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Sinn

Kilian Trotier: Kann die Suche nach Sinn [un]glücklich machen?

von Marilena 12. November 2024

Was passiert, wenn die Sinnfrage zur (Sinn)Krise wird? ZEIT-Journalist Kilian Trotier beschäftigt sich in seinem neuen Buch “Sinn finden Warum es gut ist, das Leben zu hinterfragen” mit den großen Fragen. Im Gespräch mit Marilena Berends erzählt er von der wachsenden „Sinn-Branche“ und darüber, ob diese Suche wirklich glücklich macht oder vielleicht doch mehr Druck schafft.

Shownotes:

Macht [einen] Sinneswandel möglich, indem ihr Steady Fördermitglieder werdet. Finanziell unterstützen könnt ihr meine Arbeit auch via Paypal.me/sinneswandelpodcast. Danke.

► Kilian Trotier,Tatjana Schnell: Sinn finden Warum es gut ist, das Leben zu hinterfragen, Ullstein 10/24
► Tatjana Schnell: (Lebens-)Sinn – etwas Kollektives, 11/2021
► Kilian Trotier auf X
► ZEIT: Sinn – Wofür leben wir?

✉ redaktion@sinneswandel.art
► sinneswandel.art



Transkript:

Hallo und herzlich willkommen im Sinneswandel Podcast! Ich bin Marilena Berends und freue mich, dass ihr wieder dabei seid.

Heute geht’s um ein Thema, das perfekt zum Sinneswandel passt: der Sinn im Leben. 

Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich kenne das aus eigener Erfahrung, dass ich immer wieder in verschiedenen Lebensphasen meinen Weg hinterfragt und manchmal auch neu justiert habe. Eine Prozess, der vermutlich nie endet und den viele von uns kennen.

Aber wie sinnvoll ist es eigentlich, ständig über den eigenen Lebenssinn nachzudenken? Kann das vielleicht sogar unglücklich machen? 

Über genau diese Fragen habe ich mit meinem heutigen Gast gesprochen: Kilian Trotier. Kilian ist Journalist bei der ZEIT, wo er das Projekt “Sinn – wofür leben wir?” mit gegründet hat. Und er hat vor kurzem gemeinsam mit der Psychologin Tatjana Schnell das Buch Sinn finden – Warum es gut ist, das Leben zu hinterfragen geschrieben.

Tatjana war übrigens schon drei Jahren hier im Podcast zu Gast. Ich kann euch das Gespräch auf jeden Fall sehr ans Herz legen. Nicht nur, weil Tatjana eine absolute Sinn-Expertin ist, sondern auch, weil wir damals über ganz grundlegende Fragen rund um Sinn, Glück und Erfolg gesprochen haben. Also eine super Grundlage für die heutige Episode. Ich verlink euch das Gespräch mit Tatjana in den Shownotes.

Heute könnt ihr übrigens zwei Exemplare von Sinn finden gewinnen. Alle, die meinen Podcast auf Steady unterstützen, sind automatisch bei der Verlosung dabei. Alle Infos dazu findet ihr wie immer in den Shownotes.

Und jetzt: Viel Spaß beim Gespräch mit Kilian Trotier!

[Gespräch]

Outro

Vielen Dank fürs Zuhören. Wenn euch diese Folge mit Kilian gefallen hat, teilt sie gerne mit euren Freundinnen und Freunden. Und falls ihr meine Arbeit finanziell supporten wollt, könnt ihr das ganz einfach via Steady oder, indem ihr mir einen Betrag eurer Wahl an Paypal.me/Sinneswandelpodcast schickt. In den Shownotes findet ihr wie immer alle Infos und Links zur Folge. Das war’s von mir! Bis zum nächsten Mal im Sinneswandel Podcast.

12. November 2024

El Hotzo: Wofür schämst du dich [nicht]?

von Marilena 9. Mai 2023

Seine Tweets erreichen täglich Millionen Menschen. Darin geht es um Haferschleim, der im Gewand des Porridge ein Comeback feiert. Nicht selten handeln sie aber auch von Selbstzweifeln und Depressionen. Auf jeden Fall schwingt in seinen Worten oft eine Gesellschaftskritik mit, was beweist, dass Humor alles andere als belanglos sein oder auf Kosten anderer gehen muss. Die Rede ist von Sebastian Hotz – besser bekannt als El Hotzo. Mit ihm hat Marilena Berends über Selbstfindung, Selbstzweifel und seinen Debüt Roman “Mindset” gesprochen.

Shownotes:

Macht [einen] Sinneswandel möglich, indem ihr Steady Fördermitglieder werdet. Finanziell unterstützen könnt ihr meine Arbeit auch via Paypal.me/sinneswandelpodcast. Danke.

► El Hotzo auf Instagram und Twitter
► Sebastian Hotz: “Mindset”, Kiwi-Verlag 04/23

✉ redaktion@sinneswandel.art
► sinneswandel.art

 



Transkript:

Hallo und herzlich willkommen im Sinneswandel Podcast. Mein Name ist Marilena Berends und ich freue mich, euch in der heutigen Episode zu begrüßen.

Ich weiß nicht mehr genau, wann ich zum ersten Mal auf seine Tweets gestoßen bin. Es muss aber irgendwann zu den tiefsten Zeiten der Corona-Pandemie gewesen sein. Und ich erinnere mich noch, dass ich wohl nicht die einzige gewesen sein muss, die sich in diesen unterhaltsamen Zweizweilern wiederfinden konnte. Zumindest wurden sie mir als Repost immer häufiger in meinen Feed gespült. Heute erreicht er allein mit seinem Instagram Kanal mehr als 1 Million Menschen. Die Rede ist von Sebastian Hotz – besser bekannt als El Hotzo. Bestimmt habt ihr einen seiner Tweets schon gelesen: manchmal geht es darin um Haferschleim, der im Gewand des Porridge ein Comeback feiert. Nicht selten handeln sie aber auch von Selbstzweifeln und Depressionen – oder vielmehr unserem gesellschaftlichen Umgang damit. Auf jeden Fall schwingt in seinen Worten oft eine Gesellschaftskritik mit, was beweist, dass Humor alles andere als belanglos sein oder auf Kosten anderer gehen muss.

Eher habe ich den Eindruck, dass in Sebastians Tweets auch etwas Selbsttherapeutisches liegt. Jeden Tag ein Post, wie ein Tagebucheintrag. Und es gibt scheinbar genug Stoff, der zur Reflexion anregt. Jetzt hat es sogar für ein ganzes Buch gereicht. “Mindset”, heißt Sebastians Debüt Roman, der vor wenigen Wochen erschienen ist. Der ist nicht minder komisch und erzählt unter anderem von Selbstverwirklichungs-Coaches, Krypto-Fantasien und zu engen Slim-Fit Anzügen.

