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Natur

Clara Mayer: Was hat Klimagerechtigkeit mit Feminismus zu tun?

von Marilena 7. Oktober 2020

Zwei Jahre gehen sie nun auf die Straße und protestieren. Lassen dafür sogar die Schule sausen. Weil ihr Anliegen ihnen so wichtig und weitreichend erscheint, dass sie keine Kompromisse eingehen können und wollen. Sie fordern einen radikalen Wandel – jetzt und nicht morgen. Denn die Klimakrise lässt nicht auf sich warten. Doch es geht nur schleppend voran. Die Ziele, die einst im Pariser Klimaabkommen festgelegt wurden, wie auch die Maßnahmen des Klimapakets, scheinen nur zweitrangig zu sein. Dabei müsste Klimagerechtigkeit doch ganz eindeutig an oberster Stelle stehen. Diese Meinung vertritt auch Clara Mayer. Sie ist Pressesprecherin von Fridays For Future Berlin. Bezeichnet sich selbst als Klimaaktivistin und “feminist monster”.

SHOWNOTES:

► Mehr von und über Fridays For Future um informiert zu bleiben.
► Clara Mayer ist auch auf Instagram und Twitter präsent.

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7. Oktober 2020

Ein etwas anderer Jahresrückblick

von Marilena 5. Januar 2020

2019 also. Ein bewegendes Jahr. In vielerlei Hinsicht. Nicht nur für mich. Lasse ich die vergangenen Monate vor meinem inneren Auge Revue passieren, wird mir bewusst, wie viele politische und gesellschaftliche Ereignisse mich emotional, aber auch physisch bewegt haben: Europawahl im Mai, Brexit Hin und Her, die gewohnte Trump Misere, der Amazonas steht in Flammen, der heißeste Juni weltweit seit Wetteraufzeichnung. Anschlag in Halle, wachsender Rechtspopulismus und auf der anderen Seite der bisher größte Klimastreik in der Weltgeschichte am 20. September. Über 4 Millionen auf den Straßen weltweit. Alleine in Deutschland 1,4 Millionen.

Ich habe viel nachgedacht in 2019. Das klingt, als hätte ich das zuvor nicht getan. Aber ich meine damit nicht ein intentionales Nachdenken, wohlmöglich begleitet von Journalling und Meditation, sondern einfach nur Denken. Das, was eben kommt, wenn man gerade nichts tut. Oder, wenn man wie ich, zwei Wochen alleine wandern geht. In der Natur wird einem einiges bewusst. Wenn man dem Rascheln der Bäume im Wind lauscht, zu den gewaltigen Felswänden hinaufblickt. Dass man doch eigentlich ein Teil von ihr ist. Nichts von der Natur Abgetrenntes. Keine Umwelt, sondern Mitwelt. Nicht Ressource allein, sondern Leben. Wie du und ich.

In dieser Episode erfährst du:

  • Was mich im vergangenen Jahr 2019 bewegt hat.
  • Weshalb die unablässige Beschäftigung mit sich selbst, einen manchmal noch weiter von sich entfernen lässt.
  • Weshalb es ein gemeinsames Narrativ für eine lebenswerte Welt braucht.

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SHOWNOTES:

► Du sollst nicht funktionieren: für eine neue Lebenskunst von Ariadne von Schirach.
► Würde: Was uns stark macht – als Einzelne und als Gesellschaft  von Gerald Hüther.

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TRANSKRIPT:

Es war ein wenig still hier die letze Zeit. Bewusst habe ich mich die verbleibenden Tage im Jahr ein wenig herausgenommen und somit auch den Podcast pausieren lassen. Um einerseits das vergangene Jahr zu reflektieren, Zeit mit meiner Familie zu verbringen und, um mich einfach mal der Muße hinzugeben. Was mir zugegebenermaßen nicht gerade leicht fällt. Andererseits brauchte ich diese Zeit auch, um in mich zu gehen und zu hinterfragen, ob mein Sein und Tun noch mit mir, meiner Weltsicht und Haltung räsoniert. Denn, wie oft habe ich es schon erlebt, dass ich mich so sehr im Geschäftigsein und den alltäglichen To-Do’s verloren habe, gelegentlich sogar untergegangen bin, ohne zu merken, dass es mich in die Tiefe zieht. Oft bin ich erst wieder aufgetaucht, als die Luft bereits knapp und meine Brust wie zugeschnürt war. Aber, ich bin aufgetaucht. Bin wieder zu Bewusstsein gekommen, habe tief durchgeatmet und schon bald eine neue Klarheit verspürt.


Aber, bevor ich in die Tiefe gehe, möchte ich dich gerne hiermit einladen, an meinen Gedankengängen und einem kleinen Ausschnitt meiner Reflexion des letzten Jahres, teilzuhaben. Natürlich ist dies nur ein Aspekt der Wahrheit, nicht zuletzt, da vermutlich ein großer Teil in meinem Unterbewusstsein schlummert und, zum anderen, da ich nicht mein gesamtes Leben auf dem Silbertablett servieren möchte. Ein bisschen vermeintliche Privatsphäre, solange es diese noch gibt und ein paar schmutzige Geheimnisse, möchte auch ich mir bewahren.


2019 also. Ein bewegendes Jahr. In vielerlei Hinsicht. Nicht nur für mich. Lasse ich die vergangenen Monate vor meinem inneren Auge Revue passieren, wird mir bewusst, wie viele politische und gesellschaftliche Ereignisse mich emotional, aber auch physisch bewegt haben: Europawahl im Mai, Brexit Hin und Her, die gewohnte Trump Misere, der Amazonas steht in Flammen, der heißeste Juni weltweit seit Wetteraufzeichnung. Anschlag in Halle, wachsender Rechtspopulismus und auf der anderen Seite der bisher größte Klimastreik in der Weltgeschichte am 20. September. Über 4 Millionen auf den Straßen weltweit. Alleine in Deutschland 1,4 Millionen. 


