktion@sinneswandel.art. In diesem Sinne, bedanke ich mich fürs Zuhören und wünsche einen hoffentlich erholsamen Ausklang diesen turbulenten Jahres, wie auch einen erfrischenden Auftakt in 2021. Bis dahin, macht’s gut und bis bald, im Sinneswandel Podcast.

28. Dezember 2020

Clara Mayer: Was hat Klimagerechtigkeit mit Feminismus zu tun?

von Marilena 7. Oktober 2020

Zwei Jahre gehen sie nun auf die Straße und protestieren. Lassen dafür sogar die Schule sausen. Weil ihr Anliegen ihnen so wichtig und weitreichend erscheint, dass sie keine Kompromisse eingehen können und wollen. Sie fordern einen radikalen Wandel – jetzt und nicht morgen. Denn die Klimakrise lässt nicht auf sich warten. Doch es geht nur schleppend voran. Die Ziele, die einst im Pariser Klimaabkommen festgelegt wurden, wie auch die Maßnahmen des Klimapakets, scheinen nur zweitrangig zu sein. Dabei müsste Klimagerechtigkeit doch ganz eindeutig an oberster Stelle stehen. Diese Meinung vertritt auch Clara Mayer. Sie ist Pressesprecherin von Fridays For Future Berlin. Bezeichnet sich selbst als Klimaaktivistin und “feminist monster”.

SHOWNOTES:

► Mehr von und über Fridays For Future um informiert zu bleiben.
► Clara Mayer ist auch auf Instagram und Twitter präsent.

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7. Oktober 2020

Über Radikalität und (faule) Kompromisse

von Marilena 25. Mai 2020

“Rettet unsere Erde, wir haben nur diese eine!” “Climate Justice Now!” Sätze, wie diese, liest und hört man seit einiger Zeit häufiger. Auf Plakaten, in Demonstrations-Gesängen, in Talkshows, auf Twitter. Dass es so nicht mehr weitergehen könne. Dass es ein Umdenken und ein entsprechendes Handeln brauche. Und zwar jetzt. Oder am besten schon gestern. Dass wir alles Notwendige tun müssten, um nicht in einem vollständigen Kollaps zu enden. Gibt es Situationen, in denen es legitim ist, radikal zu handeln? Oder sollten wir stets die goldene Mitte suchen? Diesen Fragen möchte ich in der heutigen Episode, insbesondere aus philosophischer Sicht, nachgehen.

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  • Leseempfehlung: Radikale Kompromisse, ein Beitrag aus der Tageszeitung Neues Deutschland
  • Hörempfehlung: Lob der Dissidenz, ein Beitrag von Deutschlandfunkkultur über das Widerständige in unserer Gesellschaft.
  • Klassiker: Der Mensch in der Revolte von Albert Camus (1951).
  • Sehenswert: Die Ausstellung über die radikale Denkerin Hannah Arendt im Deutschen Historischen Museums in Berlin (27.03.-18.10.2020).

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TRANSKRIPT:

Hallo und herzlich Willkommen zum Sinneswandel Podcast. Mein Name ist Marilena Berends und ich freue mich euch in der heutigen Sendung begrüßen zu dürfen.

“Rettet unsere Erde, wir haben nur diese eine!” “Climate Justice Now!” Sätze, wie diese, liest und hört man seit einiger Zeit häufiger. Auf Plakaten, in Demonstrations-Gesängen, in Talkshows, auf Twitter. Dass es so nicht mehr weitergehen könne. Dass es ein Umdenken und ein entsprechendes Handeln brauche. Und zwar jetzt. Oder am besten schon gestern. Dass wir alles Notwendige tun müssten, um nicht in einem vollständigen Kollaps zu enden. 

Aber sollten wir alles dafür tun, wirklich alles? Das klingt doch sehr extrem oder radikal. Denn bedeutete das nicht auch, dass andere Dinge dafür zurückgestellt werden müssten? Wie zum Beispiel unser Streben nach Wachstum. Oder bedeutet es vielleicht sogar, dass andere dafür Leid in Kauf nehmen müssten? Familien sich im Ausland beispielsweise nicht mehr besuchen könnten, da Flüge für sie unerschwinglich geworden sind. 

Jede Entscheidung, ganz gleich wofür, bringt Konsequenzen mit sich. Und manchmal frage ich mich, ob wirklich alle Entscheidungen gut durchdacht sind. Denn bei aller Kritik an der Radikalität einiger Klimaaktivist*innen, müssen nicht auch unter den heutigen Bedingungen, die durch Entscheidungen einst geschaffen wurden, Menschen leiden? Was ist mit all jenen, die sich kein Auto leisten können und dennoch den Feinstaub tagein tagaus inhalieren? Oder den Menschen, die jetzt bereits vor Naturkatastrophen aus ihren Heimatländern flüchten müssen? Sind diese nicht auch Teil eines Kompromisses, der nur weniger offensichtlich scheint, da er seltener thematisiert wird, als potentielle Konsumeinschränkungen?

Da kann man sich doch die Frage stellen, ob es denn überhaupt so etwas wie eine “richtige” bzw. allen dienliche Entscheidung gibt. Eine, in der keine Person oder Gruppe den Kürzeren zieht. Oder gar ein Gefangenendilemma entsteht, in dem beide schlechter abschneiden. Ist das möglich? Oder besteht das Leben eben genau darin, dass wir stets Kompromisse eingehen müssen?

In der heutigen Episode soll es anders, als vielleicht vermutet, nicht um die Klimakrise und ihre Bewältigung gehen. Diese stellt lediglich ein geeignetes Beispiel für die sich immer wieder entfachenden Debatten um die Frage nach dem richtigen Maß zwischen Radikalität und Kompromiss dar. Gibt es Situationen, in denen es legitim ist, radikal zu handeln? Oder sollten wir stets die goldene Mitte suchen? Diesen Fragen möchte ich in der heutigen Episode, insbesondere aus philosophischer Sicht, nachgehen. Ich betone diese Eingrenzung, da ich mir bewusst bin, dass heute bei weitem nicht alle Aspekte, die mit dem Begriff der Radikalität zusammenhängen, angesprochen werden. Insbesondere das Politische des Radikalen,  das dieses Mal nur angerissen werden kann, die Betrachtung aus diesem Blickwinkel, wäre noch einmal eine ganze Sendung wert. Darum wage ich nun erstmal einen Anfang, es ist ein Versuch, sich diesem großen und wichtigen Thema, das unsere Zeit prägt, zu nähern.


Bevor wir in das Thema einsteigen, möchte ich kurz darauf hinweisen, dass ihr uns finanziell unterstützen und damit einen Sinneswandel möglich machen könnt. Der Podcast ist nämlich komplett werbefrei, was er allerdings nur mit eurer Hilfe bleiben kann. Als Fördermitglieder ermöglicht ihr meinem Team und mir Produktion des Podcast. Unterstützen könnt ihr via Steady, Paypal und Überweisung. Das geht schon ab 1€. Schaut einfach in die Shownotes, dort habe ich alles verlinkt. Nun wünsche ich euch aber viel Freude beim Zuhören.





Was bedeutet Radikalität überhaupt? 

Spannend an dem Begriff der Radikalität ist, dass ihm eine gewisse Ambivalenz anhaftet. In der Kunst und Literatur ist der Begriff des Radikalen zum Beispiel eher positiv konnotiert. Man denke an den Expressionismus oder die Epoche des Sturm und Drang. Das Radikale hat auf der einen Seite etwas sehr Anziehendes, weil es uns aufrüttelt und aus unserem Tiefschlaf erweckt. Auf der anderen Seite kann es auch ungemütlich werden und uns irritieren oder sogar abstoßen weil es mit dem bricht, was wir gewohnt sind. 

Mit am treffendsten hat vielleicht der Philosoph und Gesellschaftstheoretiker Karl Marx ausgedrückt, was “radikal” für ihn bedeutet. Seine Definition bezieht nämlich den Ursprung des Wortes mit ein. „Radikal“ kommt nämlich aus dem Latein, leitet sich von dem Wort radix ab, was „Wurzel“ bedeutet. Und so schreibt Marx „Radikal sein ist die Sache an der Wurzel fassen. Die Wurzel für den Menschen ist aber der Mensch selbst“. Wenn wir also von Radikalität sprechen, dann wird damit oft ein irreversibler Kontinuitätsbruch gemeint. Die Radikalen wollen zum Wesen der Dinge vordringen, anstatt bloß an ihren äußeren Erscheinungen herumzudoktern. Dabei wird das eigene Sein und Tun einem höheren Ziel unterstellt, für das man gegebenenfalls sogar bereit ist sein Leben aufs Spiel zu setzen.

Nun könnte man sich fragen, wenn die Radikalen sogar bereit sind sich für eine Sache aufzuopfern, wie unterscheiden sich diese dann von den Extremisten? Oder sind das einfach zwei Synonyme für dieselbe Sache?

Verfassungsrechtlich wird eine sehr klare Unterscheidung zwischen Radikalität und Extremismus gemacht. So gelten zum Beispiel rechtsextremistische Ideologien mit der demokratischen Grundordnung als unvereinbar, unter anderem durch ihre Überbewertung ethnischer Zugehörigkeit und eine gegen den Gleichheitsgrundsatz gerichtete Fremdenfeindlichkeit. Radikale Strömungen hingegen müssen nicht zwangsläufig gegen die Prinzipien der demokratischen Grundordnung verstoßen. In der Realität verschwimmen die Grenzen jedoch bzw. sie trennscharf voneinander zu unterscheiden ist oft nicht leicht.

