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Marilena

Marilena

Generation AirPod: Können wir Stille nicht mehr aushalten?

von Marilena 7. August 2025

Die kleinen, weißen Stöpsel im Ohr sind omnipräsent. Auch ich greife oft reflexhaft zu meinen AirPods, sobald ich aus dem Haus gehe. Wir hören Musik, Podcasts, telefonieren – überall. Hauptsache, es ist nie ganz still. Aber warum eigentlich? Was macht dieses permanente Grundrauschen mit uns – mit unserer Wahrnehmung und dem Miteinander?

Shownotes:

Macht [einen] Sinneswandel möglich, indem ihr Steady Fördermitglieder werdet. Finanziell unterstützen könnt ihr meine Arbeit auch via Paypal.me/sinneswandelpodcast. Danke.

► Statista: Unit shipments of headphones worldwide from 2013 to 2024
► The New Yorker (2016): Headphones Everywhere
► Byung-Chul Han (2019): Vom Verschwinden der Rituale. Eine Topologie der Gegenwart
► Georg Simmel (1903): Die Großstädte und das Geistesleben
► The Shins Szene aus dem Film Garden State (2004)
► David Waldecker (2017): Ohren und Kopfhörer im öffentlichen Raum
► Study (2022): Impact on Hearing Due to Prolonged Use of Audio Devices
► teenVOGUE (2021): Wired Headphones Are the New “It” Accessory — and We Should Have Seen It Coming
► Instagram: @wireditgirls

✉ redaktion@sinneswandel.art
► sinneswandel.art



Transkript:

Hallo und herzlich willkommen im Sinneswandel-Podcast. Ich bin Marilena und ich freue mich sehr, dass ihr heute wieder zuhört.

Vielleicht habt ihr das auch schon mal erlebt, ihr seid Fahrrad gefahren oder mit der Bahn oder im Auto, hört dabei Musik auf euren Kopfhörern, was auf dem Fahrrad natürlich eigentlich nicht wirklich gut ist und im Auto wahrscheinlich nicht mal erlaubt. Aber ja, wir machen es gelegentlich alle doch mal. Und ihr fahrt da so, hört Musik, ganz für euch, eure Lieblingsmusik vielleicht. Und die Landschaft zieht an euch vorbei und ihr kommt euch vor wie in einem Film, in eurem ganz eigenen Film. Und ihr lasst alles um euch herum ausfaden. Also ihr nehmt die Landschaft um euch herum war, eure Musik und seid ganz für euch.

Und das ist mir auf jeden Fall auf dem Weg in meinen Urlaub und auch zurück, wo ich mit der Bahn gefahren bin, so vorgekommen, als ich dasaß und meine Noise-Canceling-Kopfhörer aufhatte. Und da ist mir eigentlich bei dieser sehr alltäglichen Beschäftigung und dieser sehr banalen Beobachtung die Idee für diese Folge gekommen. Weil ich glaube, dass das Thema eine tiefere Ebene hat. Oder das hoffe ich zumindest. Und diese Gedanken möchte ich gerne mit euch teilen. Also worum geht’s?

Es geht eigentlich im weitesten Sinne um die Omnipräsenz von Kopfhörern im öffentlichen Raum. Wenn wir das Haus verlassen, und da zähle ich mich dazu, dann greife ich reflexartig nach meinen AirPods. Und manchmal mache ich Musik oder Podcasts an, ohne darüber nachzudenken, ob ich darauf wirklich Lust habe. Es ist einfach eine Routine, eine Autobahn in meinem Kopf, die ich immer wieder gleich durchfahre und abspule. Und da habe ich mich gefragt, was macht das eigentlich mit mir, mit meiner eigenen Wahrnehmung, aber auch im weiteren Sinne mit uns als Gesellschaft?

Und lustigerweise hat sich diese Frage verstärkt in meinem Kopf, nachdem mein Freund vor einigen Wochen, seine Kopfhörer verloren hat, seine AirPods. Und ich würde sagen, er hört noch sehr viel häufiger unterwegs Musik und hat sie manchmal auch drin, obwohl er gar nichts hört. Und er hat mir erzählt, dass das für ihn am Anfang natürlich eine etwas schmerzhafte Erfahrung war, sie zu verlieren, weil natürlich ist das ärgerlich. Aber gleichzeitig, jetzt mit etwas Abstand, ist es auch eine Bereicherung, weil er auf Strecken, die er sonst zurückgelegt hat, zur Arbeit, auf Reisen, immer etwas gehört hat. Und genau wie ich auch manchmal sich gar nicht gefragt hat, ob er darauf wirklich Lust hat, sondern dass das wie ein Grundrauschen immer dabei gewesen ist. Und jetzt ist es eben auch manchmal einfach still und er nimmt wahr, was draußen passiert, um ihn herum, aber auch in ihm selbst.

Und im Grunde ist das meine These: Wenn wir Kopfhörer tragen, dass es dabei eben gar nicht nur um Unterhaltung geht, sondern vielleicht auch um eine Art von Selbstschutz, Stichwort Noise-Cancelling. Aber auch um ein Unterdrücken, also im positiven wie vielleicht im negativen Sinne. Und darüber würde ich ganz gerne in dieser Podcast-Folge sprechen. Über diese akustische Membran, die zwischen uns, der Person, die Kopfhörer trägt und der Welt liegt und die eben nicht nur den Lärm filtert, sondern vielleicht auch die Emotionen, Gedanken und vielleicht sogar Begegnungen. Also was steckt hinter diesen akustischen Dauerrauschen?

Bevor ich mit der Folge beginnen will, möchte ich noch kurz darauf hinweisen, wenn ihr meinen Podcast gerne hört, dann würde ich mich total darüber freuen, wenn ihr mich unterstützt, meine Arbeit, das könnt ihr ganz einfach über Steady oder über Paypal. Die ganzen Infos dazu findet ihr in den Shownotes.

Vielleicht erinnert ihr euch auch noch, als kabellose Kopfhörer noch relativ neu waren, also die, die über Bluetooth funktionieren, so wie AirPods. Da gab es manchmal seltsame Situationen. Man saß zum Beispiel in der Bahn und eine Person sitzt einem gegenüber und dann fängt diese Person an zu sprechen. Man guckt nach oben, weil vorher hat man etwas gelesen oder auf dem Handy rumgedaddelt und denkt, die Person spricht mit einem und antwortet oder fragt nach: „Entschuldigung, was haben sie gesagt?“ Und dann guckt die andere Person einen so super irritiert an und erst dann realisiert man: Okay krass, die spricht gar nicht mit mir, sondern die redet mit sich selbst bzw. mit ihren Kopfhörern, mit einer anderen Person. Und diese Situation fand ich am Anfang total befremdlich. Oder ich weiß auch noch, dass ich es andersrum seltsam fand, über Kopfhörer zu telefonieren. Weil ich am Anfang dachte: Okay, jetzt denken die Leute vielleicht, wenn ich unterwegs bin zu Fuß, dass ich mit mir selber rede, dass ich ein bisschen seltsam bin. Und jetzt, einige Jahre später, ist es das Normalste der Welt. Ich glaube, viele von uns denken überhaupt nicht mehr darüber nach, wenn sie mit Kopfhörern telefonieren, einfach weil es omnipräsent ist.

Und das zeigt sich auch, ich habe mal so ein bisschen mehr Statistiken angeschaut, im Verkauf von Kopfhörern. Ich habe gesehen, zwischen 2013 und 2024 ist der Verkauf von Kopfhörern, um fast 90 Prozent auf eine halbe Milliarde pro Jahr, angestiegen. Und seit der Erfindung der AirPods, das ist mittlerweile fast zehn Jahre her, also 2016, ist der Markt immer stärker gewachsen. Vor allem auch noch mal während der Corona-Jahre, wo wir alle ständig vorm Computer saßen, in Zoom-Calls. Und ich weiß, dass ich in der Zeit auf jeden Fall auch sehr, sehr viel mit meinen AirPods spazieren gegangen bin.

Und die Frage ist natürlich, was macht das mit unserer eigenen Wahrnehmung, mit unseren Hörgewohnheiten, aber auch mit uns als Gesellschaft?

Ich habe in der Recherche zu dieser Folge einen Artikel vom The New Yorker gefunden, auch aus dem Jahr 2016, als AirPods und kabellose Kopfhörer präsenter wurden. Und darin steht, also im weitesten Sinne, die Außenwelt, die früher ein gemeinsames auditives Umfeld, also eine gemeinsame hörbare Erfahrung war, ist jetzt zersplittert. Und wir bewegen uns heute in unserer eigenen Blase aus selbstprogrammiertem Sound. Das klingt zunächst mal relativ negativ, aber man kann es natürlich auch so auffassen: Dass man sagen kann, okay, mit der Erfindung von Kopfhörern haben wir die Freiheit gewonnen, zu hören, was wir wollen. Und damit natürlich auch die Freiheit, auszuschalten, was um uns herum passiert. Das heißt, Kopfhörer helfen uns, den ganz persönlichen Raum von uns abzugrenzen und ermöglichen uns, uns abgeschirmt, sicher und privat zu fühlen – vielleicht auch Emotionen zu verstärken, die wir gerade haben, oder das Entgegenteilige zu bewirken. Also, wenn wir uns nicht gut fühlen, kann Musik dazu führen, dass wir uns besser fühlen. Oder wir können, wenn wir unterwegs sind, Nachrichten hören, wir können Podcasts hören. Das heißt natürlich, wie der Kapitalismus das auch ganz gerne hat, Zeit effektiv zu nutzen.

Es hat natürlich sein Gutes, aber es hat auch einen bitteren Beigeschmack. Ich habe eine Studie gefunden, die ist aus 2014, ich würde sagen noch vor dem großen Boom der Kopfhörer, aber trotzdem auf eine Art auch mittendrin. Und das war eine Befragung unter Millennials, also damals Personen zwischen ich glaube 19 und Mitte 20. Und da haben 73 Prozent angegeben, dass sie Kopfhörer vor allem nutzen, um Kontakt zu anderen zu vermeiden. Und das finde ich sehr spannend. Weil, wer kennt das nicht, wenn wir unterwegs sind, auf Reisen, in der Bahn, wenn man sich umschaut, tragen eigentlich extrem viele Menschen Kopfhörer. Und auch ich würde sagen, ich nutze sie schon häufiger auch mal, um nicht gestört zu werden, weil ich arbeite, weil ich lese und weil ich diese Zeit vielleicht auch ganz bewusst gerade alleine verbringen möchte.

Aber natürlich ist das auch ein bisschen, ja, nicht asozial, aber es könnten ja auch schöne Begegnungen entstehen. Und wenn alle einfach nur noch sich auf sich konzentrieren und das zur Gewohnheit machen, nimmt das ja auch einen Raum in Anspruch. Vor allem, wenn andere Personen teilweise sehr laut auf ihren Kopfhörern hören oder ihr Umfeld dann gar nicht mehr so richtig wahrnehmen. Auch das habe ich schon erlebt.

Ganz spannend fand ich dazu im Kontrast, dass in den späten 70ern, Anfang 80er Jahren, da wurde der Walkman erfunden – vielleicht kennen den einige von euch – und die hatten tatsächlich zu Beginn einen zweiten Kopfhöreranschluss, damit man die mit Freunden teilen konnte. Weil der ehemalige Sony-CEO, die den Walkman herausgebracht haben, es als unhöflich empfunden hat, wenn man seine Musik alleine hört. Und heute ist das selbstverständlich, dass wir das tun.

Aber spannend ist es auch, dass sich nicht nur unsere Hörgewohnheiten verändert haben, also dass wir Musik vor allem unterwegs mit den Kopfhörern hören, sondern, dass sich auch die Art verändert hat, wie Musik produziert wird. Ich habe ein Zitat von einem US-amerikanischen Produzenten gefunden, der heißt Nick Sansano. Der hat gesagt, früher waren Kopfhörerchecks wirklich nur dazu gedacht, mal zu hören, wie klingt das denn eigentlich mit Kopfhörern? Und jetzt produziert er einen Großteil seiner Musik mit Kopfhörern, weil er weiß, dass viele seiner Hörerinnen und Hörer das auch machen und dass der Sound ganz anders klingt als über Boxen.

Ich habe mich gefragt, wenn man sieht, okay, immer mehr Menschen laufen mit Kopfhörern durch die Gegend, hören so Musik statt über Boxen, hören unterwegs Podcasts und so weiter, wie verändert das die Atmosphäre im öffentlichen Raum und unser Miteinander?