Es war das Jahr, das mich politisiert hat, wie kein anderes. Das mich aus meiner selbstbezogenen und beinahe fatalistischen Haltung, in der ich es mir reichlich bequem gemach hatte, herausgerissen hat. Und da stand ich nun. Wie nackt im Scheinwerferlicht. Fühlte mich ein wenig ertappt. Beschämt, so viele Jahre meinen Allerwertesten nicht hoch bekommen zu haben. Trotz all der Ungerechtigkeit, die sich zum Teil sogar direkt vor mir abgespielt hat. Von der ich manchmal sogar wusste und dennoch die Augen verschlossen habe. Man will sich ja nicht belasten mit all der Negativität. Die könnte einen ja davon abhalten, das Beste aus seinem Leben zu machen. Und, wie stünde man denn dann da? Wenn man nicht alle die Chancen und Möglichkeiten nutzen würde, die einem zur Verfügung stehen? Wenn man nicht all die Freiheit auskosten und zur besten Version seiner selbst heranwachsen würde? Wenn man nicht permanent an sich selbst arbeiten und sich optimieren würde? Ja wo kämen wir denn da hin? Gute Frage, aber dazu später mehr.


Ich beschließe also, trotz aller Scham, ehrlich mit mir zu sein. Auch, wenn das schmerzlich ist. Sich einzugestehen, nicht immer gut und richtig gehandelt zu haben. Nicht perfekt, sondern ein ganz normaler Mensch zu sein. Kein Gewinner, kein Superstar und auch kein Shero. Vielleicht auch besser so. Dann setzte ich doch lieber dort an, wo ich glaube, dennoch einen Unterschied machen zu können. Nicht alleine, versteht sich. Sondern als Teil. Als Teil von etwas Größerem. Mich nicht mehr als einzigartigen Rohdiamant, den es zu Schleifen und Polieren gilt, zu betrachten, sondern als etwas ganz Gewöhnliches. Vielleicht einen Kieselstein. Und dies nicht als Kränkung zu empfinden, sondern durchaus als entlastend. Denn auch als Teil von etwas bin ich dennoch einzigartig und nicht unbedeutsam. Aber, ich muss mich nicht mehr permanent herausstellen. Nicht tagein tagaus auf ein Podest stellen und auf den Applaus der anderen warten.


Weil man das eben so macht in einer zunehmende ökonomisierten Welt, in der Märkte und Marktstrukturen immer mehr Raum einnehmen. Privaten Raum. Lebensraum. Alles bekommt einen Preis. Auch wir Menschen. Denn wir sind im übertragenen Sinne alle zu KleinunternehmerInnen geworden, die sich selbst zur Ware machen. Dank Instagram und Co. geht das so leicht wie nie zuvor. Man muss nur die richtige Strategie fahren und genügend in sich und seine Persönlichkeitsentwicklung investieren. Das sei das zutiefst Pornographische an unserer Zeit, schreibt die Philosophin und Autorin Ariadne von Schirach in ihrem Buch „Du sollst nicht funktionieren“. Es geht darum, den größtmöglichen Nutzen mit den geringstmöglichen Kosten zu verbinden. Das Leben ist ein Geschenk und der Mensch Humankapital. Und dies gilt es gemäß des Effizienzparadigmas zu nutzen oder nutzbar zu machen. Aus allem lässt sich etwas abgewinnen. Man muss es nur sehen. Es hängt alles von der inneren Einstellung ab. Du bist, was du denkst. Also sei positiv! Mach das Beste draus! Dein Hobby zum Beruf, dein Leben zum Dauerurlaub auf Mallorca oder besser noch Bali.


Ouch! Schon wieder habe ich mich ertappt. Ja, auch diese Denkweise und Haltung habe ich eine ganze Weile selbst propagiert. Wobei ich mir natürlich nicht darüber bewusst war, dass die vermeintliche Befreiung und exzessive Selbstformung zu einem großen Teil eine Reaktion meinerseits auf die gesellschaftliche Verhältnisse war. Felsenfest war ich davon überzeugt, den Stein der Weisen gefunden zu haben. Den heiligen Gral. Der mich und alle, denen ich es verrate, unmittelbar ins Nirvana, auf Wolke 7 befördern würde. Pustekuchen.


Da saß ich nun Anfang des Jahre auf Bali. In meinem selbsterbauten Schloss oder passender noch, meiner Hängematte, wie es sich für Digitale Nomadinnen gehört, und fühlte mich mutterseelenallein. Einsam. Oft. Sehr oft. Da war viel Leere. Die sich kaum in Worte fassen ließ. Und, die sich erst mit Tränen, einem Eingeständnis mir selbst gegenüber und einer vorzeitigen Rückreise ins heimische Nest, einen Weg nach draußen bahnte. Ich war also immer noch nicht angekommen. Das hatte ich nun verstanden. Erneut. Die Erkenntnis, dass ich das vermutlich nie würde, das brauchte noch eine Weile.