Aber auch die Philosophie hat sich mit der Unterscheidung zwischen dem Radikalen und Extremen beschäftigt. Der Philosoph Helmuth Plessner zum Beispiel hat den sogenannten „sozialen Radikalismus“ geprägt. Er glaubte an eine Art Heilkraft des Extremen. So geht es laut Plessner beim radikalen Denken der Philosophie meist um Erneuerung und nicht primär um Zerstörung. René Descartes wäre hier ein Beispiel, der mit seinem radikalen Zweifel einen Neuanfang im philosophischen Denken ermöglichte. “Cogito ergo sum – ich denke, also bin ich”, waren seine Worte. Das heißt, das einzige, dessen er sich glaubte sicher sein zu könne, war der Zweifel selbst. Und, indem er zweifelte, glaubte er zu denken. Also müsse er doch existieren. Eine für damalige Verhältnisse sehr radikale Sichtweise, die vieles in Frage stellte. Geprägt war Decartes eher rationalistische Theorie vor allem von dem Zerbröckeln des christlich-katholischen Glaubensmonopols und dem damit einhergehenden Fokus auf wissenschaftliche Fakten. Vor diesem Hintergrund, dem Zerbrechen eines bislang bekannten Weltbildes, ist Descartes verzweifelte Suche nach Klarheit und nach einem sicheren Fixpunkt des Denkens doch recht nachvollziehbar. 

Das heißt, Radikalität ist durchaus positiv besetzt, als etwas, das Bestehendes hinterfragt und Neues erschafft. Eine schöpferische Kraft. Man könnte auch sagen, die Radikalen sind bereit, sich für seine Idee aufzuopfern und vielleicht sogar zu sterben. Der  Extremist hingegen, um noch einmal auf die Ausgangsfrage zurückzukommen, ist sogar bereit anderen Schaden zuzufügen und sie gar zu töten aufgrund seiner Überzeugung. Das macht vielleicht den mit größten Unterschied aus.

Schön und gut, aber was bedeutet das nun in der Praxis? Gibt es in der Philosophie radikale Denker*innen, die die Dinge an der Wurzel packen und alles auf den Kopf stellen?

Definitiv. Einen radikalen Denker habe ich mit René Descartes ja bereits genannt. Es gab aber auch PhilosophInnen, die als radikal bezeichnet werden können. So beispielsweise die französische Philosophin Simone Weil. Sie hat nicht nur Radikalität theoretisch vertreten, sondern diese auch praktisch gelebt. Sie setzte sich für die Unterdrückten ein, war eigentlich ausgebildete Philosophielehrerin, schuftete aber lieber in Fabriken und verschenkte ihren Lohn. Simone war wild entschlossen, den Sinn des Lebens zu finden und das, was sie als richtig erkannt hatte, umzusetzen –koste es auch ihr eigenes Leben. Was es am Ende tatsächlich tat. Ihr Herz versagte schon im zarten Alter von 34 Jahren, da sie sich geweigert hatte Nahrung zu sich zu nehmen, um sich solidarisch mit ihren Landsleuten zu zeigen, die sich im Krieg befanden. Und das, obgleich sie mit Tuberkulose im Krankenbett lag. Das ist schon sehr radikal kann man sagen.

Allerdings, wenn man genauer hinschaut, folgt den meisten radikalen Gedanken der großen Philosoph*innen, meist eine moderate Auslegung. Sie folgt aber nicht, weil diese Denker*innen Angst vor der eigenen Courage hätten. Ganz im Gegenteil. Sie folgt, weil sie den Mut zu ihr haben. Weil sie konsequent genug sind, das zu entfalten, was aus diesen radikalen Gedanken folgt. So steht es mit Kants vermeintlichem moralischen Rigorismus, Nietzsches vermeintlichem Immoralismus,und Adornos vermeintlichem Negativismus. Um nur diese drei zu nennen. Jede wirklich radikale Philosophie verhält sich an den entscheidenden Stellen moderat. Einige würden das sogar als widersprüchlich bezeichnen: Wasser predigen und Wein trinken. Insbesondere in der Klimadebatte wird diese Kritik immer wieder deutlich. Ich denke da an den letzten Sommer zurück, in dem „die Jugend“, die mit FFF auf den Straßen protestierte, angeblich gleichzeitig auf Festivals ihren Müll zurückließ. Oder an die vielen guten Vorsätze, die wir uns machen, von Fleisch- und Flugverzicht, weniger Plastik usw., die wir selten konsequent einhalten. 

Ich vermute, dass es durchaus menschlich ist, das wir uns immer wieder ambivalent verhalten. Da das menschliche Zusammenleben solche Kompromisse erfordert. Der Philosoph und Staatstheoretiker Thomas Hobbes zum Beispiel war der Überzeugung, der Mensch sei im Naturzustand ein wildes Tier, ein Wolf, und nur durch das Zusammenleben mit anderen Menschen könne er die Vorteile der Gemeinschaft und des guten Lebens nutzen. Wie der gute Hobbes das erreichen wollte, sei mal dahingestellt. Aber eine Welt, in der wir alle kompromisslos unsere eigenen Wünsche und Bedürfnisse durchsetzen, hielten vermutlich die wenigsten für eine Wünschenswerte. Insofern kann es ja sogar wohltuend sein, Kompromisse einzugehen, wenn diese das gemeinsame Glück mehren. Jede Form der Beziehung erfordert es, Kompromisse einzugehen. Die Liebe ist da vielleicht als einer der größten zu nennen, da wir unsere Autonomie zugunsten des Zusammenseins zu einem gewissen Teil einschränken.

Nichtsdestotrotz fühlen wir uns häufig hin und hergerissen zwischen dem hedonistischen Streben nach Glück und der Einhaltung unserer moralischen Werte, die sich ja auch mit der Zeit wandeln können. So hat beispielsweise vor ein, zwei Jahren kaum jemand von Flug-Scham gesprochen und heute gehört es beinahe zum Standardvokabular. Was ich damit sagen möchte ist, radikal leben mag ein Vorsatz sein, ihn umzusetzen aber oft alltagsfern. Weil wir als Menschen immer wieder Kompromisse eingehen müssen, um unser Zusammenleben zu gestalten. Einerseits, weil wir intersubjektiv unterschiedliche Bedürfnisse haben, aber eben auch intrasubjektiv, also in uns selbst ambivalent sind.

Damit wir dennoch gemeinschaftlich zusammenleben und Entscheidungen treffen können, braucht es natürlich eine geeignete Form der Kommunikation. Wie so etwas funktionieren kann, damit hat sich unter anderem Jürgen Habermas in seiner Diskursethik beschäftigt. Ihm zufolge kann eine Einigung auf verbindliche Normen, die ein Zusammenleben in Gesellschaft ermöglichen, nur gelingen, wenn aufgeklärte Individuen in der Lage sind, sich austauschen. Ihre eigenen Weltbilder hinterfragen und gemeinsam moralische Werte entwickeln. Und eine verbindliche Norm kann nach Habermas nur dann akzeptiert werden, wenn sie von allen möglichen Betroffenen mit sämtlichen Folgen akzeptiert wird. Allerdings kann man sich nun fragen, ob Konsens und Kompromiss nicht zu unterscheiden sind. Man spricht ja auch gerne von sogenannten „Faulen Kompromissen“. 

Der israelische Philosoph Avishai Margalit hat sich diese Frage gestellt, ob es wohl gute und schlechte Kompromisse gebe. Für ihn gehört der Kompromiss sogar ins Zentrum philosophischer Reflexion, da wir selten genau das bekommen, was wir wollen. Darum sagt Margalit, sollten wir viel stärker anhand unserer Kompromisse beurteilt werden, als anhand unserer Ideale und Normen. Denn Ideale können uns zwar Wichtiges darüber sagen, was wir gern wären, Kompromisse aber verraten uns, wer wir wirklich sind. Und so lässt sich auch Margalits Antwort auf diese Frage als eine Art Kompromiss werten: Denn auch für ihn sind sie unentbehrlich für das soziale Leben. Wenn es aber faule Kompromisse sind, können sie, sagt er, für ein Gemeinwesen tödlich sein.

Mir kommt da sofort das Bild eines „Fähnchens im Wind“. Wenn wir zu offen sind und uns von jeder Woge mitreißen lassen, laufen wir Gefahr, uns selbst zu verlieren. Nicht im Sinne eines festen Kerns unserer Identität. Sondern viel mehr sind wir dann nicht mehr greifbar. Uns fehlt die Standhaftigkeit. Es braucht eine gewisse Positionierung unsererseits, mit der wir uns verorten und dadurch für andere greifbar werden.

Das spricht ja dann wiederum dafür, dass es so etwas, wie eine “goldene Mitte” gebe. Einen Weg zwischen Radikalität und faulem Kompromiss. Eine Balance vielleicht?

