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Nachhaltigkeit

Frank Adloff: Denkbar, eine post-neoliberale Welt?

von Ricarda Manth 4. Februar 2021

Wie können wir in Zeiten der Globalisierung miteinander leben, uns unterscheiden und Konflikte haben, ohne uns zu massakrieren? Erst kürzlich, im September 2020, erschien das zweite konvivialistische Manifest, in dem über 300 Intellektuelle aus 33 Ländern für neue Formen des Zusammenlebens und eine „post-neoliberale Welt“ plädieren. Der Soziologe und Mitinitiator Frank Adloff erklärt im Gespräch was es mit dem Konzept des Konvivialismus auf sich hat und welche Ziele es verfolgt. 

Shownotes:

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  • Die Deutsche Website der Konvivialisten.
  • Die Französische Website Convivialisme.
  • Das erste sowie das zweite Konvivialistische Manifest finden sich auf der Website des transcript Verlages als Open Source Dateien zum kostenlosen Download.
  • Das Forschungskolleg “Zukünfte der Nachhaltigkeit” der Universität Hamburg.

✉ [redaktion@sinneswandel.art] (mailto:redaktion@sinneswandel.art)
► [sinneswandel.art] (https://sinneswandel.art)

4. Februar 2021

Clara Mayer: Was hat Klimagerechtigkeit mit Feminismus zu tun?

von Marilena 7. Oktober 2020

Zwei Jahre gehen sie nun auf die Straße und protestieren. Lassen dafür sogar die Schule sausen. Weil ihr Anliegen ihnen so wichtig und weitreichend erscheint, dass sie keine Kompromisse eingehen können und wollen. Sie fordern einen radikalen Wandel – jetzt und nicht morgen. Denn die Klimakrise lässt nicht auf sich warten. Doch es geht nur schleppend voran. Die Ziele, die einst im Pariser Klimaabkommen festgelegt wurden, wie auch die Maßnahmen des Klimapakets, scheinen nur zweitrangig zu sein. Dabei müsste Klimagerechtigkeit doch ganz eindeutig an oberster Stelle stehen. Diese Meinung vertritt auch Clara Mayer. Sie ist Pressesprecherin von Fridays For Future Berlin. Bezeichnet sich selbst als Klimaaktivistin und “feminist monster”.

SHOWNOTES:

► Mehr von und über Fridays For Future um informiert zu bleiben.
► Clara Mayer ist auch auf Instagram und Twitter präsent.

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7. Oktober 2020

Ursula Hudson: Is(s)t man vegan wirklich nachhaltiger?

von Marilena 9. Dezember 2019

„Du bist, was du isst“. Dieser Satz basiert ursprünglich auf der Aussage des Philosophen Ludwig Feuerbach: „Der Mensch ist, was er isst“ aus dem Jahr 1850. Heute ist sie gefühlt aktueller denn je. Zumindest wird viel über die Ernährung philosophiert und debattiert. Was gilt als gesund? Was sollte oder gar darf man noch essen?

Angesichts der globalen Herausforderungen, vor denen wir stehen, wird unsere Ernährung aber noch von einer anderen Perspektive aus interessant. Alleine über die Ernährung entstehen pro Europäer jährlich rund neun Tonnen CO2-Äquivalente. Wer behauptet, die Wahl des Mittagessens sei eine rein persönliche, der irrt sich. Sie ist hochpolitisch. Dieser Ansicht ist zumindest Dr. Ursula Hudson. Sie ist Vorstandsvorsitzende von Slow Food Deutschland und macht sich für eine Ernährunsgwende stark, die auch den nachkommenden Generationen ein würdiges und gutes Leben auf einem grünen Planeten ermöglicht.

Was das konkret bedeutet, erfährst du in dem heutigen Interview, das ich mit Dr. Ursula Hudson in der Berliner Zentrale von Slow Food Deutschland geführt habe. In dem Sinne wünsche ich dir viel Freude beim Zuhören.

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SHOWNOTES:

► Du möchtest mehr über die Initiative Slow Food erfahren? Hier findest du weitere Informationen. Es gibt auch regionale Gruppen, in denen du dich engagieren kannst.
► Der Weltagrarbericht  zum Nachlesen. findest du weitere Informationen.
► Beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (https://www.bmel.de/) findest du weiterführende Informationen. Ebenso, wie beim Bundeszentrum für Ernährung (https://www.bzfe.de).

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9. Dezember 2019

Arved Fuchs: Haben wir bald keine Gletscher mehr?

von Marilena 1. Dezember 2019

Wolltest du auch immer schon mal zu Fuß zum Nordpol oder ganz alleine in einem Kajak im Winter das Kap Horn umrunden? Wie, du etwa auch nicht? Es gibt ein paar Dinge, auf die Idee sie zu tun, wir Normalsterblichen – bis auf einige Ausnahmen natürlich – eher selten kommen. Eine dieser Ausnahmen ist Arved Fuchs.

Er ist Polarforscher und hat bereits viele solcher Expeditionen hinter sich. Bereits 1989 gelang es ihm als erster Mensch, den Nord- und Südpol zu Fuß und auf Skiern innerhalb eines Jahres zu erreichen. Und man bedenke, dass es damals noch keine Smartphones mit GPS gab. Heute ist Arved Fuchs allerdings meistens mit Dagmar Aaen, seinem Segelschiff, unterwegs. Gerade erst kürzlich ist er von seiner letzten Expedition „Ocean Change – turn the page“, die ganz im Auftrag des Klimawandels stand, zurückgekehrt. Mit eigenen Augen, konnten er uns sein Team aus WissenschaftlerInnen das Fortschreiten des Klimawandels in Grönland beobachten. Insbesondere das Gletscherschmelzen ist unübersehbar und macht deutlich, was wir durch unseren derzeitigen Lebensstil anrichten.

Die Aufgabe der Expedition ist es allerdings nicht nur, Probleme sichtbar zu machen. Im Dialog mit Menschen vor Ort sollen zudem Best-Practice-Beispiele aufgezeigt und Lösungsvorschläge erarbeitet werden. Die Crew dokumentiert, spricht mit WissenschaftlerInnen, aber auch mit Jägern und Fischern vor Ort. Arved Fuchs und sein Team sind fest davon überzeugt, dass die Auswirkungen des Klimawandels sich am Beispiel Grönland exemplarisch und für alle Menschen verständlich darstellen lassen. In Film- und Bildbeiträgen sollen die Veränderungen in der Natur gezeigt werden – und gleichzeitig positive Ansätze zur Lösung des Problems dargestellt werden.

Ich habe Arved Fuchs im beschaulichen Bad Bramstedt getroffen. In seinem Familienhaus, in dem er schon als Kind aufgewachsen ist. Neben der Frage, was ihn zu diesen zum Teil waghalsigen Expeditionen antreibt, hat mich besonders interessiert, wie die Eindrücke seine Weltsicht beeinflusst haben. Ich freue mich, dir seine Antworten jetzt präsentieren zu dürfen.

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SHOWNOTES:
► Du möchtest mehr über Arved Fuchs und seine Expeditionen erfahren? Hier findest du weitere Informationen. 
► Als SchülerIn hast du die Chance dich für das I. C. E. Klimacamp von Arved Fuchs zu bewerben.

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1. Dezember 2019

Jeder Mensch ist ein Künstler

von Marilena 11. November 2019

„Jeder Mensch ist ein Künstler“ – so lautet zumindest die radikale Forderung Joseph Beuys. Mal angenommen, wir würden uns alle als im weitesten Sinne als Künstler*innen begreifen, so würde das eine weitreichende Perspektive eröffnen. Für ein ganz grundlegendes, radikales Verständnis von Kreativität. Die uns fragen lässt, wie wir eigentlich in Zukunft leben wollen – individuell, gesellschaftlich und global?