Also beschloss ich Anfang, Mitte des Jahres, den Blick etwas von mir abzuwenden. Nicht mehr unablässig um mich selbst zu kreisen. Nicht permanent jeden Schritt und Tritt zu beobachten, alle Seelenwogen zu durchleuchten und zu analysieren. Nicht für jedes meiner Probleme eine Lösung finden zu müssen, bis sich das nächste Problem am Horizont auftun würde. Das war auch der Zeitpunkt, in dem ich mich zunächst unbewusst, dann bewusster weitestgehend aus der Coaching- und Persönlichkeitsentwicklungszene zurückgezogen habe. Zumindest aus jener, deren Teil auch ich gewesen bin. Die aus den Ängsten und Selbstzweifeln von Menschen Profit macht. Verpackt in eine gute Marketing Strategie klingt das nur halb so scheußlich. Wobei ich natürlich nicht jedem in diesem Feld böse Absichten unterstellen möchte. Manchmal weiß man ja gar nicht so genau, was man da eigentlich tut. Oder merkt es erst später. Für mich habe ich jedoch realisiert, dass diese Weltsicht nicht mit meinem Verständnis von Würde und Menschlichkeit räsoniert. Und, dass ich nicht auf eine Kerbe einschlagen möchte, die ein Paradigma der Selbstoptimierung weiter manifestiert und infolgedessen immer mehr einsame Sinnsucher produziert.


Vor allem durch die intensivere Auseinandersetzung mit politischen, ökologischen und ökonomischen Zusammenhängen, meinem zunehmenden Engagement im Bereich Nachhaltigkeit und der Teilnahme an Demos, wurde mir bewusst, dass es im Leben vor allem um eines geht: Ein Teil von etwas zu sein. Sich zugehörig zu fühlen. Nicht nur eine eigene Vision und Ziele zu verfolgen, sondern ein Anliegen zu haben, das größer ist als man selbst, wie Gerald Hüther, ein Neurobiologe, in seinem Buch „Würde“ schreibt. Eine Vorstellung von einer gemeinsame Zukunft. Als Gesellschaft. Eine Art Utopia. Für das es sich lohnt, aufzustehen und sich einzusetzen. Für ein Besser, nicht im Sinne eines noch schneller, schöner, reicher, effizienter, bequemer… sondern für eine lebenswertere Zukunft. Eine Menschliche. Eine Gerechtere. Eine, in der wir unsere Kinder und Enkelkinder mit gutem Gewissen erwachsen lassen können.


Ich habe viel nachgedacht in 2019. Das klingt, als hätte ich das zuvor nicht getan. Aber ich meine damit nicht ein intentionales Nachdenken, wohlmöglich begleitet von Journalling und Meditation, sondern einfach nur Denken. Das, was eben kommt, wenn man gerade nichts tut. Oder, wenn man wie ich, zwei Wochen alleine wandern geht. In der Natur wird einem einiges bewusst. Wenn man dem Rascheln der Bäume im Wind lauscht, zu den gewaltigen Felswänden hinaufblickt. Dass man doch eigentlich ein Teil von ihr ist. Nichts von der Natur Abgetrenntes. Keine Umwelt, sondern Mitwelt. Nicht Ressource allein, sondern Leben. Wie du und ich.


Wie gesagt, ich habe viel nachgedacht. Ein Ergebnis dessen, war u.a. die Entscheidung noch einmal Philosophie und Politik zu studieren. Das tue ich nun. Und, es war eine gute Entscheidung. So viel kann ich bisher sagen. Es hat zudem den Wunsch in mir geweckt, etwas gemeinschaftliches zu gründen. Ein Kollektiv. Zukunftskunst heißt es. Ein Versuch, Begegnungs- und Gestaltungsräume zu öffnen, die befähigen und ermutigen, gemeinsam nachhaltige und positive Zukunftskonzepte zu entwickeln. Es ist noch in den Kinderschuhen. Aber ich merke, je konkreter es wird, desto mehr hoffe ich, dass es eines Tages mein Baby wird, dem ich all meine Liebe und Aufmerksamkeit widmen kann. Neben dem Podcast, versteht sich.


Ich finde es spannend, welche Umwege und vielleicht sogar Irrwege wir gehen müssen, um uns näher zukommen. Und, dass es oft nicht die eigängige Beschäftigung mit uns und unserem Selbst ist, die uns voranbringt, sondern das Gegenteil. Die Distanz. Indem wir einen Schritt zurücktreten, sehen wir oft klarer. Stellen fest, dass da gar kein Ende in Sicht ist. Dass es vielleicht auch gar nicht darum geht im Leben. Etwas zu finden. Vielleicht ist es ja auch schon die ganze Zeit da gewesen? Wer weiß.


Vermutlich werde ich diese Zeilen eines Tages mit einem ebenso amüsierten Lächeln beäugen, wie alte Tagebucheinträge oder verblichene Polaroids aus Teenie Zeiten. Weil sich schon wieder so viel gewandelt hat. Weil die Welt sich weiter dreht und ich wieder nicht angekommen bin. Die Kunst besteht vermutlich darin, sich diese Irrtüme und Umwege zu verzeihen. So, wie man sich auch Tattooketten, die übergroße Kreolen Ohrringe und die Dauerwelle verziehen hat. So gilt es weiterhin wohlwollend mit sich zu sein. Und sich nicht ganz so ernst und wichtig zu nehmen. Das soll angeblich helfen, habe ich mir sagen lassen.