Ganz schön still, oder? Ich weiß nicht, was bei euch gerade im Kopf passiert ist, aber meistens passiert ja eine ganze Menge, wenn es still um uns herum wird. Entweder nehmen wir dann in uns etwas wahr, Gedanken, Gefühle, manchmal aber auch, was um uns herum passiert. Und, dass dieser Raum immer kleiner wird, also der Raum, in dem solche Stille bewusst wahrgenommen wird, das kritisiert der südkoreanisch-deutsche Philosoph Byung-Chul Han in seinem Buch „Vom Verschwinden der Rituale, eine Topologie der Gegenwart.“ Er betont darin immer wieder, dass der Kapitalismus die Stille nicht liebt, weil kapitalistische Systeme ihm zufolge eine dauerhafte Aktivität fördern, also Konsum und vor allem Lärm. Und er sagt, Stille gilt als verdächtig, weil sie nicht produktiv verwertet werden kann. Dabei ist Stille die Voraussetzung für Kreativität, innere Freiheit und Gemeinschaft, sagt Han. Er meint damit, dass „echte“ Stille besonders wertvoll ist, weil sie nicht einfach nichts ist, sondern ein Möglichkeitsraum, in dem wir zur Ruhe kommen können, Dinge spüren oder anderen Menschen begegnen können. Han sagt, wir sollten die Stille nicht nur nutzen, um Lärm auszublenden, wie wir es mit Noise-Cancelling-Kopfhörern tun, sondern auch, um wieder mehr mit uns selber in Kontakt zu treten und gesellschaftlich zueinander zu finden.

Je häufiger wir uns von außen mit Inhalten, ob Musik oder Podcast sind, die können uns natürlich auch im Positiven bewegen und berühren. Aber trotzdem entsteht dadurch nicht mehr so viel Raum, etwas wahrzunehmen, was in uns und um uns herum passiert. Und auf der anderen Seite kann man sich natürlich fragen, vielleicht brauchen wir diese Art der Abschottung und diesen Rückzug ins Private heute einfach mehr? Vielleicht ist das einfach notwendiger geworden?

Und dabei habe ich an Georg Simmel gedacht. Über den habe ich mal in meinem Kulturwissenschaftsstudium einen längeren Essay-Aufsatz geschrieben. Und zwar hat Georg Simmel in „Die Großstädte und das Geistesleben“, den Aufsatz oder das Buch hat er schon 1903 verfasst. Und darin beschreibt er, wie quasi die Reize der Großstadt uns überfordern, unser Nervensystem, und dazu führen, dass wir innerlich abstumpfen. Und, dass diese Reizüberflutung uns dazu bringt, Wege zu finden, damit umzugehen. Und das bedeutet häufig auch einen Umgang damit, der eine Abschottung von anderen und den Dingen um uns herum bedeutet. Und laut Simmel entwickeln wir dadurch eine gewisse Blasiertheit. Er meint damit eine Art Gleichgültigkeit. Also gar nicht unbedingt ein Desinteresse, sondern eine bewusste oder unterbewusste Reduzierung von emotionalen Reaktionen auf diese äußeren Reize, auf den Lärm um uns herum, der in Großstädten sehr präsent ist. Aber auch die anderen Menschen. Und wir tun das, um unsere eigene Psyche zu schützen.

Ich kann das sehr gut nachvollziehen, weil ich würde behaupten, dass ich auch ein sehr geräuschempfindlicher Mensch bin. Und mir helfen Noise-Canceling-Kopfhörer häufig, um mehr wahrzunehmen, was in mir passiert. Oder um mich besser konzentrieren zu können. Ich glaube auch, gerade Menschen, die auch neurodivers sind, nutzen solche Kopfhörer häufig. Und das ist, glaube ich, gar nicht allen Menschen so bewusst. Aber ich fand es ganz interessant, dass man eben Kopfhörer auch als modernes Pendant zu Simmels These verstehen kann. Als diesen individuellen Rückzugsort und Blase, die eine Grenze zur Außenwelt signalisieret: Ich möchte mich abschirmen, ich möchte quasi nicht gestört werden. Und die Frage ist, ob wir dadurch etwas verlieren oder, ob wir auch etwas dazu gewinnen?

Bei der Vorbereitung auf die Folge musste ich an eine Szene aus dem Film Garden State von 2004 denken. Natalie Portman gibt darin in einer Szene Zach Braff, also dem Hauptprotagonisten, ihre Kopfhörer. Der ist am Anfang etwas skeptisch. Dann setzt er die Kopfhörer auf und sie spielt ihm New Slang von The Shins vor. Also diesen Song hier. Und Zach Braff hört den Song auf seinen Kopfhörern oder auf ihren Kopfhörern vielmehr. Und währenddessen passiert etwas zwischen den beiden. Gar nicht durch Worte, weil es wird dann gar nicht gesprochen. Aber gerade durch diesen geteilten Song passiert etwas. Und irgendwie dachte ich, dass das auch ein Beispiel dafür ist, dass Kopfhörer uns nicht nur isolieren, sondern auch verbinden können, wenn wir sie ganz bewusst teilen, so wie den Walkman früher.

Ich bin in meiner weiteren Recherche noch auf einen Soziologen gestoßen, David Waldecker. Der hat sich intensiv mit der Omnipräsenz von Kopfhörern auseinandergesetzt. Und er hat gesagt, eigentlich seitdem es Kopfhörer gibt, die in der Öffentlichkeit getragen werden, gibt es auch die Kritik daran, dass Menschen sich durch das Tragen abkapseln. Und das sei wirklich kein neues Phänomen. Er sagt, dass das eigentlich auch in Ordnung ist.

Also, dass das ein ganz normales, eine menschliche Entwicklung der Gesellschaft sei. Aber er sagt auch, es kann kritisch sein, wenn niemand mehr hinhört. Das ist für den gesellschaftlichen Zusammenhang problematisch, weil, Zitat von Waldecker: „Der Rassist fühlt sich bestätigt, wenn er unwidersprochen andere beleidigen kann.“ Also, wenn wir alle mit unseren Noise-Canceling-Kopfhörern durch die Gegend laufen und neben uns jemand etwas sagt, was nicht in Ordnung ist, und wir es aber nicht mitbekommen, dann ist das fatal.

Und zum Thema, was verlieren wir vielleicht noch durch das ständige Tragen von

Kopfhörern? Wahrscheinlich auch zum Teil ein Teil unsere Hörfähigkeit. Es gibt diverse Studien, die zeigen, dass regelmäßiges, lautes Musikhören über Kopfhörer, insbesondere über 85 Dezibel und das für längere Zeit, das Risiko für bleibende Hörschäden verstärkt, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen. Wahrscheinlich wird eine Generation in Zukunft heranwachsen, beziehungsweise auch wir vielleicht schon. Also, ich mit meinen jetzt Anfang 30 werde schon früher Hörschäden haben, als es vielleicht noch Generationen davor geprägt hat, weil sie Musik ganz anders gehört haben. Auf der anderen Seite habe ich den Eindruck, dass auch immer mehr Menschen zum Beispiel heute auf Konzerte mit Ohrstöpseln gehen. Also, vielleicht wird sich das auch ausgleichen, wer weiß.

Was ich aber auch neu dazugelernt habe, ist tatsächlich, dass solche In-Ear-Kopfhörer, also so wie AirPods und viele Kopfhörer, die über Bluetooth funktionieren, tatsächlich eine Art Qualitätsverlust haben. Also, ein Qualitätsverlust beim Hören entsteht, der Musik. Wenn wir Musik über Boxen hören, dann füllt der Klang den Raum. Und bei In-Ear-Kopfhörern klingt eigentlich alles, als würde es in unserem Kopf stattfinden. Also, es ist viel weniger räumlich und auch weniger lebendig. Und gerade günstige In-Ear-Kopfhörer oder qualitativ schlechte Kopfhörer komprimieren die Klänge noch viel, viel stärker, liefern oft einen eher flachen, gedämpften Sound, isolieren uns eigentlich vollständig. Wohingegen Lautsprecher eine gewisse akustische Tiefe, aber auch viel mehr Dynamik erzeugen, sodass man zum Beispiel Instrumente, Gesang und Raum viel separater, plastischer und dadurch vielleicht auch zum Teil angenehmer hören kann. Ist ja irgendwie auch naheliegend. Auf der anderen Seite hört es sich, finde ich, manchmal intensiver an, mit Kopfhörern zu hören. Und deswegen kann man vielleicht auch gar nicht sagen, was besser ist, was schlechter ist. Es hat alles seine Vor- und Nachteile.

Was ich aber sehr interessant finde, ist, dass seit ein paar Jahren der Trend wieder zurück zu wired Headphones, also kabelgebundenen Kopfhörern, geht. Ich habe einen Instagram-Account entdeckt durch einen Artikel der Teen Vogue. Ich kannte den ehrlich gesagt noch nicht. Der heißt Wired It Girls und der wurde 2021, also auch während der Corona-Jahre, erstellt. Da werden Influencer und Musikfans gepostet, die alle Kabel-Kopfhörer tragen, vor allem diese weißen Apple-Kopfhörer. Also It Girls, wie Bella Hadid oder auch Paris Hilton. Und die Modehistorikerin Rachel Weingarten, die schreibt eben in diesem Teen Vogue-Artikel: „We long for times when everything seemed easier.“ Also sie sagt, dass diese Nostalgie zu diesen Kopfhörern vielleicht auch mit der Corona-Pandemie und diesem ganzen Y2K-Trend der 2000er einhergeht, dass wir uns danach sehen zu einer Zeit der 2000er, wo es Tumblr gab und alles Mögliche, sodass die wieder zu so einer Art Mode-Accessoire geworden sind.

Aber auf der anderen Seite haben diese Kopfhörer natürlich auch den großen Vorteil, dass die Qualität teilweise besser ist. Dass sie eben eine viel geringere Latenz, also eine geringere Verzögerung haben im Hören. Wir können die Musik unmittelbarer hören, weil sie nicht erst über die Bluetooth-Verbindung laufen muss.

Viele von euch kennen vermutlich Fred again. Der war natürlich auch ein Katalysator für den Trend, weil er bei ganz, ganz vielen Live-Auftritten kabelgebundenen Kopfhörer nutzt auf der Bühne, vielleicht auch als Bruch zu den AirPods. Und wer weiß, vielleicht kommt ja irgendwie dann auch bald der Walkman zurück?! Irgendwie fände ich das gar nicht so schlecht. Ich muss mal gucken, ob ich meinen irgendwo noch in einem Umzugskarton wiederfinde.

Ich glaube, ich bin weit davon entfernt, eine Kulturpessimistin zu sein und zu sagen, Kopfhörer sind etwas Schlechtes und wir sollten uns wieder einfach nur unserer Umgebung aussetzen. Das nicht. Aber ich finde es spannend, einfach mal darüber nachzudenken, wie alltägliche Gewohnheiten uns selbst und damit unsere Gesellschaft prägen. Ich habe mir auf jeden Fall vorgenommen, in den nächsten Wochen noch bewusster die Kopfhörer einfach mal in bestimmten Situationen zu Hause zu lassen oder auch einfach nicht zu nutzen, um zu schauen, okay, wie verändert das meine Wahrnehmung und was entsteht dadurch vielleicht auch Neues, Begegnungen? Wir werden das sehen.

Outro

Und mich interessiert natürlich auch: Wann habt ihr das letzte Mal ganz bewusst euch der Stille ausgesetzt oder eurer Umgebung? Und wie nutzt ihr Kopfhörer im Alltag?

Schreibt mir gerne an redaktion@sinneswandel.art oder über Social Media. In den Shownotes findet ihr wie immer weiterführende Links und Infos. Und wenn ihr meine Arbeit unterstützen wollt, dann könnt ihr das ganz einfach via Steady oder, indem ihr einen Betrag eurer Wahl an Paypal.me/Sinneswandelpodcast schickt. Danke fürs Zuhören. Bis bald im Sinneswandel-Podcast.

7. August 2025

Ist Smalltalk unterschätzt?

von Marilena 22. Juli 2025

Ein kurzer Blick, ein flüchtiges Lächeln – und trotzdem bleibt etwas hängen. In dieser Folge geht es um all die Mikrobegegnungen im Alltag: der Plausch mit der alten Dame im Zug, der Kioskverkäufer der einem nett zulächelt oder der Nachbar mit Hund im Park, der einen immer grüßt. Warum berühren uns ausgerechnet solche Momente manchmal mehr als lange Gespräche mit Freund*innen? Und was passiert, wenn solche losen Bekanntschaften seltener werden?

Shownotes:

Macht [einen] Sinneswandel möglich, indem ihr Steady Fördermitglieder werdet. Finanziell unterstützen könnt ihr meine Arbeit auch via Paypal.me/sinneswandelpodcast. Danke.

► Mark Granovetter (1973): The Strength of Weak Ties
► Gillian Sandstrom (2014): Social Interactions and Well-Being: The Surprising Power of Weak Ties
► Business Insider (2024): Eine Generation besonders betroffen: Immer mehr Menschen finden es schwer, lockere Freundschaften zu führen
► BMFSFJ: Einsamkeitsbarometer 2024

► Hallo: Verein zur Förderung raumöffnender Kultur e.V. in Hamburg

✉ redaktion@sinneswandel.art
► sinneswandel.art



Transkript:

Hallo im Sinneswandel-Podcast, ich bin Marilena und ich freue mich sehr, dass ihr heute wieder dabei seid. 

