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Aktivismus

“Klimajournalismus” – ist das schon Aktivismus?

von Henrietta Clasen 12. Oktober 2021

Ist der Begriff “Klimawandel” zu schwach? Sollten Journalist*innen lieber Begriffe, wie “Klimakrise” oder “Klimanotstand” verwenden – oder ist das vielleicht sogar eher kontraproduktiv? Immer häufiger wird über die Frage diskutiert, wie neutral oder objektiv Journalist*innen und Medienschaffende in der Berichterstattung von Klimafakten sein sollten. Darf man sich wirklich unter keinen Umständen mit einer Sache gemein machen, auch nicht mit einer Guten? In dieser Episode betrachten wir unterschiedliche Perspektiven auf den “Transformativen Journalismus” – u.a. mit Kommunikationsforscher Prof. Michael Brüggemann.

Shownotes:

Macht (einen) Sinneswandel möglich, indem ihr Fördermitglieder werdet. Finanziell unterstützen könnt ihr uns auch via PayPal oder per Überweisung an DE95110101002967798319. Danke.

Die heutige Episode wird präsentiert von der ZDF-Dokureihe plan b. Darin geht es um Menschen, die einfach mal machen: ob Licht aus Brot, Lachs aus Möhren oder Leder aus Kaktus. Klingt schräg – wenn Ihr wissen wollt, wie’s funktioniert, dann schaut in der ZDF-Mediathek auf planb.zdf.de vorbei.

► The Club of Rome: Die Grenzen des Wachstums (1972), bpb.
► Sechster IPCC-Sachstandsbericht (AR6) – Teil 1 (08/2021).
► Studie von Sven Engesser und Michael Brüggemann: Falsche Ausgewogenheit? Eine journalistische Berufsnorm auf dem Prüfstand, (02/20).
► IOP Science-Studie: Quantifying the consensus on anthropogenic global warming in the scientific literature, (2013).
► Studie der World Weather Attribution: Heavy rainfall which led to severe flooding in Western Europe made more likely by climate change, (08/21). 
► the consensus project by Skeptical Science.
► Wissenschaft im Dialog: Leitlinien zur guten Wissenschafts-PR.
► Blog Postwachstum: Konstruktiven Journalismus neu denken von Uwe Kröger.  
► Übermedien: Journalist:innen, nehmt die Klimakrise ernst!, offener Brief von Sara Schurmann (09/20).
► taz: Zur Sprache des Klimajournalismus – Vorschläge für die Verwendung alter und neuer Schlüsselbegriffe von Torsten Schäfer.
► Initiative Covering Climate Now.
► Netzwerk Klimajournalismus Deutschland.
► Online-Plattform Grüner Journalismus.
► Initiative KLIMA vor acht.
► RTL: Klima Update.
► Tweet Bernd Ulrich (7.9.2020).
► Tweet Teresa Bücker (7.9.2020).
► WELT: Der unappetitliche Klima-Bluff von Axel Bojanowski (09/21).
► WELT: Die unterschätzte Macht der grünen Lobby von Axel Bojanowski (04/21).

Kontakt:
✉ redaktion@sinneswandel.art
► sinneswandel.art

Transkript: “Klimajournalismus” – ist das schon Aktivismus?

Hallo und herzlich willkommen im Sinneswandel Podcast. Mein Name ist Marilena Berends und ich freue mich, euch in der heutigen Episode zu begrüßen.

*Werbung* Unser Podcast wird heute präsentiert von der ZDF-Dokureihe „plan b“. plan b ist Fernsehen mal anders: nämlich mit positivem Ansatz, nach dem Motto: Wo ist eigentlich die Lösung? Die Dokureihe handelt von Menschen, die einfach mal machen: ob in Sachen Klimaschutz, Technik oder Gesellschaft. Licht aus Brot, Lachs aus Möhren oder Leder aus Kaktus. Klingt schräg – wenn Ihr wissen wollt, wie’s funktioniert, dann schaut  in der ZDF-Mediathek auf planb.zdf.de vorbei. Da gibt es jede Menge Geschichten von Andersmacher*innen und Stories die zeigen, was alles möglich ist. *Werbung Ende*

Nein, das war nicht die Tagesschau von gestern Abend – hätte es aber durchaus sein können. Das war eine Ausstrahlung von 1995. Bereits 1972 allerdings, veröffentlichte der Club of Rome die “Grenzen des Wachstums”. Darin heißt es: „Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.“ Noch sind zwar keine hundert Jahre seitdem vergangen, doch hat die Bedrohlichkeit dieser Warnung keinesfalls an Dringlichkeit verloren – ganz im Gegenteil. Erst kürzlich stellte das Intergovernmental Panel on Climate Change, kurz IPCC, Teil eins des Sechsten Weltklimaberichts vor. 1990 erschien der Erste, der als Basis für die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen diente. Seitdem fassen die Berichte regelmäßig den aktuellen wissenschaftlichen Stand über die Beeinflussung des Erdsystems durch uns Menschen zusammen und, welche Konsequenzen daraus möglicherweise folgen. Es ist nicht irgendeine Studie, sondern der Bericht, auf dessen Erscheinen weltweit – hingefiebert wäre vermutlich zu viel gesagt – ihn aber doch mit Spannung erwartet hat. Nicht umsonst wird er auch als “Realitätscheck” gehandelt. Und der fällt gar nicht mal allzu gut aus, betrachtet man eine der zentralen Kernaussagen der Leitautor*innen, die lautet: “Die Menschheit wird die Pariser Klimaziele verfehlen, wenn die Treibhausgasemissionen nicht schnell und drastisch reduziert werden.” Konkret bedeutet das: Wenn nicht alle Länder der Welt ihre Emissionen reduzieren, wird es schon bald unmöglich sein, die globale Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Und das wiederum würde mit sehr großer Wahrscheinlichkeit dramatische Folgen für künftige Generationen haben. Der Bericht zeigt aber zugleich: Noch liegt es in unserer und vor allem politischer Hand, den fahrenden Zug aufzuhalten, bevor es zu spät ist und die Realität uns in Form drohender Kipppunkte, einholen wird. Es sind alarmierende aber durchaus auch ermutigende Ergebnisse, wenn man den Handlungsspielraum betrachtet, der offensichtlich noch vorhanden ist. Wäre das allein nicht Grund genug, weltweit und mit Nachdruck medial davon zu berichten? Zumal sich diese Krise, laut Wissenschaft, auch nur in globaler Zusammenarbeit lösen lässt.

Kurz nach Erscheinen des Sechsten IPCC-Berichts am 9. August diesen Jahres, hätte man den Eindruck gewinnen können, dass genau das geschieht. Vielerorts, auf öffentlich-rechtlichen als auch privaten Sendern, Zeitungen und Plattformen wurden die Ergebnisse Weltklimarats geteilt. Doch bereits nach wenigen Tagen ebbte die Aufmerksamkeitsflut wieder ab und andere Themen rückten in den Vordergrund. Lag es an der Komplexität der Sachzusammenhänge, waren die Ergebnisse des Berichts nicht “catchy” genug, oder liegt der Grund vielmehr in der Beschaffenheit unserer heutigen Medienlandschaft? Es ist gewissermaßen eine Kombination aus beidem, sagt Kommunikationswissenschaftler Prof. Michael Brüggemann, der an der Universität Hamburg erforscht, wie der Klimawandel in Medien und Wissenschaft thematisiert und rezipiert wird: “Dem Journalismus gerät der Klimawandel immer wieder aus dem Blick, weil er nicht den  Aufmerksamkeitskriterien genügt, die Journalist*innen anlegen. Der Journalismus ist fokussiert auf kurze Ereignisse. Und der Klimawandel ist ein langsamer, über Jahrzehnte oder sogar über Jahrhunderte laufender Prozess. Und das ist praktisch die Brille, die Journalisten auf haben, die sehen die strukturellen Probleme dann nur sehr schlecht und vergessen dann kontinuierlich darüber zu berichten.”  Das könnte sich natürlich ändern, wenn die Naturkatastrophen, die durch den Klimawandel mit großer Wahrcheinlichkeit vermehrt auftreten werden, sich künftig häufen – aber will man es darauf ankommen lassen? Hinzu kommt, dass es nicht nur an Frequenz hinsichtlich der Berichterstattung zum Klimawandel und seinen Auswirkungen bisher mangelt, auch inhaltlich wird dem Thema, zumindest, wenn es nach einer ganzen Reihe an Medienschaffenden wie auch Wissenschaftler*innen geht, nicht Genüge getragen. 

Aus diesem Anlass veröffentlichte die Journalistin Sara Schurmann im September letzten Jahres einen offenen Brief, in dem sie ihre Kolleg*innen dazu aufforderte, die Klimakrise endlich ernst zu nehmen – ergo sich in der Verantwortung zu sehen, häufiger und mit mehr Nachdruck über sie zu berichten. In diesem Brief heißt es: “Nicht nur die Klimaleugner:innen sind das Problem, auch wir sind es. Solange eine kritische Masse an Journalist:innen das nicht verstanden hat und ihre Arbeit nicht danach ausrichtet, solange werden auch Politiker:innen nicht entsprechend handeln.” In Schurmann’s Worten schwingt eine gewisse Verzweiflung, zugleich aber auch Hoffnung mit. Was sie mit ihrem Appell keineswegs bezwecken will, ist eine pauschale Kritik an allen Journalist*innen, derzufolge sie ihrer Verantwortung nicht gerecht würden. Es gibt viele exzellente Berichte über die Klimakrise und Journalist*innen, die seit Jahren unermüdlich vor den Auswirkungen warnen. Allerdings, so Schurmann, sei die Klimakrise “weit mehr als ein Fall für Fachjournalist:innen”. Sie betreffe alle Bereiche unseres Lebens und damit auch des Journalismus: “Mit ist selbst erst vor über einem Jahr bewusst geworden wie akut die Klimakrise eigentlich ist. Einer der Anlässe damals war, dass die Berichterstattung über dieses EU Corona Finanzpaket, das die Wirtschaft ankurbeln soll nach der Corona-Krise, das die Klimakrise nicht mitgedacht hat. […] Mir war zu dem Zeitpunkt relativ klar, das sind genau die 7 Jahre, in dem wir das Geld für klassische Wirtschaftsförderung ausgeben wollen, sind genau der Zeitraum in dem wir noch Zeit haben unsere Emissionen drastisch zu reduzieren und das geht nicht zusammen. Klassische Wirtschaftsförderung und Emissionen reduzieren ist im moment noch nicht kompatibel, da Emissionen und Wirtschaftswachstum nicht völlig voneinander entkoppelt sind. Als das so wenig mitgedacht wurde in den Artikeln, ging mir auf “wow, vermutlich wird Klima auch bei anderen Sachen vernachlässigt”. Das war der Punkt, in dem mir aufging, dass wir die Klimakrise im Gesamtbild, im medialen, nicht adäquat darstellen. Das war der Anlass, dass ich diesen offenen Brief geschrieben und publiziert habe.” 50 Journalist*innen unterstützen den Aufruf initial, rund 250 Menschen weltweit haben ihn mittlerweile unterzeichnet. Ganz allein steht Sara Schurmann keinesfalls mit ihrer These da. Auch Kommunikationswissenschaftler Brüggemann ist der Auffassung, der Klimawandel dürfe kein Nischenthema für Fachexpert*innen bleiben und damit in Umweltressorts – sofern diese überhaupt existieren – verbleiben. Vielmehr sei die Klimaberichterstattung ein “Querschnittsthema”. Konkret bedeutet das: Wird über das neue Iphone berichtet, so sei es wünschenswert, würde darin auch die Rohstoffgewinnung oder die Recyclingfähigkeit eine Rolle spielen. Gleiches gilt für Themen, wie das Reisen, Architektur, Film, Verkehr oder Mode. Natürlich ist es nicht immer möglich, in jedem einzelnen Artikel oder jeder Sendung differenziert auf die klimatischen Aspekte im Zusammenhang einzugehen, aber zumindest sollte es grundsätzlich mitgedacht und nicht an die Redakteur*innen der Wissenschaftsressorts ausgelagert werden. Aus diesem Grund gründete Sara Schurmann auch gemeinsam mit Kolleg*innen ein ressort- und  medien-übergreifendes Netzwerk: “Wir haben das “Netzwerk Klimajournalismus Deutschland” gegründet, um Kolleg*innen zusammenzubringen, die sich entweder schon mit Klimajournalismus beschäftigen oder die sich mehr damit beschäftigen wollen, aber nicht wissen, wo sie anfangen sollen. Wir wollen sowohl Inputs und einen fachlichen Austausch bieten, als auch einen redaktionellen Austausch. Gerade auch für Kolleg*innen, die frei arbeiten und nicht so viel Gelegenheit haben sich mit anderen auszutauschen oder auch Kolleg*innen, die in ihrer Redaktion Klima- oder Biodiversität alleine beackern als Thema. Wir haben das Netzwerk sehr bewusst Netzwerk Klimajournalismus Deutschland genannt und nicht “Journalists For Future”, weil uns schon klar ist, dass diese aktivistische Vermischung und sich in die FF-Bewegung einzureihen journalistisch so nicht geht. Man muss, auch zu dieser Bewegung, eine Distanz waren. Auch wenn ich grundsätzlich ihre Forderungen, dass wir unsere Lebensgrundlage erhalten, unterstütze. Aber natürlich müssen wir als Journalist*innen auch über diese Bewegung kritisch berichten können und ich finde insgesamt sich mit Bewegungen gemein zu machen, von denen man nicht weiß, wie sie sich entwickeln und welche Wendungen die noch nehmen, journalistisch schwierig. Von daher gibts dafür auch nicht die Notwendigkeit. Es geht, wie gesagt, erstmal um den Austausch, darum, Leute zusammenzubringen und sie dadurch vielleicht auch zu motivieren weiter zu machen, weil es auch ganz schön deprimierend sein kann, sich die ganze Zeit mit Klima und den Krisen alleine zu beschäftigen. Schon allein auch ein emotionaler Austausch unter Kolleg*innen kann da wahnsinnig viel wert sein.” 

