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Politik

Ann-Katrin Müller: Sollte die AfD verboten werden?

von Marilena 26. April 2024

Die AfD ist überall, in den Nachrichten, auf TikTok, auf Plakaten, sogar in Talkshows. Und das nicht erst seit die Recherchen von Correctiv zum geheimen Potsdamer-Treffen von AfD-Politikern und Rechten öffentlich wurden. Trotz massiver Proteste gegen die AfD nimmt die Zahl ihrer Mitglieder zu. Woran liegt das? Wer sind die Wähler*innen der AfD? Und wie sinnvoll wäre ein Parteiverbot? Darüber spricht Marilena Berends mit Ann-Katrin Müller, Redakteurin im Politikressort des Spiegel.

Shownotes:

Macht [einen] Sinneswandel möglich, indem ihr Steady Fördermitglieder werdet. Finanziell unterstützen könnt ihr meine Arbeit auch via Paypal.me/sinneswandelpodcast. Danke.

► Ann-Katrin Müller auf Instagram und X
► SPIEGEL Artikel von Ann-Katrin
► Correctiv Recherche: Geheimplan gegen Deutschland, 01/24
► Studie der Universität Konstanz: Protest der Schweigenden Mehrheit?, 03/24
►Studie des DIW: Das AfD-Paradox, 08/23
► Armin Nassehi: “Wir spielen das Spiel der AfD”, FAZ, 01/24

✉ redaktion@sinneswandel.art
► sinneswandel.art



Transkript:

Hallo und herzlich willkommen im Sinneswandel Podcast. Mein Name ist Marilena Berends und ich freue mich, euch in dieser Episode zu begrüßen.

Sie ist überall, in den Nachrichten, auf TikTok, auf Plakaten, sogar in Talkshows. Die AfD ist quasi omnipräsent. Und das nicht erst seit die Recherchen von Correctiv zum geheimen Potsdamer-Treffen von AfD-Politikern und Rechten öffentlich wurden. Trotz massiver Proteste gegen die AfD nimmt die Zahl ihrer Mitglieder zu. Laut Spiegel-Anfrage gab es alleine im Januar rund 2.500 neue Aufnahmeanträge. 1.900 davon seit dem 10. Januar, dem Tag der Correctiv-Recherche. Schenkt man der AfD Glauben, haben die Enthüllungen zu deren Remigrationsplänen sogar Menschen zu ihrer Partei gelockt. Auf der anderen Seite darf man die Hunderttausende Menschen nicht vergessen, die sich in Demonstrationen gegen Rechtsextremismus und für eine demokratische Gesellschaft ausgesprochen haben. Aber reicht das? Oder braucht es vielleicht sogar ein AfD-Parteiverbot? Wie sinnvoll wäre das? Und ginge das überhaupt?

Unter anderem mit diesen Fragen beschäftigt sich auch Ann-Katrin Müller. Sie ist studierte Politikwissenschaftlerin und seit 2013 Redakteurin im Politikressort des Spiegels. Da ich regelmäßig Ann-Kathrin’s Beiträge über die AfD lese, dachte ich mir: Wenn es einen perfekten Gast gibt, um ein paar Fragen zu klären, dann sie. Gesprochen haben wir natürlich nicht nur über die Prüfung eines Parteiverbots. Es ging zum Beispiel auch um die Frage, wer die AfD überhaupt wählt – und warum? Weshalb fühlen sich immer mehr junge Menschen von rechtsextremen Parolen angesprochen und wieso versucht die AfD Menschen mit Migrationsgeschichte für sich zu rekrutieren – ist das nicht ein Widerspruch in sich?

Wenn euch die Antworten auf Fragen, wie diese interessieren, dann bleibt dran. Und falls ihr nach der Folge Lust habt, meine Arbeit zu unterstützen – in jeder Folge steckt nämlich eine Menge Recherche – dann könnt ihr das ganz einfach via Steady oder Paypal. Mehr dazu in den Shownotes.

[Gespräch]

Outro

Vielen Dank fürs Zuhören. Wenn euch das Gespräch mit Ann-Katrin gefallen hat, teilt es gerne mit euren Freunden. Und falls ihr meine Arbeit finanziell unterstützen wollt, könnt ihr das, wie gesagt, ganz einfach via Steady oder, indem ihr mir einen Betrag eurer Wahl an Paypal.me/Sinneswandelpodcast schickt. Alle weiteren Infos und Links zur Folge findet ihr, wie immer, in den Shownotes. Das war’s von mir! Bis zum nächsten Mal im Sinneswandel Podcast.

26. April 2024

MARYAM.fyi: Wieso bist du [nicht] frei?

von Marilena 5. Januar 2023

Maryam oder auch MARYAM.fyi, wie sie sich als Künstlerin nennt, ist in Deutschland aufgewachsen. Dass sie hier in Freiheit leben kann, verdankt sie ihrem Vater, der damals aus dem Iran geflohen war. Doch was bedeutet unsere Freiheit hier, wenn überall auf der Welt Menschen und insbesondere Frauen gewaltsam unterdrückt werden? Über diese Frage spricht Marilena mit Maryam, deren Leben sich seit der Ermordung der 22-jährige Iranerin Mahsā Amīnī radikal verändert hat. Eigentlich studiert sie Medizin und macht Musik – jetzt ist sie vor allem Aktivistin.

Shownotes:

Macht (einen) Sinneswandel möglich, indem ihr Fördermitglieder werdet. Finanziell unterstützen könnt ihr uns auch via PayPal oder per Überweisung an DE95110101002967798319. Danke.

► Musik: MARYAM.fyi & David Bay: BARAYE (Frau, Leben, Freiheit)
► MARYAM.fyi auf Instagram – Spotify – YouTube
► Maryam’s DIFFUS Kolumne über die Iran-Revolution
► Woman Life Freedom Collective
► Maryam’s Podcast Empfehlung: Das IRAN Update mit Gilda Sahebi & Sahar Eslah
► Maryam’s Follow-Empfehlungen: Duzen Tekkal, Natalie Amiri, Jasminshakeri, Pegah Ferydoni, Susan Simin Zare


✉ redaktion@sinneswandel.art
► sinneswandel.art

 



Transkript:

Hallo und herzlich willkommen im Sinneswandel Podcast. Mein Name ist Marilena Berends und ich freue mich, euch in der heutigen Episode zu begrüßen.

[“Baraye”]

“Für das Tanzen auf der Straße

Für die Angst sich zu küssen

Für meine Schwester, deine Schwester und unseren Schwestern

Für diejenigen, die im Gefängnis sind

Für die Sehnsucht nach einem normalen Leben

Für die Frau, das Leben, die Freiheit”

So in etwa lautet die Übersetzung einiger Zeilen aus “Baraye”. Dem Lied des iranischen Musikers Shervin Hajipour, der kurz nach der Veröffentlichung inhaftiert worden war und das mittlerweile zur Hymne der Iran-Revolution geworden ist. Die Stimme, die ihr eben gehört habt, ist aber nicht die von Shervin Hajipour. Es ist die Stimme einer sehr guten Freundin von mir: Maryam oder auch MARYAM.fyi, wie sie sich als Künstlerin nennt. Maryam ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. Dass sie hier in Freiheit leben kann, ist, wie sie sagt, ein Privileg. Ihr Vater ist damals aus dem Iran geflohen und hat ihr damit genau das ermöglicht: ein Leben in Freiheit. Genau die sieht sie nun aber bedroht. Denn was bedeutet unsere Freiheit hier, wenn überall auf der Welt Menschen und insbesondere Frauen unterdrückt werden? “Jin, Jiyan, Azadî – Frau, Leben, Freiheit” – es geht um universelle Werte. Werte, die wir hier für selbstverständlich halten. So ging es auch Maryam lange Zeit, wie sie selbst sagt. Bis zum September 2022, als die erst 22-jährige Iranerin Mahsā Amīnī gewaltsam getötet wurde. Seitdem hat sich Maryam’s Leben radikal verändert. Beinahe täglich postet sie auf Instagram, versucht Aufmerksamkeit zu schaffen für die Protestierenden im Iran und die Inhaftierten, denen zum Teil die Todesstrafe droht. Eigentlich müsste Maryam für ihr Examen lernen. Sie studiert Medizin. Aber so richtig den Kopf dafür hat sie gerade eigentlich nicht… 

Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich lerne am meisten durch Geschichten. Ich weiß nicht, ob ich die Dringlichkeit und Relevanz der Revolution im Iran – auch für uns hier – verstanden hätte, wäre Maryam nicht meine Freundin. Deswegen bin ich ihr umso dankbarer, dass sie sich bereit erklärt hat, heute mit mir im Podcast zu sprechen und ihre Geschichte mit uns zu teilen. Und wer aufmerksam zuhört, da bin ich mir sicher, wird verstehen, es ist auch unsere Geschichte.