Interessant wird diese Frage auch, wenn man sich den Trend hin zur Achtsamkeit und modernen Spiritualität anschaut, der vor allem für mehr Mäßigung plädiert. Wobei ich vermute, dass dieser Wunsch nach Gelassenheit und die Suche nach einer verlorenen Mitte weniger philosophisch, als vielmehr daher rührt, dass unser Privatleben heute durchökonomisiert ist und damit auch dem Effizienz-Paradigma unterliegt. Wir müssen mehr leisten, in immer kürzerer Zeit und sind zugleich angehalten, flexibel auf die sich verändernden Umstände zu reagieren. Kein Wunder, dass man da den Wunsch nach mehr Gelassenheit verspürt. Was ich allerdings für problematisch halte, ist der Aufruf, allem, was dem Selbst schaden und die innere Ruhe aufrütteln könnte, aus dem Weg zu gehen. So predigen einige der sogenannten Mindfulness Coaches, man solle keine Nachrichten konsumieren, da sie nur über negative Schlagzeilen berichten. Diese radikale Abkehr von einem Teilaspekt der Realität halte ich für wenig zielführend, da wir so Gefahr laufen in unserer kleinen Bubble ein verzerrtes Bild der Welt zu entwickeln weil wir keine Kontroversen und Ambivalenzen mehr zulassen. Auf der anderen Seite kann ich verstehen, dass es als zum Teil frustrierend erlebt wird, wie sich die Welt entwickelt und nicht jeder die Zeit und Kraft hat, sein gesamtes Leben dem Gemeinwohl zu widmen. Allerdings bin ich zugleich der Auffassung, dass gerade das Gefühl, Teil von etwas zu sein, sei es in einer Bewegung, wie FFF oder einem Verein,  einen sehr sinnstiftenden Charakter hat, der in unserer heutigen sehr individualistisch geprägten Welt, durchaus hilfreich sein kann. Denn Selbstentfaltung und Gemeinwohl schließen sich keinesfalls aus, sie bedingen sich sogar. Eine Gesellschaft braucht einerseits mündige Subjekte, die sich entwickeln wollen. Andererseits können wir als Menschen alleine nicht überleben und sind auf die Gemeinschaft angewiesen. Insofern denke ich, das es kein entweder oder im Sinne eines Kompromisses darstellt, sondern sich gegenseitig ergänzt und das Leben des Einzelnen sowie uns als Gesellschaft bereichern kann.

Nun ist aber noch immer nicht die Frage nach der “goldene Mitte” beantwortet, ob es diese gibt und, was es mit diesem Maß auf sich hat. Aristoteles bezeichnet in seiner Nikomachischen Ethik die Tugend als mesótes, also Mittelmäßigkeit zwischen zwei Extremen, die es stets anzustreben gilt. Diese Mitte ist allerdings subjektiv und situationsabhängig durch die Vernunft des Einzelnen bestimmt und kann sich zwischen zwei Personen unterscheiden. Um ein paar Beispiele zu nennen: Freigebigkeit ist für Aristoteles die Mitte zwischen Geiz und Verschwendung. Und die Tapferkeit bewegt sich zwischen den Extremen der Feigheit und der Tollkühnheit – weder die Feigheit ist wünschenswert, noch eine übersteigerte, vernunftlose Tapferkeit, die Aristoteles als Tollkühnheit bezeichnet. Dementsprechend zeigt sich die Vorstellung vom guten Leben als eine mittlere Lebensform. Damit ist die Mitte aber gleichzeitig auch ein Äußerstes, das Beste, das möglich ist. Aristoteles gibt auch selbst zu, dass es sehr schwer ist, die Mitte zu treffen. Wie bei einem Dart-Spiel trifft man eben häufiger daneben. Also ist man aufgefordert ständig abzuwägen, um das richtige Maß zu finden. Übung macht den Meister. Je häufiger wir tugendhaft handeln, desto leichter fällt es uns, bis wir irgendwann gar blind die Mitte treffen.

Jungen Menschen wird ja auch häufig unterstellt, noch nicht so viele Erfahrungen gemacht zu haben, im Vergleich zu jenen, die ein gewisses Alter erreicht haben und damit oft eine gewisse Reife besitzen. Je älter wir werden, desto größer ist unser Repertoire an Erfahrungen, auf das wir als eine Art normativer Maßstab zurückgreifen können. Wir lernen Dinge mit der Zeit in Relation zu setzen. Das hat seine guten, wie schlechten Seiten. Einerseits lassen wir uns dadurch vielleicht nicht mehr so schnell aus der Fassung bringen und können gelassener durchs Leben gehen. Auf der anderen Seite besteht in den Extremen ja auch ein gewisser Reiz. Wir spüren uns dann oft besonders intensiv. Unsere Grenzen weiten sich aus. Diesen Prozess durchlaufen die meisten von uns in der Phase der Pubertät, dem Übergang in die Adoleszenz. Wenn wir radikal das Bestehende in Frage stellen, uns vom Elternhaus Stück für Stück abnabeln und unsere eigenen Wege gehen. Ich denke, dass dieser Prozess, sowohl evolutionär, als auch in sozialer Hinsicht wichtig für unsere Identitätsbildung als Individuum ist. Indem wir auch mal anecken und Widerstände spüren, lernen wir uns selbst besser kennen. Insbesondere was wir nicht wollen und dadurch eben auch, was wir uns stattdessen wünschen. Radikalität, im Sinne einer Etablierung eigener Ideale und Wertvorstellungen, gibt uns ja auch ein Gefühl von Selbstwirksamkeit und Autonomie.

Und, wenn wir mal ganz ehrlich sind, es braucht ein gewisses Maß an Radikalität. Individuell, wie auch im Sinne der Gemeinschaft. Ohne radikale Denker*innen und jene, die bereit waren für Ideale sogar ihr Leben aufs Spiel zu setzen, gäbe es heute wohl kaum Grundgesetz, Frauenwahlrecht, Genossenschaften und wir lebten noch immer unterdrückt von den wenigen Reichen und Mächtigen. Was zugleich bedeutet, dass auch heute nach wie vor radikale Denker*innen und Menschen braucht, die uns immer wieder daran erinnern das Bestehende zu Hinterfragen. Weil noch lange nicht alles gut so ist, wie es ist. Weil Wissen oft nicht ausreicht, um Missstände zu beheben, wie wir beispielsweise in der Klimakrise sehen können.

Da Albert Camus es weitaus besser in Worte fassen kann, als ich, möchte ich abschließend eine kurze Passage aus “Der Mensch in der Revolte” von 1951 lesen: 

“Was ist der Mensch in der Revolte? Ein Mensch, der nein sagt. Aber, wenn er ablehnt, verzichtet er doch nicht, er ist auch ein Mensch, der ja sagt aus erster Regung heraus. […] So ruht die Bewegung der Revolte zu gleicher Zeit auf der kategorischen Zurückweisung eines unerträglich empfundenen Eindringens wie auf der dunklen Gewißheit […] des Revoltierenden, <ein Recht zu haben auf…>. […] Er demonstriert hartnäckig, daß es in ihm etwas gibt, das <die Mühe lohnt>, das beachtet zu werden verlangt. […] Gleichzeitig mit dem Widerwillen gegen den Eindringling enthält jede Revolte eine völlig und unmittelbare Zustimmung des Menschen zu einem Teil seiner selbst.”

Insofern, um noch einmal zur Ausgangsfrage zurückzukehren, ob es so etwas, wie einen richtigen Weg, ein gutes Maß gibt, lautet meine persönliche Antwort: Ja und Nein zugleich. Ja, in der Hinsicht, als dass es stets auszuhandeln ist, was eine gute Entscheidung im jeweiligen Kontext ausmacht. Und dabei nicht nur die Konsequenzen für sich selbst, sondern auch für alles um mich herum in Betracht gezogen werden müssen. Im Bezug auf die Klimakrise zum Beispiel zukünftige Generationen, die real noch gar nicht existieren. Und Nein, insofern, dass es keinen allgemeingültigen richtigen Weg gibt, sondern, dass jede Entscheidung in ihren historischen und gesellschaftlichen Kontext eingebettet ist, der sich im stetigen Wandel befindet. 

Es ist und bleibt also kein einfaches Unterfangen. Und im Zweifel fahren wir, indem wir uns im übertragenen Sinne aneinander reiben, unsere Sichtweisen austauschen, wohl am besten. Das erfordert aber, dass wir gewillt sind, uns zu begegnen. Und das wiederum erfordert eine gewisse Haltung. Aber dazu vielleicht ein andern Mal… 

Ich danke euch fürs Zuhören und hoffe, ihr konntet etwas aus der Episode mitnehmen. In den Shownotes habe ich einige weiterführende bzw. interessante Artikel und Beiträge, die im Zusammenhang mit dem heute besprochenen Thema stehen, verlinkt. Wenn euch die Episode gefallen hat, teilt sie gerne mit anderen. Und natürlich würde ich mich besonders freuen, wenn auch ihr als Mitglieder einen Sinneswandel möglich macht. Alle infos dazu findet ihr ebenfalls in den Shownotes. Vielen Dank und bis bald.
25. Mai 2020

Ein etwas anderer Jahresrückblick

von Marilena 5. Januar 2020

2019 also. Ein bewegendes Jahr. In vielerlei Hinsicht. Nicht nur für mich. Lasse ich die vergangenen Monate vor meinem inneren Auge Revue passieren, wird mir bewusst, wie viele politische und gesellschaftliche Ereignisse mich emotional, aber auch physisch bewegt haben: Europawahl im Mai, Brexit Hin und Her, die gewohnte Trump Misere, der Amazonas steht in Flammen, der heißeste Juni weltweit seit Wetteraufzeichnung. Anschlag in Halle, wachsender Rechtspopulismus und auf der anderen Seite der bisher größte Klimastreik in der Weltgeschichte am 20. September. Über 4 Millionen auf den Straßen weltweit. Alleine in Deutschland 1,4 Millionen.