Teil des Gründungsteams ist auch der Umweltjournalist und Hochschulprofessor Torsten Schäfer. Bis heute leitet er das Online-Portal “Grüner Journalismus” und erstellte im September vergangenen Jahres für die taz ein Konzept für eine “klimagerechte Sprache” – denn auch die forme, wie die taz schreibt, unser Denken und damit auch unser Klimabewusst-Sein. Die Empfehlungen Schäfer’s beziehen sich dabei insbesondere auf das Framing, also den Rahmen in dem der Inhalt medial eingebettet wird. Ist der Begriff “Klimawandel” zu schwach? Sollten Journalist*innen lieber Begriffe, wie “Klimakrise” oder gar “Klimanotstand” verwenden – oder ist das vielleicht sogar eher kontraproduktiv? Ziel der Empfehlungen einer “klimagerechten Sprache” sei es nicht, Sprachverbote oder Regeln aufzustellen. Vielmehr sei sie “Ausdruck von Vielfalt und sollte daher auch journalistisch offen bleiben, dies freilich in einem Rahmen, den normative Kontexte wie Demokratie und planetare Grenzen setzen”, so Schäfer. Der Diskurs um die mediale Berichterstattung der Klimakrise, der in Deutschland gefühlt erst jetzt Fahrt aufnimmt, hat international bereits vor einigen Jahren begonnen. Resultat daraus ist unter anderen die Initiative  “Covering Climate Now”, initiiert von dem renommierten Fachmagazin Columbia Journalism Review. Im Sommer 2019 riefen diese Medien in aller Welt dazu auf, sich an einer Klima-Themenwoche zu beteiligen. Vom 16. bis 23. September, also bis zum Auftakt des UN-Klimagipfels, der 2019 in New York stattfand, beteiligten sich rund 200 Medien weltweit an der Aktion. Der Guardian, die Nachrichtenagentur Bloomberg, die Huffington Post, ebenso, wie die taz, verpflichteten sich, “in dieser Woche mit Wucht über dieses doch eigentlich journalistisch so undankbare Thema zu berichten”, wie es der SPIEGEL formulierte. Ziel der Initiative “Covering Climate Now”, die aufgrund der großen Resonanz bis heute weitergeführt wird, ist es, neben der Prominenz und Sichtbarkeit, die dem Klimathema dadurch gewidmet wird, die Geschichten auch so zu erzählen, dass die Menschen sie auch begreifen. Es ginge nicht darum, den Leuten vorzuschreiben, was sie publizieren oder senden, wie die Initiatoren immer wieder betonen. Vielmehr ginge es darum, die Öffentlichkeit zu informieren und Debatten zu ermöglichen, da das Thema uns alle anginge. 

Für einige Medienschaffende geht das allerdings zu weit. Ganz im Sinne des deutschen Journalisten und ehemaligen Tagesthemen Moderators Hans Joachim Friedrichs, von dem die Worte stammen: „Ein Journalist macht sich mit keiner Sache gemein, auch nicht mit einer guten“, sehen sie eine Gefahr in diesem Verständnis von Journalismus. Dieser habe den Grundsatz der Objektivität zu erfüllen – wer Überzeugungsarbeit leisten will, der soll sich den Aktivist*innen anschließen, so der Tonus einige Kritiker*innen. Worauf sich diese beziehen, ist der Anspruch des Journalismus auf Ausgewogenheit. Sprich, der Pluralismus in den Medien soll durch die Präsentation verschiedener Meinungen und Perspektiven erhalten bleiben. Klingt sinnvoll, ist es auch! Aber was bedeutet das eigentlich im Hinblick auf die Berichterstattung zum Klimawandel? Ist die Konsequenz daraus, dass Journalist*innen ihre Leser- oder Hörerschaft nicht vom menschengemachten Klimawandel überzeugen dürfen? Wenn man überhaupt von überzeugen sprechen kann, wenn sich mehr als 97 Prozent der führenden Wissenschaft längst darin einig sind, dass dieser menschengemacht ist und wir etwas gegen sein Voranschreiten tun müssen. Oder ist mit Ausgewogenheit gemeint, dass, wenn über den Klimawandel berichtet wird, unterschiedliche Perspektiven aufgezeigt werden müssen? Wer eine Umweltwissenschaftlerin in eine Talkshow einlädt, muss er ihr gegenüber dan einen Klimaskeptiker oder gar -leugner platzieren? Gerade das sollte tunlichst vermieden werden, sagt Kommunikationswissenschaftler Michael Brüggemann. Er hat gemeinsam mit Kolleg*innen zur sogenannten “Falschen Ausgewogenheit” geforscht und kam zu folgenden Erkenntnissen: “Zu Recht wollen Journalist*innen die Vielfalt der Meinungen darstellen und ausgewogen berichten. Und ‘falsche Ausgewogenheit’ ist dann, wenn man über eine wissenschaftliche Faktenfrage, über die Konsens herrscht, wie, dass es den anthropogenen Klimawandel gibt oder, dass Impfungen bei bestimmten Erkrankungen eine sehr wichtige und unschädliche Sache sind, da, wo es also gar keine Debatte, sondern einen Konsens gibt unter denen, die sich da auskennen, dass dann manche Journalisten denken: “Ich muss da jetzt meine Ausgewogenheit machen. Deshalb brauche ich immer jemanden, der bestreitet, dass der Klimawandel ein ernstzunehmendes Problem ist oder der bestreitet, dass die Menschen den Klimawandel verursachen.” Was dann wie eine 50:50-Balance aussieht, ist aber eigentlich eher ein 97:3-Verhältnis, zumindest, wenn wir vom Klimawandel sprechen. Das bedeutet nicht, dass keine Kritik an diesem Thema geäußert werden könne, nur müsse das Verhältnis zwischen solchen, die extreme und meist in der Minderheit vorhandene Meinungen vertreten und jenen die den wissenschaftlichen Konsens vertreten, entsprechend dargestellt werden. “Und so müsste es dann eigentlich sein, dass man sagt: ‘Okay, ich lade mir jetzt die 97 Experten ein, die sagen, dass es den Klimawandel gibt und die drei, sogenannten Experten, die das bestreiten’.”  Wichtig sei es vor allem die Thesen in den Kontext einzuordnen, insbesondere, wenn sogenannte “Klimaskeptiker” zu Wort kämen. Dies werde auch bereits von vielen Journalist*innen so gehandhabt, wie Brüggemann und sein Forschungsteam herausfanden: “Was wir in unserer Studie gesehen haben, in verschiedenen Ländern in der Qualitätspresse und in führenden Online-Angeboten, dass das zum Glück ein bisschen nachgelassen hat, dass der Journalismus was gelernt hat und die Leute, die das wirklich wider jeglicher Vernunft abstreiten, dass es den Klimawandel gibt, dass die weniger neutral zu Wort kommen, sondern, dass in der Regel Journalist*innen das kontextualisieren und sagen: “Hier gibt es den Bericht des Weltklimarats, wo der Forschungsstand gut zusammengefasst wird. Und dann gibt es aber auch Leute, die das bezweifeln.” Empfehlen würde Brüggemann grundsätzlich jedoch, Extrempositionen zu vermeiden, auch, wenn diese oft zu höheren Klickraten führen.

Ganz beantwortet ist die Frage, ob sich der Journalismus wirklich angreifbar macht, indem er der Klimaberichterstattung eine gewisse Priorisierung einräumt und damit vermeintlich weniger objektiv dasteht, allerdings noch nicht. Die Journalistin Sara Schurmann schreibt in ihrem besagtem offenen Brief, viele Medienschaffende würden zu Recht den Unterschied von Aktivismus und Journalismus betonen. Aber “die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels als vierte Gewalt zu kontrollieren”, sei kein Aktivismus, als vielmehr “wissenschaftlich, menschlich und journalistisch geboten”, so Schurmann. Für Umweltjournalist Torsten Schäfer hat Nachhaltigkeit sogar die gleiche Bedeutung wie etwa Meinungsvielfalt und Bürgerrecht, für deren Erhalt sich innerhalb von Demokratien Journalist*innen auch problemlos einsetzen können. Warum dann nicht auch für die Bekämpfung des Klimawandels? Weshalb macht man sich hier als Journalist*in schnell des Aktivismus verdächtig? Ist es so abwegig, dass einem das Thema und damit der Erhalt von Mensch und Erde, am Herzen liegt? Wie objektiv können Journalist*innen im Hinblick auf die Klimakrise überhaupt sein, wenn sie doch uns alle betrifft? Sara Schurmann hat darauf für sich eine recht klare Antwort gefunden: “Hier ist natürlich die Frage was man unter Neutralität oder Objektivität versteht. Ich würde darunter erstmal verstehen, dass man sich an wissenschaftliche Fakten hält. Ich glaube nicht, dass man sich als Journalist neutral zwischen die Option Klimaschutz oder kein Klimaschutz stellen kann. Denn, dass es Klimaschutz unbedingt braucht, ist wissenschaftlich absolut eindeutig, wenn wir den nicht machen, gefährden wir die Menschheit. Von daher ist das glaube ich nicht die Position der Neutralität, die man einnehmen kann. Neutral wäre es eher, sich an einen wissenschaftlichen Konsens zu halten und diesen hochzuhalten – und der fordert auf jeden Fall Klimaschutz.”

Wissenschaft braucht guten Journalismus, der in der Lage ist die Ergebnisse für ein Publikum aufzubereiten, das in der Regel nicht so tief in den Themen steckt. Dafür müssen Journalist*innen häufig, einerseits aus Platzmangel und, um Komplexität zu reduzieren, Abstriche machen. Ansonsten könnten sie ja auch einfach die wissenschaftlichen Paper bei sich eins zu eins abdrucken lassen. Aber wer hat schon Zeit und Muße die oft hunderte Seiten füllenden Berichte zu studieren? Die wenigsten von uns vermutlich. Daher vereinfachen Journalist*innen in der Regel in der Klimaberichterstattung die Modelle, die Wissenschaftler*innen verwenden, um Zusammenhänge und Wahrscheinlichkeiten zu erklären. 

Genau dieses Vorgehen allerdings kritisiert der Wissenschaftsjournalist Axel Bojanowski von der WELT immer wieder, dass angeblich in Berichten über Klimaprognosen deren Unsicherheiten verschwiegen würden. Erst kürzlich übte er Kritik an der medialen Berichterstattung einiger Journalist*innen, welche die Hochwasserkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen auf die Folgen des Klimawandels zurückführten. Für Bojanowski bestätigt sich darin seine These, derzufolge ein gewisser Anteil an Journalist*innen, wie auch Wissenchaftler*innen sich der sogenannten “noble cause corruption”, also der Korruption für den guten Zweck verdächtig machten. In seinen Augen würden diese zugunsten der Risiken, die Unsicherheiten die der Klimaforschung zugrunde liegen, verschweigen: “Viele haben einfach noch nie davon gehört, dass die Klimawissenschaft komplex ist und immer mit erheblichen Unsicherheiten arbeiten muss. Wenn ich dann einen Artikel schreibe, indem ich schreibe, dass Vieles nicht so klar ist in Sachen Klimawandel, wirkt das für manche wie Provokation. Dabei ist die Vermittlung von Unsicherheiten ganz entscheidend, um sich verantwortungsvoll vorbereiten zu können auf die Folgen der globalen Erwärmung.” Bojanowski meint dabei zwei Gruppen beobachten zu können, welche sich im Hinblick auf die Berichterstattung von Klimafakten gegenüberstünden und die er für problematisch hält: “Die “Risikenverschweiger” gehen gerne über die erheblichen Risiken der globalen Erwärmung hinweg. Diese Leute werden gerne oft auch als “Klimaskeptiker” bezeichnet. Die “Unsicherheitenverschweiger”, wie ich sie nennen, ignorieren die gewaltigen Unsicherheiten im Klimasystem, häufig um die Risiken zu unterstreichen. Sie werden gemeinhin auch gerne als “Alarmisten” bezeichnet. Beide Gruppen verschweigen also jeweils eine wesentliche Realität – entweder die Risiken des Klimawandels oder die Unsicherheiten des Klimawissens.” Nun lässt sich keineswegs leugnen, dass Wissenschaft immer Unsicherheiten mit sich bringt. Sonst wäre sie keine Wissenschaft, sondern Ideologie. Selbst die Wettervorhersage für übermorgen ist mit Unsicherheiten verbunden. Sich jedoch auf die Komplexität der Klimawissenschaft zu berufen, um dadurch zu begründen, weshalb diese angeblich keine Ergebnisse hervorbringe, auf die man sich mit einer gewissen Sicherheit stützen könne, sei schlichtweg irreführend und falsch, wie mir Prof. Dr. Pao-Yu Oei,  Klimawissenschaftler an der Europa-Universität Flensburg erzählt. Unsicher sei lediglich die Tragweite der Katastrophe, nicht aber, dass es durch den Menschen zu extremen irreversiblen Veränderungen kommen wird. Mindestens 97 Prozent aller veröffentlichten wissenschaftlichen Paper, die den  Klimawandel behandeln, stimmen darin überein, dass dieser menschengemacht ist. Die Anzahl der veröffentlichten Paper, die dem widersprechen, ist im Vergleich dazu verschwindend gering, wie auch das sogenannte “consensus project” offenlegt. Es ist richtig, dass die Intensität einiger Szenarien, wenn es beispielsweise um irreversible Kipppunkten geht, nicht exakt prognostiziert werden kann – was der IPCC-Bericht allerdings auch transparent offenlegt – jedoch muss man sich doch fragen, ob diese zum Teil marginalen Unsicherheiten, Grund genug darstellen, sie gegenüber den Risiken hervorzuheben, die in vielen Fällen dramatische Auswirkungen haben können. Ist es wirklich ratsam, bis zum letzten Moment zu warten, bis man sich zu 100 Prozent sicher sein kann – was allerdings der Wissenschaft widerspräche – um Menschen adäquat zu informieren oder, wenn nötig, zu warnen? Im Fall der Hochwasserkatastrophe in Mitteldeutschland in diesem Sommer wäre es, wie eine Studie der „World Weather Attribution“-Initiative (WWA) herausfand, ratsam gewesen, früher auf die Gefahren hinzuweisen, die auch im Zusammenhang mit der Klimaerwärmung stehen. Transparenz gehört zu guter Kommunikation dazu, auch oder ganz besonders bei der Vermittlung von wissenschaftlichen Erkenntnissen. Das hebt auch der Meteorologe Franz Ossing, der Teil des Koordinationsteams der Scientists for Future ist, hervor. Guter Wissenschaftsjournalismus “stärkt das Bewusstsein und den Respekt für die Positionen aller Beteiligten […], fördert den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft […] und arbeitet faktentreu.” Das heißt, er “übertreibt nicht in der Darstellung der Forschungserfolge und verharmlost oder verschweigt keine Risiken. [… Er] unterstützt und organisiert den Dialog über Chancen und Risiken von wissenschaftlichen Methoden und Ergebnissen”, wie sich in den “Leitlinien zur guten Wissenschafts-PR” der Initiative “Wissenschaft im Dialog” (WiD) nachlesen lässt. Das scheint prinzipiell auch mit den Forderungen von Wissenschaftsjournalist Axel Bojanowski übereinzustimmen, dieser sieht jedoch nach wie vor eine besondere Gefahr in jenen Journalist*innen, die seiner Meinung nach “Überzeugungsarbeit” leisten würden: “Prinzipiell finde ich es gut, wenn Journalisten unterschiedliche Perspektiven aufzeigen – das ist ja der Pluralismus, der die Sache vorantreibt. Gute Sache, würde ich sagen. Ich halte es aber für höchst problematisch, wenn Medien Überzeugungsarbeit leisten wollen. Medienforschung hat gezeigt, dass sich die Leser abwenden, wenn sie mit Überzeugungsarbeit konfrontiert werden – nur Sympathisanten macht man glücklich mit “Wach-rüttel-Journalismus”. Fraglich ist jedoch, was seine eigene Form der Kommunikation auszeichnet. Wer, wie Bojanowski, Artikel veröffentlicht, in denen er vor einer “unterschätzen Macht der grünen Lobby” warnt oder die Idee einer täglichen Klimasendung im Fernsehen als “ideologisch” bezeichnet, ist der wirklich so neutral, wie er vorgibt zu sein? 