Aber, was hat das alles mit Sebastian selbst zu tun? Der ist 1996 in einem kleinen Ort in Oberfranken groß geworden. Und war, wie er selbst sagt, nicht gerade ein “Gewinner-Typ”. Und irgendwie fragt er sich manchmal selbst auch, wie er überhaupt zu dem werden konnte, der er heute ist: Autor, Comedian, Schauspieler. Ehrlich gesagt interessiert mich weniger, wie er das genau geschafft hat, so erfolgreich zu werden. Vielmehr möchte ich wissen, welchen Sinneswandel Sebastian durchlaufen ist, was ihn bewegt, woran er glaubt und zweifelt.

Deswegen haben wir genau darüber im Podcast gesprochen. Kurz vorweg: Wenn ihr den Podcast gerne hört, dann freue ich mich natürlich, wenn ihr meine Arbeit unterstützt. Das geht ganz einfach via Steady oder indem ihr mir an Paypal.me/Sinneswandelpodcast einen Betrag eurer Wahl schickt. Unter allen Unterstützer*innen verlosen wir außerdem ein Exemplar von Sebastians Buch “Mindset”. Alle Links dazu findet ihr in den Shownotes. Vielen Dank!

[Gespräch]

Outro

Vielen Dank euch fürs Zuhören. Wenn euch das Gespräch mit Sebastian gefallen hat, teilt es gerne mit euren Freunden. Und falls ihr meine Arbeit via Steady oder Paypal supporten wollt, findet ihr in den Shownotes alle Links und Infos. Das war’s von mir! Danke an euch fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal im Sinneswandel Podcast.

9. Mai 2023

Markus Gabriel: [Why] are we animals? [live]

von Marilena 3. November 2022

„What is to be human?“, this question Kant already asked himself hundreds of years ago. And exactly this question, the philosopher Markus Gabriel raises again in his new book, “Der Mensch als Tier” (“The Human animal – Why we still do not fit into nature”). Because it is on this question, or rather its answer, that our life depends on. Why, the author explains in this podcast episode, which was recorded  on the 26th of October 2022 during a live event at THE NEW INSTITUTE in Hamburg.

Shownotes:

Macht (einen) Sinneswandel möglich, indem ihr Fördermitglieder werdet. Finanziell unterstützen könnt ihr uns auch via PayPal oder per Überweisung an DE95110101002967798319. Danke.

► Markus Gabriel: “Der Mensch als Tier. Warum wir trotzdem nicht in die Natur passen”. Ullstein 10.22.
► THE NEW INSTITUTE Hamburg.

✉ redaktion@sinneswandel.art
► sinneswandel.art

 

Transkript:

Hello and welcome to the Sinneswandel Podcast. My name is Marilena Berends and I’m happy that you decided to listen to today’s episode.

Some of you are probably already wondering: Why all of a sudden in English? First of all, this is an exception. The reason is that today’s episode was recorded during an event with international guests – a live podcast sort of thing. And my guest at this event was none other than the philosopher Markus Gabriel. Since he just recently published his new book, „The Human Animal. Why we still do not fit into nature,“ there was a public book launch at THE NEW INSTITUTE in Hamburg. And I had the pleasure of hosting it. After the talk, a vivid discussion followed, which we however are not allowed to publish due to data protection rights. But I’m sure, the conversation with Markus Gabriel already offers a lot. We will get to that in a moment. First of all, I would like to apologize for the sound quality. Due to the location, there is a bit more noise than usual. But I hope you will excuse that and you can nevertheless or maybe because of that dive deeper into the atmosphere of the conversation.

If you want to delve deeper into the topic: We are giving away a personally signed copy of „The Human Animal“ among all those who support Sinneswandel and thus also me and my work, as Steady members. For more information and how you can participate, please check out the show notes. And now let’s begin!

Outro:

Thank you very much for listening. I hope you could take something away from the conversation with Markus Gabriel and get a small impression of what he is talking about in his book. If so, I would be happy if you support my work by sharing this podcast and/or by supporting it financially. You can do that easily via Steady or Paypal. More info on that is found in the show notes. That’s it for today. See you next time at the Sinneswandel Podcast.

3. November 2022

Sinnkrise: Wer bin ich, ohne meinen Job?

von Marilena 27. September 2022

“Tu, was du liebst und du musst nie wieder arbeiten” oder “Erschaffe dir ein Leben, von dem du keinen Urlaub mehr brauchst”, Zitate wie diese lassen sich reihenweise finden. Ob als Inspiration in Sozialen Netzwerken oder zur Motivation und Orientierung in Selbsthilferatgebern – es gilt (s)einen Sinn im Job zu finden und sich in ihm selbst zu verwirklichen. Work-Life-Balance war gestern – vielmehr sollen sie verschmelzen, die Grenzen zwischen Leben und Arbeit. Sich vereinen, vom Beruf zur Berufung werden, die alles in sich vereint: Geld und Passion. Doch was passiert, wenn der Job zum einzigen Lebensinhalt wird? Und bis zu welchem Grad ist die Identifikation mit dem Beruf überhaupt gesund?

Shownotes:

Macht (einen) Sinneswandel möglich, indem ihr Fördermitglieder werdet. Finanziell unterstützen könnt ihr uns auch via PayPal oder per Überweisung an DE95110101002967798319. Danke.

► Nina Kunz: Ich denk, ich denk zu viel, Kein&Aber 2021.
► Tatjana Schnell: Von Lebenssinn und Sinn in der Arbeit: Sinn erleben – Arbeit und Gesundheit, Fehlzeiten-Report 2018.
► Christian Uhle: Wozu das alles? Eine philosophische Reise zum Sinn des Lebens, Fischer 2022.
► Anna Mayr: Die Elenden, Hanser 2020.
► Sabine Donauer: “Faktor Freude: Wie die Wirtschaft Arbeitsgefühle erzeugt”, Körber  2015.
► Hannah Arendt: “Vita activa oder Vom tätigen Leben”, 1958.

✉ redaktion@sinneswandel.art
► sinneswandel.art

 

Transkript:

Hallo und herzlich willkommen im Sinneswandel Podcast. Mein Name ist Marilena Berends und ich freue mich, euch in der heutigen Episode zu begrüßen.