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SHOWNOTES:
► Mehr zum erweiterten Kunstbegriff auf Wikipedia
► Das Buch „Die Große Transformation“ von Prof. Dr. Uwe Schneidewind kannst du hier erwerben.

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TRANSKRIPT:

Ich war Ende letzter Woche auf einer Veranstaltung im österreichischen Vorarlberg, die sich POTENTIALe nennt. Ein Festival der Kunst und Kultur, ganz im Sinne der Nachhaltigkeit. Da ich den Auftakt moderieren durfte, habe ich mich natürlich ein wenig vorbereitet. Und im Zuge dessen ist es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen gefallen. Welche Bedeutung eigentlich der Kunst in der Gestaltung von Gesellschaft und Zukunft im allgemeinen, zukommt. Aber bislang, finde ich, nicht ansatzweise die Würdigung und das Zugeständnis dieser Fähigkeit erfährt. Dabei existiert Kunst und Gestaltung in den unterschiedlichsten Formen bereits seit es Menschen gibt. Wir haben schon immer gestaltet. Bewusst wie unbewusst.

Ich meine, hat dir nicht auch schon einmal jemand gesagt, dass du eine Künstlerin oder ein Künstler bist? Oder, dass du es zumindest sein könntest?

„Jeder Mensch ist ein Künstler“ – so lautet zumindest die radikale Forderung Joseph Beuys. Einem Künstler, der parallel zu seiner bildnerischen Arbeit wichtige Impulse für gesellschaftliche Gestaltungsprozesse hinterließ. Vor allem durch sein Konzept eines „Erweiterten Kunstbegriffs“. 

Mal angenommen, wir würden uns alle als im weitesten Sinne als Künstler*innen begreifen, so würde das, glaube ich, eine weitreichende Perspektive eröffnen. Damit ist natürlich nicht gemeint, dass wir alle Künstler*innen im klassichen Sinne werden und Bilder malen oder Skulpturen schaffen sollten. Bei dem Wort Künstler denkt man eben schnell an Van Gogh und Picasso. Was damit gemeint ist, bzw. was Beuys damit sagen wollte, ist dass solch eine Definition von Kunst den Blick öffnen würde, für ein ganz grundlegendes, radikales Verständnis von Kreativität. Die tief in die Gesellschaft und in uns selbst vordringt, und uns fragen lässt, wie wir eigentlich in Zukunft leben wollen – individuell, gesellschaftlich und global? Eben weil wir mitgestalten. Weil wir uns als Gestalter*innen betrachten.

Dabei geht es natürlich auch um das Ermutigen jedes einzelnen Menschen, die in uns steckende Kreativität umfassend in unserem eigenen Arbeits- und Lebensbereich anzuwenden. Ganz gleich, ob wir Lehrer*in, Ingenieur*in oder Bildhauer*in sind. Kreativität wird viel mehr verstanden als die ureigenste Besonderheit eines jeden Menschen. Damit ist jede und jeder von uns in gesellschaftliche Gestaltungsprozesse weit über die Kunst im engeren Sinne hinaus einbezogen. Und es bedeutet, dass wir alle gestalten. Bewusst, wie unbewusst. Ob wir nun wollen oder nicht. Mit allem, was wir in der Gegenwart tun, haben wir einen Einfluss auf die Zukunft. Im kleinen, wie im Großen. Und klar ist auch, dass wir inzwischen kaum mehr Einzelaktionen vollziehen können, die nicht Auswirkungen auf das große Ganze hätte.

Besonders deutlich wird das, wenn man sich bewusst macht, welche Auswirkungen unser Konsumverhalten alleine in Deutschland auf große Teile des globalen Südens hat. Oft haben wir zwar im Hinterkopf, dass, wenn wir ein T-Shirt bei H&M und Co. kaufen, dass dies von Näherinnen in Bangladesh oder anderen Teilen Asiens in Textilfabriken unter z.T. prekären und lebensgefährlichen Bedingungen für einen Hungerlohn angefertigt wurde. Und auch, wenn wir es wissen und bewusst den Kauf bei solchen Unternehmen boykottieren, fühlen wir uns selten mit dafür verantwortlich. Das sollen die da oben regeln. 

Wir leben in einer Externalisierungsgesellschaft. Kaum einer will Verantwortung für die entstanden Kosten übernehmen, die durch unseren Verschwendungs- und Konsumwahn entstehen und unsere Umwelt und vor allem benachteiligte Menschen schädigen. Stattdessen wird unser Müll lieber weiterhin an Länder wie Indien verschickt, die ihn uns gegen eine Gebühr abnehmen und irgendwo auf gigantische Müllberge bei sich kippen. So sieht man ihn wenigstens nicht. So haben es sich zumindest, glaube ich, ein Großteil der Politik und Wirtschaft, lange Zeit gewünscht und erhofft. Hat ja auch eine Weile mehr oder weniger funktioniert.

Tja, nur heute, angesichts der globalen Herausforderungen, mit denen wir uns konfrontiert sehen, wissen wir mittlerweile dass wir nicht einfach so weitermachen können. Dass wir nicht weiter unseren Ballast einfach irgendwem anders in die Arme drücken können. Denn der Erde ist es ziemlich schnurzpiepegal, wo unser Müll lagert oder wo Co2 entsteht. Fakt ist, es muss weg, bzw. im ersten Schritt drastisch reduziert werden. Das zukunftsuntaugliche business as usual muss aber auf jeden Fall der Vergangenheit angehören. 

Und, um diese Herausforderungen lösen zu können, braucht es kreative Lösungen und eine neue Denkweise. Und daher auch möglichst 7 Milliarden Künstler*innen in allen Lebensbereichen. Die den Status-Quo hinterfragen, und über ihr Eigeninteresse hinaus in der Lage sind, die Verantwortung für das Ganze nicht aus den Augen zu verlieren. Auch, wenn sie augenscheinlich nicht bzw. noch nicht direkt davon betroffen sind. Denn wie heißt es so schön: Bist du nicht Teil der Lösung, bist du Teil des Problems.

Gegenwärtig befinden wir uns allerdings eher noch im Stadium einer allgemeinen Leitkultur der Verantwortungslosigkeit. Wobei man schon sagen kann, habe ich zumindest das Gefühl, dass sich da gerade etwas bewegt und immer mehr Menschen realisieren, dass ihre Stimme, über das Kreuzchen bei der Wahl hinaus, gefragt ist. 

Der Philosoph Kwame Appiah hat ein sehr interessantes Konzept für eben solche kulturellen Prozesse entwickelt, dass Uwe Schneidewind in unserem Gespräch auch schon angesprochen hat. Weil es so anschaulich ist und im Kontext sehr passend ist, werde ich es allerdings noch einmal kurz vorstellen. Und zwar spricht Appiah von den sogenannten 5 Phasen Kultureller Revolutionen:


Phase I: Ignoranz, das Problem wird nicht gesehen.
Phase II: Anerkennung des Problems, aber wir sehen keinen persönlichen Bezug.
Phase III: Persönlicher Bezug, aber Nennung, warum kein Handeln möglich ist.
Phase IV: Handeln
Phase V: Im Rückblick Unverständnis, dass die alte Praxis je bestehen konnte.