“Der am weitesten verbreitete Aktivismus unter Journalisten ist wohl die Parteinahme für eine Normalität, die es nicht mehr gibt, also der #Normalismus als Ideologie. Womit dann eine begrenzte Wahrnehmung und verfälschende Gewichtung von Realität einher geht” twitterte  der deutsche Journalist und stellvertretende Chefredakteur der ZEIT, Bernd Ulrich, Anfang September letzten Jahres: Eine Antwort oder vielleicht eher Ergänzung auf den Tweet der Journalistin und Autorin Teresa Bücker, die mit einem Zwinkern schrieb: “Vielleicht sollte man mal anfangen, gewisse Menschen als […] ‘Aktivist für Umweltzerstörung’ […] zu betiteln.” Vertreten wir nicht immer irgendwie unsere Interessen? Und ist der Einsatz für den Erhalt des Status-quo nicht auch in gewisser Weise “Aktivismus”? Zumindest steckt dahinter eine Überzeugung, eine Haltung und Werte. Diese transparent zu machen, ganz gleich, wofür man auch stehe, darin liege die Krux, so Medienwissenschaftler Brüggemann: “Es gibt einfach ein klassisches verständnis des Journalismus das sagt: Der Journalist ist ein neutraler, distanzierter Beobachter, der ganz objektiv davon berichtet, wie die Welt ist. Dann gibt es die Vorstellung, die eher in den Sozialwissenschaften vorherrscht, dass eigentlich niemand in der Lage ist neutral und ohne Meinung zu berichten. Dass also alle Menschen bestimmte Meinungen und Werte, Vorstellungen und Weltsichten haben. Und diese Weltsichten prägen immer alles was sie sagen. Wenn man von dieser Position ausgeht, dann fällt die künstliche Gegenüberstellung von Aktivisten und Journalisten in sich zusammen. Weil es dann nur noch ein Mehr oder Weniger gibt, beziehungsweise einen Unterschied zwischen denen, die ihre Werte und Meinungen transparent machen und die so tun, als ob sie neutral sind, es aber nicht sind. Das machen die ja gar nicht unbedingt absichtlich. […] Also, wenn ich jetzt alle möglichen Journalist*innen fragen würde, ist Pressefreiheit ein Wert für den sie streiten, auch in ihrer Arbeit – Meinungsfreiheit, Demokratie – dann würden die meisten vermutlich ja sagen. Es gibt so bestimmte Werte, die eben doch viele Journalisten in unserer Gesellschaft teilen und da ist ja auch kein grundsätzliches Problem dabei. Solange man sich dessen bewusst ist. Es ist eigentlich schlauer, wenn man sich selber hinterfragt, was sind denn eigentlich meine Werte? Warum mache ich denn eigentlich Klimajournalismus? Doch nicht, weil im Wirtschaftsjournalismus kein Job frei war? […] Und ein Autojournalist interessiert sich doch vielleicht auch für Autos und fährt gerne Auto. Und diese eigene bias, die Menschen nun mal haben, transparent zu machen, das finde ich besser, als das einfach abzustreiten und zu tun: “Ich bin der, der neutral ist und sag wie die Fakten sind und die anderen sind praktisch die Aktivisten.”

Grundsätzlich können wir wohl erstmal festhalten, dass den meisten Journalist*innen, die ihren Beruf ernst nehmen, Meinungsvielfalt und Pluralismus am Herzen liegt. Wieso sollte es daher schaden, wenn auch der Journalismus selbst eine neue, nennen wir es “Strömung” erhält? Könnte ihm das nicht sogar gut tun? Als sogenannter “Transformativer” oder “Konstruktiver Journalismus” wird diese Art der Berichterstattung auch bezeichnet. Also Journalismus, der neben der Problembeschreibung auch Lösungsansätze präsentiert und versucht, Akteure die eine nachhaltige Transformation begünstigen, durch Sichtbarkeit zu stärken. Eine Reihe von spezialisierten Medien, wie das enorm-Magazin, Perspective Daily oder die klimareporter pflegen diesen journalistischen Ansatz bereits. Von strategischer Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit grenze sich der Transformative Journalismus jedoch dadurch ab, dass er institutionell und mental unabhängig von den Akteur*innen des Wandels agiere, so Dr. Uwe Kröger, Medien- und Kommunikationswissenschaftler an der Universität Leipzig. Neutral ist Transformativer Journalismus demnach zwar nicht, aber objektiv kann und soll er durchaus sein. Wichtig für die Legitimation einer solchen Berichterstattung sei ein allgemeines Bewusstsein, dass das Herstellen von Öffentlichkeit für jegliche Themen oder Akteur*innen immer ein politischer Akt und nie wertfrei sei, meint Kröger. Dies gilt auch, wenn die ARD vor der Tagesschau die „Börse vor acht“ sendet oder ein konstruktiv-transformatives Format namens „KLIMA vor acht“. So nennt sich eine Initiative die eine “Primetime fürs Klima” fordert, in der regelmäßig und wissenschaftlich fundiert über die Klimakrise berichtet werden soll. Bisher wurde die Sendezeit von den öffentlich-rechtlichen Sendern jedoch nicht zur Verfügung gestellt. Pressesprecherin von KLIMA vor acht, Friederike Mayer, sagt zu dieser Entscheidung: “Man könnte spekulieren, ob es daran liegt, dass diese Idee von außen an den Sender herangetragen wurde oder ob es daran liegt, das Klimaberichterstattung oft noch, fälschlicherweise, als “grünes” Thema gesehen wird bzw. parteipolitisch verknüpft wird und sich die Sender deswegen scheuen so ein Format umzusetzen. Ich persönlich denke, dass die Dimension der Krise, mit der wir es hier zu tun haben, von den öffentlich-rechtlichen bis heute noch nicht richtig verstanden wurde. Denn hätten sie das verstanden, wäre es eigentlich gar keine Frage, dass so ein Format entwickelt wird und auch auf einem prominenten Sendeplatz läuft.” Einen kleinen Erfolg konnte die Initiative jedoch kürzlich verzeichnen, als der TV-Sender RTL bekannt gab, dass immer donnerstags und samstags auf die Hauptausgabe von „RTL Aktuell“ ein „Klima Update“ folgen werde. In den 90 Sekunden informieren die Meteorologen Christian Häckl und Bernd Fuchs über Hintergrundwissen und Fakten zum Klimawandel sowie aktuellen Forschungsergebnissen. Bei der Premiere am 8. Juli sahen immerhin fast drei Millionen Menschen zu, erzählt Friederike Mayer: “Die Reaktionen auf das Klima-Update waren eigentlich durchwegs positiv. Wir haben uns sehr gefreut, das mit RTL ein privater Sender unsere Idee aufgegriffen hat und wir freuen uns natürlich auch über die Reichweite, die ein solches Format über einen prominenten Sendeplatz bekommen hat. Grundsätzlich würden wir uns natürlich ein etwas längeres Format wünschen und auch Eins, das täglich ausgestrahlt wird, aber es ist auf jeden Fall ein guter Anfang.” 

Der Mehrheit der Journalist*innen, die sich dem Transformativen Journalismus zugehörig fühlen, liegt es wohl fern, ihr Publikum lediglich mit Horrorgeschichten zu alarmieren. Ganz im Gegenteil, geht es vielen, neben dem Anspruch der umfassenden Information, besonders um die Offenlegung von Handlungskorridoren. Das Gefühl der Selbstwirksamkeit soll gestärkt werden – nicht nur auf individueller Basis, sondern auch hinsichtlich kollektiver Wirkmächte, die wir als Bürgerinnen und Bürger besitzen. Was viele der Publikationen in diesem Feld auszeichnet, ist, dass sie darauf hinweisen, dass auch Alternativen zum Status-quo existieren, dass es, je nach Perspektive, auch anders aussehen könnte. Von “Überzeugungsarbeit” oder gar einer Infantilisierung der Leser- oder Hörerschaft lässt sich in diesen Fällen wohl kaum sprechen. Vielmehr ist es ein Angebot – unter vielen. Denn das zeichnet auch eine plurale Medienlandschaft aus, dass sie Widersprüche und Ambiguitäten toleriert. Auch hinsichtlich der Art und Weise, wie Journalismus interpretiert wird. Darüber diskutiert und gestritten werden, darf gerne – im besten Fall bewirkt das nur, dass Journalist*innen und Medienschaffende am Ende ein noch besseres Verständnis von ihrer Arbeit erlangen – gesetzt den Fall, wir ziehen uns nicht in unsere sicheren “Blasen” zurück, sondern suchen den Austausch: “Also ich finde es gut, wenn es im Journalismus eine gewisse Vielfalt gibt, auch in den Rollenverständnissen. Es ist ja ok, dass es den Nachrichtenjournalisten gibt, der versucht keinerlei Subjektivität einfließen zu lassen. Aber diejenigen, die Journalismus anders machen, solange sie damit transparent umgehen, sind für mich genauso gute Journalisten.” 

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12. Oktober 2021

Carla Reemtsma: Ist die Klimabewegung zu elitär?

von Henrietta Clasen 23. August 2021

Carla Reemtsma, Pressesprecherin von Fridays For Future Deutschland, spricht nicht von Klimaschutz, sondern von “Klimagerechtigkeit” – also der Vereinbarkeit einer ökologischen und sozialen Transformation – die den Aktivist*innen besonders am Herzen liegt. Doch interessanterweise wird Carla und ihren Mitstreiter*innen von Fridays For Future immer wieder zum Vorwurf gemacht, die Bewegung selbst sei eine “Rebellion der Privilegierten”. Wie viel steckt tatsäch an dem Vorwurf, es handle sich bei den Klimaaktivist*innen vor allem um weiße Akademiker*innen-Kinder? Und, kann Netzaktivismus vielleicht dabei helfen, den Protest zugänglicher zu machen?

Shownotes:

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► Ihr findet Carla auch auf Twitter.
► Am 24. September ist globaler Klimastreik von Fridays For Future .
► Ifo: “Wie fair ist die Energiewende? Verteilungswirkungen in der deutschen Energie- und Klimapolitik” (06/21).
► taz: “Spritpreis ist sozialer als sein Image” (06/21).
► Der Gradmesser Klimapodcast des Tagesspiegel: “Kluger Klimaschutz schafft soziale Gerechtigkeit” (06/21).
► Clemens Traub “Future For Fridays? ​​Streitschrift eines jungen „Fridays for Future“-Kritikers” (02/20).
► taz: “Diversität beim Klimaprotest: Zu jung, zu weiß, zu akademisch” (12/19).
► taz: “Nominierte 2020: Black Earth Kollektiv: Klimagerechtigkeit intersektional denken”.
► Maik Fielitz und Daniel Staemmler: “Hashtags, Tweets, Protest? Varianten des digitalen Aktivismus”, Forschungsjournal Soziale Bewegungen (2020).