[Gespräch]

Outro

Vielen Dank euch fürs Zuhören. Wenn euch das Gespräch mit Maryam gefallen hat, teilt es gerne mit euren Freunden. In den Shownotes habe ich außerdem vieles von dem, was Maryam genannt hat – ihre Kolumne, Personen, denen es sich lohnt zu folgen, uvm. – verlinkt. Und ihr wisst, dieser Podcast wäre nicht möglich, wenn es nicht ein paar Menschen gäbe, die meine Arbeit unterstützen. Danke an alle, die das bereits tun. Damit ich Sinneswandel weiterhin produzieren kann, freue ich mich über euren Support. Das geht ganz einfach über die Plattform Steady oder indem ihr mir via Paypal.me/Sinneswandelpodcast einen Betrag eurer Wahl schickt. Das geht auch schon ab einem Euro und steht alles in den Shownotes.

Das war’s von mir! Danke an euch fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal im Sinneswandel Podcast.

5. Januar 2023

Cesy Leonard: Warum bist du [so] radikal?

von Marilena 17. November 2022

Immer mehr Menschen in Deutschland fühlen sich ohnmächtig, angesichts der Vielzahl von Krisen. Was hilft daher, um aus diesem Ohnmachtsgefühl herauszukommen? Selbstwirksamkeit, sagt Aktionskünstlerin Cesy Leonard. Sie hat “Radikale Töchter” gegründet, mit denen sie Workshops gibt, in denen der “Mutmuskel” trainiert wird. Denn den braucht es, so Cesy, um (politisch) aktiv zu werden und ins Handeln zu kommen. Wie genau das geht, darüber spricht Cesy Leonard mit Marilena Berends im Sinneswandel Podcast.

Shownotes:

Macht (einen) Sinneswandel möglich, indem ihr Fördermitglieder werdet. Finanziell unterstützen könnt ihr uns auch via PayPal oder per Überweisung an DE95110101002967798319. Danke.

► Cesy Leonard findet ihr auch auf Twitter.
► Radikale Töchter sind auch auf Twitter und Instagram.
► Podcast der Radikalen Töchter: “Mut für Anfänger”.
► Zentrum für Politische Schönheit

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► sinneswandel.art

Transkript:

Hallo und herzlich willkommen im Sinneswandel Podcast. Mein Name ist Marilena Berends und ich freue mich, euch in der heutigen Episode zu begrüßen.

Ob Klimakrise, Ukraine-Krieg, Menschenrechtsverletzungen, Massentierhaltung oder Patriarchat – es gibt genug, um nicht zu sagen unzählige Gründe, auf die Straße zu gehen. Oder zumindest Grund genug, um wütend zu sein. Weil diese Welt alles andere als gerecht ist. Weil sie längst nicht allen von uns ein sicheres und lebenswertes Zuhause bietet. Aber was kann ich dagegen oder vielmehr dafür tun, damit sich das ändert?

Immer mehr Menschen in Deutschland fühlen sich angeblich ohnmächtig, angesichts der Vielzahl von Krisen. Wer hat sich nicht schon einmal klein und machtlos gefühlt, weil alles so überwältigend und vielleicht sogar beängstigend wirkt? Das ist verständlich und wohl auch menschlich. Aber was hilft, um aus diesem Ohnmachtsgefühl herauszukommen? Den Kopf in den Sand stecken oder die Füße hochlegen und alle Verantwortung an “die da oben” abgeben, mag naheliegend sein, hilft aber nachweislich wenig. Aber was dann?

Mut, sagt Aktionskünstlerin Cesy Leonard, braucht es. Okay, aber wo soll der plötzlich herkommen? Der lässt sich trainieren, wie ein Muskel, so Cesy. Wie das funktioniert, zeigt die Aktionskünstlerin in Mutmuskel-Workshops mit den “Radikalen Töchtern”. Ein Projekt, in dem die Grenzen zwischen Kunst und Nichtkunst aufgehoben werden und Möglichkeitsräume sichtbar werden, wo sie scheinbar nicht mehr sind. Denn wer Selbstwirksamkeit verspürt, fühlt sich im besten Fall auch ermutigt, ins Handeln zu kommen und wird politisch aktiv. Aber wo fange ich da an? Ganz einfach, sagt Cesy, bei dem, was einen besonders wütend macht. Wieso, das hat Cesy Leonard mir im Podcast erzählt.

…

Vielen Dank auch an euch fürs Zuhören. Wenn euch das Gespräch mit Cesy gefallen hat, teilt es gerne. Wenn ihr mehr erfahren wollt, findet ihr in den Shownotes alles zu den “Radikalen Töchtern”. Und, wie immer, auch alles Infos, wie ihr Sinneswandel und damit auch meine Arbeit finanziell unterstützen könnt. Das würde mir helfen und mich sehr freuen. Das war’s von mir! Danke und bis zum nächsten Mal im Sinneswandel Podcast.

17. November 2022

Victoria Reichelt: Wie politisch ist Social Media?

von Marilena 6. Oktober 2022

Social Media kann Zeitvertreib sein, aber eben nicht nur. Es ist auch ein Ort des Austauschs, der Information und sogar des Protests, wie sich gerade erneut zeigt. Wie können die sozialen Medien zu einem Ort werden, der uns dient und nicht überfordert oder gar schadet? Über diese und weitere Fragen haben sich Journalistin Victoria Reichelt und Marilena Berends unterhalten.

Shownotes:

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► Victoria Reichelt findet ihr auch auf Twitter, Instagram und TikTok.
► TEDx Talk: “How to live with the constant feeling of discomfort”.
► funk: “Deutschland3000”.

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6. Oktober 2022

Yasmine M’Barek: Brauchen wir radikale Kompromisse?

von Marilena 2. März 2022

Mehr und mehr kennzeichnet radikale Kompromisslosigkeit die Diskurse in Politik und Gesellschaft, die das Vorankommen in wichtigen Themen, wie Coronapolitik, Klimawandel oder Rassismus verhindert. Die Fronten sind klar: Ihr oder wir.  Wie lässt sich ein Ausweg aus diesem Dilemma finden? Durch “radikale Kompromisse”, lautet die Antwort von Journalistin Yasmine M’Barek. Aber gibt es nicht Umstände, die radikalere Maßnahmen erfordern – dauert Realpolitik nicht einfach zu lange? Und was unterscheidet gute von faulen Kompromissen? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, hat Marilena sich Yasmine M’Barek in den Podcast eingeladen.

Shownotes:

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► Yasmine M’Barek findet ihr auf Twitter und Instagram.

► Yasmine M’Barek: “Radikale Kompromisse: Warum wir uns für eine bessere Politik in der Mitte treffen müssen”; Hoffmann & Campe Verlag (03/22).

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2. März 2022

Florian Illies: (Braucht es mehr) Liebe in Zeiten des Hasses?

von Henrietta Clasen 23. November 2021

Es sei nicht möglich, eindeutige Lehrsätze aus der Vergangenheit für die Gegenwart zu ziehen, aber jede Generation solle versuchen Fragen an die Geschichte zu stellen – weil das Überraschende sei, so Florian Illies, dass die Geschichte uns dann ganz neue Antworten gebe. In seinem neuen Buch “Liebe in Zeiten des Hasses” erkundet der Autor und Kunsthistoriker die “Goldenen Zwanziger” anhand ihrer Beziehungskonstellationen. Denn die Liebe, so Illies, eröffne uns neue Perspektiven auf die Zeit. Was wir aus der Geschichte und durch die Gefühlseindrücke der Protagonisten aus der Berliner und Pariser Boheme lernen können, darüber hat Marilena Berends mit dem Autor selbst gesprochen.