Ich würde sagen, wir befinden uns zu einem großen Teil in Phase drei. Wir merken zwar, es muss sich etwas ändern und auch wir sind gefragt, wenn es um das Finden von Lösungen geht, aber so richtig kommt der Wagen noch nicht ins Rollen. Es ist ja auch einfach so schön bequem in dem vom Kapitalismus zurechtgemachten Federbett, dass kaum einen hedonistischen Wunsch offen lässt. Nichts desto trotz ist die Frage jetzt natürlich, die sich einige stellen: Wie kommen wir in Phase 4. Wie kommen wir ins Handeln? Was hilft uns, selbst aktiv zu werden, über die Konsument*innen Rolle hinaus, Zukunft zu gestalten? 

Ich glaube, wie eben kurz schon angerissen, dass unser bestehendes Wirtschaftssystem uns viel zu lange eingeschärft hat, Profitmaximierung und Hedonismus seien unsere einzige Motivation, uns in Bewegung zu setzen und etwas zu schaffen. Aus Sicht der Wirtschaftswissenschaften kommen wir bereits als Homo economics auf die Welt und unser vorrangiges Ziel ist es, Kapital anzuhäufen und unser eigenes Glück zu maximieren. Alles andere wird der Markt schon regeln. Haben wir ja gesehen, wie gut das bisher klappt. Nichts gegen etwas Wohlstand und gute Lebensbedingungen, aber, wenn wir mal ehrlich sind, wollen wir nicht viel darüber hinaus, vor allem aus eigenem Antrieb etwas Gelungenes schaffen, das einen Beitrag leistet und geschätzt wird? Bei dem wir das Gefühl haben, dass es für uns uns auch andere von Bedeutung ist und sich nicht nur am Ende des Monats in Zahlen auf dem Gehaltscheck ausdrückt? Und ich spreche hier nicht alleine von Selbstverwirklichung im individuellen Sinne. Sondern eben darüber hinaus.

Verwundern tut es mich aber wenig, dass sich eben genau solch ein von der Ökonomie geprägtes Denken etabliert hat. Wir kommen zwar als Kinder alle mit einem schier unermesslichen kreativen Potential auf die Welt, verlieren es auf dem Weg zum Erwachsenen aber leider in vielen Fällen. Oder eher gesagt treiben wir es den Kindern selbst in den Schulen aus. Die zu einem großen Teil darauf ausgerichtet sind, junge Menschen auf die Arbeitswelt vorzubereiten und zu kleinen Effizienzrobotern auszubilden, damit sie sich in unseren gesellschaftlichen Fehlkonstruktionen zurechtfinden, in denen wir selbst nicht glücklich werden. Ein ziemlich hoher Preis, finde ich, der absolut nicht gerechtfertigt ist und definitiv keinen Sinn macht.

Gerade deshalb braucht es, glaube ich, mehr Begegnungsräume und Menschen, die zeigen, dass das nicht so sein muss. Dass es auch anders geht. Dass ein gelungenes Leben nicht notwendigerweise effizient und opulent sein muss. Aber auch, dass dieser im ersten Moment angenommene Verzicht, nicht bedeutet, dass wir für die Lösung von Zukunftsproblemen mit den Mitteln der Vergangenheit vorankommen. Früher war bei weitem nicht alles besser. Mal abgesehen davon, dass sich eine Rückwende bisher selten als guter Schachzug erwiesen hat. Stattdessen brauchen wir, in meinen Augen, für die Gestaltung einer ungewissen Zukunft, ein enormes Maß an Kreativität. Und von wo sollte das kommen, wenn nicht von uns Menschen?

Ich glaube, dass wir uns, insbesondere in diesen manchmal etwas dystopisch anmutenden Zeiten, eine Scheibe von Künstler*innen abschneiden können. Denn ähnlich, wie diese sich immer wieder neu auf Prozesse einlassen, deren Ende sie nicht kennen, und sich trotzdem mutig dieser Situation hingeben, müssen auch wir wieder lernen, dieses Vertrauen zu finden indem wir uns unseres Gestaltungspotentials bewusst werden. 

Die Frage ist natürlich, wie kann uns das gelingen? Was braucht es dafür?

Uwe Schneidewind schreibt dazu etwas sehr passendes in seinem Buch „Die Große Transformation“:

„Erst im Zusammenspiel von Wissen, Haltung und Fähigkeit bildet sich die individuelle Zukunftskunst heraus, d.h. ein ganz persönlicher »Möglichkeitssinn« , ein reflektiertes Gefühl der Selbstwirksamkeit, um zu Veränderungsprozessen im Sinne einer großen Transformation beizutragen. Ausgangspunkt für Veränderung ist immer eine Haltung. Damit ist eine grundlegende Orientierung gemeint, mit der man sich der Welt nähert und Veränderungen anstößt. Einer solchen Haltung muss letztlich eine tragende Vision zugrunde liegen.“

Schneidewind zufolge benötigt die Kunst, eine andere Wirklichkeit zu denken und in Veränderungen zu übersetzen, also eine Kombination aus Wissen, aus Haltung und konkreten Fähigkeiten zur Umsetzung. Haltung bildet dabei die Basis, die vor allem von einer Vision getragen wird. Einer Vision, die eine Anziehungskraft auf einen auswirkt, der man quasi nicht entziehen kann. Wie der Duft eines frisch bezogenes Betts oder der einer noch lauwarmen Zimtschnecke. Mmmh. 

Bevor ich ins Träumen gerate, muss man da einfach ganz klar sagen, was Visionen angeht, sehe ich eher einen Mangel.  „Wer Visionen hat, braucht einen Arzt“, wie es Helmut Schmidt einmal gesagt hat, scheint eher der Konsens zu sein. Dem auch Merkel erst kürzlich in abgewandelter Form zugestimmt hat, indem sie sagte, Politik sei das was möglich ist. Solche Sätze machen mir, um ehrlich zu sein etwas Bauchschmerzen. Denn ich glaube schon, dass es durchaus Platz für utopische oder zum Teil unrealistisch anmutende Visionen braucht. Zumindest für alternative Visionen, abseits der neoliberalen Träume, im Sinne eines schneller, besser, weiter mehr. Sowohl auf individueller, als auch auf gesellschaftlicher Ebene. Da fehlt es noch ein wenig an kreativen Vordenker*innen, habe ich das Gefühl. Aber eine Vision zu entwickeln, die in einem selbst wirkmächtig wird, erfordert natürlich auch Selbstreflexion und -transformation. Und Mut, sich dem Status Quo zu widersetzen oder ihn zumindest zu hinterfragen. Natürlich ist das nicht immer leicht. Aber man muss ja auch nicht gleich alles von heute auf morgen auf den Kopf stellen wollen.

Ich kann da nur einigen meiner letzten Interviewgäste beipflichten, wie z.B. Michael Braungart und Harald Welzer. Dass es nicht darum geht, als einzelner, einsamer Zukunftskünstler*in die ganze Welt zu retten. Das muss und kann keiner von uns alleine. Sondern sich seines Handlungspotentials bewusst zu werden und sich aus diesem etwas herauszupicken, bei dem man das Gefühl hat: „Da habe ich Lust drauf! Da möchte ich etwas bewegen!“ Und das darf gerne zu Hause anfangen. Im Kleinen. Wie fast alles beginnt. Und nach einiger Zeit merkt man dann, wie gut es sich anfühlt, Verantwortung zu übernehmen. Welches Gefühl von Selbstwirksamkeit damit einhergeht. Und, dass man entgegen aller Erwartungen, doch etwas bewegen kann. Oft viel mehr, als wir uns wagen zu träumen. Ich meine, Greta Thunberg hat auch damit angefangen, sich Freitag in Stockholm ganz alleine vors Parlament zu setzen. Wenn man sich das mal bildlich vor Augen führt, so ein kleines Mädchen, alleine mit einem Plakat in den Händen, dann wirkt das nicht gerade weltbewegend. Aber sie hat scheinbar gespürt, dass es genau damit anfängt. Und, dass sie eine Wirkkraft hat, die sie nutzen muss. Die sich entfalten kann, wenn sich ihr weitere Menschen anschließen, die auch an ihr Gestaltungspotential glauben. Weil eben keiner zu klein ist, um einen Unterschied zu machen.