Ich habe viel nachgedacht in 2019. Das klingt, als hätte ich das zuvor nicht getan. Aber ich meine damit nicht ein intentionales Nachdenken, wohlmöglich begleitet von Journalling und Meditation, sondern einfach nur Denken. Das, was eben kommt, wenn man gerade nichts tut. Oder, wenn man wie ich, zwei Wochen alleine wandern geht. In der Natur wird einem einiges bewusst. Wenn man dem Rascheln der Bäume im Wind lauscht, zu den gewaltigen Felswänden hinaufblickt. Dass man doch eigentlich ein Teil von ihr ist. Nichts von der Natur Abgetrenntes. Keine Umwelt, sondern Mitwelt. Nicht Ressource allein, sondern Leben. Wie du und ich.

In dieser Episode erfährst du:

  • Was mich im vergangenen Jahr 2019 bewegt hat.
  • Weshalb die unablässige Beschäftigung mit sich selbst, einen manchmal noch weiter von sich entfernen lässt.
  • Weshalb es ein gemeinsames Narrativ für eine lebenswerte Welt braucht.

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SHOWNOTES:

► Du sollst nicht funktionieren: für eine neue Lebenskunst von Ariadne von Schirach.
► Würde: Was uns stark macht – als Einzelne und als Gesellschaft  von Gerald Hüther.

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TRANSKRIPT:

Es war ein wenig still hier die letze Zeit. Bewusst habe ich mich die verbleibenden Tage im Jahr ein wenig herausgenommen und somit auch den Podcast pausieren lassen. Um einerseits das vergangene Jahr zu reflektieren, Zeit mit meiner Familie zu verbringen und, um mich einfach mal der Muße hinzugeben. Was mir zugegebenermaßen nicht gerade leicht fällt. Andererseits brauchte ich diese Zeit auch, um in mich zu gehen und zu hinterfragen, ob mein Sein und Tun noch mit mir, meiner Weltsicht und Haltung räsoniert. Denn, wie oft habe ich es schon erlebt, dass ich mich so sehr im Geschäftigsein und den alltäglichen To-Do’s verloren habe, gelegentlich sogar untergegangen bin, ohne zu merken, dass es mich in die Tiefe zieht. Oft bin ich erst wieder aufgetaucht, als die Luft bereits knapp und meine Brust wie zugeschnürt war. Aber, ich bin aufgetaucht. Bin wieder zu Bewusstsein gekommen, habe tief durchgeatmet und schon bald eine neue Klarheit verspürt.


Aber, bevor ich in die Tiefe gehe, möchte ich dich gerne hiermit einladen, an meinen Gedankengängen und einem kleinen Ausschnitt meiner Reflexion des letzten Jahres, teilzuhaben. Natürlich ist dies nur ein Aspekt der Wahrheit, nicht zuletzt, da vermutlich ein großer Teil in meinem Unterbewusstsein schlummert und, zum anderen, da ich nicht mein gesamtes Leben auf dem Silbertablett servieren möchte. Ein bisschen vermeintliche Privatsphäre, solange es diese noch gibt und ein paar schmutzige Geheimnisse, möchte auch ich mir bewahren.


2019 also. Ein bewegendes Jahr. In vielerlei Hinsicht. Nicht nur für mich. Lasse ich die vergangenen Monate vor meinem inneren Auge Revue passieren, wird mir bewusst, wie viele politische und gesellschaftliche Ereignisse mich emotional, aber auch physisch bewegt haben: Europawahl im Mai, Brexit Hin und Her, die gewohnte Trump Misere, der Amazonas steht in Flammen, der heißeste Juni weltweit seit Wetteraufzeichnung. Anschlag in Halle, wachsender Rechtspopulismus und auf der anderen Seite der bisher größte Klimastreik in der Weltgeschichte am 20. September. Über 4 Millionen auf den Straßen weltweit. Alleine in Deutschland 1,4 Millionen. 


Es war das Jahr, das mich politisiert hat, wie kein anderes. Das mich aus meiner selbstbezogenen und beinahe fatalistischen Haltung, in der ich es mir reichlich bequem gemach hatte, herausgerissen hat. Und da stand ich nun. Wie nackt im Scheinwerferlicht. Fühlte mich ein wenig ertappt. Beschämt, so viele Jahre meinen Allerwertesten nicht hoch bekommen zu haben. Trotz all der Ungerechtigkeit, die sich zum Teil sogar direkt vor mir abgespielt hat. Von der ich manchmal sogar wusste und dennoch die Augen verschlossen habe. Man will sich ja nicht belasten mit all der Negativität. Die könnte einen ja davon abhalten, das Beste aus seinem Leben zu machen. Und, wie stünde man denn dann da? Wenn man nicht alle die Chancen und Möglichkeiten nutzen würde, die einem zur Verfügung stehen? Wenn man nicht all die Freiheit auskosten und zur besten Version seiner selbst heranwachsen würde? Wenn man nicht permanent an sich selbst arbeiten und sich optimieren würde? Ja wo kämen wir denn da hin? Gute Frage, aber dazu später mehr.


Ich beschließe also, trotz aller Scham, ehrlich mit mir zu sein. Auch, wenn das schmerzlich ist. Sich einzugestehen, nicht immer gut und richtig gehandelt zu haben. Nicht perfekt, sondern ein ganz normaler Mensch zu sein. Kein Gewinner, kein Superstar und auch kein Shero. Vielleicht auch besser so. Dann setzte ich doch lieber dort an, wo ich glaube, dennoch einen Unterschied machen zu können. Nicht alleine, versteht sich. Sondern als Teil. Als Teil von etwas Größerem. Mich nicht mehr als einzigartigen Rohdiamant, den es zu Schleifen und Polieren gilt, zu betrachten, sondern als etwas ganz Gewöhnliches. Vielleicht einen Kieselstein. Und dies nicht als Kränkung zu empfinden, sondern durchaus als entlastend. Denn auch als Teil von etwas bin ich dennoch einzigartig und nicht unbedeutsam. Aber, ich muss mich nicht mehr permanent herausstellen. Nicht tagein tagaus auf ein Podest stellen und auf den Applaus der anderen warten.


Weil man das eben so macht in einer zunehmende ökonomisierten Welt, in der Märkte und Marktstrukturen immer mehr Raum einnehmen. Privaten Raum. Lebensraum. Alles bekommt einen Preis. Auch wir Menschen. Denn wir sind im übertragenen Sinne alle zu KleinunternehmerInnen geworden, die sich selbst zur Ware machen. Dank Instagram und Co. geht das so leicht wie nie zuvor. Man muss nur die richtige Strategie fahren und genügend in sich und seine Persönlichkeitsentwicklung investieren. Das sei das zutiefst Pornographische an unserer Zeit, schreibt die Philosophin und Autorin Ariadne von Schirach in ihrem Buch „Du sollst nicht funktionieren“. Es geht darum, den größtmöglichen Nutzen mit den geringstmöglichen Kosten zu verbinden. Das Leben ist ein Geschenk und der Mensch Humankapital. Und dies gilt es gemäß des Effizienzparadigmas zu nutzen oder nutzbar zu machen. Aus allem lässt sich etwas abgewinnen. Man muss es nur sehen. Es hängt alles von der inneren Einstellung ab. Du bist, was du denkst. Also sei positiv! Mach das Beste draus! Dein Hobby zum Beruf, dein Leben zum Dauerurlaub auf Mallorca oder besser noch Bali.


Ouch! Schon wieder habe ich mich ertappt. Ja, auch diese Denkweise und Haltung habe ich eine ganze Weile selbst propagiert. Wobei ich mir natürlich nicht darüber bewusst war, dass die vermeintliche Befreiung und exzessive Selbstformung zu einem großen Teil eine Reaktion meinerseits auf die gesellschaftliche Verhältnisse war. Felsenfest war ich davon überzeugt, den Stein der Weisen gefunden zu haben. Den heiligen Gral. Der mich und alle, denen ich es verrate, unmittelbar ins Nirvana, auf Wolke 7 befördern würde. Pustekuchen.


Da saß ich nun Anfang des Jahre auf Bali. In meinem selbsterbauten Schloss oder passender noch, meiner Hängematte, wie es sich für Digitale Nomadinnen gehört, und fühlte mich mutterseelenallein. Einsam. Oft. Sehr oft. Da war viel Leere. Die sich kaum in Worte fassen ließ. Und, die sich erst mit Tränen, einem Eingeständnis mir selbst gegenüber und einer vorzeitigen Rückreise ins heimische Nest, einen Weg nach draußen bahnte. Ich war also immer noch nicht angekommen. Das hatte ich nun verstanden. Erneut. Die Erkenntnis, dass ich das vermutlich nie würde, das brauchte noch eine Weile.