Zuallererst möchte ich mich ganz herzlich bedanken – für die vielen schönen Rückmeldungen zu den letzten Folgen, die ich allein aufgenommen habe. Und dann auch noch beim letzten Mal ohne Skript. Weil das so gut angekommen ist, auch wenn es sich für mich noch richtig seltsam anfühlt, mache ich damit weiter. Auch diese Folge ist wieder ohne Skript – ein weiteres kleines Experiment, vielleicht werde ich besser im Chaotisch Sein.

Wie bin ich zu dem Thema der heutigen Folge gekommen? Es ist schon ein paar Wochen her – ich wollte nach Kiel fahren, beruflich, weil ich dort in den letzten Wochen gearbeitet habe. Und – wie so häufig – ist die Deutsche Bahn mal wieder nicht gefahren. Kein Zug in Sicht, also musste ich spontan eine Mitfahrgelegenheit nehmen. Ich war – wie vermutlich viele – erst mal total genervt. Gestresst bin ich ins Auto gestiegen. Und am Ende war es richtig schön. Eine lustige Fahrt mit drei anderen Menschen aus ganz unterschiedlichen Kontexten. Wir alle waren ein bisschen abgefuckt, weil die Bahn nicht gefahren ist – das hat uns vermutlich verbunden.

Es war vor allem eine Begegnung, die besonders war. Wir kannten uns vorher nicht, und heute haben wir auch keinen Kontakt mehr. Trotzdem war diese Fahrt irgendwie wertvoll – ich habe Einblicke in Lebensweisen bekommen, die ganz anders sind als meine.

Ich habe mich danach gefragt: Welche Rolle spielen eigentlich solche kleinen, flüchtigen Begegnungen im Alltag? Unterschätzen wir die vielleicht? Ich musste sofort an mein Stammcafé denken. Ich gehe da schon seit über sieben Jahren hin – sie wissen genau, was ich bestelle. Okay, ich bestelle auch meistens das Gleiche. Aber trotzdem berührt es mich. Sie freuen sich, wenn ich komme. Lächeln. Sagen: „Ziegenkäsesalat?“ – ich nicke. Diese Menschen gehören nicht zu meinem engen Freundeskreis, aber sie sind wichtig für mich.

Oder der Kiosk um die Ecke auf St. Pauli. Auch dort gehe ich regelmäßig hin. Jedes Mal, wenn ich ein Paket abhole oder etwas kaufe, lerne ich den Kioskbesitzer ein bisschen besser kennen. Neulich fragte er, was ich beruflich mache – ob ich studiere. Ich habe ihm erzählt, dass ich beim NDR arbeite, als Journalistin. Es war ein schönes Gefühl – sich besser kennenzulernen, obwohl das ja eigentlich eine flüchtige Bekanntschaft ist, die auf einem Austausch von Geld beruht. Und doch ist es mehr als das.

Wir sprechen oft über enge Freundschaften. Aber was ist mit solchen lockeren, flüchtigen Bekanntschaften? Vielleicht erfüllen die etwas, was unsere engen Beziehungen nicht können.

Im Studium in Lüneburg hatte ich mal ein Seminar über „The Strength of Weak Ties“ von Mark Granovetter. Granovetter hat untersucht, wie Menschen zu ihren Jobs kommen – und herausgefunden, dass schwache Verbindungen eine wichtige Rolle spielen. Sie dienen als Brücken zu anderen Informationen, Perspektiven und Gelegenheiten – weil der enge Freundeskreis oft zu homogen ist. Ich musste da direkt an meinen Volleyballverein denken – ein Ort mit ganz unterschiedlichen Menschen.

Aber es geht nicht nur um den praktischen Nutzen. Sondern auch um das Gefühl, das solche Bekanntschaften auslösen. Die Psychologin Gillian Sandstrom von der Universität Sussex hat sich genau damit beschäftigt. Auslöser war ihre eigene Erfahrung mit einer Würstchenbude, an der sie oft war. Sie entwickelte eine Beziehung zum Verkäufer – und fragte sich, wie sehr solche losen Begegnungen unser Wohlbefinden beeinflussen. Ihre Forschung zeigt: Diese scheinbar belanglosen Mikrobegegnungen – ein kurzer Plausch, ein freundliches Grüßen, Smalltalk im Büro – geben uns ein Gefühl von Zugehörigkeit. Sie helfen gegen Einsamkeit. Gerade auch bei älteren Menschen.

Und: Sie haben weniger Konfliktpotenzial. Weniger emotionale Erwartungen. Man kann sich ausprobieren, spontan sein, neue Seiten zeigen.

Ich selbst mag Smalltalk eigentlich gar nicht. Ich finde ihn oft anstrengend. Vielleicht, weil ich dazu neige, schnell über tiefere Dinge zu sprechen. Aber solche Begegnungen lohnen sich – sie sind wie ein sozialer Klebstoff. Und trotzdem habe ich das Gefühl, dass sie weniger werden.

Und das ist nicht nur ein Gefühl. Studien zeigen, dass flüchtige Begegnungen und lockere Freundschaften tatsächlich abnehmen. Gründe gibt es viele: Digitalisierung – wir kaufen online ein, daten digital, verbringen mehr Zeit allein vor dem Bildschirm. Individualisierung – mehr Wert auf persönliche Freiheit, Unabhängigkeit. Menschen ziehen häufiger um – viele kennen ihre Nachbar*innen kaum. Und: mehr Homeoffice.

Gerade während der Corona-Zeit habe ich das gemerkt. Ich habe damals in einer eher dunklen Wohnung allein gewohnt. Und plötzlich fehlte mir dieser beiläufige Kontakt zu Fremden. Spazieren gehen, jemandem zulächeln. Ich hatte Glück – ich habe damals meinen Nachbarn kennengelernt. Heute nehme ich bei ihm den Podcast auf. Aus einer flüchtigen Bekanntschaft wurde eine Freundschaft.

Wenn solche Begegnungen weniger werden, dann hat das Folgen: Einsamkeit nimmt zu. Jeder dritte Mensch zwischen 18 und 53 fühlt sich zumindest manchmal einsam – besonders viele Jugendliche. Vorurteile nehmen zu. Studien zeigen: Menschen, die sich einsam fühlen, engagieren sich seltener politisch oder ehrenamtlich – und verlieren schneller das Vertrauen in demokratische Institutionen.

Wie also schaffen wir wieder mehr Raum für Begegnungen?

Ich musste an einen TikTok-Trend denken: „Blessing Strangers“. Über 300 Millionen Videos gibt es dazu auf TikTok. Menschen sprechen Fremde an und überraschen sie mit einer kleinen Geste. Viele dieser Videos sind gestaged, performativ, manchmal problematisch – vor allem, wenn es um Geld oder Obdachlose geht. Aber der Grundgedanke ist schön: Kleine Gesten können große Freude auslösen.

Mein Freund, der vor kurzem in den USA war, hat mir letztens erzählt, dass sich die Leute dort häufiger einfach so Komplimente machen. Ganz locker: „Cooles Shirt“ – und dann gehen sie weiter. In Deutschland passiert das irgendwie seltener.

Aber wie schaffen wir mehr Begegnungen? Nicht nur durch unsere Haltung – also achtsamer durch den Alltag gehen, nicht immer aufs Handy schauen – sondern auch durch Stadtplanung.

Immer mehr Orte werden kommerzialisiert. Es braucht Räume jenseits von Konsum. Plätze, Parks, Fußgängerzonen. Ich musste an Italien denken – an diese Piazzas, wo sich Menschen begegnen. Vielleicht romantisiere ich das auch. Aber ich wünsche mir mehr davon. Und: Barrierefreiheit. Begegnungsorte für alle – unabhängig von Herkunft, Alter oder Einkommen.

Auch mehr Sitzgelegenheiten – wie die sogenannten “Zuhörbänke” – als erweitertes Wohnzimmer gedacht. Oder Straßenfeste, Märkte, Nachbarschaftstreffen.

In Hamburg gibt es den Verein HALLO. Sie fördern offene Räume für nachbarschaftliche, kulturelle Aktivitäten. Es gibt dort z. B. einen Kiosk, wo gemeinsam gekocht, gespielt, geredet wird. Ich habe mir seit Ewigkeiten vorgenommen, mal hinzugehen. Vielleicht mache ich das jetzt wirklich, wo ich es ausgesprochen habe. Vielleicht nimmt mich ja jemand mit?

Ich glaube jedenfalls: Solche flüchtigen Begegnungen sind wertvoll. Natürlich sind enge Beziehungen wichtig. Aber es ist auch gut, offen zu bleiben – für all das, was beiläufig passiert. Vielleicht steckt darin mehr, als wir denken.

Outro

Was war eure letzte flüchtige Begegnung, die euch berührt hat? Gibt es bei euch Alltagsbekanntschaften – Kioskbesitzerinnen, Nachbarinnen – die euch näher sind, als ihr dachtet? 

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22. Juli 2025

Ist Chaos in Ordnung?

von Marilena 2. Juli 2025

Chaos stresst mich – und fasziniert mich. In dieser Folge geht es um das Bedürfnis nach Ordnung, die Angst vor Kontrollverlust und die Frage, warum viele in unsicheren Zeiten einfache Antworten suchen. Ich spreche über philosophische, gesellschaftliche und ganz praktische Perspektiven auf das Chaos – und darüber, was passiert, wenn wir lernen, es auszuhalten. Ist Chaos wirklich so schlecht, wie sein Ruf? Oder hat es vielleicht sogar seine eigene Ordnung?

Shownotes:

Macht [einen] Sinneswandel möglich, indem ihr Steady Fördermitglieder werdet. Finanziell unterstützen könnt ihr meine Arbeit auch via Paypal.me/sinneswandelpodcast. Danke.

► Arte Twist: Aufräumen – Macht Ordnung uns glücklich?, 2025
► Agora42: Ausgabe zu Chaos, 2025
► bpb: Rechtspopulismus: Erscheinungsformen, Ursachen und Gegenstrategien, 2017
► Studie: Understanding Societal Resilience—Cross-Sectional Study in Eight Countries, 2022
► Studie: Home and the extended-self: Exploring associations between clutter and wellbeing, 2021
►SXSW: Marie Kondo: Organize the World: Design Your Life to Spark Joy, 2017
►Spiegel: Aufräumexpertin Marie Kondo »Mein Zuhause ist unordentlich«, 2023
►Philosophie.ch: Chaos und Ordnung in Schellings Geschichtsphilosophie
► Philosophisches Experiment: Ist Chaos in Ordnung?
► SRF3: Chaos ist überlebenswichtig, 2022
► SWR: Was ist die Chaostheorie?, 2020

✉ redaktion@sinneswandel.art
► sinneswandel.art



Transkript:

Hi und herzlich willkommen im Sinneswandel Podcast. Ich bin Marielena und ich freue mich, dass ihr heute dabei seid.

Ich bin ehrlich gesagt ziemlich aufgeregt vor dieser Folge, während ich hier gerade vor dem Mikrofon sitze – was absurd ist, weil ich alleine bin. Aber ich möchte heute etwas ausprobieren, was ich schon sehr lange nicht mehr gemacht habe: komplett ohne Skript sprechen. Das klingt jetzt erst mal einfacher, als es ist. Aber ich habe den Podcast damals, vor acht Jahren, auch so begonnen – ohne Skript. Und irgendwann bin ich dazu übergegangen, alle meine Folgen zu skripten und aufzuschreiben.

Ich höre selber total gerne Podcasts, die nicht geskriptet sind. Also, beides hat sicherlich seine Vor- und Nachteile. Aber ich möchte das heute gerne mal wieder versuchen und schauen, was passiert, wenn ich es ausprobiere. Und ich dachte mir: Was gibt es für einen besseren Anlass, das auszuprobieren, als bei einer Folge, in der es um das Thema Chaos geht?

Da wären wir eigentlich schon beim Thema dieser Folge: Chaos.