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Transkript: Carla Reemtsma – Ist die Klimabewegung zu elitär?

“Wer sich nach einem 40-Stunden Tag als alleinerziehende Mutter noch um Kinder kümmern muss und wo das Einkommen nicht immer 100pro gesichert ist, hat erstmal andere Prioritäten in seinem Alltag, als sich politisch zu engagieren.”

Hallo und herzlich willkommen im Sinneswandel Podcast. Mein Name ist Marilena Berends und ich freue mich, euch in der heutigen Episode zu begrüßen.

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Als im Juni diesen Jahres die Grünen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock ankündigte, die Spritpreise müssten bis 2023 schrittweise um 16 Cent pro Liter Benzin erhöht werden, war die Empörung groß: “Unsozial! Überheblich! Den kleinen Leuten werde in die Tasche gegriffen”, hieß es. Klimaschutz dürfe kein Privileg der Besserverdiener*innen werden.

Mal ganz unabhängig davon, dass die Bundesregierung ihrerseits schon längst beschlossen hatte, dass Benzin teurer werden müsse – auch SPD und Union stimmten dem zu – ist die Aufregung um die Frage nach der Vereinbarkeit von nachhaltiger Klimapolitik und sozialer Gerechtigkeit alles andere als neu – und nicht ganz unberechtigt. Denn Klimapolitik kann durchaus die soziale Ungleichheit vergrößern. Wissenschaftler*innen sprechen dann von sogenannten “negativen Verteilungseffekten”. Bedeutet, Klimaschutzinstrumente, wie eine CO2-Bepreisung, belasten zunächst Geringverdienende stärker als wohlhabende Haushalte. Hinzu kommt ein Stadt-Land-Gefälle: Wer in Großstädten, wie Berlin oder Hamburg mit einem relativ gut ausgebautem öffentlichen Nahverkehr lebt, ist nicht notwenigerweise auf ein eigenes Auto angewiesen, und daher auch oft weniger von steigenden Spritpreisen betroffen. Ganz im Gegensatz zu Menschen, die auf dem Land wohnen, wo vielleicht zwei Mal am Tag ein Bus vorbeikommt – wenn überhaupt.

Klingt erstmal wie ein klassisches Dilemma – die Sache lässt sich allerdings lösen, wenn man sie einmal genauer betrachtet: Um negativen Verteilungseffekten entgegenzuwirken, darf Klimapolitik nämlich nicht isoliert gedacht werden, vielmehr muss sie in einen umfassenderen, Politikansatz eingebettet werden. Gelingt das, kann sie sogar zu mehr sozialer Gerechtigkeit, sprich positiven Verteilungseffekten, führen. Das hat auch eine Gruppe von Wis­sen­schaft­le­r*in­nen des Berliner Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) erst im Juni diesen Jahres in einer Studie festgestellt. Darin heißt es: „Ein CO2-Preis als Aufschlag auf den Spritpreis, bei dem die kompletten Einnahmen in eine einheitliche Pro-Kopf-Rückerstattung fließen, ist mit Abstand die fairste Form von Klimaschutz im Verkehrssektor“. Also das, was die Grünen fordern, nämlich ein sogenanntes „Energiegeld“ in Höhe von jeweils 75 Euro, das an jede Bürgerin und jeden Bürger aus den staatlichen Steuereinnahmen ausgezahlt wird. Ein solcher Sozialausgleich hätte den Berechnungen der Wissenschaftler*innen nach zur Folge, dass nur das reichste Fünftel draufzahlt – die ohnehin statistisch gesehen den höchsten CO2-Verbrauch haben. Der Rest würde genauso viel oder sogar mehr zurückerhalten, wie er oder sie das Jahr über gezahlt hat. Könnte damit also das gern gebrachte Argument, Gesetze und Verbote seien zwar weniger effektiv als eine CO2-Bepreisung, aber dafür zumindest sozial gerecht, als widerlegt angesehen werden? Energieökonomin Claudia Kemfert sprach sich im Klimapodcast des Tagesspiegels „Der Gradmesser“ jedenfalls fürs eine solche Taktik aus: “Kluger Klimaschutz ist nicht nur etwas für sogenannte Eliten, sondern er schafft im Gegenteil soziale Gerechtigkeit”. Aktuell zahlen für Umwelt- und Klimaschäden am wenigsten die Verursacher*innen, sondern vor allem die Steuerzahlenden. Deshalb brauche es endlich wahre Kostentransparenz. Die Ideen, so Kemfert, lägen bereits auf dem Tisch, es hapere nur an der Umsetzung. 

Apropos Umsetzung, das ist es auch, was die Aktivist*innen von Fridays For Futurevon Beginn an, seit ihren ersten Demonstrationen 2019 fordern. Eine unter ihnen ist die heute 23-jährige Carla Reemtsma. Neben ihrem Studium der Ressourcenökonomie in Berlin, ist sie bundesweite Sprecherin von Fridays For Future Deutschland – vielleicht ist es aber auch eher andersherum, wenn man bei ihrem Einsatz einmal Bilanz ziehen würde. Sie ist von Anfang an mit dabei und trommelt, bewegt von der Rede Greta Thunbergs auf der UN-Klimakonferenz in Katowice 2018, eine Gruppe Menschen zusammen, die schließlich die Fridays For Future Münster gründen: 

“Für mich gibt es nicht den einen Moment der mich für Klimagerechtigkeit und den Aktivismus politisiert hat. Es war vielmehr eine Abfolge von: man trifft seine ersten Konsumentscheidungen, stellt dann fest “Hey, meine Uni investiert Millionen in RWE Aktien”, dann stand ich vor dem Tagebau Hambach in dem rheinischen Braunkohlerevier, wo ein Loch im Boden ist das 300 Meter nach unten geht – man sieht das Ende gar nicht – und das alles für einen Energieträger, der der dreckigste der Welt ist und der die Klimakrise immer weiter anfeuert. Da dachte ich zum ersten Mal, dieser doch etwas pathetisch wirkende Satz “wir beuten unseren Planeten aus”, hat vielleicht einen wahren Kern. Dann aber auch immer andere Aktivist*innen und Aktionen, die wir organisiert haben, haben einen immer weiter politisiert und haben dafür gesorgt, dass ich Aktivistin bin und für Klimagerechtigkeit kämpfe und das auch weiter tue.”  

Carla spricht nicht von Klimapolitik oder Klimaschutz, sondern von “Klimagerechtigkeit” – also der Vereinbarkeit einer ökologischen und sozialen Transformation. Doch interessanterweise wird ihr und ihren Mitstreiter*innen von Fridays For Future immer wieder zum Vorwurf gemacht, die Bewegung selbst sei eine “Rebellion der Privilegierten”. So bezeichnet sie zumindest Clemens Traub. Der 24-jährige Politikstudent aus Karlsruhe, selbst ehemaliger Fridays For Future Aktivist und heute Mitglied der SPD, brachte im vergangenen Jahr, wie er selbst sagt, „die erste Streitschrift in Deutschland eines Jugendlichen selbst über die Klima-Bewegung“ heraus. Seine These darin: Die Fridays For Future Aktivist*innen treiben die soziale Spaltung der Gesellschaft aktiv voran: Auf der einen Seite die gebildeten “Klima-Eliten” – auf der anderen Seite die “Umweltzerstörer”. “Wo ist der Raum für differenzierte Zwischentöne und einen sachlichen Meinungsaustausch?”, fragt Clemens Traub. Klimapolitik müsse sozial gerecht sein. Wer hingegen den gesellschaftlichen Zusammenhalt riskiere, der wird, so Traub, die Welt nicht retten. Doch  wie viel steckt dran, an dem Vorwurf, die Fridays For Future Bewegung sei elitär und bestehe vor allem aus Akademiker*innen-Kindern? Clemens Traub positioniert sich in seinem Buch unmissverständlich: “Das typische Milieu der meisten Fridays-for-Future-Demonstrant*innen kenne ich gut. Es ist in gewisser Weise mein eigenes und das meines jetzigen Freund*innenkreises: großstädtisch, linksliberal, hip. Ärzt*innentöchter treffen darin auf Juristen*innensöhne. Gin-Tasting und Diskussionen über plastikfreies Einkaufen und Zero Waste stehen nebeneinander auf der Tagesordnung. Veganismus zählt ebenso zum unausgesprochenen Kodex des Hip-Seins wie der Einkauf im Secondhandladen. Und der Bioladen um die Ecke wertet die Lage der eigenen Wohnung selbstverständlich auf. Akademiker*innenkinder bleiben unter sich. Ein Querschnitt der Gesellschaft also, den die Klimaproteste abbilden? Weit gefehlt!” 

Und auch die taz titelte bereits im Dezember 2019: “Zu jung, zu weiß, zu akademisch” – mangelnde Diversität beim Klimaprotest! Laut dem Institut für Protest- und Bewegungsforschung (IPB), die während des globalen Klimastreiks im März 2019 Umfragen durchführten, gaben 92 Prozent der Befragten an, mindestens Abitur gemacht zu haben oder einen höheren Bildungsgrad zu besitzen oder diesen anzustreben. Die meisten verorten sich im linken Spektrum. Menschen mit Migrationsgeschichte waren eher unterrepräsentiert – im europäischen Vergleich sei die Bewegung aber, so das Forschungsinstitut, “sowohl hinsichtlich der Zusammensetzung der Teilnehmer*innen als auch in der Einschätzung von Lösungswegen heterogener als der gemeinsame Rahmen vermuten lässt.” Clemens Traub, der selbst eine Zeit lang bei FFF aktiv war, will von dieser Heterogenität jedoch nichts gemerkt haben: “Die Bewegung war von Anfang an viel zu homogen, viel zu elitär und entsprechend viel zu abgehoben, als dass sie dies selbst überhaupt auch nur bemerkt hätte. Nur wem es materiell gutgeht, der hat letztlich die Zeit und auch die Muße, den Klimaschutz als das persönlich wichtigste und auch einzige politische Thema unserer Zeit zu betrachten und ihm alles andere unterzuordnen.”

Pressesprecherin von FFF, Carla Reemtsma, kennt diese Kritik und verschließt sich keinesfalls vor ihr, merkt aber auch an: “Fridays For Future stellt insgesamt keinen Querschnitt der Bewegung dar. Es stimmt, dass viele Leute aus dem bürgerlichen Haushalt kommen, aber wir sind, nichtsdestotrotz, sehr breit aufgestellt. Gerade was Stadt- und Land-Herkunft angeht. Natürlich sind wir in großen Städten größer, das ergibt sich aus der Größe der Städte, aber wir sind in 600 bis 700 Orten in Deutschland präsent – das sind dann nicht alles nur Millionenstädte. Ich glaube soziale Herkunft kann eine Rolle spielen, ob man sich aktivistisch aktiviert. Sie ist oft der allererste Grund sich zu politisieren. Wer als POC Rassismus erfährt, kann sich daran politisieren und das als ersten und wichtigsten Kampf für sich finden. Wer ein geringes Einkommen hat und unter schlechten Arbeitsbedingungen arbeiten muss, hat da vielleicht seinen ersten politischen Moment. Ich glaube nicht, das grundsätzlich politisches Engagement abhängt von der sozialen Herkunft, sie kann es aber schwerer machen. Wer sich nach einem 40-Stunden Tag als alleinerziehende Mutter noch um Kinder kümmern muss und wo das Einkommen nicht immer 100pro gesichert ist, hat erstmal andere Prioritäten in seinem Alltag, als sich politisch zu engagieren. Wer Zugang zu Bildung hat, ein geregeltes Einkommen – für den ist es häufig leichter. Nichtsdestotrotz glaube ich nicht, dass es ein ausschlaggebendes Merkmal ist, und in unserem Aktivismus ist immer ganz wichtig, dass Kämpfe, die für eine gerechte und lebenswerte Welt für alle kämpfen, zusammenzubringen. Deswegen sprechen wir auch von “Klimagerechtigkeit” und nicht von “Klimaschutz”. Klimagerechtigkeit als ein Kampf, ein Protest der in der Zukunft nicht auf Kosten von Minderheiten gemacht wird, sondern den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Das heißt, dass soziale Gerechtigkeit und Klimagerechtigkeit, aber auch antirassistische Forderungen miteinander einhergehen. Das wir die Revolution nicht nur durch E-Autos, sondern durch kostenlosen, öffentlichen Nahverkehr machen. Dass wir den Fortschritt in Richtung Klima nicht nur durch einen CO2-Preis machen, wo sich reiche Menschen immer noch vieles leisten können und soziale Ungerechtigkeiten verstärken, sondern gleichzeitig ein Angebot für alle schaffen.”

Die Sozialwissenschaftlerin Imeh Ituen heißt die Proteste der Fridays-Bewegung zwar gut und sieht deren Bemühungen um Inklusivität, ihr reicht das aber dennoch nicht, weshalb sie sich mittlerweile bei dem Berliner BIPoC-Klimakollektiv „Black Earth“ engagiert, mit dem sie vor allem auf die untrennbare Verbindung von Kolonialismus, Rassismus und der Klimakrise aufmerksam machen. Eine der Gründer*innen, Samie Blasingame, sagte in einem Interview mit der taz: „In der [Klima-]Bewegung wird zu wenig über historische Ungerechtigkeiten gesprochen“. Deshalb hätten sie als Kollektiv beschlossen, “stets zu mindestens drei Vierteln aus BIPoC und zu mehr als der Hälfte aus FLINT* (Frauen, Lesben, inter, nicht-binären und trans Personen) zu bestehen.” 