Shownotes:

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► Florian Illies: “Liebe in Zeiten des Hasses – Chronik eines Gefühls 1929 – 1939”, S. Fischer 2021.
► Helmuth Lethen: “Verhaltenslehre der Kälte”, Suhrkamp 2014.
► Hörenswert: “Augen zu” – der Kunstpodcast der ZEIT mit Florian Illies und Giovanni di Lorenzo.

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23. November 2021

Carla Reemtsma: Ist die Klimabewegung zu elitär?

von Henrietta Clasen 23. August 2021

Carla Reemtsma, Pressesprecherin von Fridays For Future Deutschland, spricht nicht von Klimaschutz, sondern von “Klimagerechtigkeit” – also der Vereinbarkeit einer ökologischen und sozialen Transformation – die den Aktivist*innen besonders am Herzen liegt. Doch interessanterweise wird Carla und ihren Mitstreiter*innen von Fridays For Future immer wieder zum Vorwurf gemacht, die Bewegung selbst sei eine “Rebellion der Privilegierten”. Wie viel steckt tatsäch an dem Vorwurf, es handle sich bei den Klimaaktivist*innen vor allem um weiße Akademiker*innen-Kinder? Und, kann Netzaktivismus vielleicht dabei helfen, den Protest zugänglicher zu machen?

Shownotes:

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Die heutige Episode wird freundlich unterstützt von OTTO. Mit Ihrer Kampagne unter dem Motto „Veränderung beginnt bei uns“ will das Unternehmen für die Vermeidung von Retouren sensibilisieren – weil es nicht egal ist, wie und wo wir bestellen. Mehr Infos erhaltet ihr hier.

► Ihr findet Carla auch auf Twitter.
► Am 24. September ist globaler Klimastreik von Fridays For Future .
► Ifo: “Wie fair ist die Energiewende? Verteilungswirkungen in der deutschen Energie- und Klimapolitik” (06/21).
► taz: “Spritpreis ist sozialer als sein Image” (06/21).
► Der Gradmesser Klimapodcast des Tagesspiegel: “Kluger Klimaschutz schafft soziale Gerechtigkeit” (06/21).
► Clemens Traub “Future For Fridays? ​​Streitschrift eines jungen „Fridays for Future“-Kritikers” (02/20).
► taz: “Diversität beim Klimaprotest: Zu jung, zu weiß, zu akademisch” (12/19).
► taz: “Nominierte 2020: Black Earth Kollektiv: Klimagerechtigkeit intersektional denken”.
► Maik Fielitz und Daniel Staemmler: “Hashtags, Tweets, Protest? Varianten des digitalen Aktivismus”, Forschungsjournal Soziale Bewegungen (2020).

Kontakt:
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Transkript: Carla Reemtsma – Ist die Klimabewegung zu elitär?

“Wer sich nach einem 40-Stunden Tag als alleinerziehende Mutter noch um Kinder kümmern muss und wo das Einkommen nicht immer 100pro gesichert ist, hat erstmal andere Prioritäten in seinem Alltag, als sich politisch zu engagieren.”

Hallo und herzlich willkommen im Sinneswandel Podcast. Mein Name ist Marilena Berends und ich freue mich, euch in der heutigen Episode zu begrüßen.

*Werbung*: Diese Episode wird freundlich unterstützt von OTTO. Online bestellen ist bequem. Aber wie nachhaltig ist der Versand eigentlich? OTTO legt besonderen Wert darauf, dass die Retourenabwicklung CO2-schonender wird. Durch sorgfältige Prüfung können mittlerweile 95% aller Retoure-Artikel wieder aufbereitet und weiterverkauft werden, anstelle einfach entsorgt zu werden. Damit Retouren im besten Fall erst gar nicht entstehen, erhalten Kund*innen bei OTTO bereits vorab kompetente Beratung beim Einkauf, damit sie bewusstere und damit nachhaltigere Entscheidungen treffen können. *Werbung Ende*

Als im Juni diesen Jahres die Grünen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock ankündigte, die Spritpreise müssten bis 2023 schrittweise um 16 Cent pro Liter Benzin erhöht werden, war die Empörung groß: “Unsozial! Überheblich! Den kleinen Leuten werde in die Tasche gegriffen”, hieß es. Klimaschutz dürfe kein Privileg der Besserverdiener*innen werden.

Mal ganz unabhängig davon, dass die Bundesregierung ihrerseits schon längst beschlossen hatte, dass Benzin teurer werden müsse – auch SPD und Union stimmten dem zu – ist die Aufregung um die Frage nach der Vereinbarkeit von nachhaltiger Klimapolitik und sozialer Gerechtigkeit alles andere als neu – und nicht ganz unberechtigt. Denn Klimapolitik kann durchaus die soziale Ungleichheit vergrößern. Wissenschaftler*innen sprechen dann von sogenannten “negativen Verteilungseffekten”. Bedeutet, Klimaschutzinstrumente, wie eine CO2-Bepreisung, belasten zunächst Geringverdienende stärker als wohlhabende Haushalte. Hinzu kommt ein Stadt-Land-Gefälle: Wer in Großstädten, wie Berlin oder Hamburg mit einem relativ gut ausgebautem öffentlichen Nahverkehr lebt, ist nicht notwenigerweise auf ein eigenes Auto angewiesen, und daher auch oft weniger von steigenden Spritpreisen betroffen. Ganz im Gegensatz zu Menschen, die auf dem Land wohnen, wo vielleicht zwei Mal am Tag ein Bus vorbeikommt – wenn überhaupt.

Klingt erstmal wie ein klassisches Dilemma – die Sache lässt sich allerdings lösen, wenn man sie einmal genauer betrachtet: Um negativen Verteilungseffekten entgegenzuwirken, darf Klimapolitik nämlich nicht isoliert gedacht werden, vielmehr muss sie in einen umfassenderen, Politikansatz eingebettet werden. Gelingt das, kann sie sogar zu mehr sozialer Gerechtigkeit, sprich positiven Verteilungseffekten, führen. Das hat auch eine Gruppe von Wis­sen­schaft­le­r*in­nen des Berliner Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) erst im Juni diesen Jahres in einer Studie festgestellt. Darin heißt es: „Ein CO2-Preis als Aufschlag auf den Spritpreis, bei dem die kompletten Einnahmen in eine einheitliche Pro-Kopf-Rückerstattung fließen, ist mit Abstand die fairste Form von Klimaschutz im Verkehrssektor“. Also das, was die Grünen fordern, nämlich ein sogenanntes „Energiegeld“ in Höhe von jeweils 75 Euro, das an jede Bürgerin und jeden Bürger aus den staatlichen Steuereinnahmen ausgezahlt wird. Ein solcher Sozialausgleich hätte den Berechnungen der Wissenschaftler*innen nach zur Folge, dass nur das reichste Fünftel draufzahlt – die ohnehin statistisch gesehen den höchsten CO2-Verbrauch haben. Der Rest würde genauso viel oder sogar mehr zurückerhalten, wie er oder sie das Jahr über gezahlt hat. Könnte damit also das gern gebrachte Argument, Gesetze und Verbote seien zwar weniger effektiv als eine CO2-Bepreisung, aber dafür zumindest sozial gerecht, als widerlegt angesehen werden? Energieökonomin Claudia Kemfert sprach sich im Klimapodcast des Tagesspiegels „Der Gradmesser“ jedenfalls fürs eine solche Taktik aus: “Kluger Klimaschutz ist nicht nur etwas für sogenannte Eliten, sondern er schafft im Gegenteil soziale Gerechtigkeit”. Aktuell zahlen für Umwelt- und Klimaschäden am wenigsten die Verursacher*innen, sondern vor allem die Steuerzahlenden. Deshalb brauche es endlich wahre Kostentransparenz. Die Ideen, so Kemfert, lägen bereits auf dem Tisch, es hapere nur an der Umsetzung. 