Eigentlich ist es ziemlich ironisch und mittlerweile kann ich darüber auch schmunzeln. Vor ein paar Wochen war das allerdings noch nicht der Fall. Da saß oder lag ich vielmehr ziemlich aufgelöst in meinem Bett. Das Handy klebte schon von selbst an meiner tränenfeuchten Wange. Am anderen Ende der Leitung, eine Freundin, die mir beschwichtigende Worte ins Ohr flüstert, die ich aber eigentlich gar nicht hören will. Denn natürlich weiß ich, dass sie Recht hat: Eine Absage ist noch lange kein Weltuntergang – passiert uns allen mal – ist mir schon klar! Trotzdem fühlt es sich so beschissen an, dass ich mich gerade nur in meinem Selbstmitleid sudeln und unter der Decke verkriechen will.

Falls ihr euch fragt, wer oder was mich da so aus der Fassung gebracht hat: nein, es war kein Date, das mich geghostet hat, keine Liebeskummer-Tränen, die vergossen wurden. Grund für die Krise war ganz einfach mein Job. Ich hatte einen Artikel veröffentlichen wollen, der allerdings auch nach der dritten Korrekturschleife nicht den Anforderungen entsprach und somit in der Tonne landete. Bis heute. Denn zweimal dürft ihr raten, worum es in dem Text ging: Um Selbstverwirklichung im Job und darum, dass es gar nicht mal so erstrebenswert ist, wenn man eins mit seinem Beruf wird. Warum? Das durfte ich in diesem Moment am eigenen Leib erfahren. Eine einzige verdammte Absage und ich stellte nicht nur mein Können, sondern gleich mein ganzes Leben in Frage: Hatte ich mich geirrt, konnte ich gar nicht schreiben? Wie zur Hölle war ich überhaupt auf die Idee gekommen, Journalistin werden zu wollen? Vielleicht sollte ich etwas ganz anderes machen, was Handfestes? Aber, wer wäre ich dann noch?

Meine Krise – eigentlich der beste Beweis dafür, dass an meiner These etwas dran war, aber das half mir in dem Moment auch nicht weiter. Mein Selbstbewusstsein war geknickt und es mussten erstmal ein paar Tage, vielleicht sogar Wochen, verstreichen, bis ich die Ironie in der Geschichte sehen konnte. Denn der ganze Witz daran war: In dem besagten Text kam ich nicht vor. Ich hatte mich bemüht, möglichst distanziert zu schreiben, keine Ich-Perspektive und dafür reihenweise Quellen. Ich wollte nicht schon wieder aus meinem eigenen Nähkästchen plaudern, nicht mein Innerstes nach außen kehren. Lieber wollte ich die ach so neutrale Autorin sein, die das Thema ganz souverän und nüchtern betrachtet. Heute weiß ich, ich hatte einfach Angst. Vielleicht, weil ich bereits ahnte, wie viel das Thema mit mir selbst zu tun hat und, dass ich ihm alles andere als neutral gegenüberstand. Aber eigentlich hatte das ja auch keiner von mir erwartet. Ganz im Gegenteil, ist Betroffenheit nicht eigentlich die beste Voraussetzung für eine gute Geschichte?

Da mir diese ganze Geschichte zumindest nicht aus dem Kopf gegangen ist und ich nach wie vor das Gefühl habe, dass an der Sache etwas dran ist, möchte ich sie mit euch teilen. Aber dieses Mal ohne Distanz. Denn das weiß ich heute, gelingt mir eher so mittelmäßig. Das hatte ich nun davon, damals bewusst nach einem Beruf gesucht zu haben, der etwas mit mir zu tun hat, in dem ich mich, wie es so schön heißt, selbst verwirklichen konnte. Arbeit zum reinen Broterwerb, nine-to-five? Das war für mich als klassischer Millennial unvorstellbar. Spätestens seit es uns gibt, heißt es immerhin überall: “Tu, was du liebst und du musst nie wieder arbeiten” oder “Erschaffe dir ein Leben, von dem du keinen Urlaub brauchst”. Work-Life-Balance war gestern – vielmehr sollen sie verschmelzen, die Grenzen zwischen Leben und Arbeit. Sich vereinen, vom Beruf zur Berufung werden, die alles in sich vereint: Geld und Passion.

Damals dachte ich: klingt ziemlich nice! Unter keinen Umständen wollte ich einer dieser Menschen sein, der sich tagtäglich ins Büro schleppt, obwohl er innerlich bereits gekündigt hatte. Und, wenn wir mal ehrlich sind, möchte doch eigentlich niemand einen Großteil seiner Zeit mit Dingen verbringen, die sich nach Qual anfühlen, selbst wenn man dafür bezahlt wird. Es gibt sogar Untersuchungen, die zeigen, dass Langeweile und ein Gefühl von Sinnlosigkeit im Job krank machen können – “Bore-Out”, nennt das Psychologin Tatjana Schnell. Empfinden wir unsere Arbeit allerdings als sinnstiftend und bedeutsam, wirkt sich das positiv auf unser psychisches und physisches Wohlbefinden aus. Dass ich nach einer Art Berufung, wenn man es so nennen will, gesucht habe, ist also durchaus nachvollziehbar. Eigentlich ist es sogar ein menschliches Bedürfnis, wie mir Philosoph Christian Uhle erzählt: “Menschen arbeiten eben nicht nur des Geldes wegen, sind nicht rein egoistisch, sondern haben auch den Wunsch, sich sinnvoll einzubringen.” (Wozu das Alles. 2022, S.163). Dazu kommt, dass uns Arbeit, in einer ziemlich krisenanfälligen Zeit – [Hust] Corona – Halt und Struktur bieten kann. Während die Welt da draußen unterzugehen scheint – und es vermutlich sogar tut – sitze ich hier und schreibe meine Texte. Eine Mischung aus Eskapismus und einem kleinen Fünkchen Hoffnung, doch etwas bewirken zu können.

Das heißt aber natürlich längst nicht, dass wir alle gleichermaßen diesen Wunsch teilen und schon gar nicht, dass  jeder einen tieferen Sinn in seiner Arbeit sucht. Und das ist vollkommen legitim, womöglich lebt es sich sogar gesünder. Erst kürzlich kam ich auf einem Geburtstag mit einer Frau ins Gespräch. Abgesehen davon, dass wir wohl ungefähr gleichalt sein mussten, hätten wir kaum unterschiedlicher sein können. Nachdem die obligatorische Frage, “Und, was machst du so?”, gefallen war, erzählte sie mir, dass sie seit kurzem in einem großen Konzern im Marketing arbeite und sich dort richtig wohl fühle. Warum genau, wollte ich wissen. Ihre Antwort: Sie könne immer pünktlich Feierabend machen, denn Überstunden gäbe es keine und so habe sie noch genügend Zeit für ihre Hobbys – Zumba und Kochen. Auf einen Job mit mehr Verantwortung, den sie womöglich auch nach Feierabend noch mit ins Bett nimmt, darauf habe sie keine Lust, erzählt sie mir. Irgendwie bewundere, ja beneide ich diese Frau ein bisschen. Für ihre scheinbar gesunde Distanz zwischen sich und ihrem Job. Und dafür, dass sie scheinbar so gar kein Bedürfnis danach verspürt, mit ihrer Arbeit auszudrücken, wer sie ist. Und gleichzeitig frage ich mich: Warum habe ich eigentlich diesen Geltungsdrang? Es gibt doch auch andere Möglichkeiten, sich selbst zu verwirklichen, als über Lohnarbeit. Und schließlich bin auch ich mehr als mein Job – fühlt sich nur manchmal nicht so an. 