Zu einem richtigen Jahresrückblick gehört es sich ja üblicherweise, auch einen Blick in die verlockende und aussichtsreiche Zukunft zu werfen. Und sich zu fragen: Wie hätte ich es gerne? Was sollte anders sein? Wie möchte ich mich fühlen? Was kann ich dafür tun? Der ein oder andere schnürt nun ein strammes Paket an Zielen und Vorgaben, die es einzuhalten und zu erreichen gilt. Neujahresvorsätze werden sie auch liebevoll genannt, was einem, im Vergleich zu „richtigen“ Zielen die gesellschaftlich akzeptierte Erlaubnis gibt, sie alsbald wieder zu verwerfen.Um es kurz zu machen, ich mag keine Vorsätze. Auch nicht zum Beginn des Jahres. Was mir hingegen gefällt, ist der Blick in die Glaskugel. Im übertragenen Sinne. Sich auszumalen, wie es anders sein könnte. Sich selbst eine Geschichte zu erzählen. Im Hinblick auf die eigene Zukunft, aber auch auf die Welt, die großen Zusammenhänge, in die wir alle eingebunden sind. Auch, wenn wir das bei all den kleinen und großen alltäglichen Herausforderungen, die es zu meistern gilt, manchmal ausblenden. Dass wir einen Einfluss oder neudeutsch einen Impact haben. Wir können etwas bewegen. Auch, wenn wir noch so klein sind. Wie uns die Klimaaktivistin Greta Thunberg zugleich mahnt und ermutigt. Nicht nur für unser eigenes Leben brauchen wir eine positive Vision und Hoffnung, auch im Bezug auf unsere Gesellschaft ist ein gemeinsames Narrativ notwendig. Eine Geschichte, die wir uns gegenseitig erzählen und an die wir glauben, wie ein besseres und lebenswerteres Morgen aussehen könnte. Ich stelle mir dann manchmal vor, welche Rolle ich in diesem Stück spielen würde. Worin meine Aufgabe bestünde und, was ich tun könnte, um unsere gemeinsame Zukunft mitzugestalten und hoffentlich besser zu machen. 


Vielleicht ein kleiner Einblick, was ich mir da für dieses Jahr notiert habe: Im Bezug auf mein eigenes kleines Universum, möchte ich weiterhin so viel Zeit wie möglich in der Natur verbringen. Die mir keine Fragen stellt. Die kein „Um-zu“ kennt. Sondern nur ein Sein. Ich möchte mehr Zeit auf die Dinge verwenden, die mir wirklich wichtig erscheinen, wie meiner Familie und meinen Freunde. Improtheater spielen, weil ich mich so unglaublich frei fühle, wenn ich mich auf der Bühne zum Affen mache. Weil es einfach egal ist, denn es ist nur eine Rolle, die ich spiele. Eine von vielen. Ich möchte öfter Nein-Sagen. Nein zu Möglichkeiten, Chancen und Optionen, die so köstlich und verlockend klingen. Mir schmeicheln und mich umgarnen. Aber am Ende doch nur wie Zuckerwatte, die sich im Mund langsam mit dem Speichel mischt, vaporisieren. Auflösen. Und was bleibt ist ein klebriger Geschmack und Leere. Ich wünsche mir statt kurzfristigen, erfolgsversprechenden Handlungen, Momente und geteilte Erlebnisse, die etwas hinterlassen, das bleibt. Nachhaltig. Ich möchte meine Leben und meine Zeit, die ich durchaus als Geschenk betrachte, für etwas nutzen, das mir ein Anliegen ist. Nicht einfach den Status-Quo hinnehmen und akzeptieren. Sondern ihn hinterfragen und neue Wege gehen. Nicht nur, weil es in vielerlei Hinsicht nicht mehr anders geht, sondern auch, weil es eine Chance ist. Teil von etwas zu sein. Nicht nur das eigene Leben zu optimieren, seine Persönlichkeit zu entfalten, sondern zugleich das Zusammenleben als Gemeinschaft mitzugestalten und dabei Selbstwirksamkeit  zu erleben. Ich wünsche mir eine Welt, die trotz all der Unterschiede, die uns individuell einzigartig machen, die Gemeinsamkeiten aller Menschen nicht vergisst. Die uns verbinden. Weil wir alle Menschen sind, die sich ein würdevolles Leben wünschen. Die von anderen akzeptiert und geliebt werden und sich als Teil von etwas begreifen wollen. Denn, wer möchte schon alleine auf diesem Planeten sein?! Apropos Planet: Ich wünsche mir für 2020, dass Klimaschutz wirklich ernst genommen wird. Dass auf Worte Taten folgen. Nicht nur heiße Luft und CO2. Dass das Schwarze-Peter-Spielen ein Ende hat. Es ist weder alleine die Politik, die es zu richten hat, noch sind es die Konzerne, die alleine das Ruder rumreißen können. Nur im Zusammenspiel der unterschiedlichen Akteure, Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Institutionen und uns kann es gelingen. Einen Masterplan existiert nicht. Abwarten und Tee trinken ist auch nicht die Lösung. Was bleibt uns also übrig, als den ersten Schritt zu gehen. Jede und jeder von uns. Auch, wenn wir noch nicht den genauen Weg kennen. Wie heißt es so schön, Erkenntnis kommt oft vom Tun.


Sollte dir diese Podcast Folge etwas abstrakt vorgekommen sein oder, du hast etwas vollkommen anderes erwartet, dann verzeihe mir. Du hast bereits die nach bestem Gewissen enthedderte und entknäuelte Version meines inneren Gedankenchaos erhalten. In Zukunft wird es wieder etwas geordneter zugehen. Versprochen. In der nächsten Folge, die noch diese Woche erscheinen wird, gibt es eine kleine, große Ankündigung. Surprise, surprise! Also nicht verpassen! Im Anschluss daran läuten wir den Themenschwerpunkt „Wirtschaft neu Denken“ ein, mit einem Interview mit Christian Felber, dem Begründer der Gemeinwohl Ökonomie. Auf den Wunsch einiger HörerInnen wird es aber weiterhin einen Wechsel aus persönlichen Solofolgen und Interviews geben.