Apropos Umsetzung, das ist es auch, was die Aktivist*innen von Fridays For Futurevon Beginn an, seit ihren ersten Demonstrationen 2019 fordern. Eine unter ihnen ist die heute 23-jährige Carla Reemtsma. Neben ihrem Studium der Ressourcenökonomie in Berlin, ist sie bundesweite Sprecherin von Fridays For Future Deutschland – vielleicht ist es aber auch eher andersherum, wenn man bei ihrem Einsatz einmal Bilanz ziehen würde. Sie ist von Anfang an mit dabei und trommelt, bewegt von der Rede Greta Thunbergs auf der UN-Klimakonferenz in Katowice 2018, eine Gruppe Menschen zusammen, die schließlich die Fridays For Future Münster gründen: 

“Für mich gibt es nicht den einen Moment der mich für Klimagerechtigkeit und den Aktivismus politisiert hat. Es war vielmehr eine Abfolge von: man trifft seine ersten Konsumentscheidungen, stellt dann fest “Hey, meine Uni investiert Millionen in RWE Aktien”, dann stand ich vor dem Tagebau Hambach in dem rheinischen Braunkohlerevier, wo ein Loch im Boden ist das 300 Meter nach unten geht – man sieht das Ende gar nicht – und das alles für einen Energieträger, der der dreckigste der Welt ist und der die Klimakrise immer weiter anfeuert. Da dachte ich zum ersten Mal, dieser doch etwas pathetisch wirkende Satz “wir beuten unseren Planeten aus”, hat vielleicht einen wahren Kern. Dann aber auch immer andere Aktivist*innen und Aktionen, die wir organisiert haben, haben einen immer weiter politisiert und haben dafür gesorgt, dass ich Aktivistin bin und für Klimagerechtigkeit kämpfe und das auch weiter tue.”  

Carla spricht nicht von Klimapolitik oder Klimaschutz, sondern von “Klimagerechtigkeit” – also der Vereinbarkeit einer ökologischen und sozialen Transformation. Doch interessanterweise wird ihr und ihren Mitstreiter*innen von Fridays For Future immer wieder zum Vorwurf gemacht, die Bewegung selbst sei eine “Rebellion der Privilegierten”. So bezeichnet sie zumindest Clemens Traub. Der 24-jährige Politikstudent aus Karlsruhe, selbst ehemaliger Fridays For Future Aktivist und heute Mitglied der SPD, brachte im vergangenen Jahr, wie er selbst sagt, „die erste Streitschrift in Deutschland eines Jugendlichen selbst über die Klima-Bewegung“ heraus. Seine These darin: Die Fridays For Future Aktivist*innen treiben die soziale Spaltung der Gesellschaft aktiv voran: Auf der einen Seite die gebildeten “Klima-Eliten” – auf der anderen Seite die “Umweltzerstörer”. “Wo ist der Raum für differenzierte Zwischentöne und einen sachlichen Meinungsaustausch?”, fragt Clemens Traub. Klimapolitik müsse sozial gerecht sein. Wer hingegen den gesellschaftlichen Zusammenhalt riskiere, der wird, so Traub, die Welt nicht retten. Doch  wie viel steckt dran, an dem Vorwurf, die Fridays For Future Bewegung sei elitär und bestehe vor allem aus Akademiker*innen-Kindern? Clemens Traub positioniert sich in seinem Buch unmissverständlich: “Das typische Milieu der meisten Fridays-for-Future-Demonstrant*innen kenne ich gut. Es ist in gewisser Weise mein eigenes und das meines jetzigen Freund*innenkreises: großstädtisch, linksliberal, hip. Ärzt*innentöchter treffen darin auf Juristen*innensöhne. Gin-Tasting und Diskussionen über plastikfreies Einkaufen und Zero Waste stehen nebeneinander auf der Tagesordnung. Veganismus zählt ebenso zum unausgesprochenen Kodex des Hip-Seins wie der Einkauf im Secondhandladen. Und der Bioladen um die Ecke wertet die Lage der eigenen Wohnung selbstverständlich auf. Akademiker*innenkinder bleiben unter sich. Ein Querschnitt der Gesellschaft also, den die Klimaproteste abbilden? Weit gefehlt!” 

Und auch die taz titelte bereits im Dezember 2019: “Zu jung, zu weiß, zu akademisch” – mangelnde Diversität beim Klimaprotest! Laut dem Institut für Protest- und Bewegungsforschung (IPB), die während des globalen Klimastreiks im März 2019 Umfragen durchführten, gaben 92 Prozent der Befragten an, mindestens Abitur gemacht zu haben oder einen höheren Bildungsgrad zu besitzen oder diesen anzustreben. Die meisten verorten sich im linken Spektrum. Menschen mit Migrationsgeschichte waren eher unterrepräsentiert – im europäischen Vergleich sei die Bewegung aber, so das Forschungsinstitut, “sowohl hinsichtlich der Zusammensetzung der Teilnehmer*innen als auch in der Einschätzung von Lösungswegen heterogener als der gemeinsame Rahmen vermuten lässt.” Clemens Traub, der selbst eine Zeit lang bei FFF aktiv war, will von dieser Heterogenität jedoch nichts gemerkt haben: “Die Bewegung war von Anfang an viel zu homogen, viel zu elitär und entsprechend viel zu abgehoben, als dass sie dies selbst überhaupt auch nur bemerkt hätte. Nur wem es materiell gutgeht, der hat letztlich die Zeit und auch die Muße, den Klimaschutz als das persönlich wichtigste und auch einzige politische Thema unserer Zeit zu betrachten und ihm alles andere unterzuordnen.”

Pressesprecherin von FFF, Carla Reemtsma, kennt diese Kritik und verschließt sich keinesfalls vor ihr, merkt aber auch an: “Fridays For Future stellt insgesamt keinen Querschnitt der Bewegung dar. Es stimmt, dass viele Leute aus dem bürgerlichen Haushalt kommen, aber wir sind, nichtsdestotrotz, sehr breit aufgestellt. Gerade was Stadt- und Land-Herkunft angeht. Natürlich sind wir in großen Städten größer, das ergibt sich aus der Größe der Städte, aber wir sind in 600 bis 700 Orten in Deutschland präsent – das sind dann nicht alles nur Millionenstädte. Ich glaube soziale Herkunft kann eine Rolle spielen, ob man sich aktivistisch aktiviert. Sie ist oft der allererste Grund sich zu politisieren. Wer als POC Rassismus erfährt, kann sich daran politisieren und das als ersten und wichtigsten Kampf für sich finden. Wer ein geringes Einkommen hat und unter schlechten Arbeitsbedingungen arbeiten muss, hat da vielleicht seinen ersten politischen Moment. Ich glaube nicht, das grundsätzlich politisches Engagement abhängt von der sozialen Herkunft, sie kann es aber schwerer machen. Wer sich nach einem 40-Stunden Tag als alleinerziehende Mutter noch um Kinder kümmern muss und wo das Einkommen nicht immer 100pro gesichert ist, hat erstmal andere Prioritäten in seinem Alltag, als sich politisch zu engagieren. Wer Zugang zu Bildung hat, ein geregeltes Einkommen – für den ist es häufig leichter. Nichtsdestotrotz glaube ich nicht, dass es ein ausschlaggebendes Merkmal ist, und in unserem Aktivismus ist immer ganz wichtig, dass Kämpfe, die für eine gerechte und lebenswerte Welt für alle kämpfen, zusammenzubringen. Deswegen sprechen wir auch von “Klimagerechtigkeit” und nicht von “Klimaschutz”. Klimagerechtigkeit als ein Kampf, ein Protest der in der Zukunft nicht auf Kosten von Minderheiten gemacht wird, sondern den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Das heißt, dass soziale Gerechtigkeit und Klimagerechtigkeit, aber auch antirassistische Forderungen miteinander einhergehen. Das wir die Revolution nicht nur durch E-Autos, sondern durch kostenlosen, öffentlichen Nahverkehr machen. Dass wir den Fortschritt in Richtung Klima nicht nur durch einen CO2-Preis machen, wo sich reiche Menschen immer noch vieles leisten können und soziale Ungerechtigkeiten verstärken, sondern gleichzeitig ein Angebot für alle schaffen.”