Grundsätzlich widersprechen, tun sich die Bewegungen nicht – das Anliegen von Imeh Ituen und dem “Black Earth” Kollektiv zeigt nur abermals, wie essentiell der interkulturelle und Milieu-übergreifende Austausch ist – auch im Klimaprotest. Selbst Autor Clemens Traub sieht in diesem Punkt Hoffnung: “Mehr Vielfalt könnte zu einer großen Chance für Fridays for Future werden: […] Ein neues bodenständigeres Auftreten könnte aus [ihnen] endlich eine Bewegung aus der Mitte unserer Gesellschaft machen. Eine einfühlsame Bewegung. Nicht nur für unseren Planeten, sondern vor allem auch für die Menschen, die auf ihm leben!”

Doch gerade online, wo der Protest, nicht nur von Fridays For Future, Corona-bedingt in den vergangenen Monaten hat hauptsächlich stattfinden müssen, macht diesen Austausch nicht gerade leichter. Einerseits ließe sich natürlich vermuten, dass Cyberaktivismus die Zugangsbarrieren herabsetze, da das Internet ein relativ leicht zugänglicher Ort ist. Außerdem ist Protest online häufig vergleichsweise günstig – auch ein Vorteil. Auf der anderen Seite jedoch, fehlt etwas ganz Essentielles: die Lebensrealität. Die Begegnung im analogen Raum, von Angesicht zu Angesicht. Die Präsenz, mit der auch Emotionen frei werden, die eine Verbindung ohnegleichen zwischen Menschen herstellen können. Nichtsdestotrotz hält auch Carla Reemtsma den Protest im Netz, insbesondere in den Sozialen Medien, für unerlässlich – auch, wenn er die Straßenaktionen nicht ersetzen kann:


“Sich online auf Social Media zu engagieren, ist eine mögliche Form des Aktivismus. Ich glaube, Social Media ist unglaublich wichtig in modernen Zeiten. Einerseits für Debatten, die geführt werden, wo Leute gehört werden, die sonst vielleicht weniger Aufmerksamkeit in traditionellen Medien finden – was natürlich auch seine Schattenseiten hat, wenn wir uns populistische Diskurse angucken. Es ist ein Ort, wo sich Leute einfach zugänglich bilden können über politisch Themen, die weniger Aufmerksamkeit finden. Sei es Rassismus, die Klimakrise, sei es Feminismus – diese Themen können dort besprochen werden, aber es ist eine Form. Es ist genauso valide sich zu engagieren und das nicht auf Social Media darzustellen, genauso wie ich glaube, dass Aktivismus, der “on the ground” stattfindet und immer Leute mitnimmt und Aktionen organisiert, doch noch wichtiger ist und das ist, was wir brauchen, um politisch etwas voranzubringen. Social Media kann eine Multiplikator*innen Wirkung haben, es kann für einen selbst gerade in diesem Bildungsaspekt sehr wichtig sein, und ich glaube, dass es für wirksamen Aktivismus immer den Druck von der Straße braucht.”

Zu diesem Ergebnis kamen auch der Protestforscher Daniel Staemmler von der Berliner Humboldt Universität und Maik Fielitz vom Jenaer Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft in ihrer Studie: “Protestformen online und offline sind längst verknüpft, man sieht das jetzt durch die Krise nur stärker, weil der übliche Demobetrieb wegfällt. Was sich ändert, sind die Plattformen, auf denen sich das vollzieht”, so Staemmler im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Die Forscher sind der Auffassung, dass die Zukunft des Netzaktivismus davon abhänge, “die Leute von einer Plattform auf andere zu bringen, wo sie sich intensiver mit den Inhalten auseinandersetzen können”, um die Kraft dann auf die Straße zu tragen. “Dieses Gemeinschaftsgefühl erleben zu wollen, mit allem, was dazugehört, statt nur ein paar Posts zu teilen, das wird nicht verloren gehen. Ich glaube, es könnte sogar noch an Bedeutung gewinnen”, ergänzt Fielitz. Kein unwahrscheinliches Szenario, gerade nach der langen Pandemie-bedingten analogen Protestpause – vielleicht spielt das ja Bewegungen wie Fridays For Future, sobald Straßenaktionen wieder unbedenklich möglich sind, in die Karten. Es wird sich zeigen.

Vielen Dank fürs Zuhören. Wie ihr wisst, ist es unser Bestreben, möglichst unabhängig und werbefrei produzieren zu können. Das müssen wir uns allerdings auch leisten können. Daher, wenn ihr Sinneswandel gerne hört, freuen wir uns, wenn ihr unsere Arbeit als Fördermitglieder unterstützt. Das geht ganz einfach via Steady oder, indem ihr uns einen Betrag eurer Wahl an Paypal.me/Sinneswandelpodcast schickt. Alle Infos zur Episode, Quellen und weiterführendes Material findet ihr, wie immer in den Shownotes. Mein Name ist Marilena Berends, ich bedanke mich bei euch fürs Zuhören und sage bis bald im Sinneswandel Podcast! 

23. August 2021

Rente und Rebellion – (wie) passt das zusammen?

von Henrietta Clasen 17. August 2021

Wer ist eigentlich Schuld am Klimawandel. Die älteren Generationen, weil sie, obwohl der Club of Rome bereits 1972 die “Grenzen des Wachstums” prophezeite, nicht handelten? Oder sind es nicht gerade die Großeltern, die noch wussten, was Maß und Mitte bedeutet? Ganz im Gegensatz zu den jüngst geborenen Generationen, die in einer Welt des Überflusses aufwachsen. Wie nachhaltig und sinnvoll ist die Suche nach einem Sündenbock? Geht es nicht vielmehr darum, gemeinsam Lösungen zu finden? Für eine Welt, die aus den Fugen geraten ist, deren Kipppunkte schon bald drohen überschritten zu werden – ist da nicht vielmehr sofortiges, generationsübergreifendes Handeln gefragt?

Shownotes:

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► Erfahrt mehr über die Initiative Omas gegen Rechts.  
► Ihr findet Annika Rittmann und Monika Salzer auch auf Twitter.
► Ihr wollt aktiv werden? Wie wäre es bei den Parents For Future oder den Omas For Future?
► Greta Thunberg’s Rede auf dem Climate Action Summit 2019.
► “Klimaschutz ist was für Profis” Christian Lindner im Interview mit der BILD am Sonntag.
► “Sie gründete die ‘Omas For Future’: Leipzigerin (62) zieht in den Klimakampf” Cordula Weimann im Interview mit Tag24.
► Initiative #WirStimmenZusammen.

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Transkript: Rente und Rebellion – (wie) passt das zusammen?

“Natürlich ist man für Protest nie zu alt – es gibt kein Alter für Protest und ich glaube, dass Menschen, die ihr Leben gelebt haben, über sehr viel Erfahrung zurückblicken können und mutig sein können. Wir können sagen was wir uns denken – denn wir haben nichts zu verlieren. Und wir sind verantwortlich für die kommenden Generationen.”

Hallo und herzlich willkommen im Sinneswandel Podcast. Mein Name ist Marilena Berends und ich freue mich, euch in der heutigen Episode zu begrüßen.

*Werbung”: Der Partner unserer heutigen Episode ist OTTO, die ihre Warenrücksendungen auf Tüten aus wildem Plastik umstellen wollen. Dafür arbeiten sie mit dem Hamburger Start-Up Wildplastic zusammen: “Wildes Plastik, das sind Kunststoffe, die wir zusammen mit zertifizierten Organisationen aus der Natur sammeln und – in Ländern ohne eigene Recycling Strukturen – dafür sorgen, dass es erst gar nicht in der Umwelt landet. Die Aufgabe, die Umwelt von Kunststoffen zu befreien, ist gewaltig. Wir sehen das aber nicht nur als unsere kollektive Verantwortung, sondern auch als riesiges Potenzial. Wenn wir es schaffen, die Wertstoffe zurück in den Produktionskreislauf zu bringen, ersetzen wir gleichzeitig die Herstellung von neuem Plastik und reduzieren die Abhängigkeit einer Co2 intensiven fossilen Herstellung”, so Mitgründer Christian Sigmund. Gemeinsam sorgen Wildplastic und OTTO dafür, dass wir Systeme und Recycling-Kreisläufe neu denken. *Werbung Ende* 

[Mood: Der WDR Kinderchor singt „Meine Oma ist ’ne alte Umweltsau“ (27.12.2019)] 0:00-0:16

Am 27. Dezember 2019 veröffentlicht der WDR ein Video auf Facebook. Darin zu sehen, der Kinderchor des Senders, der eine umgeschriebene Variante des Kinderlied-Klassikers “Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad”, trällert. Nur anstelle der Originalzeilen singen die Kinder „Meine Oma fährt im SUV beim Arzt vor, sie überfährt dabei zwei Opis im Rollator, meine Oma ist ’ne alte Umweltsau“. Was eigentlich als Satire gedacht war, löst unerwartet einen mächtigen Shitstorm aus, der nun über den Sender hinweg fegt. Selbst der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet twittert einen Tag darauf: „Die Debatte um den besten Klimaschutz wird von manchen immer mehr zum Generationenkonflikt eskaliert“. Der WDR habe mit dem Lied “Grenzen des Stil und des Respekts gegenüber Älteren überschritten. Jung gegen Alt zu instrumentalisieren” sei nicht akzeptabel, so Laschet. Andere Twitter-Nutzer*innen hingegen nehmen den Kinderchor in Schutz, merken an, dass in einem Satire-Video nicht „Umweltsau“ gesagt werden dürfe, zugleich im Parlament, verwendet dort jemand das N-Wort, ungestraft davon komme. Es entfacht ein sich selbst verstärkendes Twitter-Bashing, in dem einerseits der Boomer-Generation, also jenen, die während des “Baby-Booms” in den 50er und 60er Jahren geboren wurden, vorgeworfen wird, keinen Spaß zu verstehen. Und andererseits wird den jüngeren Generationen Y und Z Undankbarkeit und mangelnder Respekt vor ihren Großeltern zur Kritik gemacht. Es dauert nicht lange, bis der WDR das Video löscht und eine Sondersendung zur Klarstellung ankündigt, in der sich sogar WDR-Intendant Tom Buhrow zu Wort meldet. Das Video sei ein Fehler gewesen, für das er sich “ohne Wenn und Aber” entschuldige, so Buhrow. Mit der Entscheidung das Video zu löschen, habe man lediglich die Reaktionen empörter Senior*innen und Enkelkindern berücksichtigt, die zahlreich beim WDR angerufen hätten.

Das missglückte Satire-Video des Westdeutschen Rundfunks ist nur ein Beispiel für die angespannte Lage, wenn es um die Frage geht, wer eigentlich Schuld ist am Klimawandel. Die älteren Generationen, weil sie, obwohl bereits 1972 der Club of Rome die “Grenzen des Wachstums” prophezeite, nicht handelten und stattdessen weiterhin Treibhausgase in die Atmosphäre pustete, als handle es sich dabei um Seifenblasen oder bunte Luftballons? Oder sind es nicht gerade die Großeltern, die noch wussten, was Maß und Mitte bedeutet, die ganz selbstverständlich ihre Socken stopften, statt sich Neue zu kaufen und nur das auf den Tisch kam, was die Saison hergab? Ganz im Gegensatz zu den jüngst geborenen Generationen, die in einer Welt des Überflusses aufwachsen und kaum noch gewohnt sind, selbst zu kochen, geschweige denn Socken zu stopfen, wenn es weitaus günstiger ist, sich ein neues Paar online zu bestellen. Wie man es auch dreht und wendet, es lassen sich Argumente für die eine, als auch für die andere Seite finden. Zugleich stellt sich die Frage, wie nachhaltig und sinnvoll die Suche nach einem Sündenbock überhaupt ist. Geht es nicht vielmehr darum, gemeinsam Lösungen zu finden? Für eine Welt, die nunmal aus den Fugen geraten ist, deren Kipppunkte schon bald drohen überschritten zu werden – ist da nicht vielmehr sofortiges, generationsübergreifendes Handeln gefragt? Auch die 18-jährige Annika Rittmann, Pressesprecherin von Fridays For Future Hamburg, hält nichts von den ewigen Vorwürfen gegenüber älteren Generationen:  

“Natürlich sehen wir, dass die vergangene Generation verpasst hat zu handeln. Wir wissen seit über 40 Jahren, dass die Klimakrise ein Problem ist und eine Bedrohung und Gefahr für unsere Zukunft. Doch jede Generation hat ihre Kämpfe zu schlagen und auch vergangene Generationen haben bereits für Klima und Umwelt demonstriert. Enttäuscht bin ich jetzt von der Generation der Politiker*innen, die jetzt gerade unsere Zukunft verfeuern und konsequent Klimaschutz blockieren.”