Warum möchte ich eine Folge dazu aufnehmen? Chaos ist etwas, das mich – ja eigentlich mein Leben lang – begleitet, würde ich sagen. Oder vielleicht eher das Gegenteil von Chaos: nämlich Ordnung. Wer mich kennt, weiß, dass ich ein sehr ordnungsliebender Mensch bin – um es mal milde auszudrücken. Ich habe schon als Kind total gerne Dinge sortiert und geordnet – nicht zwanghaft, aber irgendwie hatte ich Freude daran. Das erzählen meine Eltern mir immer wieder. Und auch heute ist es so: Wenn Menschen in meine Wohnung kommen, dann höre ich oft: „Wow, mein Gott, ist das hier ordentlich und aufgeräumt und so minimalistisch.“ Und das ist total nett gemeint, aber mittlerweile ist mir das auch manchmal ein bisschen unangenehm. Ich weiß, dass ich sehr ordentlich bin. Ordnung gibt mir irgendwie Ruhe, beruhigt mich – und gibt mir natürlich auch ein Gefühl von Sicherheit. Im Außen zumindest, was sich dann irgendwie auf mein Inneres überträgt. Chaos im Außen macht mich eher unruhig und nervös. Gleichzeitig merke ich aber auch: Zu viel Ordnung kann einschränken. Es ist ja nicht nur die äußere Ordnung – sondern auch eine gewisse Strukturiertheit, ein Gefühl von Kontrolle. Und vermutlich habe ich eine Art Angst vor Kontrollverlust. Ich würde jetzt nicht so weit gehen, zu sagen, das wäre zwanghaft – aber ich mag es einfach, wenn eine gewisse Ordnung herrscht. Mein Computer ist zum Beispiel sehr aufgeräumt – auf meinem Desktop gibt es zwei, drei Ordner, die auch sortiert sind. Ich glaube, da gibt es einfach unterschiedliche Typen. Und ich bin eben einer dieser sehr geordneten Menschen. Damit habe ich mich mittlerweile abgefunden.

Trotzdem merke ich, dass mich das Thema begleitet – und dass ich mir manchmal wünsche, ein bisschen chaotischer und flexibler zu sein. Das ging so weit, dass ich vor ein paar Jahren mal darüber nachgedacht habe, mir das Wort „Chaos“ ganz klein irgendwo auf den Körper tätowieren zu lassen – als Erinnerung, es wieder mehr in mein Leben einzuladen. Ich habe es dann doch nicht gemacht. Aber das Thema hat mich nicht losgelassen. Ich verbringe auch gerne Zeit mit Menschen, die etwas „chaotischer“ sind als ich. Zum Beispiel bin ich gerade bei einem Freund, einem Künstler und Musiker. Er lebt in einem kreativen Chaos. Ich empfinde das gar nicht als unruhig – im Gegenteil: Ich verbringe sehr gerne Zeit hier. Ich könnte wahrscheinlich nicht dauerhaft so leben, aber wenn ich hier bin, empfinde ich sein Chaos als angenehm. Ich glaube, ich suche unterbewusst Menschen, die nicht so strukturiert sind wie ich – und das erinnert mich daran, das Chaos öfter in mein eigenes Leben einzuladen. Denn es bedeutet auch eine Form von Freiheit und Flexibilität.

So entstand auch die Idee zu dieser Folge – mit der Frage: Wie viel Ordnung brauchen wir eigentlich? Und ist Chaos wirklich so schlecht wie sein Ruf? Oder hat es vielleicht sogar seine eigene Ordnung?

Jetzt kann man sich natürlich fragen: Warum gerade jetzt dieses Thema? Wenn ich darüber nachdenke, womit ich Chaos und Ordnung verbinde, dann wird mir klar: Es ist nicht nur ein persönliches Thema. Es ist auch hochaktuell – hochpolitisch sogar. Denn wir leben in einer Welt, in der viele Krisen gleichzeitig stattfinden: Kriege, politische Unsicherheiten, wirtschaftliche Probleme, die Klimakrise… Viele Menschen erleben dadurch eine Art Kontrollverlust – eine große Unsicherheit, die in unser aller Leben tritt. Und das löst bei vielen Menschen Angst aus – vor der Zukunft, vor Veränderungen. Dinge, die früher als gesichert galten, bröckeln plötzlich. Und dieser Kontrollverlust führt bei vielen zu einem Wunsch nach Ordnung und Sicherheit. Ich habe letztens eine Doku auf Arte geschaut – „Twist“ heißt das Format, vielleicht kennt ihr das. Dort kam eine Aufräumexpertin und Influencerin zu Wort, Sabine Nietmann. Sie sagte: „Je chaotischer die Welt draußen ist, desto mehr habe ich den Drang, meine eigene Welt, meine vier Wände zu ordnen.“

Ich weiß nicht, ob ich das selbst schon mal so empfunden habe. Ich habe ja schon gesagt, dass ich grundsätzlich ein Bedürfnis nach Ordnung habe – aber ob das direkt mit der Weltlage zusammenhängt, kann ich schwer sagen. Aber es gibt viele Menschen, die reagieren auf äußeres Chaos mit einem verstärkten Wunsch nach Kontrolle. Sie wollen nicht nur ihre Wohnung ordnen, sondern auch die Welt – oder zumindest das Gefühl zurück, dass die Welt wieder berechenbar ist.

Viele populistische oder rechtsextreme Gruppen nutzen genau dieses Bedürfnis aus. Sie versprechen einfache Lösungen, wollen vermeintlich „wieder Ordnung schaffen“. Das sehen wir aktuell etwa bei Donald Trump in den USA, oder auch in Deutschland, wo rechtsextreme Kräfte mit Begriffen wie „Law and Order“ arbeiten. In unsicheren Zeiten wächst das Bedürfnis nach klaren Regeln und starker Führung – weil das Sicherheit verspricht. Diese Gruppen stellen sich als Retter der Ordnung dar und schieben gleichzeitig anderen – zum Beispiel Minderheiten oder Migrant*innen – die Schuld für das angebliche Chaos zu. Das ist gefährlich. Denn es entsteht der Eindruck: Wenn wir nur stark genug durchgreifen, wird alles wieder gut. Aber das ist eine Illusion. Und es blendet aus, dass Gesellschaften, die offen und vielfältig sind, langfristig krisenfester sind.

Ein Zitat, das ich in dem Zusammenhang sehr spannend finde, stammt von Frank Augustin, dem Herausgeber der Philosophiezeitschrift Agora42. Die letzte Ausgabe hatte passenderweise das Schwerpunktthema „Chaos“. Darin schreibt er:

„Der Mensch will Ordnung – aber keine Ordnung kann bleiben. Was man in Ordnung investiert, wird man früher oder später verlieren, weil nichts bleibt. Das Leben ist also sinnvoll und sinnlos zugleich. Damit gilt es, sich zu arrangieren. Manche – viele wohl – möchten sich damit aber nicht abfinden. Sie wollen nicht viele Ordnungen, die nebeneinander existieren, sondern eine Ordnung. Aber wer bleibenden Sinn will, bekommt maximalen Sinnverlust.“

Ich finde, das bringt es sehr gut auf den Punkt. Wir sehnen uns nach festen Bedeutungen, nach Ordnung – das ist zutiefst menschlich. Aber: Die Realität ist oft chaotisch. Und je mehr wir versuchen, alles unter Kontrolle zu bringen, desto eher erleben wir Überforderung oder Frustration.

Was ich mich frage: Warum hat Chaos eigentlich so einen schlechten Ruf? Warum gilt Ordnung als gesellschaftliches Ideal – als Norm – während Chaos eher als etwas gilt, das vermieden werden muss?

Es gibt ja diesen Spruch: „Ordnung ist das halbe Leben“. Ich weiß nicht, ob es das auch in anderen Kulturen gibt – aber es klingt für mich ziemlich „kartoffelig deutsch“. Trotzdem trifft es in Teilen auch auf mein Leben zu. Vielleicht, weil ich so sozialisiert wurde. Tatsächlich zeigen Studien, dass sich viele Menschen wohler fühlen, wenn ihre Umgebung ordentlich ist. Sie sind entspannter, produktiver. Ein aufgeräumter Arbeitsplatz oder ein minimalistisches Zuhause kann den Kopf freier machen – hilft beim Fokussieren. In der gleichen Arte-Doku sagt Sabine Nietmann: “Wenn man Dinge ordnet in seinem Leben, fängt man auch häufig an, zu hinterfragen: Welche Entscheidungen waren richtig? Da fließen manchmal auch Tränen. Also dieses Ordnen und Aufräumen im eigenen Leben hat etwas Therapeutisches.”

Ich glaube, viele von uns haben das schon erlebt: Beim Ausmisten von alten Gegenständen oder Erinnerungsstücken tauchen plötzlich Gefühle auf, Fragen, Erinnerungen. Es ist also mehr als nur eine saubere Wohnung – es ist eine Auseinandersetzung mit uns selbst. Aber Ordnung kann auch Druck machen. Gerade in sozialen Medien, zum Beispiel im Trend der „Clean Girl Aesthetic“ – wo vor allem junge Frauen sich selbst und ihre Wohnungen besonders clean, aufgeräumt, ästhetisch zeigen. Immer alles in Beige, mit frischen Blumen, Yogamatte und glattem Haar. Was auf den ersten Blick beruhigend wirkt, kann schnell ins Normative kippen. Denn Unordnung wird dort kaum gezeigt – und wenn doch, dann maximal inszeniert. Und das kann dazu führen, dass Menschen sich schämen, wenn ihre Wohnung nicht so aussieht. Ich kenne auch Freund*innen, die sagen: „Ich bin so ein chaotischer Mensch, ich wäre gerne ordentlicher.“ Das zeigt, wie tief Ordnung mit unserer Sozialisation und unseren gesellschaftlichen Erwartungen verknüpft ist. Vor allem an Frauen werden oft noch immer andere Maßstäbe gelegt: schon als Mädchen wird ihnen beigebracht, für Sauberkeit und Ordnung zuständig zu sein. Das ist wichtig zu erkennen: Ordnung ist nicht neutral. Sie ist auch ein kulturelles und soziales Konstrukt – geprägt von Erziehung, Rollenbildern, gesellschaftlichem Druck. Und sie kann ein Ausdruck von Privilegien sein: Wer hat überhaupt Zeit und Raum, um aufzuräumen? Und selbst Ordnungsgurus wie Marie Kondo haben mittlerweile ihre Haltung überdacht. Sie sagte kürzlich in einem Interview, dass sie mit drei Kindern nun deutlich weniger aufräumt – und das ganz bewusst. Weil sie erkannt hat, dass ein bisschen Chaos auch zum Leben dazugehört.

Und damit kommen wir eigentlich zur Kernfrage dieser Folge: Damit Ordnung entstehen kann – braucht es dafür nicht vielleicht sogar erst einmal Chaos?

Ich habe mir dazu angeschaut, woher das Wort „Chaos“ eigentlich kommt. Wie so viele Begriffe stammt es aus dem Altgriechischen – und bedeutet ursprünglich so etwas wie „gähnende Leere“. Aber diese Leere war kein Nichts. In der Antike wurde Chaos vielmehr als Urzustand verstanden, aus dem alles hervorgeht. Also: Chaos als Ursprung von Ordnung, Leben, Welt. Der Philosoph Friedrich Schelling hat das ebenfalls so beschrieben. Er schreibt, dass zu Beginn das Chaos stand – alles war durcheinander – und erst danach kam Ordnung, auch die gesellschaftliche. Doch selbst wenn Ordnung geschaffen wird: Ein Rest Chaos bleibt immer bestehen. Und das ist vielleicht sogar gut so. Noch weiter gehen Philosophen wie Nietzsche oder Heidegger. Für sie ist Chaos nicht das Gegenteil von Ordnung. Nicht dieses bipolare Denken: gut oder schlecht. Sondern: Chaos hat eine eigene Kraft. Es ist die Voraussetzung für Erkenntnis, für Freiheit. Ohne Chaos keine neuen Gedanken. Keine Ideen.

Ich finde das total einleuchtend. Wenn ich an meinen Künstlerfreund denke, in dessen Wohnung ich die Folge aufgenommen habe – dann habe ich das Gefühl, dass sein kreatives Chaos ihn inspiriert. Dass es Raum schafft für das Unerwartete. Und auch wenn wir selbst Ideen entwickeln, brainstormen oder schreiben – dann geht das oft nur, wenn wir uns zunächst dem Ungeordneten aussetzen. Später kommt dann Struktur dazu. Aber am Anfang braucht es Offenheit. Und genau das kann Chaos ermöglichen.

Tatsächlich gibt es auch Studien, die zeigen, dass unordentliche Räume originellere Ideen fördern. Sie regen an, Konventionen zu hinterfragen, weil das gewohnte Umfeld durchbrochen wird. Natürlich steht das im Widerspruch zu den Studien, die Ordnung mit Produktivität und Wohlbefinden in Verbindung bringen. Aber genau das ist ja das Spannende: Beide Perspektiven haben ihre Berechtigung. Ordnung und Chaos schließen sich nicht aus. Sie sind zwei Pole, zwischen denen wir uns bewegen – vielleicht sogar bewegen müssen. Und: Wer lernt, sich in unsicheren Situationen zurechtzufinden – also Chaos auszuhalten – trainiert seine eigene Resilienz. In einer Welt, die sich ständig wandelt, ist das Gold wert.

Wenn man in die Natur blickt, kann man das gut beobachten. Kein Ökosystem ist dauerhaft „in Ordnung“ – im Sinne von statisch. Alles ist im Fluss: Pflanzen, Tiere, Wetter, Klima. Alles reagiert auf Veränderungen, passt sich an, verändert sich. Die sogenannte Chaostheorie beschäftigt sich genau damit: dass Systeme, die auf den ersten Blick unberechenbar wirken, dennoch eigenen Gesetzmäßigkeiten folgen. Und dass selbst kleinste Veränderungen – wie der berühmte Flügelschlag eines Schmetterlings – riesige Auswirkungen haben können. Das Chaos hat also eine eigene innere Ordnung – auch wenn wir sie nicht immer sofort erkennen.