“Workism beschreibt […] etwas, das mir schon länger Sorgen macht: Es ist der Glaube, dass Arbeit nicht mehr eine Notwendigkeit darstellt, sondern den Kern der eigenen Identität. […] Ein zentrales Ziel im Leben soll sein, einen Job zu finden, der weniger Lohnarbeit ist als vielmehr Selbstverwirklichung. Darum […] habe ich heute keine Schreib-, sondern Lebenskrisen, wenn ich im Job versage.”, schreibt Nina Kunz in ihrem Buch Ich denk, ich denk zu viel (2021) – und ich fühle es sehr. Vielleicht liegt es auch an meiner Bubble, in der fast jeder seiner Leidenschaft nachzugehen scheint oder sich zumindest ein kleines Side Business aufgebaut hat, in dem er sich kreativ austoben kann, dass auch ich mich an diesem Ideal abarbeite. Nicht, dass ihr mich falsch versteht, die meiste Zeit liebe ich tatsächlich meinen Job und bin überaus dankbar, mich mit dem Schreiben und Sprechen tatsächlich über Wasser halten zu können. Nichtsdestotrotz wünsche ich mir manchmal nichts sehnlicher, als den Laptop zum Feierabend einfach zu schließen und damit auch alle offenen Tabs in meinem Kopf, die mit meinem Job verbunden sind. Klappt leider selten, ebenso wie mein Vorsatz, weniger zu husseln, wie das ja so gerne genannt wird. Es ist Fluch und Segen zugleich, wenn sich Arbeit nicht nach Arbeit anfühlt. Segen, weil klar, was ich tue, macht mir meistens Spaß und fühlt sich sinnvoll an, was bedeutet, dass ich mich selten dazu aufraffen muss. Jippi! Genau diese intrinsische Motivation macht es aber auch zum Fluch, weil sie immer wieder dazu führt, dass ich nicht nur Hobbies, Freunde oder Familie oft hinten anstelle, sondern auch mich selbst ausbeute. Denn Fakt ist: Wenn wir unsere Arbeit als sinnvoll erleben, sind wir nicht nur motivierter, sondern häufig auch gewillter Kompromisse einzugehen: von (unbezahlten) Überstunden, über prekäre Arbeitsbedingungen, bis hin zum Burn-Out – you name it!

Diese Erkenntnis wissen natürlich auch Unternehmen längst für sich zu nutzen. Und so ist es wenig überraschend, dass in Stellenausschreibungen immer häufiger von “Jobs mit Sinn” zu lesen ist: Wer sich mit seinem Beruf oder einer Marke identifiziert, ist schnell gewillt mehr zu leisten – oft für weniger. Die Historikerin Sabine Donauer bezeichnet das als eine Form der “immateriellen Entlohnung”: Nicht mehr das Gehalt steht im Vordergrund, sondern Anerkennung und Selbstwirksamkeit. Solange wir den Eindruck haben, uns verwirklichen zu können, erleben wir Arbeit seltener als Last, sondern überwiegend als Lust. Das ist zwar grundsätzlich schön, macht es auf der anderen Seite auch deutlich schwieriger, sich selbst Grenzen zu setzen. Stichwort “Mental Health”. Man könnte sagen, es ist fast eine Sucht. Je mehr ich arbeite, desto mehr fühle ich mich in meinem Selbst und Sein bestätigt. Aber, wie ich durch den gescheiterten Artikel wieder einmal lernen durfte, ist das ein ganz schön fragiles Gerüst, wenn es mal ins Wanken gerät.

Trotzdem stelle ich mir die Frage: Wie kann es gelingen, sich von dem gesellschaftlichen Druck nach beruflicher Selbstverwirklichung zu emanzipieren? Es ist ja nicht so, als entstehe dieser Wunsch nur aus mir heraus. Er wird auch oder vor allem durch gesellschaftliche Narrative befeuert. Philosoph Christian Uhle rät dazu, genau hinzuschauen, wo gut gemeinte Ratschläge, wie “Folge deinem Herzen und finde deine Berufung”, in Befehle umschlagen (Wozu das Alles. 2022, S.394). Denn die Schwierigkeit, so Uhle, bestehe gerade darin, dass die Aufforderung zur Selbstverwirklichung grundsätzlich eine positive und emanzipatorische Message sei. Wenn aber eine Wahl zum Imperativ wird und Arbeit den Status einer Ersatzreligion erhält, kann das auch für diejenigen problematisch werden, die vollkommen zufrieden damit sind, einfach „ihren Job zu machen“. Schließlich sehnt sich längst nicht jeder nach einem tieferen Sinn in seiner Arbeit oder hat vielleicht gar nicht erst die Möglichkeit dazu, sich auf die Suche danach zu begeben. 

„Wer nie authentische Bedürfnisse entwickelt, sondern sich immer nur nach den ökonomischen Zwängen richten muss, der entscheidet nicht selbst über seine Identität”, schreibt Autorin Anna Mayr in ihrem Buch Die Elenden (2020). Warum wird es dennoch so dargestellt, als liege es in der alleinigen Verantwortung jedes Einzelnen, seine Berufung zu finden und ihr nachzugehen? Ganz einfach, dann muss das System nicht in Frage gestellt und schon gar nicht verändert werden, wenn jeder mit sich selbst beschäftigt ist. Eine Privatisierung von Sinnansprüchen ignoriert ganz einfach die gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen, die Menschen daran hindern, einer sinnstiftenden Arbeit nachgehen zu können. Es ist doch auch viel leichter, Menschen die Schuld dafür zu geben, sich nicht genügend anzustrengen, als anzuerkennen, dass es vor allem mangelnde Ressourcen, wie Zeit, Geld oder Gesundheit sind, die sie davon abhalten, sich zu verwirklichen. Womöglich liegt es aber auch gar nicht im Interesse aller, genau das zu ermöglichen? Denn wo kämen wir hin, wenn jeder nur noch den Dingen nachginge, die ihm gefallen? Wer würde dann noch die Arbeit erledigen, um die sich keiner streitet, die aber wichtig – ach ne wartet, dafür gab es ja ein ganz spezielles Wort – systemrelevant ist?