Und ich bin mir sicher, dass du das auch bereits tust. Angefangen bei deiner eigenen Familie, deinem Freundeskreis oder deiner Arbeit. Überall können wir einen Unterschied machen. Gerade deshalb halte ich es für so wichtig, dass wir uns immer wieder unserer Handlungsspielräume bewusst werden und diese nach Möglichkeit nutzen. Einfach, weil wir können. Ich finde, das ist Grund genug.

11. November 2019

Uwe Schneidewind: Wie wird man Zukunftskünstler*in? (Teil 2)

von Marilena 31. Oktober 2019

In der Nachhaltigkeitsdebatte werden wir als Bürger*innen häufig auf die Rolle der Konsument*innen reduziert. Wir sollen doch einfach verzichten und bewusstere Entscheidungen treffen, dann wird das schon. Natürlich ist dieser Hebel nicht außer Acht zu lassen, allerdings wird diese Reduzierung nicht unserem Potential gerecht. Wir können weitaus mehr tun, sagt Prof. Dr. Uwer Schneidewind. Wenn wir uns als Zukunftskünstler*innen begreifen, die in der Lage sind, ihre Handliungsspielräume zu nutzen und aktiv Zukunft mitzugestalten.

Professor Dr. Uwe Schneidewind ist Präsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie und Professor für Innovationsmanagement und Nachhaltigkeit an der Bergischen Universität Wuppertal. Er ist Mitglied des Club of Rome und des wissenschaftlichen Beirats für globale Umweltfragen. Aktuell sieht ihn die FAZ unter den 100 einflussreichsten Ökonomen, das Cicero-Ranking zählt ihn aktuell zu den 500 wichtigsten deutschsprachigen Intellektuellen.

Macht (einen) Sinneswandel möglich, indem ihr Fördermitglieder werdet. Finanziell unterstützen könnt ihr uns auch via PayPal oder per Überweisung an DE95110101002967798319. Danke.

SHOWNOTES:
► Zum Wuppertal Institut hier entlang.
► Weitere Informationen zur „Zukunftskunst“ findest hier.
► Das Buch „Die Große Transformation“ von Prof. Dr. Uwe Schneidewind kannst du hier erwerben.

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31. Oktober 2019

Uwe Schneidewind: Nachhaltige Entwicklung, eine kulturelle Revolution? (Teil 1)

von Marilena 28. Oktober 2019

In der Nachhaltigkeitsdebatte werden wir als Bürger*innen häufig auf die Rolle der Konsument*innen reduziert. Wir sollen doch einfach verzichten und bewusstere Entscheidungen treffen, dann wird das schon. Natürlich ist dieser Hebel nicht außer Acht zu lassen, allerdings wird diese Reduzierung nicht unserem Potential gerecht. Wir können weitaus mehr tun, sagt Prof. Dr. Uwer Schneidewind. Wenn wir uns als Zukunftskünstler*innen begreifen, die in der Lage sind, ihre Handliungsspielräume zu nutzen und aktiv Zukunft mitzugestalten.

Professor Dr. Uwe Schneidewind ist Präsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie und Professor für Innovationsmanagement und Nachhaltigkeit an der Bergischen Universität Wuppertal. Er ist Mitglied des Club of Rome und des wissenschaftlichen Beirats für globale Umweltfragen. Aktuell sieht ihn die FAZ unter den 100 einflussreichsten Ökonomen, das Cicero-Ranking zählt ihn aktuell zu den 500 wichtigsten deutschsprachigen Intellektuellen.

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28. Oktober 2019

Brauchen wir ein neues Naturverständnis?

von Marilena 7. Oktober 2019

Wenn wir von „der Natur“ sprechen, dass sie, insbesondere im Anbetracht der Klimakrise, schützenswert sei, schließen wir uns dann nicht selbst davon aus? Dabei sind wir doch eigentlich untrennbar mit ihr vereint. Als ein Teil von ihr haben wir uns in den vergangenen Jahrzehnten scheinbar immer mehr von ihr distanziert und schlussendlich sogar entfremdet. Sehen wir die Natur heute doch zunehmend als reine Ressource, die es nutzbar zu machen gilt. Und eben dieses Naturverständnis, in dem wir die Erde ausbeuten, scheint uns nun zum Verhängnis zu werden. In diesem Zusammenhang, geprägt von meinem Aufenthalt in den Bergen Südtirols, wo ich die letzten Tage in der Natur verbracht habe, sind mir einige Gedanken durch den Kopf gegangen, inwiefern ein neues Verständnis und damit auch ein neues Verhältnis zur Natur uns bei der Bewältigung der globalen ökologischen Herausforderungen helfen könnte. Im Gleichzug hätte dieser Paradigmenwechsel wohl auch einen Mehrwert für die Lebensqualität eines jeden Einzelnen und würde das „Miteinander“ auf unserem Heimatplaneten neu definieren.

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SHOWNOTES:
► Das Interview mit Andreas Weber auf Deutschlandfunk Kultur kannst du dir hier anhören.
► Das Interview mit Bruno Latour im Philosophie Magazin, aus welchem ich zitiert habe, kannst du hier nachlesen.

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TRANSKRIPT:


„Seit ein paar Tagen bin ich zurück in Hamburg. Befinde mich also wieder mitten im Großstadtgewimmel und versuche mich an den Lärm, Verkehr und die Menschenmengen wieder zu akklimatisieren. Das geht erschreckend schnell, zumal ich es ja seit klein auf gewohnt bin, hier zu leben. Auf der anderen Seite, spüre ich eine Art Widerstand in mir. Die letzten Wochen Reisen und insbesondere die Zeit in den Bergen in Südtirol haben Spuren bei mir hinterlassen, die sich nicht so einfach wegradieren lassen. Sie haben ein Gefühl in mir wieder aufkeimen lassen, das ich so schon länger nicht mehr gespürt habe. Ein unbeschreibliches Gefühl des Einssein mit der Natur. Den Verlust jeglichen Zeitempfindens, wenn ich durch die Berge gewandert bin. Vorbei an kristallklaren Bergseen, schroffen Felswänden und saftig grünen Wiesen. Manchmal war ich den ganzen Tag unterwegs, oft ganz alleine, ohne, dass mir je langweilig beim Wandern geworden wäre. Ich habe das bewusste, mich in der Natur Fortbewegen, als meditativ empfunden. Unbeschreiblich wohltuend. Aber vermutlich kennst du das Gefühl auch und hast es selbst schon einmal so oder ähnlich erlebt. Wenn nicht, ab in die Natur mit dir!