Also beschloss ich Anfang, Mitte des Jahres, den Blick etwas von mir abzuwenden. Nicht mehr unablässig um mich selbst zu kreisen. Nicht permanent jeden Schritt und Tritt zu beobachten, alle Seelenwogen zu durchleuchten und zu analysieren. Nicht für jedes meiner Probleme eine Lösung finden zu müssen, bis sich das nächste Problem am Horizont auftun würde. Das war auch der Zeitpunkt, in dem ich mich zunächst unbewusst, dann bewusster weitestgehend aus der Coaching- und Persönlichkeitsentwicklungszene zurückgezogen habe. Zumindest aus jener, deren Teil auch ich gewesen bin. Die aus den Ängsten und Selbstzweifeln von Menschen Profit macht. Verpackt in eine gute Marketing Strategie klingt das nur halb so scheußlich. Wobei ich natürlich nicht jedem in diesem Feld böse Absichten unterstellen möchte. Manchmal weiß man ja gar nicht so genau, was man da eigentlich tut. Oder merkt es erst später. Für mich habe ich jedoch realisiert, dass diese Weltsicht nicht mit meinem Verständnis von Würde und Menschlichkeit räsoniert. Und, dass ich nicht auf eine Kerbe einschlagen möchte, die ein Paradigma der Selbstoptimierung weiter manifestiert und infolgedessen immer mehr einsame Sinnsucher produziert.


Vor allem durch die intensivere Auseinandersetzung mit politischen, ökologischen und ökonomischen Zusammenhängen, meinem zunehmenden Engagement im Bereich Nachhaltigkeit und der Teilnahme an Demos, wurde mir bewusst, dass es im Leben vor allem um eines geht: Ein Teil von etwas zu sein. Sich zugehörig zu fühlen. Nicht nur eine eigene Vision und Ziele zu verfolgen, sondern ein Anliegen zu haben, das größer ist als man selbst, wie Gerald Hüther, ein Neurobiologe, in seinem Buch „Würde“ schreibt. Eine Vorstellung von einer gemeinsame Zukunft. Als Gesellschaft. Eine Art Utopia. Für das es sich lohnt, aufzustehen und sich einzusetzen. Für ein Besser, nicht im Sinne eines noch schneller, schöner, reicher, effizienter, bequemer… sondern für eine lebenswertere Zukunft. Eine Menschliche. Eine Gerechtere. Eine, in der wir unsere Kinder und Enkelkinder mit gutem Gewissen erwachsen lassen können.


Ich habe viel nachgedacht in 2019. Das klingt, als hätte ich das zuvor nicht getan. Aber ich meine damit nicht ein intentionales Nachdenken, wohlmöglich begleitet von Journalling und Meditation, sondern einfach nur Denken. Das, was eben kommt, wenn man gerade nichts tut. Oder, wenn man wie ich, zwei Wochen alleine wandern geht. In der Natur wird einem einiges bewusst. Wenn man dem Rascheln der Bäume im Wind lauscht, zu den gewaltigen Felswänden hinaufblickt. Dass man doch eigentlich ein Teil von ihr ist. Nichts von der Natur Abgetrenntes. Keine Umwelt, sondern Mitwelt. Nicht Ressource allein, sondern Leben. Wie du und ich.


Wie gesagt, ich habe viel nachgedacht. Ein Ergebnis dessen, war u.a. die Entscheidung noch einmal Philosophie und Politik zu studieren. Das tue ich nun. Und, es war eine gute Entscheidung. So viel kann ich bisher sagen. Es hat zudem den Wunsch in mir geweckt, etwas gemeinschaftliches zu gründen. Ein Kollektiv. Zukunftskunst heißt es. Ein Versuch, Begegnungs- und Gestaltungsräume zu öffnen, die befähigen und ermutigen, gemeinsam nachhaltige und positive Zukunftskonzepte zu entwickeln. Es ist noch in den Kinderschuhen. Aber ich merke, je konkreter es wird, desto mehr hoffe ich, dass es eines Tages mein Baby wird, dem ich all meine Liebe und Aufmerksamkeit widmen kann. Neben dem Podcast, versteht sich.


Ich finde es spannend, welche Umwege und vielleicht sogar Irrwege wir gehen müssen, um uns näher zukommen. Und, dass es oft nicht die eigängige Beschäftigung mit uns und unserem Selbst ist, die uns voranbringt, sondern das Gegenteil. Die Distanz. Indem wir einen Schritt zurücktreten, sehen wir oft klarer. Stellen fest, dass da gar kein Ende in Sicht ist. Dass es vielleicht auch gar nicht darum geht im Leben. Etwas zu finden. Vielleicht ist es ja auch schon die ganze Zeit da gewesen? Wer weiß.


Vermutlich werde ich diese Zeilen eines Tages mit einem ebenso amüsierten Lächeln beäugen, wie alte Tagebucheinträge oder verblichene Polaroids aus Teenie Zeiten. Weil sich schon wieder so viel gewandelt hat. Weil die Welt sich weiter dreht und ich wieder nicht angekommen bin. Die Kunst besteht vermutlich darin, sich diese Irrtüme und Umwege zu verzeihen. So, wie man sich auch Tattooketten, die übergroße Kreolen Ohrringe und die Dauerwelle verziehen hat. So gilt es weiterhin wohlwollend mit sich zu sein. Und sich nicht ganz so ernst und wichtig zu nehmen. Das soll angeblich helfen, habe ich mir sagen lassen.


Zu einem richtigen Jahresrückblick gehört es sich ja üblicherweise, auch einen Blick in die verlockende und aussichtsreiche Zukunft zu werfen. Und sich zu fragen: Wie hätte ich es gerne? Was sollte anders sein? Wie möchte ich mich fühlen? Was kann ich dafür tun? Der ein oder andere schnürt nun ein strammes Paket an Zielen und Vorgaben, die es einzuhalten und zu erreichen gilt. Neujahresvorsätze werden sie auch liebevoll genannt, was einem, im Vergleich zu „richtigen“ Zielen die gesellschaftlich akzeptierte Erlaubnis gibt, sie alsbald wieder zu verwerfen.Um es kurz zu machen, ich mag keine Vorsätze. Auch nicht zum Beginn des Jahres. Was mir hingegen gefällt, ist der Blick in die Glaskugel. Im übertragenen Sinne. Sich auszumalen, wie es anders sein könnte. Sich selbst eine Geschichte zu erzählen. Im Hinblick auf die eigene Zukunft, aber auch auf die Welt, die großen Zusammenhänge, in die wir alle eingebunden sind. Auch, wenn wir das bei all den kleinen und großen alltäglichen Herausforderungen, die es zu meistern gilt, manchmal ausblenden. Dass wir einen Einfluss oder neudeutsch einen Impact haben. Wir können etwas bewegen. Auch, wenn wir noch so klein sind. Wie uns die Klimaaktivistin Greta Thunberg zugleich mahnt und ermutigt. Nicht nur für unser eigenes Leben brauchen wir eine positive Vision und Hoffnung, auch im Bezug auf unsere Gesellschaft ist ein gemeinsames Narrativ notwendig. Eine Geschichte, die wir uns gegenseitig erzählen und an die wir glauben, wie ein besseres und lebenswerteres Morgen aussehen könnte. Ich stelle mir dann manchmal vor, welche Rolle ich in diesem Stück spielen würde. Worin meine Aufgabe bestünde und, was ich tun könnte, um unsere gemeinsame Zukunft mitzugestalten und hoffentlich besser zu machen. 


Vielleicht ein kleiner Einblick, was ich mir da für dieses Jahr notiert habe: Im Bezug auf mein eigenes kleines Universum, möchte ich weiterhin so viel Zeit wie möglich in der Natur verbringen. Die mir keine Fragen stellt. Die kein „Um-zu“ kennt. Sondern nur ein Sein. Ich möchte mehr Zeit auf die Dinge verwenden, die mir wirklich wichtig erscheinen, wie meiner Familie und meinen Freunde. Improtheater spielen, weil ich mich so unglaublich frei fühle, wenn ich mich auf der Bühne zum Affen mache. Weil es einfach egal ist, denn es ist nur eine Rolle, die ich spiele. Eine von vielen. Ich möchte öfter Nein-Sagen. Nein zu Möglichkeiten, Chancen und Optionen, die so köstlich und verlockend klingen. Mir schmeicheln und mich umgarnen. Aber am Ende doch nur wie Zuckerwatte, die sich im Mund langsam mit dem Speichel mischt, vaporisieren. Auflösen. Und was bleibt ist ein klebriger Geschmack und Leere. Ich wünsche mir statt kurzfristigen, erfolgsversprechenden Handlungen, Momente und geteilte Erlebnisse, die etwas hinterlassen, das bleibt. Nachhaltig. Ich möchte meine Leben und meine Zeit, die ich durchaus als Geschenk betrachte, für etwas nutzen, das mir ein Anliegen ist. Nicht einfach den Status-Quo hinnehmen und akzeptieren. Sondern ihn hinterfragen und neue Wege gehen. Nicht nur, weil es in vielerlei Hinsicht nicht mehr anders geht, sondern auch, weil es eine Chance ist. Teil von etwas zu sein. Nicht nur das eigene Leben zu optimieren, seine Persönlichkeit zu entfalten, sondern zugleich das Zusammenleben als Gemeinschaft mitzugestalten und dabei Selbstwirksamkeit  zu erleben. Ich wünsche mir eine Welt, die trotz all der Unterschiede, die uns individuell einzigartig machen, die Gemeinsamkeiten aller Menschen nicht vergisst. Die uns verbinden. Weil wir alle Menschen sind, die sich ein würdevolles Leben wünschen. Die von anderen akzeptiert und geliebt werden und sich als Teil von etwas begreifen wollen. Denn, wer möchte schon alleine auf diesem Planeten sein?! Apropos Planet: Ich wünsche mir für 2020, dass Klimaschutz wirklich ernst genommen wird. Dass auf Worte Taten folgen. Nicht nur heiße Luft und CO2. Dass das Schwarze-Peter-Spielen ein Ende hat. Es ist weder alleine die Politik, die es zu richten hat, noch sind es die Konzerne, die alleine das Ruder rumreißen können. Nur im Zusammenspiel der unterschiedlichen Akteure, Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Institutionen und uns kann es gelingen. Einen Masterplan existiert nicht. Abwarten und Tee trinken ist auch nicht die Lösung. Was bleibt uns also übrig, als den ersten Schritt zu gehen. Jede und jeder von uns. Auch, wenn wir noch nicht den genauen Weg kennen. Wie heißt es so schön, Erkenntnis kommt oft vom Tun.