Wie ihr merkt, geht es längst nicht mehr nur um meine eigene Geschichte. Das viel propagierte Ideal von dem Suchen und Finden einer Berufung, einem Job mit Sinn, von dem man angeblich keinen Urlaub mehr braucht, hat viele Facetten. Dass ich die Möglichkeit habe, ihn auszuleben, ist faktisch ein Privileg. Dennoch wollte ich aufzeigen, dass ebendieses Privileg keinesfalls nur Gutes mit sich bringt. Denn, reduziere ich meine eigene Identität darauf, was ich im Beruf leiste, schade ich damit im Zweifel nicht nur mir selbst, ich trage auch dazu bei, dass eine Geschichte fort erzählt wird, in der nur existiert, wer arbeitet – im Sinne von Erwerbsarbeit, versteht sich. Dabei sind wir, bin ich so viel mehr als mein Job. 

In ihrem Werk Vita activa oder Vom tätigen Leben (1958), spricht die Philosophin Hannah Arendt jedem Menschen ein grundlegendes Bedürfnis nach Aktivität, Beteiligung und Selbstwirksamkeit zu. Dieser Wunsch nach Tätigkeit wird heute aber mehr denn je durch einen Filter der Erwerbsarbeit gepresst. Wenn wir von Arbeit sprechen, meinen wir meistens nur jene, die bezahlt wird. Dabei finden wir Menschen Sinn auf vielen Ebenen unseres Lebens: in der Kunst, der Natur, der Gemeinschaft, der Freundschaft, der Familie, dem Protest und überall sonst, wo wir in Beziehung zu uns selbst und der Welt treten. Care-Arbeit, ehrenamtliche, aktivistische oder künstlerisch-kreative Arbeit fallen, wenn es um Selbstverwirklichung geht, meist aus dem Raster. Aber sind es nicht auch oder gerade diese Tätigkeiten, die Sinn stiften, die unerlässlich sind?

Meinen Beruf oder meine Berufung, wie auch immer man es nennen mag, habe ich nach dieser Geschichte zwar nicht an den Nagel gehängt. Und habe es verrmutlich auch nicht vor. Aber eines habe ich mir bereits vorgenommen: Auf der nächsten Party werde ich die obligatorische Frage, “Und, was machst du so?”, nicht mit meinem Beruf allein beantworten. Vielleicht werde ich stattdessen erzählen, dass ich gerne Theater spiele oder, dass ich das analoge Fotografieren für mich wiederentdeckt habe. Vielleicht erwähne ich auch, dass ich ab und zu schreibe – aber das ist eben nur ein Teil von mir. Oder zumindest arbeite ich daran.

Outro

Vielen Dank fürs Zuhören. Wenn der Beitrag euch gefallen hat, dann teilt ihn gerne mit Freunden und Bekannten. Darüber hinaus, würden wir uns besonders freuen, wenn ihr unsere Arbeit als Fördermitglieder unterstützt, damit wir auf Werbung verzichten und gute Inhalte für euch kreieren können. Supporten könnt ihr uns ganz einfach via Steady oder, indem ihr uns einen Betrag eurer Wahl an Paypal.me/Sinneswandelpodcast schickt. Das geht schon ab 1€. Alle weiteren Infos findet ihr in den Shownotes. Vielen Dank und bis bald im Sinneswandel Podcast.

27. September 2022

Christian Uhle: (Lebens-)Sinn, eine Beziehungssache?

von Marilena 3. Mai 2022

Sinn ist also eine Beziehungssache. Er ist nicht in uns versteckt, liegt nicht irgendwo außerhalb in der Welt verborgen, sondern mitten drin – in den Zwischenräumen. Aber gerade die übersehen wir schnell mal. In der Hektik des Alltags, im Streben, Stratzen und Straucheln, unter all den Anforderungen, die das Leben an uns stellt. Welchen Sinneswandel bedarf es, damit wir heute (wieder) Sinn empfinden können? Mit dieser Frage befasst sich der zweite Teil des Gesprächs mit Philosoph Christian Uhle.

Shownotes:

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► Teil 1 des Gesprächs mit Christian Uhle.
► Mehr von und mit Christian Uhle gibt es hier.
► Christian Uhle: “Wozu das alles? Eine philosophische Reise zum Sinn des Lebens”. S. Fischer Verlage (04/22).

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3. Mai 2022

Christian Uhle: Wie finden wir (unseren) Sinn?

von Marilena 28. April 2022

Wozu das alles? Wie entsteht eigentlich Sinn? Ist er in uns versteckt, außerhalb von uns, in der Welt – oder wohlmöglich dazwischen? In einer Zeit, in der vielen Menschen der Sinn (im Leben) abhanden zu kommen scheint, erlangt auch die Philosophie plötzlich mehr Aufmerksamkeit. Aber kann sie Antworten auf die Frage nach dem Sinn liefern? Wirft sie nicht eher noch mehr Fragen auf? Um das herauszufinden, hat sich Marilena Berends mit Philosoph Christian Uhle auf eine philosophische Reise zum Sinn des Lebens begeben. Dies ist der erste Teil der Reise.

Shownotes:

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► Mehr von und mit Christian Uhle gibt es hier.
► Christian Uhle: “Wozu das alles? Eine philosophische Reise zum Sinn des Lebens”. S. Fischer Verlage (04/22).<br>

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28. April 2022

Je digitaler die Welt, desto analoger die Träume?

von Marilena 15. März 2022

Florian Kaps, der von allen nur Doc genannt wird, liebt das scheinbar Unmögliche. Deshalb hat er 2008 nicht nur sein gesamtes Vermögen riskiert und damit die letzte Polaroid-Fabrik vor dem Aussterben gerettet, sondern auch das „Supersense“ eröffnet. Eine Manufaktur, die analoge Technologien vor dem Verschwinden bewahrt. Denn Doc ist fest davon überzeugt, dass Analoges auch in einer digitalen Gesellschaft seinen Nutzen hat – vielleicht sogar mehr denn je. Wieso und, was es mit der Sehnsucht nach dem vermeintlich “Echten” auf sich hat, darüber hat sich Marilena in Wien mit Florian Kaps unterhalten.

Shownotes:

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► Supersense: Home of Analog Delicacies / Wien.
► “An Impossible Project” – Ein Dokumentarfilm von Jens Meurer (2022).
► Hartmut Rosa: Resonanz. Suhrkamp (2016).