Bevor ich weiter ins Schwärmen komme und kein Ende finde, vielleicht ein paar Worte vorweg, weshalb ich diese Podcast Folge aufnehme und was dich erwarten wird:

Während ich durch die Berge gewandert bin, sind mir natürlich auch so einige Gedanken durch den Kopf gegangen. Vor allem die Frage, wie es dazu kam, dass wir als Menschen begonnen haben, uns als etwas von der Natur Getrenntes, etwas Abgespaltenes, zu begreifen. Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass sich ein großer Teil der Menschheit von der Natur entfremdet hat. Es fehlt der Bezug, der direkte Kontakt, der oft schon in der Kindheit nicht mehr vorhanden ist, wenn man in Großstädten aufwächst. Ich vermute also, dass sich unser Naturverständnis und dadurch auch unser Verhältnis zur Natur immens verändert hat. Nicht nur in den letzten Jahren, sondern seit Beginn der Menschheit und stark von unseren gesellschaftlichen und kulturellen Rahmenbedingungen geprägt wird. Man kann sagen, dass unser aktueller Naturbezug als konsequente Linie früherer und bis heute wirksamer Naturauffassungen entstanden ist. Dabei meine ich mit dem Naturverhältnis unseren direkten Umgang mit der Natur. Das Naturverständnis sehe ich hingegen auf rein geistiger Ebene angesiedelt und es ergibt sich aus dem Wechselspiel zwischen Umwelt und Wahrnehmung unter dem Einfluß unserer persönlichen Vorerfahrungen, Werte usw. Unser Naturverständnis prägt also unser Naturverhältnis. Und ich glaube, dass wir uns zu einem großen Teil, über diesen Einfluss gar nicht bewusst sind. Dass unser Verhältnis zur Natur niemals unabhängig vom allgemeinen Weltbild ist. Sondern es ist immer auch ein Verhältnis zu uns selbst, zu unserem Körper und geistigen Wirklichkeit sowie unserer sozialen Umwelt.

Und ich bin davon überzeugt, dass, wenn wir ein neues Naturverständnis entwickeln würden, in dem wir uns als Teil der Natur begreifen, eine völlig neue Realität und Umgang, sowohl mit uns selbst, unseren Mitmenschen, anderen Lebewesen und der Umwelt entstehen würde. Weshalb ich der Überzeugung bin, möchte ich dir gerne in der heutigen Folge erläutern. Ich glaube nämlich, dass insbesondere im Anbetracht der globalen Klimakrise, wir gar keine andere Chance haben, als unser Naturverständnis und -verhältnis radikal zu überdenken, um eine Lebensweise entwickeln zu können, die nicht unsere Existenzgrundlage und damit auch uns selbst ausrottet.

Denn was wir heute, im modernen Finanzkapitalismus des 21. Jahrhunderts beobachten können, ist eine maßlose Ausbeutung der Natur. Wir führen ein Herrschaftsverhältnis über die Natur und sehen sie zunehmend als reine Ressource, die es nutzbar zu machen gilt. Man spricht nicht umsonst seit einigen Jahren vom Beginn eines neuen Zeitalters – dem Anthroprozän. Den Begriff hat der Wissenschaftler uns Nobelpreisträger Paul Crutzen geprägt, indem er auf der Konferenz des Weltklimarats im Jahr 2000 sagte: »Es erscheint mir angemessen, die gegenwärtige, vom Menschen geprägte Epoche als Anthropozän zu bezeichnen.« Was er damit sagen möchte ist, dass wir als Menschen zur größten Naturgewalt geworden sind und enormen Einfluss auf die Entwicklung unserer Erde ausüben. Mittlerweile ist sich die führende Wissenschaft ja auch einig, dass der Klimawandel zum Großteil menschen-verursacht ist. Und es insofern auch an uns und unserem Verständnis und Verhältnis zur Natur liegt, das sinkende Schiff noch zu retten.

Man könnte sagen, dass sich in unserem heutigen Naturverhältnis, dabei meine ich vor allem das der Industrieländer, ein Dualismus zwischen Naturnutzung bzw. -zerstörung und Naturschutz, zeigt. Entweder sind wir jene, die die Natur zum Objekt machen und schonungslos ausbeuten oder wir sehen uns als ihr Retter und Beschützer vor der Bestie Mensch, die sie auszurotten droht. In beiden Sichtweisen betrachten wir uns aber als etwas Außenstehendes. Nicht als Teil der Natur. Und ich glaube, das ist fatal. Um das zu verstehen, ist es vielleicht interessant, kurz zu erläutern, wie sich unser Naturverständnis in der Geschichte entwickelt hat. Denn das war ja nicht immer so. 

In der griechischen Antike zum Beispiel, machte man, wenn man von einem Leben in der Natur sprach, keinen Unterschied zwischen Leben und Natur. Die Natur nahm den gesamten Erfahrungsbereich des Menschen ein. Was sich auch in ihrem Wortgebrauch widerspiegelt. Denn der Begriff Natur bzw. das lateinische Wort natura kommt von nasci und hat wie das entsprechende griechische Wort physis den Sinn von geboren werden oder entstehen und meint die gesamte Natur. Also auch den Menschen. Alles Werden, Wachsen und dessen Wesenskern. Einige Philosophen, wie Platon und Aristoteles haben sich auch intensiv mit der Natur auseinandergesetzt. Aber das aufzugreifen, würde den Rahmen hier sprengen. Vielleicht ein anderes Mal. 

Nichtsdestotrotz hat sich schon in der Antike mit dem Aufkommen der Philosophie und den damit einhergehenden Distanzierungs- und Objektivierungsprozesse, der Mensch begonnen, in seiner Vorstellung, von der Natur zu lösen und sich ein geistiges Bild von ihr zu machen. In der mittelalterlichen Theologie ist dann der Gott in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt, der nicht mehr in der Natur gewirkt hat, sondern ihr und uns Menschen und der Welt gegenüberstand. Der Bibelspruch: „Macht euch die Erde untertan“, zeigt sehr gut, dass die Natur zu eine Art Symbol für den Willen Gottes wurde und somit auch neue Handlungsmöglichkeiten für uns Menschen im Umgang mit der Natur entstanden. 

Im Zeitalter der Renaissance und Aufklärung ist dann der Mensch, seine Individualität sowie seine auf sich bezogene perspektivische Wahrnehmung in das Zentrum des Bewusstseins gerückt. Und die Naturbetrachtung wurde vor allem durch Wissenschaftler, wie Kopernikus, Galileo, Kepler und Bacon geprägt, die begannen, die Gesetzmäßigkeiten der Natur systematisch und über Experimente zu erforschen und mathematisch zu erklären. René Descartes hat dann noch einen oben drauf gesetzt, indem er die begriffliche Spaltung von Subjekt und Objekt eingeführt hat. Er ging nämlich davon aus, dass nur wir Menschen einen Geist besitzen und demnach über allen anderen Lebewesen stehen. Man könnte sagen, dass hier das bewusste Herrschaftsverhältnis des Menschen gegenüber der Natur begonnen hat und sie damit auch ihren bedrohlichen Charakter verloren hat und zur Ressource wurde. Aber in der Renaissance begann nicht nur die rationale Erforschung und Nutzung der Natur, sondern man nahm sie auch in einer neuen Weise wahr: Sie wurde zur ästhetischen Landschaft. Denn erst urbanes Leben hat ja die notwendige Distanz ermöglicht, dass wir in die Natur hinausgehen können, um sie bewusst wahrzunehmen und zu genießen. 

Deshalb gab es während der fortschreitenden Industrialisierung, in der die Natur immer mehr ausgebeutet wurde, auch eine Gegenbewegung, nämlich die Epoche der Romantik um 1800. Rousseau war einer ihrer Vorreiter, mit seinem Slogan „Zurück zur Natur“, den du bestimmt schon mal gehört hast. Den nutzte er ursprünglich als Gesellschaftskritik gegen den unfreien und damit unnatürlichen Zustand des Menschen, allerdings wurde er mit zunehmender Verstädterung im 19. Jahrhunderts von den Romantikern auch auf die „natürliche“ Landschaft bezogen, die als eine Art Zufluchtsort gesehen wurde. Also ein bisschen so wie heute, wenn wir uns als Großstadtmenschen ein überromantisiertes Bild vom Landleben machen. 