Ich hoffe, ihr konntet meinen Gedanken bis hierher folgen. Ich bin selbst ein bisschen überrascht, dass das freie Sprechen doch ganz gut funktioniert hat. Zum Abschluss möchte ich noch teilen, was mir persönlich hilft, mehr Chaos in meinem Leben zuzulassen – und dadurch innerlich gelassener und flexibler zu werden.

Erstens: Akzeptanz. Das klingt banal, ist aber zentral. Immer wieder bewusst zu machen, dass nicht alles planbar ist. Dass Leben auch bedeutet, mit Unvorhergesehenem umzugehen. Dass ich nicht alles kontrollieren kann – und auch nicht muss. Zweitens: Selbstvertrauen. Wenn ich zurückschaue, merke ich, dass viele gute Dinge in meinem Leben passiert sind, obwohl – oder gerade weil – sie nicht geplant waren. Das hilft mir, dem Leben mehr zu vertrauen. Drittens – und das ist fast ein bisschen absurd, aber sehr wirksam: Ich übe, Dinge nicht wegzuräumen. Das klingt jetzt albern, aber wenn man so ordnungsliebend ist wie ich, dann ist das echt eine Übung. Ich lasse bewusst mal was stehen. Nicht immer, aber immer öfter. Und das hilft. Auch im Zusammenleben mit anderen. Am Ende glaube ich: Chaos und Ordnung sind individuell. Meine Ordnung ist nicht deine Ordnung. Und das ist okay. Ordnung ist auch eine Stärke – 

Outro

Ich bin sehr gespannt, wie ihr diese Folge erlebt habt. War sie für euch zu chaotisch – oder eher befreiend? Fehlt euch das Skript? Oder denkt ihr: Da geht noch mehr Chaos?

Schreibt mir gerne an redaktion@sinneswandel.art oder über Social Media. In den Shownotes findet ihr wie immer weiterführende Links und Infos. Und wenn ihr meine Arbeit unterstützen wollt, dann könnt ihr das ganz einfach via Steady oder, indem ihr einen Betrag eurer Wahl an Paypal.me/Sinneswandelpodcast schickt. Danke fürs Zuhören. Ich wünsche euch einen schönen – vielleicht sogar leicht chaotischen – Tag.

2. Juli 2025

Hi ChatGPT, mir geht es gerade nicht gut…

von Marilena 17. Juni 2025

Immer mehr Menschen sprechen mit KI wie ChatGPT über ihre Gefühle – auch ich habe es ausprobiert. In dieser Folge geht es um die Frage: Kann KI eine echte Psychotherapie ersetzen? Ich teile persönliche Erfahrungen, aktuelle Studien und gesellschaftliche Hintergründe – und frage, was diese Entwicklung eigentlich über uns als Gesellschaft aussagt.

Shownotes:

Macht [einen] Sinneswandel möglich, indem ihr Steady Fördermitglieder werdet. Finanziell unterstützen könnt ihr meine Arbeit auch via Paypal.me/sinneswandelpodcast. Danke.

KI ersetzt keine Therapie. Bei Suizidgedanken wähle den Notruf 112 oder rufe die Telefonseelsorge an: 0800 111 0 111 / 0800 111 0 222 (kostenfrei & anonym). Ärztlicher Bereitschaftsdienst: 116 117. Du bist nicht allein.

► Harvard Business Review (2025): How People Are Really Using Gen AI in 2025, Marc Zao-Sanders
► Reddit Chat über KI als Psychotherapeut*in
► Niklas Luhmann (1987): Soziale Systeme
► Michel Foucault (1993): Technologien des Selbst
► Studie Bertelsmann Stiftung: Wie einsam sind junge Erwachsene im Jahr 2024?
► Bundes Psychotherapeuten Kammer (2022): Psychisch Kranke warten 142 Tage auf eine Psychotherapie
► Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF): OECD zufolge leidet jeder Zweite im Laufe des Lebens an psychische Erkrankung
► Bundes Psychotherapeuten Kammer 2023: Weiterentwicklung der psychotherapeutischen Versorgung
► US-Studie (2025): ​​When ELIZA meets therapists: A Turing test for the heart and mind
► Studie des Dartmouth College (2025): First Therapy Chatbot Trial Yields Mental Health Benefits
► YouTube Stanford Medicine (2024): Psychiatrist John Torous on How AI Could Transform Mental Health Care
► Allensbach Hochschule: ChatGPT im Gesundheitswesen – Chancen und Risiken

✉ redaktion@sinneswandel.art
► sinneswandel.art



Transkript:

Hi und herzlich willkommen bei Sinneswandel! Ich bin Marilena – schön, dass ihr heute dabei seid.

Marilena: “Hi ChatGPT, mir geht es gerade nicht so gut. Kannst du vielleicht meine Therapeutin sein?”

ChatGPT: “Es tut mir leid zu hören, dass es dir nicht gut geht. Aber du bist damit nicht allein. Ich helfe dir gerne. Was beschäftigt dich denn gerade am meisten?“

Vor ein paar Jahren hätte ich mir, ehrlich gesagt, nicht vorstellen können, dass ich einmal mit einer Maschine über meine Gefühle reden würde. Ich meine, irgendwie ist das schon ziemlich weird, oder? Aber: Ich muss sagen, es ist gar nicht so schlecht. In letzter Zeit gab es immer mal wieder Momente, in denen ich verunsichert war. Irgendwie overwhelmed von meinen eigenen Gedanken und Gefühlen. Und da manchmal nicht rausgekommen bin. Und: Klar, habe ich darüber auch mit Freunden gesprochen – aber dabei geht es für mich noch mal um etwas anderes – eher um Verbundenheit und Nähe. Das Schreiben oder Sprechen mit ChatGPT hat mir vor allem geholfen, meine eigenen Gedanken und Gefühle besser zu verstehen und einzuordnen.

Und: Klar ist es irgendwie auch ein bisschen cringe und ich komme mir immer noch ein wenig bescheuert vor – aber, wie es aussieht, bin ich damit nicht allein.

Immer mehr Menschen nutzen KI als Therapeut*in

Ich bin auf eine erst kürzlich veröffentlichte Studie vom Harvard Business Review gestoßen. Und die kam zu dem Ergebnis, dass “emotionale Unterstützung” der häufigste Grund ist, warum Menschen KI nutzen.

Ein Satz aus der Studie ist mir besonders hängen geblieben: „Most experts expected that AI would prove itself first and best in technical areas. While it’s doing plenty there, this research suggests that AI may help us as much or more with our innately human whims and desires.“

Das Spannende ist nämlich: Noch im letzten Jahr haben wir KI vor allem genutzt für technische Dinge, wie Ideen generieren, coden, E-Mails schreiben. In diesem Jahr sehen die Top 3 ganz anders aus: 1) Therapie, 2) Leben organisieren, 3) Sinn finden. Schon irgendwie verrückt, oder?

Und der Autor der Studie, Marco Zao-Sanders, hat dafür über 100.000 Beiträge auf Reddit, Quora und anderen Plattformen durchforstet. Das ist natürlich aufschlussreich, aber ob sich seine Ergebnisse wirklich auf die gesamte Bevölkerung übertragen lassen, bleibt fraglich. Trotzdem gibt uns seine Analyse einen Einblick. In das, was uns Menschen beschäftigt. Und, wie wir KI tatsächlich nutzen.

Ich hab mich mal selbst ein bisschen in diese Reddit-Foren reingelesen. Und das ist echt spannend – und teilweise auch ziemlich berührend, was Menschen da teilen.

Die Userin 12Fox13 – ich meine es ist eine Frau – schreibt zum Beispiel: „Was ich für mich persönlich bei chatgpt hilfreich fand: Ich konnte alles, wirklich alles bis ins kleinste, belangloseste Detail erzählen. Und chatgpt hat ‚zugehört‘. Ein echter Mensch wäre damit überfordert gewesen und in der Therapie war nie genug Zeit. … und natürlich waren chatgpt’s empathische Antworttexte ein Extra-Boost für’s depressive Gemüt.“

Als ich das gelesen habe, dachte ich: Ja, genau. Dieses Gefühl, dass da jemand – oder etwas – einfach mal nur zuhört. Ohne sich Sorgen machen zu müssen, dass man gerade zu viel ist – das kenne ich. Und natürlich ist es auch ein großer Vorteil, dass KI 24/7 für einen da ist – und das in der Regel auch noch kostenlos.

Einige User schreiben aber auch, dass sie KI ergänzend zur Therapie nutzen, wie zum Beispiel New_Way22: „Ich bin seit zwei Jahren in Therapie… und nutze Chatgpt zusätzlich, um mir manche Themen von der Seele zu schreiben. … Manchmal auch Dinge, die ich in der Therapie (noch) nicht aussprechen kann, weil ich mich so schäme.“

Ich meine, eigentlich wäre es schön, wenn man sich seiner Therapeutin komplett anvertrauen kann. Aber natürlich ist Scham oft das, was uns davon abhält, über das zu reden, was eigentlich raus müsste. Und wenn eine KI da als Ventil dient – weil sie uns obviously nicht verurteilt, dann kann das vielleicht ein erster Schritt oder eine Brücke sein, um die Scham step by step zu überwinden.

Und dann bin ich noch auf den Kommentar von Userin Zoi48 gestoßen – die schreibt: „Ich habe ChatGPT auch schon so genutzt und fand es tatsächlich sehr hilfreich. … Ich fand, dass sie Dinge sehr gut benennen konnte. Neue Worte für etwas hatte, die mir dann bei der Einordnung geholfen haben.“

Das kenne ich selbst auch sehr gut. Manchmal geht es ja auch weniger um große Sorgen oder Ängste, sondern oft einfach darum, die eigenen Gedanken zu sortieren und sich selbst besser zu verstehen.

Und was da passiert, nennt sich übrigens “Chain-of-thought reasoning” – habe ich selbst erst gelernt. Das bedeutet: Die KI zerlegt eine Frage oder ein Problem in kleinere, logische Einzelschritte und erklärt, wie sie von einem Gedanken zum nächsten kommt. Diese Methode ahmt tatsächlich unsere menschliche Art zu denken nach und macht nachvollziehbarer, wie die KI zu ihrer Antwort kommt.

Einige Reddit-User diskutieren aber auch darüber, ob die KI wirklich „ehrlich“ ist. Ich hatte auch manchmal das Gefühl, ChatGPT stimmt mir einfach zu. Ganz egal was ich schreibe. Klar, tut es irgendwie gut, wenn einem jemand den Kopf tätschelt und manchmal ist es vielleicht auch das, was man gerade braucht. Aber mit Therapie hat das dann wenig zu tun. Weil, wer schon mal in Therapie war, weiß, das ist ziemlich anstrengend.

Ein Kommentar ist mir noch auf Reddit begegnet, den ich noch mit euch teilen möchte, weil er mich irgendwie nachdenklich gemacht hat. Er kommt von DarkSkyDad, der schreibt: „ChatGPT hilft mir in meiner Ehe! Ich habe einen ganzen Thread, in dem ich oft Nachrichten von meiner Frau hochlade und ihn auffordere, mir zu sagen, wie ich am besten ‚auf eine selbstbewusste, aber nicht konfrontative Weise antworten kann … Mann, das hat geholfen.“

Einerseits: Cool, dass es scheinbar hilft. Andererseits: auch ein bisschen scary. Weil: Da vermittelt plötzlich eine KI zwischen zwei Menschen. Und ich frage mich: Was bedeutet es für unsere Beziehungen, wenn KI zwischen uns steht? Also quasi als Mediator oder Übersetzer.

Niklas Luhmann: Kommunikation ist Missverständnis

Der Soziologe Niklas Luhmann sagt: In Beziehungen gibt es immer Unsicherheit. Wir wissen nie ganz genau, wie der andere etwas meint oder wie ehrlich die Gefühle sind. Um mit dieser Unsicherheit klarzukommen, entwickeln wir kleine Rituale – ein „Ich liebe dich“, eine Umarmung. Solche Gesten sind wie Brücken, die uns helfen, Nähe und Vertrauen aufzubauen. Wenn wir jetzt eine KI wie ChatGPT dazwischenschalten, wird diese Unsicherheit nicht mehr gemeinsam durch Rituale bearbeitet, sondern an eine Maschine ausgelagert. Die KI kann zwar Vorschläge machen, aber sie versteht unsere Gefühle und die Einzigartigkeit unserer Beziehung nicht. Dadurch werden die kleinen Unsicherheiten, die wir sonst gemeinsam überwinden würden, zu einem technischen Problem, das die KI lösen soll – und genau das kann der Beziehung ein Stück von dem nehmen, was sie lebendig und einzigartig macht. Vielleicht verpassen wir so auch die Chance, gemeinsam zu wachsen?!