Vielmehr sieht Annika, die bereits mit 16 Jahren begann sich bei FFF zu engagieren, die Chancen in einer generationsübergreifenden Solidarisierung im Kampf gegen den Klimawandel. Immerhin gibt es ja auch die Parents for Future, die sich schon im Februar 2019 aus Eltern, die bereits die Schülerproteste von Fridays For Future unterstützten, zusammenschlossen. Schnell entsteht ein solides Basisteam, das als Reaktion auf angedrohte Sanktionen des nordrhein-westfäischen Schulministeriums beschließt, die jungen Menschen in ihrem Protest aktiv zu stärken. Die 62-jährige Leipzigerin Cordula Weimann, wollte auch nicht länger untätig zuschauen und gründete deshalb die “Omas For Future”, mit der sie “die Generation 50plus mit ins Boot holen” will. Denn die trage, so Weimann im Interview,  “oft unbewusst – besonders stark zur Erderwärmung bei. Mit Überzeugungsarbeit, praktischen Tipps und ‘über die Liebe zu Kindern und Enkeln’ will sie gerade bei Älteren das Bewusstsein fürs Klima schärfen.” Mittlerweile zählt Omas For Future mehr als 40 Regionalgruppen und ist sogar in Ungarn und Österreich vertreten. Das Engagement bleibt auch bei jüngeren Aktivist*innen, wie Annika Rittmann, nicht ungesehen:

“Mir gibt es unglaublich viel Kraft, dass sich die “Parents and Grandparents” gegründet und solidarisiert haben. Dass sich die Entrepreneurs, also Unternehmer*innen, hinter uns stellen, denn das zeigt, dass wir eine Transformation in der gesamten Gesellschaft brauchen und wir alle von der Klimakrise betroffen sind, aber auch, dass wir alle bereit sind dafür zu kämpfen, dass jetzt was passiert und das wir etwas verändern wollen. Und natürlich brauchen wir noch mehr Menschen auf der Straße und müssen noch breiter in die Gesellschaft wachsen, aber wir sehen tagtäglich, wie sich uns mehr Menschen anschließen, wie wir größer werden und wie viel mehr Menschen jetzt konsequentes Handeln fordern.”

Dass sich die jüngeren Generationen, die mit großer Wahrscheinlichkeit viele der sich verstärkenden Auswirkungen des Klimawandels am eigenen Leib erfahren werden, politisieren und auf die Straße gehen, erscheint logisch. Doch wie viel Verantwortung kann und sollte man Kindern und Jugendlichen eigentlich zumuten? Von der schwedischen Aktivistin Greta Thunberg stammt zwar das Zitat “Man ist nie zu jung, um etwas zu bewegen”. Doch zugleich kritisierte sie in ihrer Rede auf dem Climate Action Summit 2019 in New York: „This is all wrong. I shouldn’t be up here. I should be back in school on the other side of the ocean. Yet you all come to us young people for hope. How dare you! […] You are failing us. But the young people are starting to understand your betrayal. The eyes of all future generations are upon you. And if you choose to fail us, I say: We will never forgive you.” Greta sieht keine andere Wahl, als ihre Jugend dem Kampf gegen den Klimawandel zu widmen, denn Kindern zuzuhören und sich von ihnen belehren zu lassen, das sind Politiker*innen nicht gewohnt. So kommentierte FDP-Vorsitzende Christian Lindner im März 2019 in der BILD am Sonntag: “Von Kindern und Jugendlichen kann man nicht erwarten, dass sie bereits alle globalen Zusammenhänge, das technisch Sinnvolle und das ökonomisch Machbare sehen.“ Das sei vielmehr „eine Sache für Profis“, so Lindner. Aber was, wenn die ihren Job nicht machen oder ihm zumindest nicht gerecht werden? Dann reicht man eben eine Klage ein, wie es mehrere Aktivist*innen 2020 gemeinsam mit Umweltverbänden taten. Sie reichten eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein, mit der Forderung, das Klimaschutzgesetz nachzuschärfen. Und siehe da, Karlsruhe gab erst kürzlich, am 29. April diesen Jahres, den Aktivist*innen Recht und verpflichtet damit die Bundesregierung zu Nachbesserungen beim Klimaschutz. Insbesondere mit Artikel 20a des Grundgesetzes, das den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen auch in Verantwortung für künftige Generationen vorschreibt, sei das bisherige Klimaschutzgesetz nicht vereinbar, da es die Gefahren des Klimawandels zulasten der Folgegenerationen verschiebe, so die Richter. 

Viele der jungen Aktivist*innen wurden besonders durch die sich verschärfende Klimakrise politisiert. So war es auch bei Annika Rittmann: “[…] Politisiert habe ich mich durch FFF. Ich war schon vorher politisch interessiert, habe mich belesen, war auf Veranstaltungen, aber wirklich aktiv geworden, demonstriert und mit Menschen geredet, dass ist durch FFF passiert und es gab nicht diesen einen Moment, sondern ich war ganz lange in dem Glauben, dass die Umweltverbände und die Politik schon unser Klima und unsere Zukunft retten wird und dann waren da diese jungen Menschen auf der Straße. Das hat mich unglaublich mitgenommen und bewegt. […] und dann konnte ich eigentlich gar nicht mehr anders, als selbst bei FFF aktiv zu werden. […] Als ich mich als Pressesprecherin von Hamburg beworben habe und gewählt wurde, da war ich zwar erst 16, aber schon ein halbes Jahr bei FFF aktiv. Und ich habe gesehen, was wir junge Menschen bewegen können und wie gebraucht wir sind für unsere Zukunft einzustehen und zu kämpfen. Dementsprechend fiel es mir nicht wirklich schwer Verantwortung zu übernehmen.” 

Selbstwirksamkeit und die Hoffnung, etwas bewegen zu können, gepaart mit der Einsicht, dass einem diese Aufgabe vermutlich niemand abnehmen wird – so ähnlich ging es auch der heute 73-jährigen Wienerin Monika Salzer, Mitgründerin der Sozialinitiative “Omas gegen Rechts”, die sich für den Erhalt einer demokratischen, freien Gesellschaft stark macht – stets gut erkennbar an ihren bunten Strickmützen als Zeichen des gewaltlosen Widerstands und der Solidarität. In dem Grundsatz der Omas gegen Rechts heißt es: “Die ältere Frau als öffentliche politische Kraft ist nicht in unserem kollektiven Bewusstsein gespeichert. Deshalb müssen Frauen öffentlich auftreten, nicht als Einzelperson und Ausnahme, nicht als Star, sondern als Gruppe, die auffällt. Heraustreten aus der eigenen “small world” und eine gemeinsame starke Stimme für die Zukunft aller Kinder und Enkelkinder bilden ist die Herausforderung der Stunde. Denn vielleicht werden sie uns eines Tages fragen: Was habt ihr getan?”

Bis Monika Salzer in Pension ging, arbeitet sie als evangelische Pfarrerin und Psychotherapeutin. Mit der Gründung von “Omas gegen Rechts”, zunächst als Plattform auf Facebook, wollte sie vor allem ein Zeichen setzen und Menschen jeden Alters ermutigen, auf die Straße zu gehen und die Stimme zu erheben:

“Ich habe im November 2017 die ‘Omas gegen Rechts’ gegründet, weil eine neue, schwarz-blaue Regierung im Anmarsch war und ich der Meinung war, dass es unerträglich ist, nochmal eine derartige rechts-konservative Regierung an der Macht zu sehen. […] Ja, ich war in Pension und viele Omas sind in Pension oder Rente und haben den Tag über manchmal auch viel zu tun, weil sie Enkelkinder haben. Aber wir haben trotz allem Zeit, vielmehr Zeit als berufstätige, junge Frauen und vielmehr als Schülerinnen und Studentinnen. Wir sind die Generation, die Zeit hat und unser politisches Bewusstsein ist eben in den 68er Jahren gewachsen und gebildet worden und deshalb war uns klar, dass wir auch im Alter aktiv sein können und auch eine politische Stimme haben. Einer der ersten Slogans, die ich erfunden habe war ‘Altern heißt nicht stumm sein’.”

Mittlerweile versammeln sich die “Omas gegen Rechts” nicht nur auf Österreichs Straßen, sondern sind auch mit über 70 Ortsgruppen in Deutschland aktiv. ​​Selbst die BBC berichtete über die mutigen “Grannies Against the Right”, die nicht selten Angriffe von Rechten in Kauf nehmen müssen. Monika Salzer allerdings, lässt sich davon keineswegs entmutigen. Sie war schon immer politisch aktiv, ist im Widerstand seitdem sie denken kann, wie sie selbst sagt:

“Ich glaube alle Menschen, die 1948 geboren sind, hatten ein sogenanntes politisches Elternhaus. Der zweite Weltkrieg war zwei Jahre zuvor zu Ende und die Nachwehen hat man eine ganze Generation danach extrem gespürt. Es waren die Geschichten vom Krieg, die Traumatisierung der Eltern und Großeltern – wir haben Geschichten vom Krieg gehört, aber auch, wie sie den Krieg gemeistert haben. Meine Eltern haben vor allem voraus geblickt in die Zukunft, es war alles von einem Aufschwung geprägt. Im Grund mit einem positiven Gefühl, weil die Belastung so schrecklich war, dass jetzt die neue Zeit angebrochen ist. Aufsässig war ich nicht, aber im “Betragen” hatte ich immer ein Gut – das heißt ich war offensichtlich immer sehr lustig und Tratsch freudig in der Schule. Ich war die 68er Generation, das heißt 48 geboren, war ich 68 zwanzig Jahre alt und habe in meiner Jugend, mit meinem 15. Lebensjahr, die ganzen Musikumbrüche erfahren: die Beatles, die Rolling Stones. Die Demonstrationen, wie ich dann studiert habe – das war eine tolle Zeit und eine widerständige Zeit.”

Wie die junge FFF Aktivistin Annika Rittmann sagt, “jede Generation hat ihre Kämpfe zu schlagen”, und die Errungenschaften früherer Generationen zu ignorieren, nicht auf ihre Erfahrungen zurückzugreifen, wäre nicht nur ignorant, sondern auch strategisch fatal. Jede soziale Bewegung hat ihre Historie: ob die Frauenrechtsbewegung, die bereits zur Zeit der Französischen Revolution ihren Ursprung fand, und wohl kaum ohne die queere Bewegung, insbesondere in den USA, so viel Fahrt aufgenommen hätte. Ebenso, wie die Umweltbewegung, deren erste Vorläufer sich bereits in der Epoche der Romantik fanden, die in den 70er Jahren, auch angetrieben von der Anti-Atomkraft Bewegung, immer mehr Zulauf bekam, und in deren Fußstapfen heute Aktivist*inne wie Fridays For Future treten. So, wie jede soziale Bewegung nicht ohne ihre Geschichte, die kleinen und großen Schritte ihrer Vorgängerinnen und Vorgänger denkbar ist, sind es die Solidarisierungen zwischen Initiativen, die kaum zu unterschätzen sind. Auch ein Grund, weshalb die “Omas gegen Rechts” immer wieder gemeinsam mit den Schüler*innen von Fridays For Future auf die Straße gehen. Bei einigen sind es die eigenen Enkelkinder, die sie dazu ermutigt haben. Denn immerhin ist es ihre Zukunft, die auf dem Spiel steht und viele von ihnen können, im Vergleich zu der großen Anzahl älterer Generationen, noch nicht selbst ihre Stimme bei der Wahl abgeben. Aus diesem Grund hat sich auch eine Initiative gegründet, die unter dem Hashtag #WirStimmenZusammen Enkel ermutigt, mit ihren Großeltern über das Klima und die anstehende Bundestagswahl in den Dialog zu treten. Nach dem Motto: “Bitte, wählt für meine Zukunft!” Auf der Website der Initiative finden sich zudem Ideen, wie Jung und Alt ins Gespräch kommen können: auf einem gemeinsamen “Klima-Spaziergang” zum Beispiel oder beim “klimafreundlichen Kochen und Backen”. Und ganz unabhängig von der Bundestagswahl oder der Klimakrise, scheint es doch keine schlechte Idee zu sein, mehr Zeit miteinander zu verbringen, über Alters- und Generationsgrenzen hinweg. Dieser Meinung ist auch Monika Salzer, die vor allem ihre eigenen Altersgenoss*innen dazu ermutigen will, sich mit den jungen Menschen zu solidarisieren:

“Natürlich ist man für Protest nie zu alt – es gibt kein Alter für Protest und ich glaube, dass Menschen, die ihr Leben gelebt haben, über sehr viel Erfahrung zurückblicken können und mutig sein können – mutiger als junge Menschen, die noch ein Berufsleben vor sich haben, die sich binden müssen, die Risiken eingehen müssen, die nicht einfach in der Zeitung ein Interview machen können, wo sie sagen, was sie sich denken. Wir können sagen was wir uns denken. Aktivismus kennt kein Alter – ganz im Gegenteil. Ich würde die ältere Generation auffordern auf die Straße zu gehen und sich zu Wort zu melden – denn wir haben nichts zu verlieren. Und wir sind verantwortlich für die kommenden Generationen. Wir sind Großeltern, haben erfahren, dass die Erlebnisse unserer Großeltern und unserer Eltern – jetzt haben wir Kinder und Enkelkinder – das heißt wir blicken fünf Generationen zurück und nach vorn und wir sind wissende Frauen im Fall der Omas und politisch erfahren und haben die Solidarität der Generationen. Selbstverständlich auch als junge Menschen, aber jetzt als ältere Menschen ist uns das ein ganz großes Anliegen. Die Solidarität der Generationen ist uns deshalb ein ganz großes Anliegen.” 

Vielen Dank fürs Zuhören. Wie ihr wisst, ist es unser Bestreben, möglichst unabhängig und werbefrei produzieren zu können. Das müssen wir uns allerdings auch leisten können. Daher, wenn ihr Sinneswandel gerne hört, freuen wir uns, wenn ihr unsere Arbeit als Fördermitglieder unterstützt. Das geht ganz einfach via Steady oder, indem ihr uns einen Betrag eurer Wahl an Paypal.me/Sinneswandelpodcast schickt. Alle Infos zur Episode, Quellen und weiterführendes Material findet ihr, wie immer in den Shownotes. Mein Name ist Marilena Berends, ich bedanke mich bei euch fürs Zuhören und sage bis bald im Sinneswandel Podcast! 