Die Sozialwissenschaftlerin Imeh Ituen heißt die Proteste der Fridays-Bewegung zwar gut und sieht deren Bemühungen um Inklusivität, ihr reicht das aber dennoch nicht, weshalb sie sich mittlerweile bei dem Berliner BIPoC-Klimakollektiv „Black Earth“ engagiert, mit dem sie vor allem auf die untrennbare Verbindung von Kolonialismus, Rassismus und der Klimakrise aufmerksam machen. Eine der Gründer*innen, Samie Blasingame, sagte in einem Interview mit der taz: „In der [Klima-]Bewegung wird zu wenig über historische Ungerechtigkeiten gesprochen“. Deshalb hätten sie als Kollektiv beschlossen, “stets zu mindestens drei Vierteln aus BIPoC und zu mehr als der Hälfte aus FLINT* (Frauen, Lesben, inter, nicht-binären und trans Personen) zu bestehen.” 

Grundsätzlich widersprechen, tun sich die Bewegungen nicht – das Anliegen von Imeh Ituen und dem “Black Earth” Kollektiv zeigt nur abermals, wie essentiell der interkulturelle und Milieu-übergreifende Austausch ist – auch im Klimaprotest. Selbst Autor Clemens Traub sieht in diesem Punkt Hoffnung: “Mehr Vielfalt könnte zu einer großen Chance für Fridays for Future werden: […] Ein neues bodenständigeres Auftreten könnte aus [ihnen] endlich eine Bewegung aus der Mitte unserer Gesellschaft machen. Eine einfühlsame Bewegung. Nicht nur für unseren Planeten, sondern vor allem auch für die Menschen, die auf ihm leben!”

Doch gerade online, wo der Protest, nicht nur von Fridays For Future, Corona-bedingt in den vergangenen Monaten hat hauptsächlich stattfinden müssen, macht diesen Austausch nicht gerade leichter. Einerseits ließe sich natürlich vermuten, dass Cyberaktivismus die Zugangsbarrieren herabsetze, da das Internet ein relativ leicht zugänglicher Ort ist. Außerdem ist Protest online häufig vergleichsweise günstig – auch ein Vorteil. Auf der anderen Seite jedoch, fehlt etwas ganz Essentielles: die Lebensrealität. Die Begegnung im analogen Raum, von Angesicht zu Angesicht. Die Präsenz, mit der auch Emotionen frei werden, die eine Verbindung ohnegleichen zwischen Menschen herstellen können. Nichtsdestotrotz hält auch Carla Reemtsma den Protest im Netz, insbesondere in den Sozialen Medien, für unerlässlich – auch, wenn er die Straßenaktionen nicht ersetzen kann:


“Sich online auf Social Media zu engagieren, ist eine mögliche Form des Aktivismus. Ich glaube, Social Media ist unglaublich wichtig in modernen Zeiten. Einerseits für Debatten, die geführt werden, wo Leute gehört werden, die sonst vielleicht weniger Aufmerksamkeit in traditionellen Medien finden – was natürlich auch seine Schattenseiten hat, wenn wir uns populistische Diskurse angucken. Es ist ein Ort, wo sich Leute einfach zugänglich bilden können über politisch Themen, die weniger Aufmerksamkeit finden. Sei es Rassismus, die Klimakrise, sei es Feminismus – diese Themen können dort besprochen werden, aber es ist eine Form. Es ist genauso valide sich zu engagieren und das nicht auf Social Media darzustellen, genauso wie ich glaube, dass Aktivismus, der “on the ground” stattfindet und immer Leute mitnimmt und Aktionen organisiert, doch noch wichtiger ist und das ist, was wir brauchen, um politisch etwas voranzubringen. Social Media kann eine Multiplikator*innen Wirkung haben, es kann für einen selbst gerade in diesem Bildungsaspekt sehr wichtig sein, und ich glaube, dass es für wirksamen Aktivismus immer den Druck von der Straße braucht.”

Zu diesem Ergebnis kamen auch der Protestforscher Daniel Staemmler von der Berliner Humboldt Universität und Maik Fielitz vom Jenaer Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft in ihrer Studie: “Protestformen online und offline sind längst verknüpft, man sieht das jetzt durch die Krise nur stärker, weil der übliche Demobetrieb wegfällt. Was sich ändert, sind die Plattformen, auf denen sich das vollzieht”, so Staemmler im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Die Forscher sind der Auffassung, dass die Zukunft des Netzaktivismus davon abhänge, “die Leute von einer Plattform auf andere zu bringen, wo sie sich intensiver mit den Inhalten auseinandersetzen können”, um die Kraft dann auf die Straße zu tragen. “Dieses Gemeinschaftsgefühl erleben zu wollen, mit allem, was dazugehört, statt nur ein paar Posts zu teilen, das wird nicht verloren gehen. Ich glaube, es könnte sogar noch an Bedeutung gewinnen”, ergänzt Fielitz. Kein unwahrscheinliches Szenario, gerade nach der langen Pandemie-bedingten analogen Protestpause – vielleicht spielt das ja Bewegungen wie Fridays For Future, sobald Straßenaktionen wieder unbedenklich möglich sind, in die Karten. Es wird sich zeigen.

Vielen Dank fürs Zuhören. Wie ihr wisst, ist es unser Bestreben, möglichst unabhängig und werbefrei produzieren zu können. Das müssen wir uns allerdings auch leisten können. Daher, wenn ihr Sinneswandel gerne hört, freuen wir uns, wenn ihr unsere Arbeit als Fördermitglieder unterstützt. Das geht ganz einfach via Steady oder, indem ihr uns einen Betrag eurer Wahl an Paypal.me/Sinneswandelpodcast schickt. Alle Infos zur Episode, Quellen und weiterführendes Material findet ihr, wie immer in den Shownotes. Mein Name ist Marilena Berends, ich bedanke mich bei euch fürs Zuhören und sage bis bald im Sinneswandel Podcast! 

23. August 2021

Jakob Blasel: Sind Politik und Aktivismus (un)vereinbar?

von Henrietta Clasen 10. August 2021

Die jungen Menschen, nicht selten werden sie als “politikverdrossen” bezeichnet – aber stimmt das? Sind es nicht gerade die nachkommenden Generationen, die immer wieder an Politiker*innen appellieren, wenn es um die Einhaltung der Pariser Klimaziele geht? Einer dieser jungen Menschen ist Jakob Blasel. Bereits mit 17  begann seine aktivistische Laufbahn, innerhalb weniger Jahre ist er zu einem der Gesichter von Fridays For Future Deutschland geworden. Heute, drei Jahre später, zieht er von der Straße in den Bundestag. Wir haben mit Jakob darüber gesprochen, wie es zu dieser Entscheidung kam. Stehen Aktivismus und Politik im Konflikt miteinander oder könnten sie gar eine Synthese bilden?   

Shownotes:

Macht (einen) Sinneswandel möglich, indem ihr Fördermitglieder werdet. Finanziell unterstützen könnt ihr uns auch via PayPal oder per Überweisung an DE95110101002967798319. Danke.

Die heutige Episode wird freundlich unterstützt von OTTO. Mit Ihrer Kampagne unter dem Motto „Veränderung beginnt bei uns“ will das Unternehmen für die Vermeidung von Retouren sensibilisieren – weil es nicht egal ist, wie und wo wir bestellen. Mehr Infos erhaltet ihr hier.

Quellen:

►Tagesspiegel: Vom Marsch auf der Straße zum Marsch durch die Institutionen (25.09.2020).
►Bayerischer Rundfunk: Politik statt Protest (06.02.21).
►Tagesschau: Partei statt Straße? (03.07.21).
► die Welt: Ein Klimaaktivist auf dem Marsch in die Institutionen (15.09.20).
► Der Spiegel: Gehört Fridays for Future auf die Straße – oder in den Bundestag? (24.06.21).
►Die Zeit: Kompromisse funktionieren bei der Klimakrise nicht (25.09.20).
►Die Zeit: Grünen Basis will auf Parteitag höheren Co2 Preis durchsetzen (09.06.21).
► Scientists For Future: Die Flutkatastrophe im Juli 2021 in Deutschland und die Klimakrise – eine Stellungnahme von Wissenschaftler:innen der Scientists for Future (22.07.21).
►  Karl R. Popper: Das Elend des Historizismus. 4. Auflage. Mohr, Tübingen,( ISBN 3-16-532721-1) , S. 7. (Die Einheit der Gesellschaftswissenschaften. Band 3) (1974).