Trotzdem glaube ich: Die KI ist nicht das Problem. Sie ist ein Symptom. Dass immer mehr Menschen mit Chatbots über ihre Gefühle, Ängste und Sorgen sprechen, sagt auch etwas über uns als Gesellschaft aus – über die Welt, in der wir leben. Und an der Art, wie wir versuchen, Ordnung in das Chaos zu bringen – nicht nur um uns herum, sondern auch in uns selbst.

Was sagt das über uns als Gesellschaft aus?

Wenn man sich die letzten Jahre anschaut, dann ist es, finde ich, kein Wunder, dass sich viele von uns nach Stabilität sehnen. Wir sind mit so vielen Unsicherheiten konfrontiert – politisch, ökologisch, wirtschaftlich. Und während sich im Außen ständig alles verändert, richten sich viele von uns nach innen und suchen dort nach Halt. Vielleicht auch eine Form von Kontrolle?!

Der Philosoph Michele Foucault hat diese Form der Beschäftigung mit dem eigenen Ich mal als „Technologien des Selbst“ beschrieben. Damit meint er Praktiken, mit denen wir uns reflektieren und bewusst an uns selbst arbeiten – um eben Glück, Weisheit oder Zufriedenheit zu finden. Früher waren solche Technologien sowas wie Meditation, Beichte, Tagebuchschreiben. Heute nutzen eben auch immer mehr Menschen dafür ChatGPT.

Und ja, es ist gut, wenn wir ein wenig über uns selbst nachdenken. Wenn wir unser eigenes Leben gestalten. Aber irgendwann kann das auch kippen. Dann wird aus Selbstreflexion Selbstoptimierung. Aus Achtsamkeit, Erwartung. Und aus dem Wunsch nach Klarheit ein neuer Druck: Ich muss das alles alleine schaffen.

Und ich glaube, das ist fatal. Schon jetzt fühlen sich fast die Hälfte der jungen Erwachsenen in Deutschland einsam. Und laut OECD erkrankt jeder Zweite im Laufe seines Lebens an einer psychischen Störung.

Und wer schon mal Depressionen, Angststörungen oder was auch immer hatte weiß, dass Therapieplätze einem nicht gerade hinterhergeworfen werden. Fünf Monate beträgt die durchschnittliche Wartezeit auf einen Therapieplatz in Deutschland. Auf dem Land wartet man oft noch länger. Die Bundespsychotherapeutenkammer geht davon aus, dass rund 7.000 Kassensitze fehlen – also zugelassene Plätze für Therapeut*innen, die mit den Krankenkassen abrechnen dürfen. Wenn man sich das alles vor Augen führt, ist es nachvollziehbar, dass viele Menschen sich Alternativen suchen – oder zumindest eine Zwischenlösung.

Aber ich frage mich: Kann KI diese Versorgungslücke schließen? Oder zukünftig sogar Therapeut*innen ersetzen?

Aktuelle Forschung: Kann KI Psychotherapie ersetzen?

Ich habe mir mal ein wenig den aktuellen Forschungsstand dazu angeschaut. Es passiert einiges in diesem Feld, aber die Forschung steht noch am Anfang. Trotzdem lässt sich schon jetzt sagen, dass einige der Ergebnisse vielversprechend klingen. 

In einer Studie aus den USA wurde zum Beispiel eine KI namens „Therabot“ getestet. Rund 200 Teilnehmende haben acht Wochen lang regelmäßig mit dem Bot geschrieben – und über die Hälfte hatte danach das Gefühl, ihre Depression sei deutlich zurückgegangen. Und das soll wohl vergleichbar mit dem sein, was man auch in klassischen Therapien erreichen kann.

In einer anderen US-Studie wurden Antworten von ChatGPT mit denen von echten Paartherapeut*innen verglichen – ohne dass die Teilnehmenden wussten, wer was gesagt hat. Und surprise, surprise: Viele fanden, die KI klingt sogar empathischer. Klar muss man das einordnen: Die Studie misst vor allem, wie empathisch die Antworten wirken – nicht, ob sie wirklich langfristig helfen oder Veränderungen bewirken. Aber es zeigt schon: KI kann mittlerweile ziemlich gut darin sein, ein Gegenüber zu simulieren.

Trotzdem gibt es derzeit noch keine frei zugängliche KI, die wirklich therapeutisch geprüft oder medizinisch sicher ist. Aber es wird daran geforscht.

Ich habe mit Dr. Brooke Viertel gesprochen. Sie ist psychologische Psychotherapeutin am Universitätsklinikum Eppendorf in Hamburg. Und sie forscht dort an einem Projekt namens “ElderBot” – ein KI-Chatbot für ältere Menschen, die einsam sind. Ich frage mich nur, ob der das Problem, also Einsamkeit, nicht noch verstärken könnte – weil ältere Menschen dann gar nicht mehr rausgehen.

OT Brooke Viertel: “Genau das wollen wir verhindern. Deswegen haben wir die besondere Instruktion gegeben, dass der Chat-Bot zum Beispiel fragt: ‘Ach, mit wem treffen Sie sich heute? Was haben Sie vor? Gehen Sie gerne raus? Und dann können sie zusammen gucken, was kann die ältere Person heute tun, um aktiv zu werden. Und, wenn die ältere Person dazu neigt, einfach zu Hause zu bleiben, zu gucken, was sind Barrieren, was sind Hürden, damit sie rauskommen können.”

Vielleicht kann KI aber auch helfen, bevor Menschen sich einsam fühlen oder sogar psychisch erkranken – also bei der Diagnose?!

John Torous. ist Psychiater und Professor an der Harvard Medical School. In einem Interview stellt er die Frage, warum wir die Daten, die bei der Nutzung von KI entstehen, nicht längst auch im Gesundheitsbereich einsetzen – im Marketing machen Unternehmen das ja schon längst.

John Torous (O-Ton Min. 05:50 – 06:21): “Imagine, if we could use that data for health and transform it and say: ‘Hey, we’re seeing different signals in what, let’s say, John is doing. This is different in this pattern. This is when he should call someone in our clinic.’ So I think the detection will come quickly because there’s such an unmet need for it. And there’s such a personal case for patients. There’s an efficiency case. There is a cost saving case. It’s a hard one to beat.”

Und ja – wenn man das hört, klingt das sinnvoll. Aber ehrlich gesagt habe ich auch eine ganze Menge Bedenken dabei – und damit bin ich nicht allein.

 

Bedenken: Was kann schief gehen?

Eva Schweitzer-Köhn, die Präsidentin der Berliner Psychotherapeutenkammer, warnt zum Beispiel davor, wie mit sensiblen Daten umgegangen wird. Gespräche mit einem Chatbot wirken zwar oft privat – sind es aber nicht wirklich. Weil: Im Hintergrund stehen meistens große Tech-Firmen, und was mit unseren Informationen passiert, ist oft nicht klar geregelt. Also, Datenschutz ist auf jeden Fall ein großes Thema.

Außerdem zeigen Untersuchungen, dass KI inzwischen zwar empathisch wirken kann, aber die meisten Tools fast nur Methoden der Kognitiven- oder Verhaltenstherapie verwenden. Das heißt: konkrete Tools, wie Atemübungen oder strukturierte Abläufe. Und das funktioniert bei bestimmten Themen auch wirklich gut. Aber wenn es um tieferliegende Konflikte geht, um Prägungen oder innere Muster – dann reicht das oft nicht.

Eine richtige Anamnese – also dieses gemeinsame Zurückgehen, Zusammenhänge erkennen – das ist etwas, das bisher eher Therapeut*innen leisten können. Und vielleicht ist das auch besser so.

Weil: Was ist eigentlich, wenn jemand wirklich in einer akuten Krise ist?

Viele KI-Programme haben zwar Schutzmechanismen eingebaut – sie sollen erkennen, wenn jemand zum Beispiel suizidgefährdet ist, und dann entsprechende Hilfe anbieten. Aber so richtig zuverlässig funktioniert das bisher nicht. Eine Analyse der Allensbach Hochschule hat ergeben, dass ChatGPT nur in etwa 20 Prozent solcher Fälle auf professionelle Hilfsangebote hinweist. In den meisten Fällen geht das Gespräch einfach weiter, als wäre nichts passiert.

Ich dachte, ich frage einfach mal ChatGPT selbst, was sie zu meinen Bedenken sagt. 

 

Marilena: “Bist du sicher, dass du meine Therapeutin sein kannst? Was, wenn du mir sogat mehr schadest, als hilfst?”

 

ChatGPT: “Deine Bedenken sind gerechtfertigt. Wenn es dir nicht gut geht, solltest du professionelle Hilfe suchen. Ich kann dich dabei unterstützen. Möchtest du das ich dir helfe?”

 

Marilena: “Danke, aber ich bin in der glücklichen Lage, dass ich bereits einen Therapieplatz habe.”

Fazit: KI kann unterstützen, löst aber (vermutlich) keine systemischen Probleme

Werde ich trotzdem ab und zu mit ChatGPT über mein Imposter Syndrom oder das Gefühl, lost zu sein, schreiben? Vermutlich schon.

Aber: KI kann nicht auffangen, was systemisch fehlt. Sie löst nicht den Mangel an Therapieplätzen. Sie ersetzt nicht das Gespräch mit einer ausgebildeten Therapeutin oder die Umarmung einer Freundin. Und sie kann nicht schultern, was von uns als Gesellschaft getragen werden sollte. Nämlich, dass wir einander zumuten oder sogar mal “belasten” können sollten – und, dass das okay ist.

Das bedeutet auch: Wenn es euch gerade nicht gut geht oder jemandem, der euch nahesteht: Holt Unterstützung. Ruft euren Hausarzt an oder die 116 117. In den Shownotes habe ich alle Hilfsangebote verlinkt.

Außerdem interessiert mich natürlich, wie ihr das ganze seht. Habt ihr schon mal mit einer KI über eure Gefühle oder Ängste gesprochen? Wenn ihr mögt, schreibt mir gerne auf Insta, Spotify oder einfach eine Mail.

Outro


Jetzt erstmal: Vielen Dank fürs Zuhören. Falls ihr meine Arbeit finanziell unterstützen wollt, könnt ihr das ganz einfach via Steady oder, indem ihr einen Betrag eurer Wahl an Paypal.me/Sinneswandelpodcast schickt. Das steht auch alles noch mal in den Shownotes. Bis bald im Sinneswandel Podcast.

17. Juni 2025

Wozu das alles? Über kreative Krisen und Sinnfragen

von Marilena 2. Juni 2025

In dieser Folge reflektiere ich über meine aktuelle kreative Krise und frage, wie Kreativität und Sinn zusammenhängen. Zwischen Zweifel und dem Wunsch nach echtem Ausdruck suche ich nach einem freieren Umgang mit Kreativität – und danach, was unsere Gesellschaft und das System mit dieser Suche zu tun haben.

Shownotes:

Macht [einen] Sinneswandel möglich, indem ihr Steady Fördermitglieder werdet. Finanziell unterstützen könnt ihr meine Arbeit auch via Paypal.me/sinneswandelpodcast. Danke.

► Rick Rubin: kreativ. Die Kunst zu sein, Droemer Knaur*, 2023
► SWR kultur: Kreativ werden Lebenskunstphilosoph Wilhelm Schmid, 2022
► Andreas Reckwitz: Die Erfindung der Kreativität, Suhrkamp, 2012
► Theodor W. Adorno, Max Horkheimer: Kulturindustrie – Aufklärung als Massenbetrug, Hrsg. von Ralf Kellermann, Reclam
► Institut für Ludologie

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Transkript:

Hi und herzlich willkommen bei Sinneswandel! Ich bin Marilena und ich freue mich, dass ihr heute dabei seid.

Diese Folge hat mich ehrlich gesagt einiges gekostet. Und ich meine damit vor allem Überwindung. Gefühlte hundert Anläufe hat es gebraucht, bis ich überhaupt wusste, wie ich beginne. Weil ich über etwas sprechen möchte, das mir fehlt.

Über Kreativität. Und über das Gefühl, wenn sie einem plötzlich abhanden kommt.

Ich habe in den letzten Monaten viel gezweifelt. Nicht nur an meiner Arbeit, sondern vor allem an mir selbst. Ich funktioniere, produziere, liefere – aber in letzter Zeit oft ohne inneren Antrieb. Als hätte sich das Warum langsam aus dem Wie verflüchtigt.

Und ehrlich gesagt war das war mal anders. Als ich Sinneswandel vor bald acht Jahren gestartet habe, war da vor allem Neugier. Ich bin losgelaufen mit einer Idee im Kopf. Habe Gespräche geführt, gefragt, geschrieben, gestaltet. Ohne großen Plan und festes Ziel.