So, last but not least, denn dann sind wir auch beinahe schon in der Gegenwart angekommen. Im 20. Jahrhundert hat uns Einstein mit der Relativitätstheorie beschenkt und die Quantentheorie wurde mehr erforscht. Die Welt wurde also noch stärker rationalisiert. Dank Wissenschaft und Technik können wir die Natur immer stärker kontrollieren oder haben zumindest das Gefühl es zu tun. Denn durch den Klimawandel und das zunehmende Bewusstsein für die schädlichen Nebeneffekte unseres Handelns, könnte man sagen, hat unserer unbeirrter Fortschrittsglaube einen Knacks bekommen. Und die alleinige Naturbeherrschung scheint nicht mehr fortschrittlich zu sein. Und so ist als unsere jüngste gesellschaftliche Entwicklung eine erneute Wertsteigerung der Natur entstanden, die die Natur als rein und schützenswert betrachtet und sich für eine allgemein anerkannte Notwendigkeit von Natur- und Umweltschutz einsetzt.

Tja, und da stehen wir heute also. Mit verhärteten Fronten. Auf der einen Seite jene, die Die Nutzung der Natur als Grundlage für unsere Wirtschaft und den gesellschaftlichen Fortschritt sehen. Und auf der anderen Seite die Fraktion-Greta, die die Natur vor den bösen, unersättlichen Kapitalisten retten wollen. Und ich glaube, beides wird uns in den Abgrund führen. Bzw. beide Sichtweisen alleine für sich stellen keine Lösung dar. 

Der Philosoph und Biologe Andreas Weber, der erst vor kurzem auf Deutschlandfunk Kultur ein Interview gegeben hat, bringt es, meiner Meinung nach gut auf den Punkt. Er sagt darin unter anderem: „Wir brauchen dringend eine neue Kosmologie, eine neue umfassende Weltsicht“ und, dass die Trennung von Mensch, Kultur und Natur nicht mehr funktioniere. Dass sie sogar nie funktioniert hat. Weber ist der Auffassung, dass wir, um im Einklang mit der Natur leben zu können, uns wieder als Teil von ihr begreifen sollten. Ähnlich, wie die indigenen Völker, die wir als Industrienationen ja leider als primitiv ansehen, da sie es in unseren Augen nicht schaffen, sich die Erde zum Untertan zu machen. Was Andreas Weber aber meint, ist eine Art moderne Indigenialität, „die sich als aktiven Teil eines sinnvollen Ganzen versteht und so handelt, dass die eigene Lebensqualität die des Ganzen steigert.“ Was er damit meint, ist natürlich auch eine neue und nachhaltige Form des Wirtschaftens, die aus eben diesem Naturverständnis resultiert, sowie eine Politik, die dafür die notwendigen Rahmenbedingungen schafft. Besonders bewegt hat mich, dass Andreas Weber dafür plädiert, „dass unser Bildungssystem die Welt des Herzens und der Seele mit inkludiert“ und unsere Kinder nicht alleine zu effizienz-getriebenen Ameisen herausbildet.

Denn auch meine Erfahrung ist, dass es kaum etwas wohltuenderes gibt, als sich in der Natur als Teil eines größeren Zusammenhangs zu erfahren. Diese Verbindung zu spüren. Einerseits zu sich selbst, aber auch zum Ganzen. Wir fühlen uns dann lebendig. Und ich glaube, dass ist es auch, was so viele Menschen in ihrer Freizeit aus den Städten in die Natur treibt. Die Sehnsucht nach authentischen Erfahrungen und dem Gefühl, sich selbst zu spüren. Etwas, das wir uns in einer Welt der Kontrolle und des rationalen Verstandes, kaum noch zugestehen. Wir versuchen alles zu verstehen und in einzelne Bauteile zu zerlegen. Aber schon Alexander von Humboldt schrieb einst, man müsse die Erscheinung der Dinge in ihrem Zusammenhang sehen, um alles Geschaffene im Himmel und auf der Erde zu verstehen.

Der Soziologe, Anthropologe und Wissenschaftsphilosoph Bruno Latour plädiert sogar für eine sprachliche Symbiose von Mensch und Natur, um das neue Naturverständnis zu manifestieren. Er nennt das dann „Nat/Cul“, also die Abkürzung für Nature und Culture. Latour meint damit, dass wir ein anderes Konzept der Natur brauchen. Denn, wenn wir sagen, dass ein Phänomen natürlich ist oder man „in der Natur“ ist, schließen wir uns selbst aus, wir zählen uns dann selbst nicht zur Natur. Er sagt auch, wir sollten aufhören, eine idealisierte Natur bewahren zu wollen, die nie existiert hat. Denn sie ist, in Latours Welt, ein veränderliches Organismus an sich. Und nicht nur ein Objekt politischen Handelns. Er geht sogar so weit, dass er in den Parlamenten, neben den Repräsentanten der Länder, auch einen Rat für die nicht-menschlichen Organismen, wie z. B. die Meere, einfordert. Das wäre nur konsequent, wenn wir uns als Teil der Natur begreifen.

Davon sind nur derweilen leider noch ein Stück weit entfernt, auch, wenn ich glaube, dass wir gerade in den letzten Jahren, insbesondere durch die aktive Klimapolitik, schon etwas vorangekommen sind. Ich bin zumindest eher optimistisch, als pessimistisch und sehe in dem Wandel eines gesellschaftlichen Naturverständnis, der zunächst bei jedem einzelnen von uns beginnt, eine große Chance, für das Bestehen unseres kleinen, blaue Planeten, sowie uns Menschen.

Was wir dafür tun können? Na ganz einfach, mehr Zeit in der Natur verbringen. Als natürlichen Bestandteil unseres Alltags. Nicht als Gegensatz. Am besten von kleinauf. Statt drinnen vor dem Computer oder Fernseher zu hocken, könnten wir in die Wiesen, Wälder und Berge gehen. Sie bewusst wahrnehmen. Die Verbindung zu ihr spüren. Und ja, ich weiß, jetzt kommen die ganzen Abers. „Aber das geht doch nicht Marilena! Ich muss doch arbeiten und mein Kind ist im Kindergarten und und und.“ Stimmt. Wobei das natürlich auch Entscheidungen sind, die wir mal mehr, mal weniger freiwillig getroffen haben. Aber man kann ja klein anfangen. Täglich ein Spaziergang. Ein Aktivurlaub in den Bergen statt einem Städtetrip. Ein paar Pflanze oder gar Gemüse anbauen. Und sei es auf dem Balkon. Oder, sich für politische Maßnahmen einsetzen. In der Bildung, bei sozialen Projekten oder eigene Ideen und Konzepte, für ein neues Naturverständnis entwickeln und präsentieren.

Ich, für meinen Teil, habe mir zumindest fest vorgenommen, jede freie Minute, in der ich die Lust verspüre, nach draußen zu gehen. ich kann mir auch gut vorstellen, eines Tages nicht mehr in der Stadt zu wohnen. Auch, wenn die Lebensverhältnisse, vielleicht etwas einfacher auf dem Land sind, ist in meinen Augen die Lebensqualität deutlich höher. Natürlich herrscht auch dort nicht Friede-Freude-Eierkuchen, aber ich habe das Gefühl, dass die Menschen dort einen anderen, bewussteren Umgang mit der Natur und anderen Lebewesen pflegen. Das mag meinem kurzen Eindruck geschuldet sein, aber ich bilde mir ein, dass auch ich, als Kind, wenn ich mit meinen Eltern früher wandern war, sehr glücklich war und es mich durchaus bis heute geprägt hat. Weshalb würde ich sonst heute freiwillig alleine in den Wanderurlaub fahren, statt nach New York zu fliegen?!“

7. Oktober 2019

Im Gespräch mit Harald Welzer über Zukunftsverdrossenheit und Utopien

von Marilena 1. Oktober 2019

Was meinen wir eigentlich, wenn wir von „DER Zukunft“ sprechen? Gibt es die überhaupt? Zeichnet sich Zukunft nicht gerade dadurch aus, dass sie noch nicht existiert? Und wie kommt es, dass wir uns heute scheinbar kaum noch eine bessere Zukunft vorstellen können? Zukunftsverdrossenheit, nennt das der Soziologe und Publizist Harald Welzer. Er hat mehrere Bücher geschrieben, darunter auch „Alles könnte anders sein: Eine Gesellschaftsutopie für freie Menschen“, welches ich erst kürzlich selbst gelesen habe. Nun freue ich mich umso mehr, dass ich ihn heute im Podcast zu Gast habe.