Sollte dir diese Podcast Folge etwas abstrakt vorgekommen sein oder, du hast etwas vollkommen anderes erwartet, dann verzeihe mir. Du hast bereits die nach bestem Gewissen enthedderte und entknäuelte Version meines inneren Gedankenchaos erhalten. In Zukunft wird es wieder etwas geordneter zugehen. Versprochen. In der nächsten Folge, die noch diese Woche erscheinen wird, gibt es eine kleine, große Ankündigung. Surprise, surprise! Also nicht verpassen! Im Anschluss daran läuten wir den Themenschwerpunkt „Wirtschaft neu Denken“ ein, mit einem Interview mit Christian Felber, dem Begründer der Gemeinwohl Ökonomie. Auf den Wunsch einiger HörerInnen wird es aber weiterhin einen Wechsel aus persönlichen Solofolgen und Interviews geben.

5. Januar 2020

Hans Rudolf Herren – Das Ende der Grünen Revolution (Teil 2)

von Marilena 15. Dezember 2019

Wenn man „Grüne Revolution“ liest oder davon hört, könnte man ja eigentlich meinen, es handle sich um ein Bestreben im Sinne der Nachhaltigkeit. In dem Gespräch mit dem Insektenforscher und Experten für Landwirtschaft, Hans Rudolf Herren, durfte ich allerdings erfahren, dass der Schein eher trügt bzw. grün nicht gleich grün bedeutet. Hinter dem Begriff der „Grünen Revolution“ steht ein Konzept aus den 1960er Jahren, dass die modernen landwirtschaftlichen Hochertragssorten und deren erfolgreiche Verbreitung auch in Entwicklungsländern wie Indien vorantreiben sollte. Von den wachsenden Erträgen profitieren einerseits Bauern und KonsumentInnen, auf der anderen Seite wird das Konzept vor allem dafür kritisiert, dass es neben der massiven Umweltschädigung durch den Einsatz chemischer Stoffe, die Bauern in den Entwicklungsländern in eine starke Abhängigkeit von internationalen Konzernen treibt.

Wie eine nachhaltige und enkeltaugliche Zukunft der Landwirtschaft aussehen könnte, habe ich in dem zweiten Teil des Interviews mit dem Schweizer Insektenforscher Hans Rudolf Herren besprochen.

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SHOWNOTES:

► Interview Teil 1: „Eine Welt ohne Bienen, geht das?“
► Website der Stiftung BioVision
► Hintergründe zur „Grünen Revolution“
► Buchempfehlung: „Die Grenzen des Wachstums“ von dem Club of Rome

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► sinneswandel.art

15. Dezember 2019

Hans Rudolf Herren – Eine Welt ohne Bienen, geht das? (Teil 1)

von Marilena 15. Dezember 2019

“Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben.” Dieses Zitat stammt angeblich von dem genialen und weltbekannten Wissenschaftler Albert Einstein. Und auch, wenn es nicht geklärt ist, ob er diese Worte einst wirklich in den Mund genommen hat, so ist eines wohl sehr klar: Stirbt die Biene tatsächlich eines Tages aus, so wird es vermutlich gravierende Folgen für unser Ökosystem und damit auch uns Menschen haben.

Einer, der sich bereits seit vielen Jahren für eine Agrarwende und den Erhalt von Biodiversität einsetzt, ist der Schweizer Insektenforscher und Wissenschaftler Hans Rudolf Herren. Und das sogar ziemlich erfolgreich. In den 1980er Jahren bekämpfte er die Schmierläuse in Afrika auf natürliche Weise, sodass eine Hungersnot verhindert werden konnte, von der bis zu 20 Millionen Menschen betroffen gewesen wären. Für seine Arbeit wurde Hans Rudolf Herren bereits mit dem Welternährungspreis sowie 2013 gemeinsam mit seiner Stiftung Biovision mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet.

Ich bin mit dem Nachtzug von Hamburg nach Zürich gefahren, um mich mit ihm zu treffen. Interessiert hat mich unter anderem, weshalb Artenvielfalt eigentlich so wichtig ist und was ökologische Landwirtschaft wirklich bedeutet. Die Antworten erhältst du in Teil 1 des Interviews.

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SHOWNOTES:
► Website der Stiftung BioVision
► Artenvielfalt-Bericht des Weltbiodiversitätsrat (IPBES)

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15. Dezember 2019

Ursula Hudson: Is(s)t man vegan wirklich nachhaltiger?

von Marilena 9. Dezember 2019

„Du bist, was du isst“. Dieser Satz basiert ursprünglich auf der Aussage des Philosophen Ludwig Feuerbach: „Der Mensch ist, was er isst“ aus dem Jahr 1850. Heute ist sie gefühlt aktueller denn je. Zumindest wird viel über die Ernährung philosophiert und debattiert. Was gilt als gesund? Was sollte oder gar darf man noch essen?

Angesichts der globalen Herausforderungen, vor denen wir stehen, wird unsere Ernährung aber noch von einer anderen Perspektive aus interessant. Alleine über die Ernährung entstehen pro Europäer jährlich rund neun Tonnen CO2-Äquivalente. Wer behauptet, die Wahl des Mittagessens sei eine rein persönliche, der irrt sich. Sie ist hochpolitisch. Dieser Ansicht ist zumindest Dr. Ursula Hudson. Sie ist Vorstandsvorsitzende von Slow Food Deutschland und macht sich für eine Ernährunsgwende stark, die auch den nachkommenden Generationen ein würdiges und gutes Leben auf einem grünen Planeten ermöglicht.

Was das konkret bedeutet, erfährst du in dem heutigen Interview, das ich mit Dr. Ursula Hudson in der Berliner Zentrale von Slow Food Deutschland geführt habe. In dem Sinne wünsche ich dir viel Freude beim Zuhören.

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SHOWNOTES:

► Du möchtest mehr über die Initiative Slow Food erfahren? Hier findest du weitere Informationen. Es gibt auch regionale Gruppen, in denen du dich engagieren kannst.
► Der Weltagrarbericht  zum Nachlesen. findest du weitere Informationen.
► Beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (https://www.bmel.de/) findest du weiterführende Informationen. Ebenso, wie beim Bundeszentrum für Ernährung (https://www.bzfe.de).

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9. Dezember 2019

Arved Fuchs: Haben wir bald keine Gletscher mehr?

von Marilena 1. Dezember 2019

Wolltest du auch immer schon mal zu Fuß zum Nordpol oder ganz alleine in einem Kajak im Winter das Kap Horn umrunden? Wie, du etwa auch nicht? Es gibt ein paar Dinge, auf die Idee sie zu tun, wir Normalsterblichen – bis auf einige Ausnahmen natürlich – eher selten kommen. Eine dieser Ausnahmen ist Arved Fuchs.

Er ist Polarforscher und hat bereits viele solcher Expeditionen hinter sich. Bereits 1989 gelang es ihm als erster Mensch, den Nord- und Südpol zu Fuß und auf Skiern innerhalb eines Jahres zu erreichen. Und man bedenke, dass es damals noch keine Smartphones mit GPS gab. Heute ist Arved Fuchs allerdings meistens mit Dagmar Aaen, seinem Segelschiff, unterwegs. Gerade erst kürzlich ist er von seiner letzten Expedition „Ocean Change – turn the page“, die ganz im Auftrag des Klimawandels stand, zurückgekehrt. Mit eigenen Augen, konnten er uns sein Team aus WissenschaftlerInnen das Fortschreiten des Klimawandels in Grönland beobachten. Insbesondere das Gletscherschmelzen ist unübersehbar und macht deutlich, was wir durch unseren derzeitigen Lebensstil anrichten.

Die Aufgabe der Expedition ist es allerdings nicht nur, Probleme sichtbar zu machen. Im Dialog mit Menschen vor Ort sollen zudem Best-Practice-Beispiele aufgezeigt und Lösungsvorschläge erarbeitet werden. Die Crew dokumentiert, spricht mit WissenschaftlerInnen, aber auch mit Jägern und Fischern vor Ort. Arved Fuchs und sein Team sind fest davon überzeugt, dass die Auswirkungen des Klimawandels sich am Beispiel Grönland exemplarisch und für alle Menschen verständlich darstellen lassen. In Film- und Bildbeiträgen sollen die Veränderungen in der Natur gezeigt werden – und gleichzeitig positive Ansätze zur Lösung des Problems dargestellt werden.