Kontakt:
✉ redaktion@sinneswandel.art
► sinneswandel.art

15. März 2022

Workism – warum arbeiten wir (heute) so viel?

von Marilena 22. Februar 2022

Beschäftigt zu sein, sei zu einem modernen Narrativ geworden, meint Hans Rusinek. Der kreative Kapitalismus mache Arbeit zu einer neuen Ersatzreligion – und wir machen mit – so Hans These, der seit einigen Jahren unter anderem im Rahmen seines Promotionsstudiums an der Uni St. Gallen zu Sinnfragen in einer sich wandelnden Wirtschafts- und Arbeitswelt forscht und publiziert. Warum arbeiten wir heute noch immer so viel? Welchen Stellenwert hat Lohnarbeit in unserer Gesellschaft? Muss Arbeit Sinn machen? Das sind nur einige der Fragen, über die ich gemeinsam mit Hans Rusinek in dieser Episode gesprochen habe.

Shownotes:

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► Mehr von und mit Hans Rusinek hier.
► ZEIT: “Wenn die Arbeit das Leben ist”, Hans Rusinek (2022). ► ifo-Studie: “Homeoffice im Verlauf der Corona-Pandemie” (2021).
► WSI Report No. 65: “Homeoffice: Was wir aus der Zeit der Pandemie für die zukünftige Gestaltung von Homeoffice lernen können”; Hans-Böckler-Stiftung (2021).
► Cal Newport: “The Stone Carver in an Age of Computer Screens” (2020).
► Quarks: ”Sollten wir alle weniger arbeiten?” (2021).
► Nina Kunz: “Ich denk, ich denk zu viel”. Kein & Aber (2021).  
► David Graeber: “Bullshit Jobs, a Theory” (2019).
► Andreas Reckwitz: “Die Gesellschaft der Singularitäten”. Suhrkamp (2017).
► Oscar Wilde: “Die Seele des Menschen unter dem Sozialismus“ (1891).

Kontakt:
✉ redaktion@sinneswandel.art
► sinneswandel.art

22. Februar 2022

kæte mayor: (W/H)ANDELN

von Henrietta Clasen 14. Dezember 2021

Ich habe lange überlegt, mit welchen Worten ich Sinneswandel in diesem Jahr verabschieden möchte. Am Ende sind es nicht mal meine Eigenen geworden – aber irgendwie auch doch. Denn gibt es etwas Schöneres, als sich in den Gedanken eines anderen wiederzufinden? In ihrem Gedicht bewegt sie sich kæte mayor von “friedlicher Zerrissenheit”, Umkehrschlüssen, Wagnissen auf der Reise durchs “kosmische Chaos”, das sich Leben nennt. Ein stetiges “(W/H)ANDELN”.

Shownotes:

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► Mehr von kæte mayor gibt es auf ihrem Instagram Kanal.
► Juliane Liebert: lieder an das große nichts. gedichte. Suhrkamp (03/21).

Kontakt:
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Transkript: kæte mayor: (W/H)ANDELN – Von Abschieden, Neuanfängen und stetem Wandel

Wie beendet man ein Jahr wie dieses? Wie endet man überhaupt ein Jahr? Abschied, Neuanfang. Loslassen, einlassen. Wieso eigentlich ausgerechnet am Jahresende? Nachdem 12 Monate, 52 Wochen, 365 Tage und 8.760 Stunden verstrichen sind – ist es jetzt soweit? Wofür eigentlich? Für Neujahrsvorsätze, die gebrochen werden wollen? Nach einem Jahr, das ohnehin wenig von dem halten konnte, was es versprochen hat, dafür aber mit anderen Überraschungen um die Ecke kam? Welche, die ich nicht haben wollte, aber auch solche, von denen ich noch nicht wusste, dass ich sie nicht mehr werde missen wollen. Vieles ist anders gekommen, als geplant. Weil das Leben – Obacht, es wird pathetisch – nicht planbar ist. Zumindest nicht in den Zeiten, die von Leben geprägt sind. Vom Stolpern, Fallen(-)Lassen, Aufrappeln, Taumeln, noch schlaftrunken, manchmal übermütig – oft wankelmütig, zeitweise berauschend. Leben – etwas, für das es keine Anleitung, kein Richtig und Falsch gibt. Nur ein Versuchen. Sich darauf einlassen, loslassen. Von Vorstellungen, wie es auszusehen hat. Wie es geht, wohin es führt. Vertrauen trotz Verschwommenheit. Aller Ambivalenzen zum Trotz – im Innen wie im Außen. Oder wie Juliane Liebert schreibt: “wir brauchen strohfeuer, leuchtbotschaften, die einsamen, die lauten, die leichten dinge: herzrasen, wasserstoffbomben, popcorn”.

Ich habe lange überlegt, mit welchen Worten ich Sinneswandel in diesem Jahr verabschieden möchte. Am Ende sind es nicht mal meine Eigenen geworden – aber irgendwie auch doch. Denn gibt es etwas Schöneres, als sich in den Gedanken eines anderen wiederzufinden? Wenn die Resonanz von Worten zu einer Vibration der eigenen Seele führt? Du bist Reflexion, die mich reflektiert. Und wer weiß, wohin das führt. Wie weit die Strahlkraft trägt. Wir erfahren es nur, wenn wir uns tragen lassen. Wie das gelingen kann, davon erzählt kæte mayor. In ihrem Gedicht bewegt sie sich von “friedlicher Zerrissenheit”, Umkehrschlüssen, Wagnissen auf der Reise durchs “kosmischen Chaos”, das sich Leben nennt. Ein stetiges “(W/H)ANDELN”. Davon erzählt kæte mayor – die mich nicht nur als (Lebens-)Künstlerin inspiriert, sondern auch als Freundin immer wieder lehrt, trotz oder vielleicht auch gerade der Tiefen wegen, immer wieder die Leichtigkeit zu entdecken. ich danke dir kæte. Und danke euch, dass ihr uns euer Ohr schenkt. Danke, dass ihr Sinneswandel möglich macht.

(W/H)ANDELN von kæte mayor

INTRO_____

der Herbst hat mal wieder 
alles gegeben 
und tanzt aufs neue
mit der Vergänglichkeit 
feuerrot 
dem silbern schimmernden 
Kälteeinbruch entgegen

gespaltene Gefühle 
während dieser Übergangszeit
irgendwas 
zwischen euphorischer Melancholie
tobender Ruhe
und friedlicher Zerrissenheit

Manchmal 
nimmt der Tag kein Ende 
dann ziehen sich 
die vierundzwanzig Stunden ewig

Manchmal 
kann der Tag 
vor lauter Vorfreude 
auf den nächsten Tag
nicht schnell genug enden

Und manchmal 
ist die Magie zu schön 
und zu intensiv
um den Tag durch den Schlaf
zu beenden

Genau dann
fliegt die Zeit zu schnell vorbei
und wir wünschen uns 
nichts sehnlicher
als ein paar zusätzliche 
Sternstunden herbei

ÜBERWINTERN——

der kühle Winter naht 
und bejaht 
zum Ende des Kalenderjahrs 
mit frischer Klarheit 
den schillernden Neustart

auf dem Papier wird bald 
ein einschneidender Zahlensprung notiert 
und damit 
eine anstehende Veränderung
assoziiert

so motiviert 
werden neue Vorsätze und Wünsche 
auf die Sekunde genau 
datiert

die inneren Stimmen
zählen zusammen 
den Countdown 
schreien 
nach einem Neubeginn

..

neue Runde 
neues Glück
neue Hoffnung
und neue Erwartungen 
die das neue Kalenderjahr schmückt 

..