Kontakt:
✉ redaktion@sinneswandel.art
► sinneswandel.art

Transkript: Jakob Blasel: Sind Politik und Aktivismus (un)vereinbar? 

“Alle Menschen, die sagen, den nötigen Wandel werden wir nicht im Parlament schaffen – ja, wo denn sonst? Es darf nicht scheitern. Ohne, dass ich garantieren kann, dass es klappt – ich werd alles dafür geben.”

Hallo und herzlich willkommen im Sinneswandel Podcast. Mein Name ist Marilena Berends und ich freue mich, euch in der heutigen Episode zu begrüßen.

*Werbung*: Wie auch letzte Episode wird die heutige unterstützt von OTTO. In der letzten Episode haben wir berichtet, wie diese ihre Retouren aufbereiten. OTTO versucht aber auch, Retouren im Vorfeld zu vermeiden, etwa durch Online-Videos für Produkte oder persönliche Beratung von Produktexperten über Telefon, WhatsApp, E-Mail oder SMS als zusätzliche Hilfe bei der Kaufentscheidung. Es ist wichtig, dass Unternehmen ihre Recycling-Strukturen optimieren, als auch, dass wir als Verbraucher*innen möglichst bewusste Entscheidungen treffen. *Werbung Ende*

Die jungen Menschen – nicht selten werden sie von älteren Generationen als “politikverdrossen” bezeichnet. Starren angeblich den lieben langen Tag auf Smartphones oder präsentieren die neuesten Dance-Moves ihrer TikTok-Community. In Parlamenten, als Anwärter*innen für politische Posten, da sucht man sie vergeblich. Aber stimmt das? Sind es nicht gerade die nachkommenden Generationen, die immer wieder an Politiker*innen appellieren, insbesondere, wenn es um die Einhaltung der Pariser Klimaziele geht? Oder hat das nichts mit Politik zu tun, ist “nur” Aktivismus? Und, wer junge Menschen als “politikverdrossen” bezeichnet, sollte der sich nicht vielleicht auch fragen, ob es dafür nicht gute Gründe gibt? Ob Politik, wie sie bislang gemacht wird, noch zeitgemäß ist? Sicherlich werden die Entscheidungen, die in Parlamenten getroffen werden, nicht mit dem Tempo und den Forderungen vieler Aktivist*innen mithalten zu können, aber nur, weil etwas schon immer so oder so gehandhabt wurde, muss es noch lange nicht für immer so bleiben. So sehen es zumindest einige jener Aktivist*innen, die sich in den vergangenen Monaten und Jahren dazu entschlossen haben, die Seite zu wechseln, von der Straße in die Reichstagskuppel zu ziehen. Einer von ihnen ist Jakob Blasel. Bis vor kurzem noch einer der führenden Köpfe hinter der deutschen Fridays For Future Bewegung. Aber damit ist jetzt erstmal Schluss! Ariane, aus der Sinneswandel Redaktion, hat Jakob gefragt, was ihn zu dieser Entscheidung bewogen hat. Ob er das Gefühl hat, in der Politik mehr bewirken zu können, als auf der Straße. Und, ob Aktivismus und Politik überhaupt im Konflikt miteinander stehen, einen Gegensatz bilden oder, ob sie nicht gar eine Synthese bilden könnten.

Es ist der 25.01.2019, vor dem Bundeskanzleramt versammeln sich mehr als 10.000 junge Menschen aus ganz Deutschland. Der Wind pfeift an diesem Wintertag durch die Straßen Berlins, doch das Regierungsviertel ist erfüllt von Stimmengewirr und entschlossenen Gesichtern. Am Tag der Aushandlung des Kohlekompromisses fordern die Protestierenden, angesichts der enormen Auswirkungen der Klimakrise, eine engagierte Klimapolitik der Bundesregierung und den Kohleaustritt bis 2030. Zu ambitioniert, zu unrealistisch seien diese Forderungen, heißt es von den Politer*innen: 2038 wird schließlich als Datum für das Ausstiegsabkommen festgelegt – aus Sicht von Fridays For Future ein Kompromiss  gegen die Zukunft. Unter den Demonstrierenden ist auch Jakob Blasel. Der 19-jährige Schüler, zu dieser Zeit Sprecher von Fridays For Future Deutschland, hatte bereits 2018 in Kiel eine der ersten großen Demonstrationen der Bewegung mitorganisiert. Politisiert durch die Klimakrise und die, in seinen Augen, ungenügende Reaktion der deutschen Bundesregierung, tritt er 2017 Greenpeace und der Grünen Jugend bei. Nur zwei Jahre später, 2019, ist Jakob zu einem der bekanntesten Gesichter der jungen Klimabewegung in Deutschland geworden. Aber das allein, scheint nicht sein Ziel gewesen zu sein. 

Gut ein Jahr später, am 24. August 2020, twittert Blasel: “Der nächste Bundestag ist der Letzte, welcher die benötigten Gesetze für die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziel noch beschließen kann. Wir dürfen keinen Weg unversucht lassen, um diese dort umzusetzen. Deswegen will ich 2021 für die Grünen in den Bundestag einziehen. […] Wir brauchen Leute in den Parlamenten, die – für eine gerechte Welt, für die Interessen meiner Generation und für konsequentes Einhalten von Paris kämpfen. Das kann ich nicht alleine – aber ich kann anfangen.” Ein Tweet, der nicht unkommentiert bleiben wird. Neben viel Zuspruch in der Kommentarspalte, titelt die FAZ wenige Tage später: “Fridays for Future verliert Aktivisten an die Politik” und stellt damit die Frage in den Raum, ob es sinnvoll ist, den Protestmarsch auf der Straße gegen den durch die parlamentarischen Institutionen einzutauschen. Jakob ist zu diesem Zeitpunkt bereits seit gut zwei Jahren Mitglied bei den Grünen. Allzu überraschend kommt diese Entscheidung also nicht. Doch was hat ihn letztlich davon überzeugt, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist? Das Gefühl, im Parlament mehr bewegen zu können, als auf der Straße mit Fridays For Future?

“Ich habe nie das Gefühl gehabt, dass ich im Bundestag mehr erreichen kann, als bei Fridays For Future. Es ist mehr eine krasse Lücke, die ich gesehen habe. Wir haben wahnsinnig engagierte Leute bei Fridays For Future – ich sehe wie es immer mehr werden und wie nach Corona die Bewegung immer stärker wird. Und gleichzeitig, wenn wir in die Politik gucken, haben wir bei den Grünen auch sehr viel Wissen, wie wir die Klimakrise angehen und andere Parteien könnten zumindest auf das Wissen zugreifen. Die gesellschaftlichen Mehrheiten sind da, aber diese Zugkraft und dieser wirkliche Gestaltungs – und Veränderungswille fehlt in der Politik. Das finde ich total krass: wir haben die gesellschaftlichen Mehrheiten, wir haben die Wissenschaft und trotzdem ist so eine Trägheit und Angst vorhanden, während die Klimakrise immer weiter voranschreitet – und gerade weil es zeitlich so knapp ist – wir werden die Weichen in den nächsten vier Jahren stellen oder halt auch nicht – und das hängt alles an uns.  Deswegen braucht es Menschen in der Politik, die mit Elan und mit dieser Vermittlung von Dringlichkeit, die es in der Klimabewegung schon gibt, dass die auch endlich in der Politik ankommt. Das ist der Grund warum ich für den Bundestag kandidiere. Aber das ist nie ein Entweder-Oder, so wie das manche Medien hochsterilisieren wollen.” 

Wenn man Jakob zuhört, scheint es sich hier um ein Missverständnis zu handeln. Anstatt sich darauf zu beschränken das Parlament und die Regierung für ihre Untätigkeit zu verurteilen, sieht er die Chance vielmehr darin, genau diese Institution mit seiner Kandidatur von innen heraus mit zu verändern. Für Jakob steht fest, dass jene Entscheidungen, die, die von großer Tragweite sind, genau dort, im Parlament gefällt werden, ohne dass das den Aktivismus auf der Straße überflüssig machen würde. 