Ich habe Arved Fuchs im beschaulichen Bad Bramstedt getroffen. In seinem Familienhaus, in dem er schon als Kind aufgewachsen ist. Neben der Frage, was ihn zu diesen zum Teil waghalsigen Expeditionen antreibt, hat mich besonders interessiert, wie die Eindrücke seine Weltsicht beeinflusst haben. Ich freue mich, dir seine Antworten jetzt präsentieren zu dürfen.

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► Du möchtest mehr über Arved Fuchs und seine Expeditionen erfahren? Hier findest du weitere Informationen. 
► Als SchülerIn hast du die Chance dich für das I. C. E. Klimacamp von Arved Fuchs zu bewerben.

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1. Dezember 2019

Jeder Mensch ist ein Künstler

von Marilena 11. November 2019

„Jeder Mensch ist ein Künstler“ – so lautet zumindest die radikale Forderung Joseph Beuys. Mal angenommen, wir würden uns alle als im weitesten Sinne als Künstler*innen begreifen, so würde das eine weitreichende Perspektive eröffnen. Für ein ganz grundlegendes, radikales Verständnis von Kreativität. Die uns fragen lässt, wie wir eigentlich in Zukunft leben wollen – individuell, gesellschaftlich und global?

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► Mehr zum erweiterten Kunstbegriff auf Wikipedia
► Das Buch „Die Große Transformation“ von Prof. Dr. Uwe Schneidewind kannst du hier erwerben.

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TRANSKRIPT:

Ich war Ende letzter Woche auf einer Veranstaltung im österreichischen Vorarlberg, die sich POTENTIALe nennt. Ein Festival der Kunst und Kultur, ganz im Sinne der Nachhaltigkeit. Da ich den Auftakt moderieren durfte, habe ich mich natürlich ein wenig vorbereitet. Und im Zuge dessen ist es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen gefallen. Welche Bedeutung eigentlich der Kunst in der Gestaltung von Gesellschaft und Zukunft im allgemeinen, zukommt. Aber bislang, finde ich, nicht ansatzweise die Würdigung und das Zugeständnis dieser Fähigkeit erfährt. Dabei existiert Kunst und Gestaltung in den unterschiedlichsten Formen bereits seit es Menschen gibt. Wir haben schon immer gestaltet. Bewusst wie unbewusst.

Ich meine, hat dir nicht auch schon einmal jemand gesagt, dass du eine Künstlerin oder ein Künstler bist? Oder, dass du es zumindest sein könntest?

„Jeder Mensch ist ein Künstler“ – so lautet zumindest die radikale Forderung Joseph Beuys. Einem Künstler, der parallel zu seiner bildnerischen Arbeit wichtige Impulse für gesellschaftliche Gestaltungsprozesse hinterließ. Vor allem durch sein Konzept eines „Erweiterten Kunstbegriffs“. 

Mal angenommen, wir würden uns alle als im weitesten Sinne als Künstler*innen begreifen, so würde das, glaube ich, eine weitreichende Perspektive eröffnen. Damit ist natürlich nicht gemeint, dass wir alle Künstler*innen im klassichen Sinne werden und Bilder malen oder Skulpturen schaffen sollten. Bei dem Wort Künstler denkt man eben schnell an Van Gogh und Picasso. Was damit gemeint ist, bzw. was Beuys damit sagen wollte, ist dass solch eine Definition von Kunst den Blick öffnen würde, für ein ganz grundlegendes, radikales Verständnis von Kreativität. Die tief in die Gesellschaft und in uns selbst vordringt, und uns fragen lässt, wie wir eigentlich in Zukunft leben wollen – individuell, gesellschaftlich und global? Eben weil wir mitgestalten. Weil wir uns als Gestalter*innen betrachten.

Dabei geht es natürlich auch um das Ermutigen jedes einzelnen Menschen, die in uns steckende Kreativität umfassend in unserem eigenen Arbeits- und Lebensbereich anzuwenden. Ganz gleich, ob wir Lehrer*in, Ingenieur*in oder Bildhauer*in sind. Kreativität wird viel mehr verstanden als die ureigenste Besonderheit eines jeden Menschen. Damit ist jede und jeder von uns in gesellschaftliche Gestaltungsprozesse weit über die Kunst im engeren Sinne hinaus einbezogen. Und es bedeutet, dass wir alle gestalten. Bewusst, wie unbewusst. Ob wir nun wollen oder nicht. Mit allem, was wir in der Gegenwart tun, haben wir einen Einfluss auf die Zukunft. Im kleinen, wie im Großen. Und klar ist auch, dass wir inzwischen kaum mehr Einzelaktionen vollziehen können, die nicht Auswirkungen auf das große Ganze hätte.

Besonders deutlich wird das, wenn man sich bewusst macht, welche Auswirkungen unser Konsumverhalten alleine in Deutschland auf große Teile des globalen Südens hat. Oft haben wir zwar im Hinterkopf, dass, wenn wir ein T-Shirt bei H&M und Co. kaufen, dass dies von Näherinnen in Bangladesh oder anderen Teilen Asiens in Textilfabriken unter z.T. prekären und lebensgefährlichen Bedingungen für einen Hungerlohn angefertigt wurde. Und auch, wenn wir es wissen und bewusst den Kauf bei solchen Unternehmen boykottieren, fühlen wir uns selten mit dafür verantwortlich. Das sollen die da oben regeln. 

Wir leben in einer Externalisierungsgesellschaft. Kaum einer will Verantwortung für die entstanden Kosten übernehmen, die durch unseren Verschwendungs- und Konsumwahn entstehen und unsere Umwelt und vor allem benachteiligte Menschen schädigen. Stattdessen wird unser Müll lieber weiterhin an Länder wie Indien verschickt, die ihn uns gegen eine Gebühr abnehmen und irgendwo auf gigantische Müllberge bei sich kippen. So sieht man ihn wenigstens nicht. So haben es sich zumindest, glaube ich, ein Großteil der Politik und Wirtschaft, lange Zeit gewünscht und erhofft. Hat ja auch eine Weile mehr oder weniger funktioniert.

Tja, nur heute, angesichts der globalen Herausforderungen, mit denen wir uns konfrontiert sehen, wissen wir mittlerweile dass wir nicht einfach so weitermachen können. Dass wir nicht weiter unseren Ballast einfach irgendwem anders in die Arme drücken können. Denn der Erde ist es ziemlich schnurzpiepegal, wo unser Müll lagert oder wo Co2 entsteht. Fakt ist, es muss weg, bzw. im ersten Schritt drastisch reduziert werden. Das zukunftsuntaugliche business as usual muss aber auf jeden Fall der Vergangenheit angehören. 

Und, um diese Herausforderungen lösen zu können, braucht es kreative Lösungen und eine neue Denkweise. Und daher auch möglichst 7 Milliarden Künstler*innen in allen Lebensbereichen. Die den Status-Quo hinterfragen, und über ihr Eigeninteresse hinaus in der Lage sind, die Verantwortung für das Ganze nicht aus den Augen zu verlieren. Auch, wenn sie augenscheinlich nicht bzw. noch nicht direkt davon betroffen sind. Denn wie heißt es so schön: Bist du nicht Teil der Lösung, bist du Teil des Problems.

Gegenwärtig befinden wir uns allerdings eher noch im Stadium einer allgemeinen Leitkultur der Verantwortungslosigkeit. Wobei man schon sagen kann, habe ich zumindest das Gefühl, dass sich da gerade etwas bewegt und immer mehr Menschen realisieren, dass ihre Stimme, über das Kreuzchen bei der Wahl hinaus, gefragt ist. 

Der Philosoph Kwame Appiah hat ein sehr interessantes Konzept für eben solche kulturellen Prozesse entwickelt, dass Uwe Schneidewind in unserem Gespräch auch schon angesprochen hat. Weil es so anschaulich ist und im Kontext sehr passend ist, werde ich es allerdings noch einmal kurz vorstellen. Und zwar spricht Appiah von den sogenannten 5 Phasen Kultureller Revolutionen:


Phase I: Ignoranz, das Problem wird nicht gesehen.
Phase II: Anerkennung des Problems, aber wir sehen keinen persönlichen Bezug.
Phase III: Persönlicher Bezug, aber Nennung, warum kein Handeln möglich ist.
Phase IV: Handeln
Phase V: Im Rückblick Unverständnis, dass die alte Praxis je bestehen konnte.

Ich würde sagen, wir befinden uns zu einem großen Teil in Phase drei. Wir merken zwar, es muss sich etwas ändern und auch wir sind gefragt, wenn es um das Finden von Lösungen geht, aber so richtig kommt der Wagen noch nicht ins Rollen. Es ist ja auch einfach so schön bequem in dem vom Kapitalismus zurechtgemachten Federbett, dass kaum einen hedonistischen Wunsch offen lässt. Nichts desto trotz ist die Frage jetzt natürlich, die sich einige stellen: Wie kommen wir in Phase 4. Wie kommen wir ins Handeln? Was hilft uns, selbst aktiv zu werden, über die Konsument*innen Rolle hinaus, Zukunft zu gestalten? 