IN(S)HIDE____

Sehen wir wirklich 
unsere funkelnde Zukunft vor uns?
oder handelt es sich 
bei dem vermeintlichen Neustart 
nur um einen 
eigens kreierten Trugschluss?

Wir sehnen uns zwar
nach einem neuen Abschnitt 
vor lauter Euphorie 
Vernachlässigen wir allerdings
die Anteilnahme am Abschied 

Einmal im Jahr wird 
kurz mal eben drüber nachgedacht
„Was wurde so gemacht„
„mit wem hat man 
eine schöne Zeit verbracht“

die positiven Eindrücke werden 
auf dem Zahlenstrahl aufsummiert
und am Jahresende
durch die Anzahl aller erlebten Tage dividiert

Kurz 
durch den Überschuss an Serotonin verführt
kurz 
die vergangenen Erinnerungen gefühlt
kurz 
durch die warmen Gedanken berührt

Das Sammelsurium 
an bedrückenden Erfahrungen  
wird oft bei der Abschlussrechnung ausgeklammert
und überdurchschnittlich unterdimensioniert

Der Schmerz im Minus Bereich
sprengt zwar die Skala 
wenn man die Zahlen 
allerdings quadriert
werden diese 
durch den Vorzeichenwechsel 
im Positivum relativiert

Durch die Gleichung 
lässt sich eins erkennen:
unterm Strich
bildet der Durchschnitt 
die Randbedingung 
die wird unbemerkt
in unseren Alltag integrieren

ganz unbemerkt
werden Stillstand und Gewohnheit 
die Konstanten 
des eigenen Lebenswerk

die Vergangenheit zu verdrängen
Ist dementsprechend eine Verzweiflungstat
geleitet durch die Begierde 
die Wirklichkeit zu verändern

In die Gegenwart zurückgekehrt
verbleiben die Gefühle unstrukturiert
Und die verblassenden Erinnerungen
scheinen der einzige Halt 
nach Sicherheit

UEBERWINDUNG_____

Dabei äußern sich Veränderungen 
Lediglich in Unterschieden
zu den bereits gemachten Erfahrungen

abhängig der Umstände 
birgt es immer ein Restrisiko
mit der Zukunft
Verhandlungen zu führen
Wenn wir uns 
die Konsequenzen bildlich 
vor Augen führen

bei Gegenwind 
bedarf es großen Mutes und Überwindung 
gemischt mit Blindvertrauen
in das eigene Können
um die Kraft der inneren Stärke 
kennenzulernen

Wegen der Befürchtung vor

etwaiger Konsequenzen

geben wir uns 
unserer alten Routine hin
anstelle unsere Prioritäten 
klar zu setzen
brechen wir
unsere eigenen Versprechen

Der Umkehrschluss 
ergibt sich daraus,
dass sich der gegenwärtige Zustand 
etwas zieht, 
und die lang ersehnte Abfahrt 
In Richtung Einklang
sich nach hinten verschiebt 

durch die Warterei 
und die Ungewissheit 
Werden Selbstzweifel geschürt 
“Denn was, 
wenn das was kommt 
Uns nicht genügt?“

Wie soll der Neustart aussehen,
mit dem Wunsch nach
gleichzeitig der Furcht vor 
Veränderungen?


Wie können wir die Veränderungen
für uns nutzen und lenken
um leichter Entscheidungen zu fällen
und die Zukunft mit Zuversicht entgegenzunehmen?

Was bedeutet schon Scheitern?
Wie wird Erfolg bemessen?
Und wie entlarven sich 
unsere Fehlentscheidung?

Eins haben wir gelernt
nämlich 
dass der Gewohnheit zu verfallen
das Leben erschwert
und um jeden Preis 
gefallen zu wollen
über kurz oder lang 
zum Fall der Authentizität führt 

Egal wie oft wir das Blatt drehen
und versuchen uns 
den Veränderungen zu entziehen
können wir der süßen Versuchung des Wandels 
nicht widerstehen

WANDELN___

Wandel ist ein
Prozess  aus Dynamiken 
die Miteinander 
im Wechselspiel agieren 
Wandel ist grenzenlos
und viel mehr 
als nur eine wage 
Änderung der Konturen

Wandel ist weitaus größer 
als eine zeitabhängige Verwandlung
in einem beschränkten Rahmen
unter erdrückenden Randbedingungen
zwischen Dezember und Januar 

Wandel ist allgegenwärtig 
und unumgänglich
Wandel formt den Sinn
und ist für den Erhalt seiner selbst 
Lebens notwendig 

Wandel ist permanent 
mal mehr mal weniger existent
zu Beginn 
bekommen wir jedoch wenig
von dem Wandel mit
aufgrund seiner unterschwelligen Präsenz

In unserem Kosmos 
haben wir Einfluss auf den Wandel 
denn dieser wird verstärkt 
und angetrieben 
durch selbstbestimmtes Handeln 

HANDELN____

wir sind am Zug 
„etwas zu tun“
anstatt 
„nur so zu tun“
ansonsten bleibt der Wandel 
durch den Neubeginn 
lediglich eine Illusion

die Karten werden neu gemischt

allerdings nicht 
durch den Beginn 
eines neuen Kalenderjahres
sondern durch Eingeständnis 
der selbst bestimmten 
und eigenen Versäumnis 

Es geht darum aktiv
die Chancen zu ergreifen 
anstatt verpassten Gelegenheiten 
atemlos hinterher zu eilen 

wir sind mitverantwortlich 
für eine Veränderung 
Zugunsten unserer Zufriedenheit 

anstatt in ungünstigen Momenten
die Angst zu forcieren
können wir uns 
mit unserem Bewusstsein in Verbindung setzen
Gar verschmelzen
und als Teil eines größeren Ganzen 
fungieren
und schließlich 
beim Verblassen der Grenzen 
Frieden finden