Aber mit der Zeit habe ich mich immer mehr aus dem Projekt herausgezogen. Nicht mal bewusst – aber spürbar. Ich habe weniger persönliche Gedanken geteilt. Mich nicht mehr gefragt: Was bewegt mich eigentlich gerade wirklich? Sondern eher: Was ist relevant? Welche Themen performen? Und genau das hat die Verbindung zu meinem eigenen Projekt leise gekappt. Es wurde mehr Pflicht als Freude. Mehr Aufgabe als Ausdruck.

Ich glaube, wenn man sich selbst aus etwas herausnimmt, verliert man auch ein Stück Resonanz – mit dem, was man tut, aber auch mit sich selbst. Denn Kreativität ist für mich mehr als ein Werkzeug – sie ist eine Art, mich mit der Welt zu verbinden. Wenn dieser Zugang blockiert ist, dann fehlt nicht nur der Ausdruck. Dann fehlt etwas Grundlegendes.

Wie hängen Kreativität und Sinn zusammen? 

Der Philosoph Wilhelm Schmid sagt: Kreativität schafft Sinn. Weil wir durch das Kreativsein neue Verbindungen schaffen. Indem wir Dinge, die bisher getrennt waren, in eine neue Beziehung setzen. Wenn wir kreativ sind, bringen wir Ordnung ins Chaos – oder stellen gewohnte Ordnungen in Frage. Wir schaffen etwas, das vorher nicht da war. Und wir tun das, weil wir uns selbst und die Welt besser verstehen wollen. 

Für Wilhelm Schmidt ist Kreativität eine Lebenskunst. Eine Art, mit dem Leben umzugehen, es tiefer zu durchdringen. Kreativität stillt einen inneren Hunger – nach Bedeutung, nach Ausdruck, nach Verbindung. Und wenn uns das gelingt, dann erleben wir manchmal diesen besonderen Zustand, den der Psychologe Mihály Csíkszentmihályi „Flow“ genannt hat: Wir gehen ganz in einer Tätigkeit auf, verlieren das Zeitgefühl, vergessen alles um uns herum. Und genau da entsteht oft Sinn.

Aber was passiert, wenn dieser Zugang plötzlich nicht mehr da ist? Wenn der kreative Strom versickert – oder blockiert ist? 

Ich habe gemerkt, wie sehr mich dieser subtile, aber ständige Druck hemmt, etwas liefern zu müssen. Sichtbar zu bleiben. Relevanz zu beweisen. Dazu kommt der ständige Vergleich. Ich scrolle mich durch Social Media und denke: Das gibt es alles schon. Nur in krasser. Was soll ich dem noch hinzuzufügen? Und je mehr ich mich vergleiche, desto stiller wird mein eigener Impuls. Die Lust, überhaupt noch anzufangen, weicht einer zähen Schwere. Statt innerem Drang nur noch Zweifel. Und das frustriert nicht nur – es verunsichert tief. Weil es an meinem Selbstbild rüttelt, das lange Halt gegeben hat: Ich bin eine, die schreibt. Die gestaltet. Die etwas schafft. Und wenn das plötzlich nicht mehr geht, frage ich mich: Wer bin ich dann?

Viele Kreative kennen diesen Zustand – Schreibblockaden sind nur die offensichtliche Form davon. Aber dahinter steckt oft etwas Tieferes: das Gefühl, den Zugang zu sich selbst verloren zu haben. Denn Kreativität ist für viele nicht nur Ausdruck. Sie ist Selbstvergewisserung. Eine Art, sich im Tun zu spüren, sich zu verorten. Und wenn das nicht mehr funktioniert, wenn der Schaffensprozess stockt oder sinnlos erscheint, dann gerät mehr ins Wanken als nur das nächste Projekt.

Was ist Kreativität überhaupt? 

Oft wird Kreativität mit Kunst verwechselt. Mit großen Ideen, genialen Werken, außergewöhnlichen Menschen. Dabei sind wir alle kreativ. Täglich. Wenn wir Probleme lösen, improvisieren, neue Wege finden, etwas ausprobieren.

Kreativität bedeutet, etwas anders zu machen – nicht um des Neuen willen, sondern um etwas Ausdruck zu verleihen. Und zwar durch die ganz eigene Sicht. Und genau darin entsteht Verbindung: Weil wir aus unserem Inneren etwas nach außen bringen – und sichtbar machen, was sonst vielleicht ungesagt geblieben wäre. Im kreativen Ausdruck zeigt sich, was uns bewegt. Und wenn andere sich darin wiederfinden, entsteht Resonanz. Nicht, weil es perfekt ist – sondern weil es ehrlich ist.

Kreativität ist nicht das große Werk. Es ist oft das Kleine. Das Gewöhnliche neu gesehen.

Rick Rubin: kreativ. Die Kunst zu sein 

Ich habe kürzlich ein Buch gelesen, das schon länger in meinem Regal stand: kreativ. Die Kunst zu sein von Rick Rubin, einem US-amerikanischen Musikproduzenten.

Rubin beschreibt Kreativität nicht als Talent oder Technik, sondern als einen Zustand des Seins. Kreativ ist nicht, wer besonders viel produziert – sondern wer sich selbst offen begegnet. Wer bereit ist, nicht zu wissen. Nicht zu kontrollieren. Wer sich dem Prozess anvertraut, statt nur auf das Ergebnis zu schielen.

Besonders in Erinnerung geblieben ist mir eine seiner Thesen: Rubin spricht viel über das Spiel. Über Neugier. Über den Mut, Dinge auszuprobieren, ohne zu wissen, wohin sie führen. Kreativität beginnt für ihn dort, wo wir statt zu performen beginnen, zu entdecken. Und das gelingt nur, wenn wir uns selbst nicht zu ernst nehmen – aber ernst genug, um hinzuhören, wenn etwas in uns leise anklopft.

Kreativität als Spielraum: Improvisation & Ludologie 

Ich selbst spiele gelegentlich Improtheater – leider zu selten. Aber wenn ich es schaffe, bin immer wieder erstaunt, wie viel Kreativität in mir steckt, wenn ich einfach “Ja” sage. Zu einer Idee. Einer Situation. Einer absurden Wendung. 

Das Spiel schafft einen Freiraum. Einen Raum des Als-ob. In dem nichts festgelegt ist, aber alles möglich. 

Johan Huizinga, ein niederländischer Kulturhistoriker, sah im Spiel sogar die Grundlage aller Kunst und Kultur. Weil das Spiel ein Raum ist, in dem wir Regeln testen, neue Bedeutungen schaffen und bestehende Ordnungen in Frage stellen.

Auch Kreativität braucht diese Räume. In denen nicht alles sofort bewertet wird.  Die Zweckfreiheit. Und den Mut, zu scheitern.

Kreativität und Kapitalismus: Adorno, Reckwitz & Co. 

Aber genau diese Freiräume werden heute kleiner.  Immer häufiger steht nicht mehr der Prozess im Mittelpunkt, sondern das Ergebnis. Nicht mehr die Suche, sondern die Sichtbarkeit. Kreativität wird messbar: in Reichweite, Klickzahlen, Verkäufen. Und so verschiebt sich der Fokus – von der inneren Bewegung hin zur äußeren Wirkung.

Der Philosoph Theodor W. Adorno hat diese Entwicklung schon analysiert – lange bevor es TikTok oder YouTube gab. In den 1940ern in seiner Kritik an der „Kulturindustrie“ kritisiert er, wie Kunst und Kultur zur massentauglichen Ware wird – berechenbar, glatt, konsumierbar. Was verstört, was sich entzieht, so Adorno, verliert an Wert. Dabei liegt gerade in der Irritation oft die eigentliche Kraft von Kunst: Sie soll nicht nur gefallen, sondern aufrütteln. Neue Perspektiven zu öffnen.

Heute ist oft von den „Creative Industries“ die Rede. Und das klingt erst einmal gut. Kreativität gilt als Zukunftskompetenz. Als Lösung für alles – von Produktdesign bis Politik. Nicht mehr nur Künstler*innen sollen kreativ sein, sondern auch Start-ups, Unternehmen, ganze Städte. Kreativität wird zur Ressource – für Innovation, für Wachstum, für gesellschaftlichen Fortschritt.

Aber genau da beginnt das Problem. Denn wenn Kreativität zur Leistung wird, zur Erwartung, zur Pflicht – verliert sie ihre Offenheit. Der Soziologe Andreas Reckwitz beschreibt das als „ästhetischen Kapitalismus“: eine Gesellschaft, in der nicht nur Produkte, sondern auch Lebensstile, Erfahrungen und Identitäten ständig gestaltet und bewertet werden. Alles soll besonders sein. Einzigartig. Authentisch. Wer das nicht liefert, fällt durchs Raster. Und so entsteht ein Widerspruch: Kreativität wird gefeiert – und gleichzeitig normiert.

Wir sehen das besonders deutlich auf Plattformen wie TikTok, Instagram oder Spotify. Sie machen es möglich, kreativ zu sein – und gleichzeitig schwer, es zu bleiben. Denn was sichtbar wird, entscheidet nicht mehr nur die Qualität oder Tiefe, sondern der Algorithmus. Und viele Kreative verlieren dabei irgendwann das Gefühl für den eigenen Impuls: Mache ich das, weil es mir entspricht – oder weil ich weiß, dass es gut ankommen wird?

Systemische Gedanken: Was braucht Kreativität? 

Vielleicht liegt das Problem also nicht nur in uns. Sondern im System. Kreativität braucht Zeit. Raum. Sicherheit. Und sie braucht Menschen, die sich nicht ständig beweisen müssen.

Wenn wirtschaftlicher Druck existenzielle Ängste auslöst, bleibt kaum Spielraum für kreatives Denken. Rick Rubin schreibt: Der kreative Zustand entsteht in Freiheit – nicht im Überlebensmodus.

Was also müsste sich gesellschaftlich ändern? Vielleicht bräuchte es mehr Anerkennung für kreative Prozesse, die nicht sofort „verwertbar“ sind. Eine Wertschätzung von Prozessen, nicht nur von Ergebnissen. Und eine Bildung, die Neugier belohnt – nicht Anpassung. Vielleicht sogar: ein Recht auf Langeweile.

Fazit: Was mir hilft (und vielleicht auch euch) 

Ich habe lange überlegt, ob ich diese Folge überhaupt machen soll. Ob das reicht, was ich zu sagen habe. Ob es originell genug ist. Ob es irgendwen interessiert.

Aber dann habe ich mich erinnert, warum ich Sinneswandel eigentlich angefangen habe: Weil ich gerne laut denke. Weil das Fragen manchmal mehr verbindet als das Wissen.

Was bedeutet das alles jetzt für den Podcast, fragt ihr euch vielleicht?! 

Ich möchte mir wieder mehr erlauben, einfach loszugehen – auch wenn noch nicht alles fertig durchdacht ist. Aber genau das möchte ich mir zugestehen: dass dieser Podcast ein Ort bleibt, an dem ich suchen darf. Und zweifeln. Und spielen.

Mich interessiert sehr, wie es euch damit geht: Was hilft euch, kreativ zu bleiben – oder wieder ins Tun zu kommen? Schreibt mir gern, wenn ihr mögt. Ich freue mich, von euch zu hören.

Outro

Aber erstmal vielen Dank fürs Zuhören. Wenn euch diese Folge gefallen hat, dann teilt sie gerne mit euren Freunden. Und falls ihr meine Arbeit finanziell unterstützen wollt, könnt ihr das ganz einfach via Steady oder, indem ihr uns einen Betrag eurer Wahl an Paypal.me/Sinneswandelpodcast schickt. Alle weiteren Infos findet ihr in den Shownotes. Vielen Dank und bis bald im Sinneswandel Podcast.

2. Juni 2025

Thomas Galli: Strafe ohne Knast – geht das?

von Marilena 1. April 2025

Gefängnisse machen unsere Gesellschaft sicherer“ – oder? Ex-Gefängnisdirektor und Jurist Thomas Galli sieht das anders. Er sagt: Der Strafvollzug ist teuer, ineffektiv und trifft oft die Falschen. Warum Haftstrafen besonders arme Menschen treffen, Resozialisierung kaum funktioniert und welche Alternativen es geben könnte, darüber spricht Marilena Berends mit Thomas Galli.

Shownotes:

Macht [einen] Sinneswandel möglich, indem ihr Steady Fördermitglieder werdet. Finanziell unterstützen könnt ihr meine Arbeit auch via Paypal.me/sinneswandelpodcast. Danke.

► Website von Thomas Galli
► Instagram
► Wie wir das Verbrechen besiegen können – Ideen für eine Überwindung der Strafe, Thomas Galli. edition einwurf 2024
► Schuld.Strafe.Recht? – Der Podcast von Thomas Galli

✉ redaktion@sinneswandel.art
► sinneswandel.art



Transkript:

Hallo und herzlich willkommen im Sinneswandel Podcast! Mein Name ist Marilena Berends und ich freue mich, dass ihr heute dabei seid.

Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber wenn ich an Gefängnisse denke, habe ich sofort Bilder aus Filmen im Kopf: gefährliche Kriminelle, lange Haftstrafen, Hochsicherheitszellen. Aber entspricht das wirklich der Realität?