“Ehrlich gesagt, wenn ich nicht glaube, dass wir das im Parlament umsetzen können, dann würde ich ja auch nicht glauben, dass ich das über Proteste auf der Straße erreichen kann. Das darf kein Widerspruch sein. Alle Menschen, die sagen, den nötigen Wandel werden wir nicht im Parlament schaffen – ja, wo denn sonst? Das ist das zentrale Entscheidungsgremium. Da werden die Weichen gestellt. Es darf nicht scheitern. Das ist der Punkt. Ohne, dass ich garantieren kann, dass es klappt – ich werd alles dafür geben. Ich arbeite mich jetzt schon in die Strukturen von Parlament ein. Auch, wenn ich gar nicht weiß, ob ich in den Bundestag komme oder nicht. Aber ich arbeite jetzt erstmal so. Weil, wenn es klappt, dann möchte ich alles dafür tun, dass die nächste Regierung und der nächste Bundestag die Weichen dafür stelle, dass wir die Klimakrise eindämmen können.” 

Das bewerten allerdings längst nicht alle so, wie Jakob. Ein paar, wenn auch nur wenige seiner ehemaligen aktivistischen Mitstreiter*innen sehen den Weg in die Politik kritisch und halten den Protest auf der Straße für wirkungsvoller. Im Gegensatz zu Blasel, sieht Carla Reemtsma, Pressesprecherin von Fridays for Future Deutschland, die Grünen nicht als Partei, die ein “1,5-Grad -kompatibles Parteiprogramm” vorzuweisen hat. Im Interview mit Zeit Campus stellt sie klar: “Das Problem bei der Klimakrise ist: Politische Kompromisse funktionieren nicht. Es gibt keinen Mittelweg, es geht um die Frage: Schaffen wir es, die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen, ja oder nein?” Auch Soziologe Klaus Hurrelmann äußert sich im Tagesspiegel eher skeptisch: “Für Fridays for Future ist Kompromissfindung Teufelszeug. Ihr Charakteristikum ist die absolute Forderung“, für ihn passt der Sprung einiger Aktivist*innen in die Parlamente nicht zum politischen Tagesgeschäft, das gerade von Kompromissen geprägt sei. Dies könne, so Hurrelmann, “nicht nur zu Spannungen bei den FFF führen, sondern vor allem innerhalb der Parteien, für die ehemaligen Aktivisten antreten.” Idealismus gerät in der Realpolitik nicht selten in die Mühlen der Diplomatie. Viele Nachwuchspolitiker*innen treten ihre Ämter mit hohen Erwartungen an sich selbst an, was sich positiv auf die Gestaltung des Parlaments auswirken kann. Zugleich könnte die erste Legislaturperiode für viele eine Art „Realitäts-Check“ werden. Auf der anderen Seite: Was die Realität betrifft, so ist diese längst nicht in Stein gemeißelt. Kontroverse und Dissens stellen vielleicht sogar den Kern einer jeden Demokratie dar. 

In Jakobs Worten steckt viel Elan, Zuversicht und eine große Portion Idealismus, die ihn als Aktivist bei Fridays For Future wohl auch dorthin gebracht hat – ganz an die Spitze, immer voran. Und das trotz Jura-Studium und Praktikum, das er “nebenher” noch absolviert. Aber wie weit bringt aktivistischer Elan im politischen Tagesgeschäft? Als Aktivist, in der Rolle der Opposition, lassen sich vermutlich radikalere Forderungen stellen, als im Parlament. Wie viel Idealismus lässt sich unter der Kuppel des Reichstags wohl bewahren?

“Wie viel Idealismus in den Bundestag passt? Ich muss ehrlich gesagt sagen, ich weiß es nicht – let’s find out. Ich denke das eher vom Ziel her – Klimapolitik müssen wir aus meiner Sicht immer idealistisch angehen. Wir haben ein, in Anführungsstrichen, “Idealbild” und das ist, das wir das 1,5-Grad Ziel nicht überschreiten. Wenn wir von Idealismus reden, dann implizieren wir ja, das alles andere auch irgendwie OK wäre und das ist bei der Klimakrise nicht so – wir müssen dieses Idealbild erreichen, wir müssen unsere gesamte Industrie und gesamte fossile Industrie innerhalb von 15 Jahren komplett über den Kopf werfen – in Deutschland in 15 Jahren, global in 20-25 Jahren. das ist eine total krasse Aufgabe und ehrlich gesagt müssen wir da am Ende landen – wir haben gar keine Wahl. Da ist, wenn man es so nennen will, Idealismus auf der Straße genauso naiv wie in der Politik, aber in der Politik auch nicht weniger naiv, als auf der Straße, weil letztendlich war es immer das, was wir bei Fridays For Future wollten – wir wollten, dass die Politik umsetzt was wir fordern. Und auch das ohne Kompromisse – es war nicht so, dass wir uns Idealziele ausgedacht haben, damit man sich am Ende auf irgendwas einigen kann, wir sind mit dem gekommen was nötig ist.”

Ob Jakob mit seinem Idealismus in der Politik Erfolg haben wird und in den Bundestag einzieht, steht noch in den Sternen. Die Mühlen der Politik laufen langsam und verfolgen andere Regeln. Schon jetzt musste Blasel eine herbe Niederlage einstecken, als er sich im Juni auf dem Grünen Parteitag für einen höheren CO2-Preis stark machte. Die Antwort lautete: Antrag abgelehnt. Die Parteispitze bleibt bei ihrem Vorschlag von 60 Euro ab 2023. Auch die 25-Jährige Wiebke Winter weiß, wie es sich anfühlt, in einer alteingesessenen Partei gegen Windmühlen zu kämpfen. Auch sie setzt sich für die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels ein. Allerdings nicht wie Jakob bei den Grünen – was vermutlich am naheliegendsten ist – sondern ausgerechnet bei der CDU, einer Partei, die nicht gerade dafür bekannt ist, Vorreiter im Klimaschutz zu sein. Gerade für die CDU sieht sie allerdings eine Chance, da die Klimafrage auch eine Wirtschaftsfrage und die CDU nun mal “die Wirtschaftspartei” sei, so Winter in den ARD tagesthemen. Also Klimaschutz ohne Kapitalismuskritik, könnte man sagen. Aber ganz gleich, ob in der CDU, bei den Grünen oder Fridays For Future, in einer Sache sind sich die meisten Klimaschützer*innen einig: Die Zeit drängt.

“Wir sehen das jetzt gerade in Kanada – da reichen wir an die 50 Grad, es brennen Ölbohrinseln im Meer – wir sind mitten in einer krassen Krise. Ich mache mir richtig Angst – wenn wir tropische Verhältnisse mitten in Stuttgart haben, dann ist das kein Joke mehr. Das ist krasse Realität, die Klimakrise. Und das was wir gerade erleben, ist nur ein kleiner kleiner Teil von dem, was noch bevorsteht, wenn wir jetzt nicht handeln. Wir müssen alle alles geben – alle, die sich gesellschaftlich beteiligen. Alle, die irgendwie das Gefühl haben, Einfluss zu nehmen – und sei es “nur”, auf eine Demo zu gehen. Aber am besten noch mehr politisch aktiv zu werden. Alle sind gefragt. Das ist eine ziemlich krasse Schicksalszeit gerade. Das hängt am Ende nicht an mir, ob ich was im Parlament erreichen kann – das hängt daran, dass wir gesellschaftliche Mehrheiten schaffen und sichtbar machen. Ob ich oder andere in der Politik was schaffen können – das hängt letztendlich an uns allen. Das darf nie hochgebauscht werden, dass es nur an Einzelnen liegt. Das war auch 2019 so, dass die Leute immer gesagt haben Greta Thunberg wird uns retten – das ist Bullshit. Niemand wird uns retten! Wir müssen alle alles dafür tun und aktiv werden. Ich bin total gespannt, ob das klappt. Ich kämpfe dafür in den nächsten Monaten und Jahren, aber ich hoffe, dass ich nicht der Einzige bin.” 