17. August 2021

Jakob Blasel: Sind Politik und Aktivismus (un)vereinbar?

von Henrietta Clasen 10. August 2021

Die jungen Menschen, nicht selten werden sie als “politikverdrossen” bezeichnet – aber stimmt das? Sind es nicht gerade die nachkommenden Generationen, die immer wieder an Politiker*innen appellieren, wenn es um die Einhaltung der Pariser Klimaziele geht? Einer dieser jungen Menschen ist Jakob Blasel. Bereits mit 17  begann seine aktivistische Laufbahn, innerhalb weniger Jahre ist er zu einem der Gesichter von Fridays For Future Deutschland geworden. Heute, drei Jahre später, zieht er von der Straße in den Bundestag. Wir haben mit Jakob darüber gesprochen, wie es zu dieser Entscheidung kam. Stehen Aktivismus und Politik im Konflikt miteinander oder könnten sie gar eine Synthese bilden?   

Shownotes:

Macht (einen) Sinneswandel möglich, indem ihr Fördermitglieder werdet. Finanziell unterstützen könnt ihr uns auch via PayPal oder per Überweisung an DE95110101002967798319. Danke.

Die heutige Episode wird freundlich unterstützt von OTTO. Mit Ihrer Kampagne unter dem Motto „Veränderung beginnt bei uns“ will das Unternehmen für die Vermeidung von Retouren sensibilisieren – weil es nicht egal ist, wie und wo wir bestellen. Mehr Infos erhaltet ihr hier.

Quellen:

►Tagesspiegel: Vom Marsch auf der Straße zum Marsch durch die Institutionen (25.09.2020).
►Bayerischer Rundfunk: Politik statt Protest (06.02.21).
►Tagesschau: Partei statt Straße? (03.07.21).
► die Welt: Ein Klimaaktivist auf dem Marsch in die Institutionen (15.09.20).
► Der Spiegel: Gehört Fridays for Future auf die Straße – oder in den Bundestag? (24.06.21).
►Die Zeit: Kompromisse funktionieren bei der Klimakrise nicht (25.09.20).
►Die Zeit: Grünen Basis will auf Parteitag höheren Co2 Preis durchsetzen (09.06.21).
► Scientists For Future: Die Flutkatastrophe im Juli 2021 in Deutschland und die Klimakrise – eine Stellungnahme von Wissenschaftler:innen der Scientists for Future (22.07.21).
►  Karl R. Popper: Das Elend des Historizismus. 4. Auflage. Mohr, Tübingen,( ISBN 3-16-532721-1) , S. 7. (Die Einheit der Gesellschaftswissenschaften. Band 3) (1974).

Kontakt:
✉ redaktion@sinneswandel.art
► sinneswandel.art

Transkript: Jakob Blasel: Sind Politik und Aktivismus (un)vereinbar? 

“Alle Menschen, die sagen, den nötigen Wandel werden wir nicht im Parlament schaffen – ja, wo denn sonst? Es darf nicht scheitern. Ohne, dass ich garantieren kann, dass es klappt – ich werd alles dafür geben.”

Hallo und herzlich willkommen im Sinneswandel Podcast. Mein Name ist Marilena Berends und ich freue mich, euch in der heutigen Episode zu begrüßen.

*Werbung*: Wie auch letzte Episode wird die heutige unterstützt von OTTO. In der letzten Episode haben wir berichtet, wie diese ihre Retouren aufbereiten. OTTO versucht aber auch, Retouren im Vorfeld zu vermeiden, etwa durch Online-Videos für Produkte oder persönliche Beratung von Produktexperten über Telefon, WhatsApp, E-Mail oder SMS als zusätzliche Hilfe bei der Kaufentscheidung. Es ist wichtig, dass Unternehmen ihre Recycling-Strukturen optimieren, als auch, dass wir als Verbraucher*innen möglichst bewusste Entscheidungen treffen. *Werbung Ende*

Die jungen Menschen – nicht selten werden sie von älteren Generationen als “politikverdrossen” bezeichnet. Starren angeblich den lieben langen Tag auf Smartphones oder präsentieren die neuesten Dance-Moves ihrer TikTok-Community. In Parlamenten, als Anwärter*innen für politische Posten, da sucht man sie vergeblich. Aber stimmt das? Sind es nicht gerade die nachkommenden Generationen, die immer wieder an Politiker*innen appellieren, insbesondere, wenn es um die Einhaltung der Pariser Klimaziele geht? Oder hat das nichts mit Politik zu tun, ist “nur” Aktivismus? Und, wer junge Menschen als “politikverdrossen” bezeichnet, sollte der sich nicht vielleicht auch fragen, ob es dafür nicht gute Gründe gibt? Ob Politik, wie sie bislang gemacht wird, noch zeitgemäß ist? Sicherlich werden die Entscheidungen, die in Parlamenten getroffen werden, nicht mit dem Tempo und den Forderungen vieler Aktivist*innen mithalten zu können, aber nur, weil etwas schon immer so oder so gehandhabt wurde, muss es noch lange nicht für immer so bleiben. So sehen es zumindest einige jener Aktivist*innen, die sich in den vergangenen Monaten und Jahren dazu entschlossen haben, die Seite zu wechseln, von der Straße in die Reichstagskuppel zu ziehen. Einer von ihnen ist Jakob Blasel. Bis vor kurzem noch einer der führenden Köpfe hinter der deutschen Fridays For Future Bewegung. Aber damit ist jetzt erstmal Schluss! Ariane, aus der Sinneswandel Redaktion, hat Jakob gefragt, was ihn zu dieser Entscheidung bewogen hat. Ob er das Gefühl hat, in der Politik mehr bewirken zu können, als auf der Straße. Und, ob Aktivismus und Politik überhaupt im Konflikt miteinander stehen, einen Gegensatz bilden oder, ob sie nicht gar eine Synthese bilden könnten.

Es ist der 25.01.2019, vor dem Bundeskanzleramt versammeln sich mehr als 10.000 junge Menschen aus ganz Deutschland. Der Wind pfeift an diesem Wintertag durch die Straßen Berlins, doch das Regierungsviertel ist erfüllt von Stimmengewirr und entschlossenen Gesichtern. Am Tag der Aushandlung des Kohlekompromisses fordern die Protestierenden, angesichts der enormen Auswirkungen der Klimakrise, eine engagierte Klimapolitik der Bundesregierung und den Kohleaustritt bis 2030. Zu ambitioniert, zu unrealistisch seien diese Forderungen, heißt es von den Politer*innen: 2038 wird schließlich als Datum für das Ausstiegsabkommen festgelegt – aus Sicht von Fridays For Future ein Kompromiss  gegen die Zukunft. Unter den Demonstrierenden ist auch Jakob Blasel. Der 19-jährige Schüler, zu dieser Zeit Sprecher von Fridays For Future Deutschland, hatte bereits 2018 in Kiel eine der ersten großen Demonstrationen der Bewegung mitorganisiert. Politisiert durch die Klimakrise und die, in seinen Augen, ungenügende Reaktion der deutschen Bundesregierung, tritt er 2017 Greenpeace und der Grünen Jugend bei. Nur zwei Jahre später, 2019, ist Jakob zu einem der bekanntesten Gesichter der jungen Klimabewegung in Deutschland geworden. Aber das allein, scheint nicht sein Ziel gewesen zu sein. 

Gut ein Jahr später, am 24. August 2020, twittert Blasel: “Der nächste Bundestag ist der Letzte, welcher die benötigten Gesetze für die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziel noch beschließen kann. Wir dürfen keinen Weg unversucht lassen, um diese dort umzusetzen. Deswegen will ich 2021 für die Grünen in den Bundestag einziehen. […] Wir brauchen Leute in den Parlamenten, die – für eine gerechte Welt, für die Interessen meiner Generation und für konsequentes Einhalten von Paris kämpfen. Das kann ich nicht alleine – aber ich kann anfangen.” Ein Tweet, der nicht unkommentiert bleiben wird. Neben viel Zuspruch in der Kommentarspalte, titelt die FAZ wenige Tage später: “Fridays for Future verliert Aktivisten an die Politik” und stellt damit die Frage in den Raum, ob es sinnvoll ist, den Protestmarsch auf der Straße gegen den durch die parlamentarischen Institutionen einzutauschen. Jakob ist zu diesem Zeitpunkt bereits seit gut zwei Jahren Mitglied bei den Grünen. Allzu überraschend kommt diese Entscheidung also nicht. Doch was hat ihn letztlich davon überzeugt, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist? Das Gefühl, im Parlament mehr bewegen zu können, als auf der Straße mit Fridays For Future?

“Ich habe nie das Gefühl gehabt, dass ich im Bundestag mehr erreichen kann, als bei Fridays For Future. Es ist mehr eine krasse Lücke, die ich gesehen habe. Wir haben wahnsinnig engagierte Leute bei Fridays For Future – ich sehe wie es immer mehr werden und wie nach Corona die Bewegung immer stärker wird. Und gleichzeitig, wenn wir in die Politik gucken, haben wir bei den Grünen auch sehr viel Wissen, wie wir die Klimakrise angehen und andere Parteien könnten zumindest auf das Wissen zugreifen. Die gesellschaftlichen Mehrheiten sind da, aber diese Zugkraft und dieser wirkliche Gestaltungs – und Veränderungswille fehlt in der Politik. Das finde ich total krass: wir haben die gesellschaftlichen Mehrheiten, wir haben die Wissenschaft und trotzdem ist so eine Trägheit und Angst vorhanden, während die Klimakrise immer weiter voranschreitet – und gerade weil es zeitlich so knapp ist – wir werden die Weichen in den nächsten vier Jahren stellen oder halt auch nicht – und das hängt alles an uns.  Deswegen braucht es Menschen in der Politik, die mit Elan und mit dieser Vermittlung von Dringlichkeit, die es in der Klimabewegung schon gibt, dass die auch endlich in der Politik ankommt. Das ist der Grund warum ich für den Bundestag kandidiere. Aber das ist nie ein Entweder-Oder, so wie das manche Medien hochsterilisieren wollen.” 

Wenn man Jakob zuhört, scheint es sich hier um ein Missverständnis zu handeln. Anstatt sich darauf zu beschränken das Parlament und die Regierung für ihre Untätigkeit zu verurteilen, sieht er die Chance vielmehr darin, genau diese Institution mit seiner Kandidatur von innen heraus mit zu verändern. Für Jakob steht fest, dass jene Entscheidungen, die, die von großer Tragweite sind, genau dort, im Parlament gefällt werden, ohne dass das den Aktivismus auf der Straße überflüssig machen würde. 

“Ehrlich gesagt, wenn ich nicht glaube, dass wir das im Parlament umsetzen können, dann würde ich ja auch nicht glauben, dass ich das über Proteste auf der Straße erreichen kann. Das darf kein Widerspruch sein. Alle Menschen, die sagen, den nötigen Wandel werden wir nicht im Parlament schaffen – ja, wo denn sonst? Das ist das zentrale Entscheidungsgremium. Da werden die Weichen gestellt. Es darf nicht scheitern. Das ist der Punkt. Ohne, dass ich garantieren kann, dass es klappt – ich werd alles dafür geben. Ich arbeite mich jetzt schon in die Strukturen von Parlament ein. Auch, wenn ich gar nicht weiß, ob ich in den Bundestag komme oder nicht. Aber ich arbeite jetzt erstmal so. Weil, wenn es klappt, dann möchte ich alles dafür tun, dass die nächste Regierung und der nächste Bundestag die Weichen dafür stelle, dass wir die Klimakrise eindämmen können.” 

Das bewerten allerdings längst nicht alle so, wie Jakob. Ein paar, wenn auch nur wenige seiner ehemaligen aktivistischen Mitstreiter*innen sehen den Weg in die Politik kritisch und halten den Protest auf der Straße für wirkungsvoller. Im Gegensatz zu Blasel, sieht Carla Reemtsma, Pressesprecherin von Fridays for Future Deutschland, die Grünen nicht als Partei, die ein “1,5-Grad -kompatibles Parteiprogramm” vorzuweisen hat. Im Interview mit Zeit Campus stellt sie klar: “Das Problem bei der Klimakrise ist: Politische Kompromisse funktionieren nicht. Es gibt keinen Mittelweg, es geht um die Frage: Schaffen wir es, die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen, ja oder nein?” Auch Soziologe Klaus Hurrelmann äußert sich im Tagesspiegel eher skeptisch: “Für Fridays for Future ist Kompromissfindung Teufelszeug. Ihr Charakteristikum ist die absolute Forderung“, für ihn passt der Sprung einiger Aktivist*innen in die Parlamente nicht zum politischen Tagesgeschäft, das gerade von Kompromissen geprägt sei. Dies könne, so Hurrelmann, “nicht nur zu Spannungen bei den FFF führen, sondern vor allem innerhalb der Parteien, für die ehemaligen Aktivisten antreten.” Idealismus gerät in der Realpolitik nicht selten in die Mühlen der Diplomatie. Viele Nachwuchspolitiker*innen treten ihre Ämter mit hohen Erwartungen an sich selbst an, was sich positiv auf die Gestaltung des Parlaments auswirken kann. Zugleich könnte die erste Legislaturperiode für viele eine Art „Realitäts-Check“ werden. Auf der anderen Seite: Was die Realität betrifft, so ist diese längst nicht in Stein gemeißelt. Kontroverse und Dissens stellen vielleicht sogar den Kern einer jeden Demokratie dar. 

In Jakobs Worten steckt viel Elan, Zuversicht und eine große Portion Idealismus, die ihn als Aktivist bei Fridays For Future wohl auch dorthin gebracht hat – ganz an die Spitze, immer voran. Und das trotz Jura-Studium und Praktikum, das er “nebenher” noch absolviert. Aber wie weit bringt aktivistischer Elan im politischen Tagesgeschäft? Als Aktivist, in der Rolle der Opposition, lassen sich vermutlich radikalere Forderungen stellen, als im Parlament. Wie viel Idealismus lässt sich unter der Kuppel des Reichstags wohl bewahren?