Wir können
bleiben und lernen
auszuharren und zu verweilen
an Orten die einen einst 
zur Flucht verleiten

wir haben die Möglichkeit 
aus unserer Vergangenheit zu lernen
aus den Wunden die offen lagen 
die wir selber erschufen
und die wir stetig
zu flicken versuchen

Wir können lernen 
uns auf die Lektionen des Lebens
vorzubereiten
Lernen zu verstehen, 
nicht zu verstehen,
worum es im Leben geht.

wir besitzen die geistige Freiheit
mit unserem Verstand 
in der Zukunft zu leben
und sind in der Lage zu bestimmen
in welche Richtung 
wir uns in Zukunft bewegen

wir haben die Option
und damit das Privileg 
unseren Weg zu wählen
anstatt nur zuzusehen

Anstatt auf den Wandel zu warten
handelt das Leben viel mehr davon 
die volle Schönheit
und den vollen Genuss
an diesem Ort
zu einem späteren Zeitpunkt 
auszukosten 
und mitzugestalten

denn die Schönheit des Augenblicks
offenbart sich erst im Anschluss 
wenn die Zufriedenheit
tief in unsere Seele blickt

Lasst uns spüren und erleben, 
um noch intensiver zu Fühlen,
wie das Leben sich entwickeln kann
durch die unzählbaren Möglichkeiten 
die bestehen
mit der Option 
leichter durchs Leben zu schweben.

Es ist egal welche Taktik wir fahren, 
und was unsere Vorsätze besagen
solange wir unsere Ziele benennen 
und versuchen unsere Träume zu jagen 
Werden wir in prächtigen Farben baden. 

Einfach mal vom Leben 
durch die Gegenwart leiten lassen
statt zu flüchten
gelegentlich 
die Gegenwart vom Leben verleiten lassen

AUSSICHT____

Wem es verwehrt ist
die volle Schönheit des Lebens zu erleben 
und mit ihr im Sternenmeer unterzugehen
wird zum hellsten Stern
der ewigen Nacht
im tiefen Blau 
über dem Horizont
der jeher 
über alle von uns wacht

sie ertappen uns dabei
wie wir in ihren Sternbildern verloren gehen
ohne sie 
wären wir bloß etwas Leben 
ohne jeglichen Sinn

Mit leuchtenden Augen
dem Licht zugewandt,
schweben wir dahin
wie auf Wolken,
In schmeichelnder Wärme,
gehüllt in einen Umhang
aus Glückseligkeit,
Freude,
Liebe
und Leichtigkeit.

___

(NEU)JA

Die Liste meiner Vorsätze
endet nicht
sondern füllt sich
und ergänzt sich stetig

Sie erinnert mich 
An die Lektionen
die waren,
mich unerwartet überkamen
und mich auch zukünftig noch 
erwarten

Ich sage
„Ja ich will“

Dankbar sein 
und Einsicht zeigen,

andere Gefühle respektieren
die eignen gewaltfrei kommunizieren
und dabei ehrlich bleiben

Ich will
versuchen zu sehen
aktiv zuhören
besser verstehen

Stärken zusprechen
Und Schwächen annehmen

Ich will
Fokus legen
Und Pläne schmieden 
Optionen Abwägen
die Karten offen legen
und mit offenen Armen bereit stehen

endlich von dem Ballast lösen
und fallen lassen 
vom Boden der Tatsachen abheben
die Kontrolle abgeben 

„Ja ich will“ mich auf die Reise 
ins kosmischen Chaos begeben.

Freie fahrt
der Ungewissheit 
und unendlichen Möglichkeiten 
entgegentreten.

Ich danke euch fürs Zuhören und hoffe, dass kætes Worte auch mit euch auf die ein oder andere Art räsonieren. Wenn euch die Episode gefallen hat, dann freuen wir uns natürlich sehr, wenn ihr sie mit Freunden teilt. Ganz besonders bedanken möchte ich mich an dieser Stelle noch einmal bei allen, die uns das Jahr über via Steady als Fördermitglieder unterstützt und damit erst Sinneswandel möglich gemacht haben. Das ist alles andere als selbstverständlich und macht mich unglaublich dankbar und glücklich. Wenn ihr uns also ein kleines Weihnachtsgeschenk machen möchtet, dann unterstützt uns gerne via Steady oder, ihr schickt uns einen Betrag eurer Wahl an Paypal.me/Sinneswandelpodcast. Das steht aber auch alles noch mal in den Shownotes. Ich wünsche euch allen einen erholsamen Jahresausklang, seid gut zu euch und anderen. Wir sehen uns in 2022 im Sinneswandel Podcast!

14. Dezember 2021

Samira El Ouassil: Können Geschichten die Welt verändern?

von Henrietta Clasen 16. November 2021

Eine Geschichte kann die Welt retten, ebenso, wie sie zerstören. Eine Geschichte kann Wahlen entscheiden, Kriege auslösen, aber auch Menschen miteinander verbinden. Das behaupten zumindest Samira El Ouassil und Friedemann Karig. Die zwei Autor*innen haben ein Buch geschrieben: „Erzählende Affen“. Es handelt von Mythen, Lügen, Utopien – eben Geschichten, die unser Leben bestimmen. Früher, als wir noch um das Lagerfeuer herum saßen und unsere Erlebnisse teilten, wie auch heute, wenn wir twittern oder Zeitung lesen. Der Mensch sei nun mal ein “homo narrans”, so lautet Samiras und Friedemanns These. Mit ihrem neuen Buch wollen sie aufzeigen, welche kollektiven Erzählungen uns heute gefährden und weshalb es an der Zeit ist für neue Narrative. 

Shownotes:

Macht (einen) Sinneswandel möglich, indem ihr Fördermitglieder werdet. Finanziell unterstützen könnt ihr uns auch via PayPal oder per Überweisung an DE95110101002967798319. Danke.

Der Sponsor der heutigen Episode ist FLSK. Unter dem Motto „Made for movement“ produziert FLSK innovative und designorientierte Trinkflaschen und seit kurzem auch den CUP Coffee to go-Becher. Mit dem könnt ihr euren Kaffee unterwegs nachhaltiger genießen. Mit „sinneswandel15“ erhaltet ihr bis Ende diesen Jahres 15 Prozent auf alle FLSK-Produkte, ohne Mindestbestellwert.

► Samira El Ouassil, Friedemann Karig: “Erzählende Affen – Mythen, Lügen, Utopien – wie Geschichten unser Leben bestimmen”, Ullstein (2021).
►Samira und Friedemann findet ihr auch auf Twitter.
►Hörenswert: Piratensender Powerplay, der wöchentlich am Samstag erscheinende Podcast von Samira und Friedemann.

Kontakt:
✉ redaktion@sinneswandel.art
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16. November 2021
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