5. Januar 2020

Arved Fuchs: Haben wir bald keine Gletscher mehr?

von Marilena 1. Dezember 2019

Wolltest du auch immer schon mal zu Fuß zum Nordpol oder ganz alleine in einem Kajak im Winter das Kap Horn umrunden? Wie, du etwa auch nicht? Es gibt ein paar Dinge, auf die Idee sie zu tun, wir Normalsterblichen – bis auf einige Ausnahmen natürlich – eher selten kommen. Eine dieser Ausnahmen ist Arved Fuchs.

Er ist Polarforscher und hat bereits viele solcher Expeditionen hinter sich. Bereits 1989 gelang es ihm als erster Mensch, den Nord- und Südpol zu Fuß und auf Skiern innerhalb eines Jahres zu erreichen. Und man bedenke, dass es damals noch keine Smartphones mit GPS gab. Heute ist Arved Fuchs allerdings meistens mit Dagmar Aaen, seinem Segelschiff, unterwegs. Gerade erst kürzlich ist er von seiner letzten Expedition „Ocean Change – turn the page“, die ganz im Auftrag des Klimawandels stand, zurückgekehrt. Mit eigenen Augen, konnten er uns sein Team aus WissenschaftlerInnen das Fortschreiten des Klimawandels in Grönland beobachten. Insbesondere das Gletscherschmelzen ist unübersehbar und macht deutlich, was wir durch unseren derzeitigen Lebensstil anrichten.

Die Aufgabe der Expedition ist es allerdings nicht nur, Probleme sichtbar zu machen. Im Dialog mit Menschen vor Ort sollen zudem Best-Practice-Beispiele aufgezeigt und Lösungsvorschläge erarbeitet werden. Die Crew dokumentiert, spricht mit WissenschaftlerInnen, aber auch mit Jägern und Fischern vor Ort. Arved Fuchs und sein Team sind fest davon überzeugt, dass die Auswirkungen des Klimawandels sich am Beispiel Grönland exemplarisch und für alle Menschen verständlich darstellen lassen. In Film- und Bildbeiträgen sollen die Veränderungen in der Natur gezeigt werden – und gleichzeitig positive Ansätze zur Lösung des Problems dargestellt werden.

Ich habe Arved Fuchs im beschaulichen Bad Bramstedt getroffen. In seinem Familienhaus, in dem er schon als Kind aufgewachsen ist. Neben der Frage, was ihn zu diesen zum Teil waghalsigen Expeditionen antreibt, hat mich besonders interessiert, wie die Eindrücke seine Weltsicht beeinflusst haben. Ich freue mich, dir seine Antworten jetzt präsentieren zu dürfen.

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SHOWNOTES:
► Du möchtest mehr über Arved Fuchs und seine Expeditionen erfahren? Hier findest du weitere Informationen. 
► Als SchülerIn hast du die Chance dich für das I. C. E. Klimacamp von Arved Fuchs zu bewerben.

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1. Dezember 2019

Brauchen wir ein neues Naturverständnis?

von Marilena 7. Oktober 2019

Wenn wir von „der Natur“ sprechen, dass sie, insbesondere im Anbetracht der Klimakrise, schützenswert sei, schließen wir uns dann nicht selbst davon aus? Dabei sind wir doch eigentlich untrennbar mit ihr vereint. Als ein Teil von ihr haben wir uns in den vergangenen Jahrzehnten scheinbar immer mehr von ihr distanziert und schlussendlich sogar entfremdet. Sehen wir die Natur heute doch zunehmend als reine Ressource, die es nutzbar zu machen gilt. Und eben dieses Naturverständnis, in dem wir die Erde ausbeuten, scheint uns nun zum Verhängnis zu werden. In diesem Zusammenhang, geprägt von meinem Aufenthalt in den Bergen Südtirols, wo ich die letzten Tage in der Natur verbracht habe, sind mir einige Gedanken durch den Kopf gegangen, inwiefern ein neues Verständnis und damit auch ein neues Verhältnis zur Natur uns bei der Bewältigung der globalen ökologischen Herausforderungen helfen könnte. Im Gleichzug hätte dieser Paradigmenwechsel wohl auch einen Mehrwert für die Lebensqualität eines jeden Einzelnen und würde das „Miteinander“ auf unserem Heimatplaneten neu definieren.

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SHOWNOTES:
► Das Interview mit Andreas Weber auf Deutschlandfunk Kultur kannst du dir hier anhören.
► Das Interview mit Bruno Latour im Philosophie Magazin, aus welchem ich zitiert habe, kannst du hier nachlesen.

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TRANSKRIPT:


„Seit ein paar Tagen bin ich zurück in Hamburg. Befinde mich also wieder mitten im Großstadtgewimmel und versuche mich an den Lärm, Verkehr und die Menschenmengen wieder zu akklimatisieren. Das geht erschreckend schnell, zumal ich es ja seit klein auf gewohnt bin, hier zu leben. Auf der anderen Seite, spüre ich eine Art Widerstand in mir. Die letzten Wochen Reisen und insbesondere die Zeit in den Bergen in Südtirol haben Spuren bei mir hinterlassen, die sich nicht so einfach wegradieren lassen. Sie haben ein Gefühl in mir wieder aufkeimen lassen, das ich so schon länger nicht mehr gespürt habe. Ein unbeschreibliches Gefühl des Einssein mit der Natur. Den Verlust jeglichen Zeitempfindens, wenn ich durch die Berge gewandert bin. Vorbei an kristallklaren Bergseen, schroffen Felswänden und saftig grünen Wiesen. Manchmal war ich den ganzen Tag unterwegs, oft ganz alleine, ohne, dass mir je langweilig beim Wandern geworden wäre. Ich habe das bewusste, mich in der Natur Fortbewegen, als meditativ empfunden. Unbeschreiblich wohltuend. Aber vermutlich kennst du das Gefühl auch und hast es selbst schon einmal so oder ähnlich erlebt. Wenn nicht, ab in die Natur mit dir!