Ich glaube, wie eben kurz schon angerissen, dass unser bestehendes Wirtschaftssystem uns viel zu lange eingeschärft hat, Profitmaximierung und Hedonismus seien unsere einzige Motivation, uns in Bewegung zu setzen und etwas zu schaffen. Aus Sicht der Wirtschaftswissenschaften kommen wir bereits als Homo economics auf die Welt und unser vorrangiges Ziel ist es, Kapital anzuhäufen und unser eigenes Glück zu maximieren. Alles andere wird der Markt schon regeln. Haben wir ja gesehen, wie gut das bisher klappt. Nichts gegen etwas Wohlstand und gute Lebensbedingungen, aber, wenn wir mal ehrlich sind, wollen wir nicht viel darüber hinaus, vor allem aus eigenem Antrieb etwas Gelungenes schaffen, das einen Beitrag leistet und geschätzt wird? Bei dem wir das Gefühl haben, dass es für uns uns auch andere von Bedeutung ist und sich nicht nur am Ende des Monats in Zahlen auf dem Gehaltscheck ausdrückt? Und ich spreche hier nicht alleine von Selbstverwirklichung im individuellen Sinne. Sondern eben darüber hinaus.

Verwundern tut es mich aber wenig, dass sich eben genau solch ein von der Ökonomie geprägtes Denken etabliert hat. Wir kommen zwar als Kinder alle mit einem schier unermesslichen kreativen Potential auf die Welt, verlieren es auf dem Weg zum Erwachsenen aber leider in vielen Fällen. Oder eher gesagt treiben wir es den Kindern selbst in den Schulen aus. Die zu einem großen Teil darauf ausgerichtet sind, junge Menschen auf die Arbeitswelt vorzubereiten und zu kleinen Effizienzrobotern auszubilden, damit sie sich in unseren gesellschaftlichen Fehlkonstruktionen zurechtfinden, in denen wir selbst nicht glücklich werden. Ein ziemlich hoher Preis, finde ich, der absolut nicht gerechtfertigt ist und definitiv keinen Sinn macht.

Gerade deshalb braucht es, glaube ich, mehr Begegnungsräume und Menschen, die zeigen, dass das nicht so sein muss. Dass es auch anders geht. Dass ein gelungenes Leben nicht notwendigerweise effizient und opulent sein muss. Aber auch, dass dieser im ersten Moment angenommene Verzicht, nicht bedeutet, dass wir für die Lösung von Zukunftsproblemen mit den Mitteln der Vergangenheit vorankommen. Früher war bei weitem nicht alles besser. Mal abgesehen davon, dass sich eine Rückwende bisher selten als guter Schachzug erwiesen hat. Stattdessen brauchen wir, in meinen Augen, für die Gestaltung einer ungewissen Zukunft, ein enormes Maß an Kreativität. Und von wo sollte das kommen, wenn nicht von uns Menschen?

Ich glaube, dass wir uns, insbesondere in diesen manchmal etwas dystopisch anmutenden Zeiten, eine Scheibe von Künstler*innen abschneiden können. Denn ähnlich, wie diese sich immer wieder neu auf Prozesse einlassen, deren Ende sie nicht kennen, und sich trotzdem mutig dieser Situation hingeben, müssen auch wir wieder lernen, dieses Vertrauen zu finden indem wir uns unseres Gestaltungspotentials bewusst werden. 

Die Frage ist natürlich, wie kann uns das gelingen? Was braucht es dafür?

Uwe Schneidewind schreibt dazu etwas sehr passendes in seinem Buch „Die Große Transformation“:

„Erst im Zusammenspiel von Wissen, Haltung und Fähigkeit bildet sich die individuelle Zukunftskunst heraus, d.h. ein ganz persönlicher »Möglichkeitssinn« , ein reflektiertes Gefühl der Selbstwirksamkeit, um zu Veränderungsprozessen im Sinne einer großen Transformation beizutragen. Ausgangspunkt für Veränderung ist immer eine Haltung. Damit ist eine grundlegende Orientierung gemeint, mit der man sich der Welt nähert und Veränderungen anstößt. Einer solchen Haltung muss letztlich eine tragende Vision zugrunde liegen.“

Schneidewind zufolge benötigt die Kunst, eine andere Wirklichkeit zu denken und in Veränderungen zu übersetzen, also eine Kombination aus Wissen, aus Haltung und konkreten Fähigkeiten zur Umsetzung. Haltung bildet dabei die Basis, die vor allem von einer Vision getragen wird. Einer Vision, die eine Anziehungskraft auf einen auswirkt, der man quasi nicht entziehen kann. Wie der Duft eines frisch bezogenes Betts oder der einer noch lauwarmen Zimtschnecke. Mmmh. 

Bevor ich ins Träumen gerate, muss man da einfach ganz klar sagen, was Visionen angeht, sehe ich eher einen Mangel.  „Wer Visionen hat, braucht einen Arzt“, wie es Helmut Schmidt einmal gesagt hat, scheint eher der Konsens zu sein. Dem auch Merkel erst kürzlich in abgewandelter Form zugestimmt hat, indem sie sagte, Politik sei das was möglich ist. Solche Sätze machen mir, um ehrlich zu sein etwas Bauchschmerzen. Denn ich glaube schon, dass es durchaus Platz für utopische oder zum Teil unrealistisch anmutende Visionen braucht. Zumindest für alternative Visionen, abseits der neoliberalen Träume, im Sinne eines schneller, besser, weiter mehr. Sowohl auf individueller, als auch auf gesellschaftlicher Ebene. Da fehlt es noch ein wenig an kreativen Vordenker*innen, habe ich das Gefühl. Aber eine Vision zu entwickeln, die in einem selbst wirkmächtig wird, erfordert natürlich auch Selbstreflexion und -transformation. Und Mut, sich dem Status Quo zu widersetzen oder ihn zumindest zu hinterfragen. Natürlich ist das nicht immer leicht. Aber man muss ja auch nicht gleich alles von heute auf morgen auf den Kopf stellen wollen.

Ich kann da nur einigen meiner letzten Interviewgäste beipflichten, wie z.B. Michael Braungart und Harald Welzer. Dass es nicht darum geht, als einzelner, einsamer Zukunftskünstler*in die ganze Welt zu retten. Das muss und kann keiner von uns alleine. Sondern sich seines Handlungspotentials bewusst zu werden und sich aus diesem etwas herauszupicken, bei dem man das Gefühl hat: „Da habe ich Lust drauf! Da möchte ich etwas bewegen!“ Und das darf gerne zu Hause anfangen. Im Kleinen. Wie fast alles beginnt. Und nach einiger Zeit merkt man dann, wie gut es sich anfühlt, Verantwortung zu übernehmen. Welches Gefühl von Selbstwirksamkeit damit einhergeht. Und, dass man entgegen aller Erwartungen, doch etwas bewegen kann. Oft viel mehr, als wir uns wagen zu träumen. Ich meine, Greta Thunberg hat auch damit angefangen, sich Freitag in Stockholm ganz alleine vors Parlament zu setzen. Wenn man sich das mal bildlich vor Augen führt, so ein kleines Mädchen, alleine mit einem Plakat in den Händen, dann wirkt das nicht gerade weltbewegend. Aber sie hat scheinbar gespürt, dass es genau damit anfängt. Und, dass sie eine Wirkkraft hat, die sie nutzen muss. Die sich entfalten kann, wenn sich ihr weitere Menschen anschließen, die auch an ihr Gestaltungspotential glauben. Weil eben keiner zu klein ist, um einen Unterschied zu machen.

Und ich bin mir sicher, dass du das auch bereits tust. Angefangen bei deiner eigenen Familie, deinem Freundeskreis oder deiner Arbeit. Überall können wir einen Unterschied machen. Gerade deshalb halte ich es für so wichtig, dass wir uns immer wieder unserer Handlungsspielräume bewusst werden und diese nach Möglichkeit nutzen. Einfach, weil wir können. Ich finde, das ist Grund genug.

11. November 2019

Uwe Schneidewind: Wie wird man Zukunftskünstler*in? (Teil 2)

von Marilena 31. Oktober 2019

In der Nachhaltigkeitsdebatte werden wir als Bürger*innen häufig auf die Rolle der Konsument*innen reduziert. Wir sollen doch einfach verzichten und bewusstere Entscheidungen treffen, dann wird das schon. Natürlich ist dieser Hebel nicht außer Acht zu lassen, allerdings wird diese Reduzierung nicht unserem Potential gerecht. Wir können weitaus mehr tun, sagt Prof. Dr. Uwer Schneidewind. Wenn wir uns als Zukunftskünstler*innen begreifen, die in der Lage sind, ihre Handliungsspielräume zu nutzen und aktiv Zukunft mitzugestalten.

Professor Dr. Uwe Schneidewind ist Präsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie und Professor für Innovationsmanagement und Nachhaltigkeit an der Bergischen Universität Wuppertal. Er ist Mitglied des Club of Rome und des wissenschaftlichen Beirats für globale Umweltfragen. Aktuell sieht ihn die FAZ unter den 100 einflussreichsten Ökonomen, das Cicero-Ranking zählt ihn aktuell zu den 500 wichtigsten deutschsprachigen Intellektuellen.

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SHOWNOTES:
► Zum Wuppertal Institut hier entlang.
► Weitere Informationen zur „Zukunftskunst“ findest hier.
► Das Buch „Die Große Transformation“ von Prof. Dr. Uwe Schneidewind kannst du hier erwerben.

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31. Oktober 2019
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