“Wie viel Idealismus in den Bundestag passt? Ich muss ehrlich gesagt sagen, ich weiß es nicht – let’s find out. Ich denke das eher vom Ziel her – Klimapolitik müssen wir aus meiner Sicht immer idealistisch angehen. Wir haben ein, in Anführungsstrichen, “Idealbild” und das ist, das wir das 1,5-Grad Ziel nicht überschreiten. Wenn wir von Idealismus reden, dann implizieren wir ja, das alles andere auch irgendwie OK wäre und das ist bei der Klimakrise nicht so – wir müssen dieses Idealbild erreichen, wir müssen unsere gesamte Industrie und gesamte fossile Industrie innerhalb von 15 Jahren komplett über den Kopf werfen – in Deutschland in 15 Jahren, global in 20-25 Jahren. das ist eine total krasse Aufgabe und ehrlich gesagt müssen wir da am Ende landen – wir haben gar keine Wahl. Da ist, wenn man es so nennen will, Idealismus auf der Straße genauso naiv wie in der Politik, aber in der Politik auch nicht weniger naiv, als auf der Straße, weil letztendlich war es immer das, was wir bei Fridays For Future wollten – wir wollten, dass die Politik umsetzt was wir fordern. Und auch das ohne Kompromisse – es war nicht so, dass wir uns Idealziele ausgedacht haben, damit man sich am Ende auf irgendwas einigen kann, wir sind mit dem gekommen was nötig ist.”

Ob Jakob mit seinem Idealismus in der Politik Erfolg haben wird und in den Bundestag einzieht, steht noch in den Sternen. Die Mühlen der Politik laufen langsam und verfolgen andere Regeln. Schon jetzt musste Blasel eine herbe Niederlage einstecken, als er sich im Juni auf dem Grünen Parteitag für einen höheren CO2-Preis stark machte. Die Antwort lautete: Antrag abgelehnt. Die Parteispitze bleibt bei ihrem Vorschlag von 60 Euro ab 2023. Auch die 25-Jährige Wiebke Winter weiß, wie es sich anfühlt, in einer alteingesessenen Partei gegen Windmühlen zu kämpfen. Auch sie setzt sich für die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels ein. Allerdings nicht wie Jakob bei den Grünen – was vermutlich am naheliegendsten ist – sondern ausgerechnet bei der CDU, einer Partei, die nicht gerade dafür bekannt ist, Vorreiter im Klimaschutz zu sein. Gerade für die CDU sieht sie allerdings eine Chance, da die Klimafrage auch eine Wirtschaftsfrage und die CDU nun mal “die Wirtschaftspartei” sei, so Winter in den ARD tagesthemen. Also Klimaschutz ohne Kapitalismuskritik, könnte man sagen. Aber ganz gleich, ob in der CDU, bei den Grünen oder Fridays For Future, in einer Sache sind sich die meisten Klimaschützer*innen einig: Die Zeit drängt.

“Wir sehen das jetzt gerade in Kanada – da reichen wir an die 50 Grad, es brennen Ölbohrinseln im Meer – wir sind mitten in einer krassen Krise. Ich mache mir richtig Angst – wenn wir tropische Verhältnisse mitten in Stuttgart haben, dann ist das kein Joke mehr. Das ist krasse Realität, die Klimakrise. Und das was wir gerade erleben, ist nur ein kleiner kleiner Teil von dem, was noch bevorsteht, wenn wir jetzt nicht handeln. Wir müssen alle alles geben – alle, die sich gesellschaftlich beteiligen. Alle, die irgendwie das Gefühl haben, Einfluss zu nehmen – und sei es “nur”, auf eine Demo zu gehen. Aber am besten noch mehr politisch aktiv zu werden. Alle sind gefragt. Das ist eine ziemlich krasse Schicksalszeit gerade. Das hängt am Ende nicht an mir, ob ich was im Parlament erreichen kann – das hängt daran, dass wir gesellschaftliche Mehrheiten schaffen und sichtbar machen. Ob ich oder andere in der Politik was schaffen können – das hängt letztendlich an uns allen. Das darf nie hochgebauscht werden, dass es nur an Einzelnen liegt. Das war auch 2019 so, dass die Leute immer gesagt haben Greta Thunberg wird uns retten – das ist Bullshit. Niemand wird uns retten! Wir müssen alle alles dafür tun und aktiv werden. Ich bin total gespannt, ob das klappt. Ich kämpfe dafür in den nächsten Monaten und Jahren, aber ich hoffe, dass ich nicht der Einzige bin.” 

Jakobs eindringlichen Worte zeigen, es reicht nicht allein von außen auf Parteien Druck auszuüben, sondern um die zum Teil starren und adequierten Strukturen zu verändern, muss Politik auch von innen heraus transformiert werden. Das Reinrufen vom Rand, die Proteste auf den Straßen sind zentral, um Themen in der gesellschaftlichen Mitte und der politischen Arena zu positionieren – aber dann müssen sie dort auch institutionell verankert werden. Sven Giegold, Mitglied des Europaparlaments, der selbst ehemals als Aktivist bei der kapitalismuskritischen Bewegung Attac Deutschland aktiv war, sieht das sehr ähnlich: “FFF hat weltweit die Voraussetzung für den Klimaschutz verbessert, das hätte man aus den Parlamenten heraus nicht geschafft, das zeigt die Kraft einer Bewegung, aber ob dann wieder die richtigen Entscheidungen getroffen werden, das hängt davon ab, ob in den Institutionen auch Leute die gesellschaftliche Kraft aufnehmen”, so Giegold in einem Interview mit dem Bayrischen Rundfunk.

Eben dieses Ziel verfolgt auch die 2019 gegründete Partei Klimaliste, die nicht länger warten will, bis die etablierten Parteien mit dem Klimaschutz ernst machen. Über Direktkandidaten und -kandidatinnen will die Klimaliste auf kommunaler Ebene die Einhaltung des 1,5-Grad Ziels zur obersten Priorität machen. Entstanden ist die Partei aus einzelnen Graswurzelbewegungen, die sich aus Umweltschützer*innen und Wissenschaftler*innen zusammensetzen. Sie alle eint die Überzeugung, dass die etablierten Parteien das 1,5-Grad Ziel mit ihrer Politik nicht erreichen können und es daher ein Bündnis braucht, welches diesem Ziel höchste Priorität einräumt. Offiziell am 21. Juni 2021 gegründet, ist die Partei schon jetzt in fast allen Bundesländern lokal und regional vertreten. Wie Jakob, wollen auch sie “frischen Wind” in die deutsche Umweltpolitik bringen. Co-Vorsitzende Doris Vollmer betont in der Zeit, dass ihr Grundanliegen sei, die Klimabewegung zu stärken, dennoch so Kritiker, könne die Partei den Grünen wichtige Stimmen bei der Bundestagswahl kosten und somit eine konsequente Klimapolitik auf Bundesebene entgegen ihrer Bestrebungen untergraben. Fridays For Future distanzierte sich bereits vor der Landtagswahl in Baden Württemberg von der Klimaliste, obwohl sie doch einige Forderungen mit der Bewegung teilt. „Progressive demokratische Mehrheiten sind essenziell, um in den nächsten fünf Jahren den notwendigen Wandel zu tragen. Kleinstparteien wie die Klimaliste dürfen diese Mehrheit nicht aufs Spiel setzen“ , so Line Niedeggen, Sprecherin von Fridays For Future Heidelberg.

Die kommenden Wochen und Monate werden zeigen, welchen Einfluss die neue Partei auf Bundesebene haben wird. Der Trend hin zu mehr Parteipolitik auf Seiten aktivistischer Bewegungen, zeigt sich aber schon jetzt und wird die etablierten Parteien, aber vor allem die Grünen, unter Druck setzen, sich zu positionieren. Wird es eher ein politische Kompromiss, um für die gemäßigte Mitte attraktiv zu bleiben, oder schlagen sie einen radikaleren Weg ein, wie er von Aktivist*innen und der Klimaliste vorgezeichnet wird? Und die Frage bleibt, können wir uns angesichts der sich häufenden Naturkatastrophen, die laut Wissenschaftler*innen vom menschengemachten Klimawandel angetrieben werden, überhaupt einen gemäßigten Weg leisten? 

Das verheerende Hochwasser in Westdeutschland im Sommer diesen Jahres zeigt, der Klimawandel ist längst in Deutschland angekommen: “Erste Kipppunkte werden jetzt überschritten und Hitzerekorde gebrochen, Menschen verlieren ihre Lebensgrundlage und wir unsere Zukunft. Politiker*innen, die weiter nur für den guten Ruf “Klimaschutz” betreiben, führen zu einem kompletten Versagen gegenüber meiner Generation. Wir können uns keine weiteren 4 Jahre Versagen leisten”, twittert Jakob bereits am 24. August 2020. Ein Konflikt zwischen Politik und Aktivismus stellt sich nicht, wenn wir die Frage der Klimaerwärmung als gesellschaftliche Frage anerkennen, auf die es, so Blasel, nur eine gesamtgesellschaftliche Antwort geben kann: zu Handeln, und zwar jetzt, bevor es zu spät ist. Dafür brauche es engagierte Menschen innerhalb und außerhalb staatlicher Institutionen. Denn, so Jakob, Greta allein wird uns nicht retten. Doch was bewegt Menschen, aktiv zu werden? Was mobilisiert sie, den Marsch auf der Straße oder durch die Parlamente zu wählen? Beide Wege sind mühselig, erfordern Zeit, Kraft und Ausdauer. Was kann Menschen motivieren, diese “Sisyphusarbeit” dennoch auf sich zu nehmen?   

“Erstmal müssen wir anerkennen, dass die aller aller meisten Menschen eine politische Meinung haben und die allermeisten Menschen auch Veränderung wollen –  in Deutschland und der Welt. Wenn wir schaffen wollen, dass diese dann auch aktiv werden – also von diesem “nicht zustimmen” oder von den Ideen, die die Leute haben – hinkommen wollen zu Protest und zu einem gewissen Gestaltungswillen – also zu einer gesellschaftlichen Mobilisierung – dann müssen wir erstmal eine Geschichte erzählen, warum überhaupt jetzt der richtige Zeitpunkt ist, wie wir was erreichen wollen und dann ist es eigentlich relativ simpel. Es geht dann darum, die eigenen Freunde mitzunehmen, die eigenen Bekannten und die bringen dann wieder ihre Freunde und Bekannte mit. Das ist letztendlich der Schlüssel – ich glaube das ist kein Hexenwerk. Wir müssen gemeinsam agieren und das immer wieder als eine höhere Mission, als nur unsere eigene Vision, erzählen. Bei Fridays For Future ging es zum Beispiel nie darum Fridays For Future groß zu machen, sondern es ging darum, die Klimapolitik der gesamten Regierung zu ändern und diese übergeordnete Geschichte müssen wir allen erzählen von denen wir erwarten, dass sie mit uns mitmachen. Was man da noch tiefer machen soll, weiß ich nicht. Die Methoden sind eigentlich klar, das entsteht vor allem aus einer Motivation und aus uns selber heraus.” 

Ob eine übergeordnetes Narrativ und Gestaltungswille allein, aus uns Aktivist*innen machen und damit die Krisen den 21. Jahrhunderts bewältigt werden, ist fraglich. Aber Hoffnung und eine Erzählung, wofür es sich lohnt zu kämpfen, ist sicherlich kein falscher Weg, das Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen und aktiv die Zukunft mit zu gestalten. Ganz im Sinne Karl Poppers, der Aktivismus als “Die Neigung zur Aktivität und die Abneigung gegen jede Haltung des passiven Hinnehmens” charakterisierte. In diesem Sinne, schreibt uns gerne unter redaktion@sinneswandel.art, was euch bewegt oder bewogen hat, aktiv zu werden. Könnt ihr Jakobs Entscheidung in die Politik zu gehen nachvollziehen, und was braucht es eurer Meinung nach, um den Weg in eine nachhaltige und lebenswerte Zukunft zu gestalten? Wir sind gespannt!

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10. August 2021

Eva von Redecker: (Wie) Kann Aktivismus die Welt bewegen?

von Henrietta Clasen 27. Juli 2021

Als Sinneswandel Redaktion wollen wir in den kommenden Wochen unterschiedliche Aktivist*innen vorstellen, die den Status quo nicht hinnehmen, sondern sich für systemische Veränderung stark machen. Zudem möchten wir uns näher damit auseinandersetzen, was genau Aktivismus eigentlich ist, wie sich Protest abgrenzt, aber auch, wo die Trennlinien womöglich verschwimmen. Den Auftakt beginnen wir mit Philosophin Eva von Redecker und Aktivistin Franziska Heinisch, deren kürzlich erschienene Bücher sich dem zivilen Ungehorsam widmen. Beide Frauen verbindet der Glaube daran, dass nur durch ein aktives Aufbegehren Wandel gelingen kann. Denn eine freie Gesellschaft, eine Demokratie existiert nicht einfach, sie muss gelebt werden – und zwar von uns allen.

Shownotes:

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► Eva von Redecker: Revolution für das Leben – Philosophie der neuen Protestformen. Fischer Verlage (2020).
► Franziska Heinisch: Wir haben keine Wahl – Ein Manifest gegen das Aufgeben. Blessing (2021).
► Ihr findet Eva von Redecker und Franziska Heinisch auch auf Twitter.
► Erfahrt mehr über die Organisation Justice is Global Europe, die Franziska 2020 mitgegründet hat.

Kontakt:
✉ redaktion@sinneswandel.art
► sinneswandel.art

27. Juli 2021
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