Bevor ich weiter ins Schwärmen komme und kein Ende finde, vielleicht ein paar Worte vorweg, weshalb ich diese Podcast Folge aufnehme und was dich erwarten wird:

Während ich durch die Berge gewandert bin, sind mir natürlich auch so einige Gedanken durch den Kopf gegangen. Vor allem die Frage, wie es dazu kam, dass wir als Menschen begonnen haben, uns als etwas von der Natur Getrenntes, etwas Abgespaltenes, zu begreifen. Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass sich ein großer Teil der Menschheit von der Natur entfremdet hat. Es fehlt der Bezug, der direkte Kontakt, der oft schon in der Kindheit nicht mehr vorhanden ist, wenn man in Großstädten aufwächst. Ich vermute also, dass sich unser Naturverständnis und dadurch auch unser Verhältnis zur Natur immens verändert hat. Nicht nur in den letzten Jahren, sondern seit Beginn der Menschheit und stark von unseren gesellschaftlichen und kulturellen Rahmenbedingungen geprägt wird. Man kann sagen, dass unser aktueller Naturbezug als konsequente Linie früherer und bis heute wirksamer Naturauffassungen entstanden ist. Dabei meine ich mit dem Naturverhältnis unseren direkten Umgang mit der Natur. Das Naturverständnis sehe ich hingegen auf rein geistiger Ebene angesiedelt und es ergibt sich aus dem Wechselspiel zwischen Umwelt und Wahrnehmung unter dem Einfluß unserer persönlichen Vorerfahrungen, Werte usw. Unser Naturverständnis prägt also unser Naturverhältnis. Und ich glaube, dass wir uns zu einem großen Teil, über diesen Einfluss gar nicht bewusst sind. Dass unser Verhältnis zur Natur niemals unabhängig vom allgemeinen Weltbild ist. Sondern es ist immer auch ein Verhältnis zu uns selbst, zu unserem Körper und geistigen Wirklichkeit sowie unserer sozialen Umwelt.

Und ich bin davon überzeugt, dass, wenn wir ein neues Naturverständnis entwickeln würden, in dem wir uns als Teil der Natur begreifen, eine völlig neue Realität und Umgang, sowohl mit uns selbst, unseren Mitmenschen, anderen Lebewesen und der Umwelt entstehen würde. Weshalb ich der Überzeugung bin, möchte ich dir gerne in der heutigen Folge erläutern. Ich glaube nämlich, dass insbesondere im Anbetracht der globalen Klimakrise, wir gar keine andere Chance haben, als unser Naturverständnis und -verhältnis radikal zu überdenken, um eine Lebensweise entwickeln zu können, die nicht unsere Existenzgrundlage und damit auch uns selbst ausrottet.

Denn was wir heute, im modernen Finanzkapitalismus des 21. Jahrhunderts beobachten können, ist eine maßlose Ausbeutung der Natur. Wir führen ein Herrschaftsverhältnis über die Natur und sehen sie zunehmend als reine Ressource, die es nutzbar zu machen gilt. Man spricht nicht umsonst seit einigen Jahren vom Beginn eines neuen Zeitalters – dem Anthroprozän. Den Begriff hat der Wissenschaftler uns Nobelpreisträger Paul Crutzen geprägt, indem er auf der Konferenz des Weltklimarats im Jahr 2000 sagte: »Es erscheint mir angemessen, die gegenwärtige, vom Menschen geprägte Epoche als Anthropozän zu bezeichnen.« Was er damit sagen möchte ist, dass wir als Menschen zur größten Naturgewalt geworden sind und enormen Einfluss auf die Entwicklung unserer Erde ausüben. Mittlerweile ist sich die führende Wissenschaft ja auch einig, dass der Klimawandel zum Großteil menschen-verursacht ist. Und es insofern auch an uns und unserem Verständnis und Verhältnis zur Natur liegt, das sinkende Schiff noch zu retten.

Man könnte sagen, dass sich in unserem heutigen Naturverhältnis, dabei meine ich vor allem das der Industrieländer, ein Dualismus zwischen Naturnutzung bzw. -zerstörung und Naturschutz, zeigt. Entweder sind wir jene, die die Natur zum Objekt machen und schonungslos ausbeuten oder wir sehen uns als ihr Retter und Beschützer vor der Bestie Mensch, die sie auszurotten droht. In beiden Sichtweisen betrachten wir uns aber als etwas Außenstehendes. Nicht als Teil der Natur. Und ich glaube, das ist fatal. Um das zu verstehen, ist es vielleicht interessant, kurz zu erläutern, wie sich unser Naturverständnis in der Geschichte entwickelt hat. Denn das war ja nicht immer so. 