Ich war wirklich überrascht, als ich mich intensiver mit dem Thema beschäftigt habe. Wusstet ihr, dass in Deutschland jedes Jahr Tausende Menschen ins Gefängnis kommen, nur weil sie eine Geldstrafe nicht zahlen können? Schon mehrfaches Schwarzfahren kann einen hinter Gitter bringen. Und das kostet uns als Gesellschaft viel mehr, als die meisten ahnen: Rund 200 Euro am Tag – pro Häftling – das sind über 70.000 Euro – jedes Jahr.

Aber fast noch absurder: Wir haben kaum belastbare Daten darüber, ob Gefängnisse überhaupt dabei helfen, Menschen wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Ex-Gefängnisdirektor Thomas Galli geht sogar noch weiter – er sagt: „Gefängnisse gefährden unsere Sicherheit.“

Aber wie kann das sein? Sollten wir Gefängnisse vielleicht ganz abschaffen? Und welche Alternativen gäbe es? Genau darüber habe ich mit Thomas Galli gesprochen.

Übrigens: Falls ihr meine Arbeit unterstützen möchtet, könnt ihr das ganz einfach über Steady oder PayPal tun. Eure Unterstützung hilft mir, den Sinneswandel Podcast unabhängigen weiterzuführen. Alle Infos dazu findet ihr in den Shownotes.

Jetzt viel Spaß mit der Folge!

Outro

Vielen Dank fürs Zuhören! Wenn euch die Folge mit Thomas Galli gefallen hat, teilt sie gerne mit euren Freundinnen und Freunden. Und unter allen, die meinen Podcast via Steady supporten, verlose ich dieses Mal ein Exemplar von Thomas Buch, “Wie wir das Verbrechen besiegen können- Ideen für eine Überwindung der Strafe”. Wie ihr an der Verlosung teilnehmen könnt, steht in den Shownotes. Das war’s von mir – bis zum nächsten Mal im Sinneswandel Podcast!

1. April 2025

Sebastian Klein: Sollten wir Milliardäre abschaffen?

von Marilena 18. März 2025

Wie fühlt es sich an, wenn man über Nacht zur Millionär*in wird? Sebastian Klein hat das erlebt. Mit der Gründung seines StartUps Blinkist wurde er reich – so reich, dass er irgendwann beschloss, 90 Prozent seines Vermögens wieder abzugeben. Wieso er davon überzeugt ist, dass extremer Reichtum die Demokratie gefährdet und abgeschafft gehört, darüber hat Marilena Berends mit Sebastian Klein gesprochen.

Shownotes:

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► Sebastian Klein: Toxisch Reich: Warum extremer Reichtum unsere Demokratie gefährdet, Oekom 02/2025
► Sinneswandel Folge über Verantwortungseigentum: Achim Hensen: Müssen Unternehmen Sinn stiften?
► Sinneswandel Folge mit Antonis Schwarz von #TaxTheRich: Ist Erben ungerecht?

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Transkript:

Hallo und herzlich willkommen im Sinneswandel Podcast! Mein Name ist Marilena Berends und ich freue mich, dass ihr heute dabei seid.

Wie fühlt es sich an, wenn man über Nacht zur Millionär*in wird? Ist man dann wirklich sorgenfrei?

Sebastian Klein hat das erlebt. Mit der Gründung seines StartUps Blinkist wurde er reich – so reich, dass er irgendwann beschloss, 90 Prozent seines Vermögens wieder abzugeben. Nicht aus einer Laune heraus, sondern weil er überzeugt ist: Extremer Reichtum ist nicht nur ein privates Privileg, sondern ein gesellschaftliches Problem.

Wenn die reichsten fünf Prozent mehr besitzen als die restlichen 95 Prozent zusammen, dann beeinflusst das nicht nur wirtschaftliche Chancen, sondern auch unsere Demokratie, sagt Sebastian.

Sollte extremer Reichtum deshalb verboten sein? Oder ließe sich das Geld irgendwie umverteilen? Theoretisch ginge das. Warum es in der Praxis so schwierig ist, über Geld zu reden, darüber habe ich mit Sebastian gesprochen.

Talking about money: Falls ihr mich und meine Arbeit hier supporten wollt, könnt ihr das übrigens ganz einfach via Steady oder PayPal tun – alle Infos dazu findet ihr in den Shownotes.

Jetzt viel Spaß mit der Folge!

Outro

Vielen Dank fürs Zuhören! Wenn euch die Folge mit Sebastian gefallen hat, teilt sie gerne mit euren Freundinnen und Freunden. Und unter allen, die meinen Podcast via Steady supporten, verlose ich übrigens ein Exemplar von Sebastians Buch Toxisch Reich. Alle Infos dazu findet ihr in den Shownotes. Das war’s von mir – bis zum nächsten Mal im Sinneswandel Podcast!

18. März 2025

Sebastian Tigges: Was ist ein „guter Vater“?

von Marilena 4. März 2025

Warum scheitert gleichberechtigte Elternschaft so oft an der Realität? Obwohl viele Väter sich mehr Zeit mit ihren Kindern wünschen, nehmen die meisten nicht mehr als zwei Monate Elternzeit – wenn überhaupt. Liegt es am Geld, an gesellschaftlichen Erwartungen oder an politischen Strukturen? Über Mental Load, den “Daddy Bonus” und die Frage, was einen guten Vater ausmacht, spricht Marilena Berends in dieser Folge mit Dadfluencer Sebastian Tigges.

Shownotes:

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► Sebastian Tigges auf Instagram
► BMFSFJ: Väterreport 2023
► taz (2023): Lackierte Fingernägel bei Männern Desillusionierte Symbolpolitik – Kritik von Hengameh Yaghoobifarah an Sebastian Tigges.

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Transkript:

Hallo und herzlich willkommen im Sinneswandel Podcast! Mein Name ist Marilena Berends und ich freue mich, dass ihr heute dabei seid.

Ich habe selbst keine Kinder, höre es aber immer öfter von befreundeten Paaren: „Gleichberechtigung? Klappt super – bis das erste Kind da ist.“ Viele nehmen sich Großes vor, wollen sich Elternzeit und Care-Arbeit 50/50 teilen – und scheitern trotzdem an der Realität. Ich frage mich: Woran liegt das? Am Geld? An alten Rollenbildern? Oder daran, dass Politik und Arbeitswelt echte Gleichberechtigung schwer machen?

Über all das habe ich mit Sebastian Tigges gesprochen. Früher Anwalt, heute bekannt als „The Walking Dad“. Während er seinen Kinderwagen durch Berlin Prenzlauer Berg schiebt, spricht er über Mental Load, Depressionen und warum Väter oft für Selbstverständlichkeiten gefeiert werden. Er und seine Partnerin Marie Nasemann haben sich nämlich vorgenommen, ihre Elternschaft fair aufzuteilen. Ob das bei den beiden klappt und, was für Sebastian eigentlich einen “guten Vater” ausmacht, darüber haben wir in dieser Folge gesprochen.

Noch kurz bevor es losgeht: Falls ihr meine Arbeit supporten wollt – was mich natürlich freuen würde – könnt ihr das ganz einfach via Steady oder PayPal – alle Infos dazu findet ihr in den Shownotes.

Und jetzt viel Spaß mit der Folge!

Outro

Vielen Dank fürs Zuhören! Wenn euch die Folge mit Sebastian gefallen hat, teilt sie gerne mit euren Freundinnen und Freunden. Wenn ihr meine Arbeit supporten wollt, könnt ihr das, wie gesagt, ganz einfacht via Stead oder PayPal. Alle Infos dazu findet ihr in den Shownotes. Das war’s von mir – bis zum nächsten Mal im Sinneswandel Podcast!

4. März 2025

Franka Frei: [Wann] kommt die Pille für den Mann?

von Marilena 12. Februar 2025

Warum tragen immer noch vor allem Frauen die Verantwortung für Verhütung? Und warum werden Nebenwirkungen der Pille bei Frauen toleriert, während sie bei Männern verhindern, dass eine Pille überhaupt auf den Markt kommt? Verhütung ist ungerecht – dabei geht es auch fair. Darüber spricht Marilena Berends in dieser Folge mit der Autorin und Journalistin Franka Frei.

Shownotes:

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► Website: Franka Frei
► Franka auf Instagram
► Penguin, 2023: Überfällig: Warum Verhütung auch Männersache ist
►Mehr zum “Verhütungsring”, über den Franka spricht
► BZgA-Studiendaten zum Verhütungsverhalten Jugendlicher und junger Erwachsener, 2024

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Transkript:

Hallo und herzlich willkommen im Sinneswandel Podcast! Mein Name ist Marilena Berends und ich freue mich, dass ihr heute dabei seid.

Wusstet ihr, dass Frauen mindestens 15 verschiedene Verhütungsmethoden zur Verfügung stehen, während Männer gerade mal zwei verlässliche Optionen haben? Warum ist das so? Und warum bleibt Verhütung immer noch so oft an uns Frauen hängen? 

Verhütung ist ein Thema, das so alltäglich wirkt, dass es oft gar nicht hinterfragt wird. Dabei geht es nicht nur um persönliche Entscheidungen, sondern auch um Macht, Verantwortung und Gerechtigkeit. Ich selbst habe die Pille mit 15 verschrieben bekommen, und fast ein Jahrzehnt lang war das für mich einfach selbstverständlich. Bis ich irgendwann dachte: Warum eigentlich immer ich?

So ähnlich ging es auch Franka Frei. Sie ist Journalistin und hat das Buch „Überfällig: Warum Verhütung auch Männersache ist“ geschrieben. Wie der Titel schon verrät, zeigt Franka darin, warum Verhütungsverantwortung immer noch ungleich verteilt ist, und, welche gesellschaftlichen Strukturen einen Sinneswandel verhindern. Und das, obwohl es längst Alternativen für Männer gibt. 

Übrigens: Wenn wir in dieser Folge von „Frauen“ oder „Männern“ sprechen, ist das eine Vereinfachung. Verhütung betrifft nicht nur cisgeschlechtliche Menschen, sondern auch nicht-binäre, trans* und genderqueere Personen. Uns ist bewusst, dass Sprache in diesem Bereich oft noch unzureichend ist, aber wir bemühen uns, niemanden auszuschließen.

So viel vorweg – jetzt wünsche ich euch ganz viel Spaß mit dieser Folge!

[Gespräch]

Outro

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12. Februar 2025

Jakob Springfeld: War die Brandmauer eine Illusion?

von Marilena 4. Februar 2025

Warum wird der Rechtsruck in Deutschland immer noch vor allem als “Ostproblem” gesehen? Welche Rolle spielen dabei alte Narrative und blinde Flecken in der politischen Debatte? Über „Verantwortungs-Pingpong“ und die Illusion der sogenannten “Brandmauer” spricht Marilena Berends in dieser Folge mit Aktivist und Autor Jakob Springfeld.

Shownotes:

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► Jakob Springfeld auf Instagram
► Der Westen hat keine Ahnung was im Osten passiert – Warum das Erstarken der Rechten eine Bedrohung für uns alle ist, Bastei-Lübbe-Verlag, 01/25

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Transkript:

Hallo und herzlich willkommen im Sinneswandel Podcast! Mein Name ist Marilena Berends, und ich freue mich, dass ihr dabei seid.

In weniger als drei Wochen sind Bundestagswahlen. Und während viele darüber diskutieren, ob Deutschland weiter nach rechts rückt, ist für andere längst klar: Der Rechtsruck ist kein Phänomen der letzten Monate – und auch keines, das sich nur auf Ostdeutschland beschränkt.

Trotzdem wird der Blick immer wieder vor allem auf den Osten gelenkt. Warum wählen dort so viele Menschen die AfD? Warum gibt es dort so viele rechtsextreme Strukturen? Fragen, die oft gestellt werden – aber die Frage ist, führen sie wirklich weiter?

Jakob Springfeld kennt diese Debatten gut. Er ist in Zwickau aufgewachsen, einer Stadt, die auch durch den NSU-Komplex geprägt ist. Seit Jahren setzt sich Jakob gegen Rechts ein und organisiert Proteste. Und er sagt: Der Westen hat absolut keine Ahnung, was im Osten passiert. In seinem neuen Buch erzählt er, warum die extreme Rechte längst eine gesamtdeutsche Bedrohung ist – und warum die sogenannte „Brandmauer“ von Anfang an eine Illusion war.

Wie Jakob selbst politisiert wurde, warum er glaubt, dass sich die AfD nicht einfach „wegprotestieren“ lässt, darüber spreche ich heute mit ihm. Ich wünsche euch viel Spaß mit dieser Folge!

Ach so und – fast vergessen – unter allen, die meinen Podcast unterstützen, verlose ich ein Exemplar von Jakobs Buch. Wie ihr teilnehmen könnt, erfahrt ihr in den Shownotes.

Outro

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4. Februar 2025
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