Jakobs eindringlichen Worte zeigen, es reicht nicht allein von außen auf Parteien Druck auszuüben, sondern um die zum Teil starren und adequierten Strukturen zu verändern, muss Politik auch von innen heraus transformiert werden. Das Reinrufen vom Rand, die Proteste auf den Straßen sind zentral, um Themen in der gesellschaftlichen Mitte und der politischen Arena zu positionieren – aber dann müssen sie dort auch institutionell verankert werden. Sven Giegold, Mitglied des Europaparlaments, der selbst ehemals als Aktivist bei der kapitalismuskritischen Bewegung Attac Deutschland aktiv war, sieht das sehr ähnlich: “FFF hat weltweit die Voraussetzung für den Klimaschutz verbessert, das hätte man aus den Parlamenten heraus nicht geschafft, das zeigt die Kraft einer Bewegung, aber ob dann wieder die richtigen Entscheidungen getroffen werden, das hängt davon ab, ob in den Institutionen auch Leute die gesellschaftliche Kraft aufnehmen”, so Giegold in einem Interview mit dem Bayrischen Rundfunk.

Eben dieses Ziel verfolgt auch die 2019 gegründete Partei Klimaliste, die nicht länger warten will, bis die etablierten Parteien mit dem Klimaschutz ernst machen. Über Direktkandidaten und -kandidatinnen will die Klimaliste auf kommunaler Ebene die Einhaltung des 1,5-Grad Ziels zur obersten Priorität machen. Entstanden ist die Partei aus einzelnen Graswurzelbewegungen, die sich aus Umweltschützer*innen und Wissenschaftler*innen zusammensetzen. Sie alle eint die Überzeugung, dass die etablierten Parteien das 1,5-Grad Ziel mit ihrer Politik nicht erreichen können und es daher ein Bündnis braucht, welches diesem Ziel höchste Priorität einräumt. Offiziell am 21. Juni 2021 gegründet, ist die Partei schon jetzt in fast allen Bundesländern lokal und regional vertreten. Wie Jakob, wollen auch sie “frischen Wind” in die deutsche Umweltpolitik bringen. Co-Vorsitzende Doris Vollmer betont in der Zeit, dass ihr Grundanliegen sei, die Klimabewegung zu stärken, dennoch so Kritiker, könne die Partei den Grünen wichtige Stimmen bei der Bundestagswahl kosten und somit eine konsequente Klimapolitik auf Bundesebene entgegen ihrer Bestrebungen untergraben. Fridays For Future distanzierte sich bereits vor der Landtagswahl in Baden Württemberg von der Klimaliste, obwohl sie doch einige Forderungen mit der Bewegung teilt. „Progressive demokratische Mehrheiten sind essenziell, um in den nächsten fünf Jahren den notwendigen Wandel zu tragen. Kleinstparteien wie die Klimaliste dürfen diese Mehrheit nicht aufs Spiel setzen“ , so Line Niedeggen, Sprecherin von Fridays For Future Heidelberg.

Die kommenden Wochen und Monate werden zeigen, welchen Einfluss die neue Partei auf Bundesebene haben wird. Der Trend hin zu mehr Parteipolitik auf Seiten aktivistischer Bewegungen, zeigt sich aber schon jetzt und wird die etablierten Parteien, aber vor allem die Grünen, unter Druck setzen, sich zu positionieren. Wird es eher ein politische Kompromiss, um für die gemäßigte Mitte attraktiv zu bleiben, oder schlagen sie einen radikaleren Weg ein, wie er von Aktivist*innen und der Klimaliste vorgezeichnet wird? Und die Frage bleibt, können wir uns angesichts der sich häufenden Naturkatastrophen, die laut Wissenschaftler*innen vom menschengemachten Klimawandel angetrieben werden, überhaupt einen gemäßigten Weg leisten? 

Das verheerende Hochwasser in Westdeutschland im Sommer diesen Jahres zeigt, der Klimawandel ist längst in Deutschland angekommen: “Erste Kipppunkte werden jetzt überschritten und Hitzerekorde gebrochen, Menschen verlieren ihre Lebensgrundlage und wir unsere Zukunft. Politiker*innen, die weiter nur für den guten Ruf “Klimaschutz” betreiben, führen zu einem kompletten Versagen gegenüber meiner Generation. Wir können uns keine weiteren 4 Jahre Versagen leisten”, twittert Jakob bereits am 24. August 2020. Ein Konflikt zwischen Politik und Aktivismus stellt sich nicht, wenn wir die Frage der Klimaerwärmung als gesellschaftliche Frage anerkennen, auf die es, so Blasel, nur eine gesamtgesellschaftliche Antwort geben kann: zu Handeln, und zwar jetzt, bevor es zu spät ist. Dafür brauche es engagierte Menschen innerhalb und außerhalb staatlicher Institutionen. Denn, so Jakob, Greta allein wird uns nicht retten. Doch was bewegt Menschen, aktiv zu werden? Was mobilisiert sie, den Marsch auf der Straße oder durch die Parlamente zu wählen? Beide Wege sind mühselig, erfordern Zeit, Kraft und Ausdauer. Was kann Menschen motivieren, diese “Sisyphusarbeit” dennoch auf sich zu nehmen?   

“Erstmal müssen wir anerkennen, dass die aller aller meisten Menschen eine politische Meinung haben und die allermeisten Menschen auch Veränderung wollen –  in Deutschland und der Welt. Wenn wir schaffen wollen, dass diese dann auch aktiv werden – also von diesem “nicht zustimmen” oder von den Ideen, die die Leute haben – hinkommen wollen zu Protest und zu einem gewissen Gestaltungswillen – also zu einer gesellschaftlichen Mobilisierung – dann müssen wir erstmal eine Geschichte erzählen, warum überhaupt jetzt der richtige Zeitpunkt ist, wie wir was erreichen wollen und dann ist es eigentlich relativ simpel. Es geht dann darum, die eigenen Freunde mitzunehmen, die eigenen Bekannten und die bringen dann wieder ihre Freunde und Bekannte mit. Das ist letztendlich der Schlüssel – ich glaube das ist kein Hexenwerk. Wir müssen gemeinsam agieren und das immer wieder als eine höhere Mission, als nur unsere eigene Vision, erzählen. Bei Fridays For Future ging es zum Beispiel nie darum Fridays For Future groß zu machen, sondern es ging darum, die Klimapolitik der gesamten Regierung zu ändern und diese übergeordnete Geschichte müssen wir allen erzählen von denen wir erwarten, dass sie mit uns mitmachen. Was man da noch tiefer machen soll, weiß ich nicht. Die Methoden sind eigentlich klar, das entsteht vor allem aus einer Motivation und aus uns selber heraus.” 

Ob eine übergeordnetes Narrativ und Gestaltungswille allein, aus uns Aktivist*innen machen und damit die Krisen den 21. Jahrhunderts bewältigt werden, ist fraglich. Aber Hoffnung und eine Erzählung, wofür es sich lohnt zu kämpfen, ist sicherlich kein falscher Weg, das Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen und aktiv die Zukunft mit zu gestalten. Ganz im Sinne Karl Poppers, der Aktivismus als “Die Neigung zur Aktivität und die Abneigung gegen jede Haltung des passiven Hinnehmens” charakterisierte. In diesem Sinne, schreibt uns gerne unter redaktion@sinneswandel.art, was euch bewegt oder bewogen hat, aktiv zu werden. Könnt ihr Jakobs Entscheidung in die Politik zu gehen nachvollziehen, und was braucht es eurer Meinung nach, um den Weg in eine nachhaltige und lebenswerte Zukunft zu gestalten? Wir sind gespannt!

Vielen Dank fürs Zuhören. Wie ihr wisst, ist es unser Bestreben, möglichst unabhängig und werbefrei produzieren zu können. Das müssen wir uns allerdings auch leisten können. Daher, wenn ihr Sinneswandel gerne hört, freuen wir uns, wenn ihr unsere Arbeit als Fördermitglieder unterstützt. Das geht ganz einfach via Steady oder, indem ihr uns einen Betrag eurer Wahl an Paypal.me/Sinneswandelpodcast schickt. Alle Infos zur Episode, Quellen und weiterführendes Material findet ihr, wie immer in den Shownotes. Mein Name ist Marilena Berends, ich bedanke mich bei euch fürs Zuhören und sage bis bald im Sinneswandel Podcast! 

10. August 2021

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