In der griechischen Antike zum Beispiel, machte man, wenn man von einem Leben in der Natur sprach, keinen Unterschied zwischen Leben und Natur. Die Natur nahm den gesamten Erfahrungsbereich des Menschen ein. Was sich auch in ihrem Wortgebrauch widerspiegelt. Denn der Begriff Natur bzw. das lateinische Wort natura kommt von nasci und hat wie das entsprechende griechische Wort physis den Sinn von geboren werden oder entstehen und meint die gesamte Natur. Also auch den Menschen. Alles Werden, Wachsen und dessen Wesenskern. Einige Philosophen, wie Platon und Aristoteles haben sich auch intensiv mit der Natur auseinandergesetzt. Aber das aufzugreifen, würde den Rahmen hier sprengen. Vielleicht ein anderes Mal. 

Nichtsdestotrotz hat sich schon in der Antike mit dem Aufkommen der Philosophie und den damit einhergehenden Distanzierungs- und Objektivierungsprozesse, der Mensch begonnen, in seiner Vorstellung, von der Natur zu lösen und sich ein geistiges Bild von ihr zu machen. In der mittelalterlichen Theologie ist dann der Gott in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt, der nicht mehr in der Natur gewirkt hat, sondern ihr und uns Menschen und der Welt gegenüberstand. Der Bibelspruch: „Macht euch die Erde untertan“, zeigt sehr gut, dass die Natur zu eine Art Symbol für den Willen Gottes wurde und somit auch neue Handlungsmöglichkeiten für uns Menschen im Umgang mit der Natur entstanden. 

Im Zeitalter der Renaissance und Aufklärung ist dann der Mensch, seine Individualität sowie seine auf sich bezogene perspektivische Wahrnehmung in das Zentrum des Bewusstseins gerückt. Und die Naturbetrachtung wurde vor allem durch Wissenschaftler, wie Kopernikus, Galileo, Kepler und Bacon geprägt, die begannen, die Gesetzmäßigkeiten der Natur systematisch und über Experimente zu erforschen und mathematisch zu erklären. René Descartes hat dann noch einen oben drauf gesetzt, indem er die begriffliche Spaltung von Subjekt und Objekt eingeführt hat. Er ging nämlich davon aus, dass nur wir Menschen einen Geist besitzen und demnach über allen anderen Lebewesen stehen. Man könnte sagen, dass hier das bewusste Herrschaftsverhältnis des Menschen gegenüber der Natur begonnen hat und sie damit auch ihren bedrohlichen Charakter verloren hat und zur Ressource wurde. Aber in der Renaissance begann nicht nur die rationale Erforschung und Nutzung der Natur, sondern man nahm sie auch in einer neuen Weise wahr: Sie wurde zur ästhetischen Landschaft. Denn erst urbanes Leben hat ja die notwendige Distanz ermöglicht, dass wir in die Natur hinausgehen können, um sie bewusst wahrzunehmen und zu genießen. 

Deshalb gab es während der fortschreitenden Industrialisierung, in der die Natur immer mehr ausgebeutet wurde, auch eine Gegenbewegung, nämlich die Epoche der Romantik um 1800. Rousseau war einer ihrer Vorreiter, mit seinem Slogan „Zurück zur Natur“, den du bestimmt schon mal gehört hast. Den nutzte er ursprünglich als Gesellschaftskritik gegen den unfreien und damit unnatürlichen Zustand des Menschen, allerdings wurde er mit zunehmender Verstädterung im 19. Jahrhunderts von den Romantikern auch auf die „natürliche“ Landschaft bezogen, die als eine Art Zufluchtsort gesehen wurde. Also ein bisschen so wie heute, wenn wir uns als Großstadtmenschen ein überromantisiertes Bild vom Landleben machen. 

So, last but not least, denn dann sind wir auch beinahe schon in der Gegenwart angekommen. Im 20. Jahrhundert hat uns Einstein mit der Relativitätstheorie beschenkt und die Quantentheorie wurde mehr erforscht. Die Welt wurde also noch stärker rationalisiert. Dank Wissenschaft und Technik können wir die Natur immer stärker kontrollieren oder haben zumindest das Gefühl es zu tun. Denn durch den Klimawandel und das zunehmende Bewusstsein für die schädlichen Nebeneffekte unseres Handelns, könnte man sagen, hat unserer unbeirrter Fortschrittsglaube einen Knacks bekommen. Und die alleinige Naturbeherrschung scheint nicht mehr fortschrittlich zu sein. Und so ist als unsere jüngste gesellschaftliche Entwicklung eine erneute Wertsteigerung der Natur entstanden, die die Natur als rein und schützenswert betrachtet und sich für eine allgemein anerkannte Notwendigkeit von Natur- und Umweltschutz einsetzt.

Tja, und da stehen wir heute also. Mit verhärteten Fronten. Auf der einen Seite jene, die Die Nutzung der Natur als Grundlage für unsere Wirtschaft und den gesellschaftlichen Fortschritt sehen. Und auf der anderen Seite die Fraktion-Greta, die die Natur vor den bösen, unersättlichen Kapitalisten retten wollen. Und ich glaube, beides wird uns in den Abgrund führen. Bzw. beide Sichtweisen alleine für sich stellen keine Lösung dar. 