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1. Oktober 2019

Über das Gefühl und den Umgang mit Weltschmerz

von Marilena 5. August 2019

Wenn man den Medien Glauben schenkt, geht unsere Welt gerade den Bach hinunter. Und wir dürfen dabei zusehen, wie Politiker sich quasi taub stellen, ganz gleich ob erfahrene und anerkannte Wissenschaftler an ihre Türen klopfen oder eine Greta Thunberg. Da kann man innerlich schon mal verzweifeln. Und dann steht da plötzlich eine Frage im Raum: Bringt das alles überhaupt etwas? Kann ich wirklich etwas bewegen? 

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Bevor ich in die Podcast Folge einsteige, möchte ich mich bei meinem Podcast Sponsoren, Book Beat bedanken. Book Beat ist eine Plattform und App für Hörbücher. Wenn du mir auf Instagram, folgst dann weißt du vermutlich, dass ich sehr gerne und viel lese. Und das ist, glaube ich, immer noch eine Untertreibung. Im Moment höre ich zum Beispiel „Erkenne die Welt“ von dem Philosophen Richard D. Precht. Kann ich nur empfehlen, wenn du etwas mehr über die Geschichte der Philosophie erfahren möchtest. Für mich ist es quasi eine kleine Vorbereitung auf mein Philosophie Studium, das im Oktober startet. Mit dem Code MARILENA, also meinem Namen, hast du übrigens die Möglichkeit, Book Beat 30 Tage lang kostenlos testen. Danach kostet die App 14,90 im Monat und ist jederzeit kündbar. Ich habe dir alles in den Shownotes verlinkt, sodass du nach dem Podcast alles entspannt nachlesen kannst.

So, und nun zum Thema der heutigen Folge:

Wenn man den Medien Glauben schenkt, geht unsere Welt gerade den Bach hinunter. Durch unsere schonungslose Ausbeutung und Verschwendung der natürlichen Ressourcen, über Jahre hinweg, haben wir nun den Salat. Die Temperaturen steigen erbarmungslos, infolge schmelzen die Polkappen, ganze Tier- und Pflanzenarten drohen auszusterben. Und vielleicht sogar die ganze Menschheit. „Die Menschheit schafft sich ab“, wie Harald Lesch es in einem seiner Bücher tituliert.

Und, als wäre das alleine nicht schon genug, erleben wir ganz nebenbei auch noch einen enormen Zuwachs an rückwärts gewandten populistischen Bewegungen. Dass immer mehr Männer, wie Trump, Putin, Erdogan und Co. an die Macht kommen, lässt die meisten von uns nicht vor Freude jubeln, sondern stimmt uns nachdenklich.

Auch die voranschreitende Digitalisierung, die angeblich wie eine Welle über uns hereinbrechen wird, gibt nicht gerade Anlass für Freudensprünge. Eine neue Ära der Massenarbeitslosigkeit und die Übernahme durch KI, welche in eine Technokratie mündet, sind nur einige der Prophezeiungen, von denen man liest.

Und als Sahnehäubchen, wenn wir uns all dies zu Gemüte geführt haben, müssen wir feststellen, dass dennoch fast nichts getan wird. Die Politiker stellen sich quasi taub. Ganz gleich ob erfahrene und anerkannte Wissenschaftler an ihre Türen klopfen oder eine Greta Thunberg mit der „Fridays for Future“ Bewegung auf die Straßen geht und zu zivilem Ungehorsam aufruft. Die Lobby der großen Konzerne scheint einfach mehr Gehör zu finden. Schließlich muss alles was wir tun, zum Wachstum beitragen. Einen Profit rausschlagen. Da passen die Forderungen der Klimaschützer natürlich nicht ins Konzept.

Also denken wir uns „Fuck it! Wenn die da oben schon nichts ausrichten, dann mache ich das jetzt!“ Wir beginnen vegan zu essen, Second-Hand zu kaufen, fahren an die Ostsee statt nach Malle zu fliegen. Wir bemalen Plakate und gehen auf die Straße, um unseren Unmut kundzutun. Nur, damit uns dann in den Nachrichten davon erzählt wird, dass die Menschen um uns herum völlig unbeirrt weiter in den Urlaub fliegen, mit dem Kreuzfahrtschiff herum schippern, und Fleisch konsumieren bis zum Umfallen.

Da kann man innerlich schon mal verzweifeln. Hat man doch sein letztes Hemd gegeben und sich wirklich Mühe gegeben, seinen Beitrag für eine bessere Welt zu leisten. Es könnte doch alles so viel besser sein, wenn die anderen das auch begreifen und ihr Verhalten ändern würden. Warum tun sie das nicht? Warum verschließen sie sich?

Und dann steht da plötzlich eine noch größere Frage im Raum: Bringt das alles überhaupt etwas? Kann ich wirklich etwas bewegen? Ich bin doch nur ein kleiner Pups im Universum. Vielleicht hat das ja alles gar keinen Sinn? Vielleicht sollte ich einfach das Leben, was ich habe genießen, mich darum nicht kümmern und es Sache der Politik sein lassen, diese Herausforderungen zu lösen? Vielleicht ist es ja eh zu spät? Vielleicht ist das ja auch alles eine Lüge und nur halb so schlimm? Was soll ich eigentlich glauben? Was darf ich noch hoffen?

Glaub mir, all diese Gedanken hatte ich auch schon. Die mir manchmal schlaflose Nächte bereitet haben. Über die ich mir alleine oder auch mit Freunden gemeinsam den Kopf zermartert habe. Vielleicht die wichtigste Message dieser Folge: Du bist nicht alleine!

Ich würde diese Folge nicht aufnehmen, wenn mir das Thema nicht selbst wichtig wäre. Gerade durch meine Arbeit und das Teilen meiner Gedanken in der Öffentlichkeit, ist mir bewusst geworden, wie viele Menschen, angesichts all der globalen Herausforderungen, das Gefühl haben, ohnmächtig zu sein. Man bezeichnet das auch als Weltschmerz.

Aber was ist Weltschmerz eigentlich genau? Weltschmerz ist ein vom deutschen Schriftsteller, Jean Paul Friedrich Richter, geprägter Begriff für ein Gefühl der Trauer und schmerzhaft empfundener Melancholie, das jemand über seine eigene Unzulänglichkeit empfindet, die er zugleich als Teil der Unzulänglichkeit der Welt, der bestehenden Verhältnisse betrachtet.

Das bedeutet also, wir empfinden Weltschmerz, wenn die weltlichen Entwicklungen unseren persönlichen Vorstellungen und Werten widersprechen. Also, wenn wir z.B. selbst Vegetarier sind, aber zusehen müssen, wie immer mehr Tiere verspeist werden. Dann schmerzt uns das, weil es entgegen unserem Weltbild steht.