Der Philosoph und Biologe Andreas Weber, der erst vor kurzem auf Deutschlandfunk Kultur ein Interview gegeben hat, bringt es, meiner Meinung nach gut auf den Punkt. Er sagt darin unter anderem: „Wir brauchen dringend eine neue Kosmologie, eine neue umfassende Weltsicht“ und, dass die Trennung von Mensch, Kultur und Natur nicht mehr funktioniere. Dass sie sogar nie funktioniert hat. Weber ist der Auffassung, dass wir, um im Einklang mit der Natur leben zu können, uns wieder als Teil von ihr begreifen sollten. Ähnlich, wie die indigenen Völker, die wir als Industrienationen ja leider als primitiv ansehen, da sie es in unseren Augen nicht schaffen, sich die Erde zum Untertan zu machen. Was Andreas Weber aber meint, ist eine Art moderne Indigenialität, „die sich als aktiven Teil eines sinnvollen Ganzen versteht und so handelt, dass die eigene Lebensqualität die des Ganzen steigert.“ Was er damit meint, ist natürlich auch eine neue und nachhaltige Form des Wirtschaftens, die aus eben diesem Naturverständnis resultiert, sowie eine Politik, die dafür die notwendigen Rahmenbedingungen schafft. Besonders bewegt hat mich, dass Andreas Weber dafür plädiert, „dass unser Bildungssystem die Welt des Herzens und der Seele mit inkludiert“ und unsere Kinder nicht alleine zu effizienz-getriebenen Ameisen herausbildet.

Denn auch meine Erfahrung ist, dass es kaum etwas wohltuenderes gibt, als sich in der Natur als Teil eines größeren Zusammenhangs zu erfahren. Diese Verbindung zu spüren. Einerseits zu sich selbst, aber auch zum Ganzen. Wir fühlen uns dann lebendig. Und ich glaube, dass ist es auch, was so viele Menschen in ihrer Freizeit aus den Städten in die Natur treibt. Die Sehnsucht nach authentischen Erfahrungen und dem Gefühl, sich selbst zu spüren. Etwas, das wir uns in einer Welt der Kontrolle und des rationalen Verstandes, kaum noch zugestehen. Wir versuchen alles zu verstehen und in einzelne Bauteile zu zerlegen. Aber schon Alexander von Humboldt schrieb einst, man müsse die Erscheinung der Dinge in ihrem Zusammenhang sehen, um alles Geschaffene im Himmel und auf der Erde zu verstehen.

Der Soziologe, Anthropologe und Wissenschaftsphilosoph Bruno Latour plädiert sogar für eine sprachliche Symbiose von Mensch und Natur, um das neue Naturverständnis zu manifestieren. Er nennt das dann „Nat/Cul“, also die Abkürzung für Nature und Culture. Latour meint damit, dass wir ein anderes Konzept der Natur brauchen. Denn, wenn wir sagen, dass ein Phänomen natürlich ist oder man „in der Natur“ ist, schließen wir uns selbst aus, wir zählen uns dann selbst nicht zur Natur. Er sagt auch, wir sollten aufhören, eine idealisierte Natur bewahren zu wollen, die nie existiert hat. Denn sie ist, in Latours Welt, ein veränderliches Organismus an sich. Und nicht nur ein Objekt politischen Handelns. Er geht sogar so weit, dass er in den Parlamenten, neben den Repräsentanten der Länder, auch einen Rat für die nicht-menschlichen Organismen, wie z. B. die Meere, einfordert. Das wäre nur konsequent, wenn wir uns als Teil der Natur begreifen.

Davon sind nur derweilen leider noch ein Stück weit entfernt, auch, wenn ich glaube, dass wir gerade in den letzten Jahren, insbesondere durch die aktive Klimapolitik, schon etwas vorangekommen sind. Ich bin zumindest eher optimistisch, als pessimistisch und sehe in dem Wandel eines gesellschaftlichen Naturverständnis, der zunächst bei jedem einzelnen von uns beginnt, eine große Chance, für das Bestehen unseres kleinen, blaue Planeten, sowie uns Menschen.

Was wir dafür tun können? Na ganz einfach, mehr Zeit in der Natur verbringen. Als natürlichen Bestandteil unseres Alltags. Nicht als Gegensatz. Am besten von kleinauf. Statt drinnen vor dem Computer oder Fernseher zu hocken, könnten wir in die Wiesen, Wälder und Berge gehen. Sie bewusst wahrnehmen. Die Verbindung zu ihr spüren. Und ja, ich weiß, jetzt kommen die ganzen Abers. „Aber das geht doch nicht Marilena! Ich muss doch arbeiten und mein Kind ist im Kindergarten und und und.“ Stimmt. Wobei das natürlich auch Entscheidungen sind, die wir mal mehr, mal weniger freiwillig getroffen haben. Aber man kann ja klein anfangen. Täglich ein Spaziergang. Ein Aktivurlaub in den Bergen statt einem Städtetrip. Ein paar Pflanze oder gar Gemüse anbauen. Und sei es auf dem Balkon. Oder, sich für politische Maßnahmen einsetzen. In der Bildung, bei sozialen Projekten oder eigene Ideen und Konzepte, für ein neues Naturverständnis entwickeln und präsentieren.

Ich, für meinen Teil, habe mir zumindest fest vorgenommen, jede freie Minute, in der ich die Lust verspüre, nach draußen zu gehen. ich kann mir auch gut vorstellen, eines Tages nicht mehr in der Stadt zu wohnen. Auch, wenn die Lebensverhältnisse, vielleicht etwas einfacher auf dem Land sind, ist in meinen Augen die Lebensqualität deutlich höher. Natürlich herrscht auch dort nicht Friede-Freude-Eierkuchen, aber ich habe das Gefühl, dass die Menschen dort einen anderen, bewussteren Umgang mit der Natur und anderen Lebewesen pflegen. Das mag meinem kurzen Eindruck geschuldet sein, aber ich bilde mir ein, dass auch ich, als Kind, wenn ich mit meinen Eltern früher wandern war, sehr glücklich war und es mich durchaus bis heute geprägt hat. Weshalb würde ich sonst heute freiwillig alleine in den Wanderurlaub fahren, statt nach New York zu fliegen?!“

7. Oktober 2019
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