Das Gefühl der Ohnmacht und eigenen Unzulänglichkeit, entsteht aber vor allem dann, wenn wir an dem gegenwärtigen Zustand nichts ändern können. Oder es zumindest so empfinden. Durch das Nicht-Übereinstimmen von Werten und Handeln (ich will ja eigentlich, aber kann nicht), entsteht ein quälender Konflikt, also eine Dissonanz.

Wir stecken im wahrsten Sinne des Wortes in einer Zwickmühle. Und wie wir damit umgehen, hängt sehr stark von unserer Persönlichkeit, unserem Umfeld und unserer Lebenssituation ab. Manch einer wendet sich ganz von der medialen Bericherstattung ab. Nach dem Motto: „Was ich nicht sehe/höre, das existiert nicht.“ Zumindest nicht in meiner Welt. Realitätsflucht könnte man das auch nennen. Eine Reaktion auf den Weltschmerz kann auch die absolute Resigantion sein. Nach dem Motto: „Nach mir die Sintflut.“ Ich kann nichts ausrichten, dann genieße ich doch wenigstens das eine Leben, das ich habe. Und zu guter Letzt, sind da die zähen Kämpfer, die manchmal ihre ganze Existenz dem Wunsch nach einer besseren Welt unterstellen. Mal mehr, mal weniger dogmatisch.

Es gibt auch einige Stimmen, insbesondere aus den Wissenschaften, die der Meinung sind, Weltschmerz sei vor allem ein “First World Problem”. Nach dem Motto: “Wer um das nackte Überleben kämpfen muss, hat keine Zeit für Weltschmerz.” Dem würde ich nicht mal widersprechen. Sich vor Augen zu führen, dass man sich in einer sehr privilegierten Position befindet, ist vor allem sinnvoll, um nicht in Melancholie und Selbstmitleid zu versinken und stattdessen Mitgefühl zu praktizieren und ggf. aktiv zu werden. Allerdings, und das ist in meinen Augen ebenso wichtig: nur, weil man ein Luxusproblem hat, macht es das nicht weniger schmerzhaft. Es zu verdrängen, nach dem Motto: „anderen geht es viel schlechter, reiß dich mal zusammen“, hilft selten weiter. Ich denke, zu Akzeptieren, dass man dieses Gefühl nun mal fühlt, anstatt es Kleinzureden, ist eine gute Basis.

Für was? Naja, um mit dem Gefühl des Weltschmerz umzugehen. Gibt es dann einen richtige Weg? Ich bezweifle es. Daher teile ich dir einfach mal meine Gedanken dazu und wie ich selbst damit bisher umgehe. Vielleicht helfen sie dir ja ebenso weiter.

  1. Ich für mich persönlich, in meinem kleinen Universum, versuche stets mein Bestes zu geben. Indem ich nach meinen Werten handle und anhand dieser meine Entscheidungen abwäge. Ob ich etwas wirklich benötige oder nicht. Wie ich reise. Wie ich lebe. Ich hinterfrage stets mein Handeln und Sein, um nicht selbst in einer Art Diskrepanz zu leben. Nach dem Motto: „Wasser predigen und Wein trinken.“
  2. Allerdings mache ich mir auch immer wieder, und das ist Punkt 2, meine persönlichen Grenzen bewusst. Ich definiere meinen Bereich des Möglichen, auf den ich Einfluss nehmen kann. Und akzeptiere demnach auch, dass ich nicht perfekt, sondern menschlich bin. Wenn ich mich bewusst entscheide eine Avocado zu essen oder vor lauter Schusseligkeit oder Stress mal meinen Re-Cup für den Coffee to go vergessen habe, dann foltere ich mich dafür, im übertragenen Sinne natürlich, nicht den ganzen Tag. Mein Anspruch ist es, mich zu bessern, indem ich mein mir Möglichstes tue. Mit einem schlechten Gewissen, ist niemandem geholfen. Darum versuche ich lieber mir selbst mitfühlend zu begegnen und aus meinen manchmal „Fehlentscheidungen“ zu lernen und mich zu bessern.
  3. Das führt mich zu Punkt 3, nämlich dem Mitgefühl. Wir urteilen oft viel zu schnell über Menschen, ohne deren Hintergrund und Geschichte zu kennen. Je mehr Verständnis wir uns selbst gegenüber bringen können, desto leichter fällt es uns zu akzeptieren, dass andere Menschen ebenfalls ihre eigenen Grenzen haben. Dass jeder das Maß und den Umfang seines Einsatzes selbst bestimmen darf. Je dogmatischer und belehrender wir vorgehen, auf desto mehr Reaktanz werden wir vermutlich stoßen. Darum lieber nach Ghandis Motto: Sei die Veränderung, die du selbst in der Welt sehen willst.
  4. Also nicht nur labern, sondern auch machen! Good Point! Nämlich Nummer 4. Selbst aktiv werden. Den eigenen Unmut über die Unzulänglichkeiten in der Welt nutzen und transformieren. Es gibt mittlerweile zahlreiche Initiativen, Vereine, Unternehmen und auch Einzelkämpfer*innen, die sich für das Gute einsetzen. Im Kleinem, wie im Großen. Dabei spielt es keine Geige, ob du es nach Feierabend als Ehrenamt oder Vollzeit machst. Ich glaube, es gibt kaum etwas, das mehr Sinn verleiht, als sich für etwas einzusetzen, das einem am Herzen liegt.
  5. Und, Punkt 5, Teil von etwas zu sein, das größer ist, als man selbst. Das ist z.B. einer der Gründe, weshalb ich ein gemeinnütziges Kollektiv gründe. Weil ich den Diskurs mit Gleichgesinnten und das Gefühl der Verbundenheit vermisse. Aber natürlich auch, weil man zusammen, indem man sich solidarisiert, viel mehr erreichen kann, als alleine. Und, es macht zudem mehr Spaß.
  6. Eigentlich, fürs Gefühl, wären 5 Punkte runder, aber ich habe noch einen: Punkt 6. Trotz all der zum Teil beunruhigenden und entmutigenden Nachrichten, sollten wir nicht vergessen, auch die positiven Ereignisse wahrzunehmen und wertzuschätzen. Veränderung braucht Zeit. Dem englischen Philosophen Anthony Appiah zufolge, gibt es 5 Phasen, in denen sich sogenannte moralische Revolutionen vollziehen.

    Phase 1: Problem wird nicht gesehen

    Phase 2: Anerkennung, aber kein persönlicher Bezug

    Phase 3: Anerkennung des persönlichen Bezugs, aber Nennung von Gründen, warum kein Handeln möglich ist

    Phase 4: Handeln

    Phase 5: Im Rückblick: Unverständnis, dass die alte Praxis je bestehen konnte

    Sich also immer wieder zu vergegenwärtigen, was bereits vorangeschritten ist, wo wir uns verbessert haben, im privaten, wie im gesellschaftlichen Kontext, ist, glaube ich zumindest, essentiell, um die Hoffnung zu bewahren. Darum braucht es in meinen Augen auch mehr kollektive Utopien und neue Narrative für unsere Zukunft als Gesellschaft. Die uns Mut machen mitzugestalten und unsere Handlungsspielräume zu nutzen.

    Denn eines ist glasklar: Zukunft passiert nicht. Zukunft wird gemacht. Und zwar von uns allen. Darum zum Abschluss die Worte des französischen Philosophen Francis Bacon: „Wenn Zukunft eine Perspektive ist, dann sollte man in der Gegenwart damit beginnen, sie zu gestalten.“

    In dem Sinne, lass uns gemeinsam die Zukunft gestalten! 

     

    Marilena Berends, Podcast Sinneswandel
    Folge #125

5. August 2019
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